Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.11.2022, Az. V ZB 38/22

5. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 8080

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Tenor

Der Antrag des [X.] auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das [X.] hat mit dem am 28. Dezember 2021 zugestellten Urteil die Klage des [X.] gegen die Beklagte auf Übertragung eines hälftigen Miteigentumsanteils an einem Grundstück abgewiesen. Am 24. Januar 2022 hat der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das beabsichtigte Berufungsverfahren beantragt. Das [X.] hat die Frist zur Begründung des Antrags bis zum 28. März 2022 verlängert. Am 28. März 2022 hat der Kläger den Antrag begründet und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingereicht. Mit Beschluss vom 21. April 2022 hat das [X.] den Antrag zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde, hilfsweise Gegenvorstellung, mit der der Kläger die Angaben zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen ergänzt hat, sowie den mit der Erklärung, das Berufungsverfahren solle unabhängig von der Bewilligung der Prozesskostenhilfe durchgeführt werden, verbundenen Antrag des [X.] auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat das [X.] mit Beschluss vom 19. Mai 2022 zurückgewiesen. Mit Schriftsatz vom 7. Juni 2022 hat der Kläger dagegen sowie gegen die Versagung der Prozesskostenhilfe erneut Gegenvorstellung eingelegt.

2

Mit Beschluss vom 28. Juni 2022 hat das [X.] die Berufung des [X.] verworfen und die Gegenvorstellungen zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Rechtsbeschwerde, für die er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt.

II.

3

Das Berufungsgericht meint, die Berufung sei unzulässig, weil sie nicht rechtzeitig innerhalb der Frist des § 517 ZPO eingelegt worden sei. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könne dem Kläger nicht gewährt werden, weil er nicht ohne sein Verschulden die Berufungsfrist versäumt habe. Eine arme Partei habe zwar grundsätzlich einen Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn sie ihr Prozesskostenhilfegesuch bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist eingereicht habe. Das setze allerdings voraus, dass dem Antrag auf Prozesskostenhilfe innerhalb der Rechtsmittelfrist die ausgefüllte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und die insoweit notwendigen Belege beigefügt seien. Daran fehle es. Der Kläger habe unvollständige Angaben gemacht und deshalb nicht davon ausgehen können, rechtzeitig innerhalb der Berufungsfrist die wirtschaftlichen Verhältnisse für die Gewährung von Prozesskostenhilfe hinreichend dargetan zu haben. Eines gerichtlichen Hinweises habe es nicht bedurft, weil die unvollständigen Angaben erst am letzten [X.] [X.] eingegangen seien und eine Vervollständigung nicht mehr fristgerecht gewesen wäre.

III.

4

Der Antrag des [X.] auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist zurückzuweisen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

5

Die gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO nur hinsichtlich der Verwerfung der Berufung statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO sind nicht erfüllt. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) noch ist eine Entscheidung des [X.] zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Das Berufungsgericht hat dem Beklagten den Zugang zu der an sich gegebenen Berufung nicht unzumutbar erschwert und dessen Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) nicht verletzt.

6

1. Das Berufungsgericht hat die Berufung zu Recht als unzulässig verworfen, weil sie nicht innerhalb der Frist des § 517 ZPO eingelegt worden ist. Dem Kläger ist gegen die Versäumung der Berufungsfrist keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt worden.

7

2. Auf die Versagung der Wiedereinsetzung mit Beschluss vom 19. Mai 2022 kann der Kläger die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss vom 28. Juni 2022 nicht stützen.

8

a) Liegt neben der Berufung oder der Berufungsbegründung ein Wiedereinsetzungsantrag vor, sind Verhandlung und Entscheidung über das Rechtsmittel und die Wiedereinsetzung miteinander zu verbinden (§ 238 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Weist das Gericht das Wiedereinsetzungsgesuch zurück, ist zugleich über die Berufung zu entscheiden. Entscheidet das Berufungsgericht - wie hier - ausnahmsweise zunächst nur über das Wiedereinsetzungsgesuch (§ 238 Abs. 1 Satz 2 ZPO) und weist es dieses durch Beschluss zurück, muss diese Entscheidung gesondert mit der Rechtsbeschwerde gemäß § 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO angefochten werden, um sie nicht in Rechtskraft erwachsen zu lassen. Nur in diesem Rahmen können die Wiedereinsetzungsgründe durch das [X.] geprüft werden (vgl. zu § 519b Abs. 1 ZPO aF [X.], Beschluss vom 7. Oktober 1981 - [X.], NJW 1982, 887 Rn. 5 mwN). Unterbleibt die Anfechtung des Beschlusses, mit dem der Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen worden ist, ist dies für die Entscheidung über der Verwerfung der Berufung bindend (vgl. [X.], Beschluss vom 16. April 2002 - [X.], NJW 2002, 2397 mwN), sofern nicht neue Wiedereinsetzungsgründe fristgerecht geltend gemacht werden (vgl. [X.], Beschluss vom 8. Januar 2016 - [X.]/15, NJW-RR 2016, 507 Rn. 14).

9

b) So ist es hier. Über die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist hat das Berufungsgericht mit Beschluss vom 19. Mai 2022 gesondert entschieden. Diese Entscheidung ist rechtskräftig geworden, nachdem der Kläger sie nicht mit Rechtsbeschwerde angefochten hat.

c) Soweit sich das Berufungsgericht im Rahmen der Entscheidung über die Gegenvorstellung gegen den Beschluss vom 19. Mai 2022 erneut mit denselben [X.] befasst hat, war dies zwar rechtsfehlerhaft. Der Beschluss, mit dem die Wiedereinsetzung versagt worden ist, unterlag der Rechtsbeschwerde und war in entsprechender Anwendung von § 318 ZPO unabänderlich und damit grundsätzlich bindend (vgl. Senat, Beschluss vom 20. Oktober 2022 - [X.], zur [X.] bestimmt, mwN). Dieser Rechtsfehler hat sich aber nicht ausgewirkt, und insoweit ist die Rechtsbeschwerde mangels Statthaftigkeit auch unzulässig (§ 574 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

3. Unabhängig davon ist die Begründung, mit der das Berufungsgericht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist versagt hat, nicht zu beanstanden. Sie entspricht der Rechtsprechung des [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 13. Dezember 2016 - [X.], NJW-RR 2017, 691 Rn. 11 ff.; Beschluss vom 9. März 2021 - [X.], NJW-RR 2021, 568 Rn. 20; jeweils mwN).

Brückner     

  

Haberkamp     

  

[X.]

  

Malik     

  

Laube     

  

Meta

V ZB 38/22

17.11.2022

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend Brandenburgisches Oberlandesgericht, 28. Juni 2022, Az: 5 U 25/22

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.11.2022, Az. V ZB 38/22 (REWIS RS 2022, 8080)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 8080

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