Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.01.2006, Az. I ZR 151/02

I. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 5527

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[X.] 151/02 vom 19. Januar 2006 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.] : nein [X.]R : ja

Jeans II UWG § 4 Nr. 9 Buchst. a; ZPO § 321a Zur Geltendmachung einer Verletzung der Pflicht zur Vorlage an den Gerichts-hof der Europäischen Gemeinschaften nach Art. 234 [X.] im Rahmen der Anhö-rungsrüge nach § 321a ZPO. [X.], [X.]. v. 19. Januar 2006 - I ZR 151/02 - [X.] [X.] - 2 - Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat am 19. Januar 2006 durch [X.] Dr. [X.] und [X.] v. Ungern-Sternberg, [X.], [X.] und Dr. Bergmann beschlossen: Die Anhörungsrüge gegen das [X.]surteil vom 15. September 2005 wird zurückgewiesen.

Gründe: [X.] In dem vorausgegangenen Rechtsstreit ist die Beklagte durch das Be-rufungsgericht nach den Grundsätzen des ergänzenden wettbewerbsrechtli-chen Leistungsschutzes (§ 1 UWG a.F., §§ 3, 4 Nr. 9 lit. [X.]) zur [X.] und zur Auskunftserteilung verurteilt worden. Zudem hat das Berufungs-gericht die Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz festgestellt. Der [X.] hat mit Urteil vom 15. September 2005 die Revision der Beklagten zurück-gewiesen ([X.], 75). 1 Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit der Anhörungsrüge. 2 I[X.] Die gemäß § 321a ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Ge-hörsrüge ist nicht begründet. 3 - 3 - 1. Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, der Streitfall werfe die ge-meinschaftsrechtlich relevante Frage auf, ob Art. 96 Abs. 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 6/2002 des Rates vom 12. Dezember 2001 über das Gemeinschafts-geschmacksmuster (ABl. [X.] vom 5. Januar 2002, [X.]) zur Folge habe, dass für ein gemeinschaftsrechtlich nicht eingetragenes Geschmacksmuster nach Ablauf der dreijährigen Schutzdauer gemäß Art. 11 Abs. 1 der Verordnung noch ein wettbewerbsrechtlicher Schutz nach nationalem Recht bestehen kön-ne. Der [X.] hätte diese Frage dem Gerichtshof der Europäischen Gemein-schaften gemäß Art. 234 [X.] vorlegen müssen. Ob eine solche Vorlage erwo-gen worden sei, sei dem [X.]surteil nicht zu entnehmen. 4 a) Gemäß § 321a ZPO ist auf die Rüge der durch die Entscheidung be-schwerten [X.] das Verfahren fortzuführen, wenn die Entscheidung mit Rechtsbehelfen nicht mehr anfechtbar ist und das Gericht den Anspruch dieser [X.] auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. 5 Die Gerichte sind nach dem Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verpflichtet, das Vorbringen der [X.]en zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen ([X.] 47, 182, 187; 96, 205, 216). Dass die Beklagte in dem der [X.]sentscheidung vorausgegangenen Rechts-streit in den Instanzen oder im Revisionsverfahren ein Vorabentscheidungser-suchen an den [X.] nach Art. 234 Abs. 1 und Abs. 3 [X.] angeregt hat, hat die Beklagte in der Anhörungsrüge nicht dargelegt. Vielmehr macht sie die Notwendigkeit einer Vorlage an den [X.] wegen des Verhältnisses von Ansprüchen nach den Grundsätzen des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes (§§ 3, 4 Nr. 9 UWG) zum Schutz eines nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters nach der [X.] erstmals mit der Anhörungsrüge geltend. Der von der Beklagten 6 - 4 - gerügte Verstoß gegen die Vorlagepflicht nach Art. 234 Abs. 1 und Abs. 3 [X.] betrifft deshalb nicht das Gebot rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG, sondern den Anspruch auf [X.] gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. [X.] 73, 339, 366; 82, 159, 194; [X.] DVBl 2004, 1411, 1412). Ob ein Verstoß gegen den Anspruch auf [X.] in entsprechender Anwendung des § 321a ZPO gerügt werden kann, braucht im Streitfall nicht abschließend entschieden zu werden (bejahend: [X.]/[X.], ZPO, 25. Aufl., § 321a Rdn. 3; [X.]/[X.]/[X.], ZPO, 27. Aufl., § 321a Rdn. 8; kritisch zur Beschränkung des § 321a ZPO auf einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG auch: Musielak, ZPO, 4. Aufl., § 321a Rdn. 7, [X.] 26.4.2005; offen gelassen: Begründung zum Re-gierungsentwurf BR-Drucks. 663/04, [X.]). Für eine analoge Anwendung des § 321a ZPO auf die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf [X.] spricht die Rechtsprechung des [X.], wonach Verstöße gegen Verfahrensgrundrechte durch Selbstkontrolle der Fachgerichte im Instanzenzug oder eine analoge Anwendung von [X.] be-hoben werden sollen (vgl. [X.]. v. 30.4.2003 - 1 PBvU 1/01, [X.] 107, 395, 397). Zu den Verfahrensgrundrechten, die der Einhaltung eines rechtsstaatlichen Mindeststandards dienen, zählt auch Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ([X.] 107, 395, 407). Dass das [X.] im Plenar-beschluss vom 30. April 2003 einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip i.V. mit Art. 103 Abs. 1 GG festgestellt hat, wenn eine Verfahrensordnung keine fachgerichtliche Abhilfemöglichkeit für den Fall vorsieht, dass ein Gericht in ent-scheidungserheblicher Weise den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, schließt eine analoge Anwendung des § 321a ZPO auf eine Verletzung des Anspruchs auf [X.] nicht aus (vgl. auch [X.] NJW 2004, 2529; BFH NJW 2005, 526). Denn der Vorlagebeschluss des 1. [X.]s des [X.] war auf eine behauptete Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG beschränkt ([X.] 107, 395, 408). Die Frage der analogen [X.] - wendung des § 321a ZPO auf eine Verletzung des Anspruchs auf [X.] kann aber deshalb offen bleiben, weil gegen dieses Grundrecht vorliegend nicht verstoßen worden ist. 7 b) Eine Vorlage an den [X.] ist nicht erforderlich, wenn die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, dass keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel an der Entscheidung der gestellten Rechtsfrage bleibt und wenn das nationale Ge-richt davon überzeugt ist, dass auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaa-ten und den Gerichtshof die gleiche Gewissheit bestünde (st. [X.]pr.: [X.], Urt. v. 6.10.1982 - [X.]. 283/81, Slg. 1982, 3415 = NJW 1983, 1257 [X.]. 16 - [X.]; Urt. v. 15.9.2005 - [X.]. [X.]/03, [X.], 1236 [X.]. 33). Davon ist bei der Frage auszugehen, ob ein Anspruch aus ergänzendem wettbewerbsrechtli-chem Leistungsschutz wegen vermeidbarer Herkunftstäuschung nach §§ 3, 4 Nr. 9 lit. [X.] deshalb ausgeschlossen ist, weil für das streitgegenständliche Modell auch ein Schutz nach Art. 3 ff. [X.] hätte in Anspruch genommen werden können. Der [X.] hat diese Frage in Übereinstimmung mit den in der Literatur vertretenen Auffassungen verneint ([X.] in [X.]/v. Falcken-stein, Geschmacksmustergesetz, 3. Aufl., Allgemeines Rdn. 53; [X.]/[X.], UWG, § 4 Nr. 9 Rdn. 41 f.; [X.] in Hefermehl/[X.]/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 24. Aufl., § 4 UWG Rdn. 9.8; [X.], [X.], 2002, 595, 611; [X.], [X.], 1119, 1123; [X.], [X.], 2003, 221, 223; [X.]/[X.], [X.]. 2004, 821, 826; [X.], [X.], 189, 192). Denn die Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung lässt Bestimmungen der Mitgliedstaaten über den unlauteren Wettbewerb unberührt (Art. 96 Abs. 1 [X.], vgl. auch Erwägungsgrund Nr. 31 der Verordnung). [X.] Nebeneinander von Geschmacksmusterschutz und ergänzendem wettbe-werbsrechtlichem Leistungsschutz ist aufgrund der unterschiedlichen [X.] und Rechtsfolgen gerechtfertigt. Während der Musterschutz - 6 - an die Neuheit und Eigenart des Gemeinschaftsgeschmacksmusters anknüpft (Art. 5, 6 [X.]) und einen zeitlich auf drei Jahre befristeten Schutz begründet (Art. 11 [X.]), setzt der ergänzende wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz nach §§ 3, 4 Nr. 9 lit. [X.] mit dem Vorliegen einer vermeidbaren Herkunfts-täuschung ein Unlauterkeitsmerkmal voraus und führt zu einem zeitlich nicht von vornherein befristeten Anspruch. Anders als die Beklagte erstmals mit der Anhörungsrüge geltend macht, bedarf es deshalb auch keiner Modifikation der [X.]srechtsprechung zum ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungs-schutz. Dieses Ergebnis ist eindeutig. Ein Vorabentscheidungsersuchen nach den Maßstäben der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Ge-meinschaften war nicht geboten. Unberührt davon ist die im Streitfall nicht ent-scheidungserhebliche Frage nach dem Verhältnis des Gemeinschaftsge-schmacksmusterschutzes zum wettbewerbsrechtlichen Saisonschutz für eine Modeneuheit, der eine vermeidbare Herkunftstäuschung nicht voraussetzt (vgl. zu § 1 UWG a.F.: [X.], Urt. v. 10.11.1983 - I ZR 158/81, [X.], 453, 454 = [X.], 259 - Hemdblusenkleid; zum Schutzverhältnis vgl. [X.]/ Loschelder/[X.], Handbuch des Wettbewerbsrechts, 3. Aufl., § 43 Rdn. 143; [X.], [X.] nach [X.] und [X.] Recht, 2005, [X.] f.). - 7 - 2. Die Anhörungsrüge ist auch nicht im Hinblick auf den Vortrag der [X.] zur Notwendigkeit der Einholung eines Sachverständigengutachtens durch das Berufungsgericht begründet. Das Vorbringen ist berücksichtigt; eine Beweiserhebung war nicht erforderlich. 8 [X.] v. Ungern-Sternberg [X.]

[X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 04.05.2001 - 15 O 719/99 - [X.], Entscheidung vom 11.01.2002 - 5 U 182/01 -

Meta

I ZR 151/02

19.01.2006

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.01.2006, Az. I ZR 151/02 (REWIS RS 2006, 5527)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 5527

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