Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.05.2007, Az. IX ZR 97/06

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2007, 3672

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/06 Verkündet am: 24. Mai 2007 [X.] als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja [X.] § 133 Zur Widerlegung der Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 [X.] muss der Anfech-tungsgegner konkrete Umstände darlegen und beweisen, die es naheliegend er-scheinen lassen, dass ihm der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners nicht bekannt war. [X.], [X.]eil vom 24. Mai 2007 - [X.]/06 - [X.] [X.]

- 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 24. Mai 2007 durch [X.] [X.], [X.], [X.], [X.] und die Richterin [X.] für Recht erkannt: Auf die Rechtsmittel des [X.] werden das [X.]eil des 15. Zivil-senats des [X.] vom 12. April 2006 und das [X.]eil der 9. Zivilkammer des [X.] vom 6. Juli 2005 aufgehoben. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 191.419,76 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. Oktober 2003 zu zahlen. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt. Von Rechts wegen

Tatbestand: Der Kläger ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der [X.] (fortan: Schuldnerin). Diese - ein Unternehmen mit etwa 70 bis 80 Arbeitnehmern und einem Jahresumsatz von mehr als 5 Mio. Euro, das überwiegend für öffentliche Auftraggeber arbeite-te - geriet ab März 2002 mit der Abführung von Lohn- und Umsatzsteuern in Rückstand. Am 17. Mai 2002 stundete das zuständige Finanzamt des beklagten 1 - 3 - [X.] die Rückstände von zu diesem [X.]punkt 117.251,91 Euro. Die verein-barten Raten wurden nicht entrichtet. Im Juli 2002 betrugen die Rückstände 165.276,70 Euro, Mitte August 2002 327.157,70 Euro. Mit Schreiben vom 19. August 2002 lehnte das Finanzamt eine erneute Stundung ab und erklärte, der Vorgang werde nunmehr der [X.] übergeben. Mit Schreiben vom 2. September 2002 kündigte die Schuldnerin die Zahlung eines Betrages von 87.366 Euro sowie monatlicher Raten von 20.000 Euro ab September 2002 auf die Rückstände an. Zahlungen erfolgten am 20. September 2002 in Höhe von 107.366 Euro, am 20. November 2002 in Höhe von 19.749,08 Euro und am 17. Dezember 2002 in Höhe von 64.304,68 Euro. Im Dezember 2002 betrugen die Rückstände 472.789,37 Euro. Im Jahre 2003 stiegen die Rückstände auf 550.245,48 Euro im Januar und 613.070,19 Euro im Februar an. Ende März 2003 begann die [X.] mit Vollstreckungsmaßnahmen und rich-tete ein Aufrechnungsersuchen bezüglich öffentlicher Baumaßnahmen an das Baureferat. Auf Eigenantrag der Schuldnerin vom 8. Mai 2003 wurde am 26. August 2003 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet. Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt der Kläger Rückgewähr der drei Zahlungen von insgesamt 191.419,76 Euro nebst Zinsen. Die Vorinstanzen ha-ben die Klage abgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen [X.] verfolgt der Kläger seinen bisherigen [X.] weiter. 2 Entscheidungsgründe: Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Ur-teils und zur antragsgemäßen Verurteilung des beklagten [X.]. 3 - 4 - [X.] 4 Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen des [X.] des § 133 Abs. 1 [X.] für nicht erfüllt angesehen. Im [X.] an die Entscheidungsgründe des [X.] hat es den [X.] der Schuldnerin sowie die Kenntnis der für das beklagte [X.] Sachbearbeiterin von einer mindestens drohenden Zahlungsunfähigkeit und einer Benachteiligung anderer Gläubiger unterstellt. Dem beklagten Land sei jedoch der Gegenbeweis gelungen. Die Sachbearbeiterin sei davon [X.], dass der "Liquiditätsengpass" vorübergehend sei und aufgrund der hohen Außenstände mit Sicherheit überwunden werden könne, so dass die [X.] anderer ungesicherter Gläubiger nicht gefährdet seien. Diese Über-zeugung habe auf objektiv nachprüfbaren Umständen beruht, die den Schluss auf das Fehlen eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes nachvollziehbar er-scheinen ließen. Noch im [X.]punkt der letzten angefochtenen Zahlung am 17. Dezember 2002 habe Steuerschulden von 472.789,37 Euro und [X.] von 280.518,46 Euro ein [X.] von 748.067,85 Euro gegenüber gestanden; im [X.]raum davor habe der Forderungsbestand die Steuerschulden und sonstigen Verbindlichkeiten überstiegen. I[X.] Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. 5 Grundlage des Begehrens des [X.] ist § 143 Abs. 1 in Verbindung mit § 133 Abs. 1 [X.]. Nach § 133 Abs. 1 [X.] ist eine Rechtshandlung anfechtbar, 6 - 5 - welche der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur [X.] der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Das Berufungsgericht hat - dem [X.] folgend - an-genommen, dass die für das Finanzamt des beklagten [X.] handelnde Sachbearbeiterin die drohende Zahlungsunfähigkeit sowie die Benachteiligung der Gläubiger kannte. Dem Beklagten sei es jedoch gelungen, die daraus fol-gende Vermutung von der Kenntnis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes des Schuldners (§ 133 Abs. 1 Satz 2 [X.]) zu widerlegen. Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. 1. Die Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 [X.] bewirkt eine Umkehr der Beweislast. Während die Voraussetzungen des Anfechtungstatbestandes des § 133 Abs. 1 Satz 1 [X.] vom Insolvenzverwalter zu beweisen sind, obliegt dem [X.] dann, wenn der Vermutungstatbestand des § 133 Abs. 1 Satz 2 [X.] gegeben ist, der Gegenbeweis. Dieser hat sich auf die [X.] zu beziehen, also die Kenntnis des [X.]s vom Be-nachteiligungsvorsatz des Schuldners im [X.]punkt der Vornahme der [X.] Rechtshandlung. Der [X.] muss darlegen und bewei-sen, dass entweder der Schuldner nicht mit [X.] handelte oder dass er, der [X.], nichts von dem [X.] des Schuldners wusste. 7 2. Der Schuldner handelt dann mit [X.], wenn er die Benachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen als Erfolg seiner Rechtshand-lung will oder als mutmaßliche Folge erkennt und billigt ([X.] 155, 72, 84; 162, 143, 153; [X.], [X.]. v. 8. Dezember 2005 - [X.] ZR 182/01, [X.], 159, 161). Er muss also entweder wissen, dass er neben dem [X.] 8 - 6 - nicht alle Gläubiger innerhalb angemessener [X.] befriedigen kann, oder aber sich diese Folge als möglich vorgestellt, sie aber in Kauf genommen haben, ohne sich durch die Vorstellung dieser Möglichkeit von seinem Handeln abhal-ten zu lassen. Ist der Schuldner im [X.]punkt der Vornahme der Rechtshand-lung bereits zahlungsunfähig, handelt er folglich nur dann nicht mit dem [X.], die Gesamtheit der Gläubiger zu benachteiligen, wenn er aufgrund kon-kreter Umstände - etwa der sicheren Aussicht, demnächst Kredit zu erhalten oder Forderungen realisieren zu können - mit einer baldigen Überwindung der Krise rechnen kann. Droht die Zahlungsunfähigkeit, bedarf es konkreter Um-stände, die nahe legen, dass die Krise noch abgewendet werden kann. Entsprechende Anforderungen sind an die Widerlegung der Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 [X.] zu stellen. Entgegen der Ansicht der Revision treffen den [X.] insoweit zwar nicht die Sorgfaltspflichten, [X.] das Gesetz etwa dem Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung auferlegt. Der Gesetzgeber des § 133 Abs. 1 [X.] hat den Schutz des Rechtsverkehrs ebenso im Blick gehabt hat wie das Interesse an einer Masse-anreicherung durch eine Verschärfung des Anfechtungsrechts. Die von der [X.] für erforderlich gehaltenen Prüfungen könnte der [X.] au-ßerdem schon deshalb nicht vornehmen, weil er nicht über die erforderlichen Informationen verfügt. Der Schuldner ist weder verpflichtet, ihm Auskünfte zu erteilen, noch muss er ihm eigene Prüfungen ermöglichen. Gleichwohl kann von demjenigen Gläubiger, der bereits die (drohende) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und die Benachteiligung der Gläubigergesamtheit kennt, verlangt werden, dass er konkrete Umstände darlegt und beweist, die es naheliegend erscheinen lassen, dass ihm der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners nicht bekannt war. 9 - 7 - 3. Die Annahme des [X.], die vom Beklagten vorgetrage-nen und als erwiesen festgestellten Umstände hätten aus der Sicht der Sach-bearbeiterin im [X.]punkt der Zahlungen den Schluss auf eine baldige Überwin-dung der Krise der Schuldnerin zugelassen, beruht auf einer unvollständigen Auswertung des Sachverhalts (§ 286 Abs. 1 ZPO). 10 a) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ist das [X.] eines [X.]es des Schuldners vom Tatrichter auf-grund des Gesamtergebnisses der mündlichen Verhandlung und einer etwaigen Beweisaufnahme gemäß § 286 Abs. 1 ZPO zu entscheiden ([X.] 131, 189, 195 f; [X.], [X.]. v. 17. Juli 2003 - [X.] ZR 272/02, [X.], 597). Dabei sind die in der Rechtsprechung entwickelten Beweisanzeichen und Erfahrungssätze (vgl. etwa [X.], [X.]. v. 8. Dezember 2005 - [X.] ZR 182/01, [X.], 190, 192 f; MünchKomm-[X.]/Kirchhof, § 133 Rn. 27 ff) zu berücksichtigen. Für die Kennt-nis des [X.]s gilt das ebenso. 11 b) Dass die feste Überzeugung der Sachbearbeiterin, die Schuldnerin werde "wieder auf die Füße kommen", zur Widerlegung der Vermutung des § 138 Abs. 1 Satz 2 [X.] nicht ausreicht, hat das Berufungsgericht selbst gese-hen. 12 c) Das Berufungsgericht hat ergänzend darauf hingewiesen, die finan-ziellen Schwierigkeiten seien auch auf eine Erkrankung des Geschäftsführers der Schuldnerin zurückzuführen gewesen, welcher sich in der Vergangenheit stets als zuverlässig erwiesen und Zusagen eingehalten habe. Der [X.] der Schuldnerin mag aus den genannten Gründen zahlungswillig gewe-sen sein. Ob und wann die Schuldnerin ihre Zahlungsfähigkeit wieder erlangen würde, lässt sich daraus jedoch nicht ableiten. 13 - 8 - 14 d) Im Wesentlichen hat das Berufungsgericht auf die Forderungs- und Auftragsbestände verwiesen, welche der Geschäftsführer der Schuldnerin im [X.]raum 22. März 2002 bis 17. Dezember 2002 dem Finanzamt dargelegt ha-be. Die Forderungen hätten sich ganz überwiegend gegen öffentliche Auftrag-geber gerichtet, seien also sicher gewesen, und hätten bis einschließlich [X.] die gesamten ungesicherten Verbindlichkeiten der Schuldnerin abgedeckt. Grundsätzlich können hohe Forderungen gegen solvente Gläubiger ein taugliches Mittel zur Überwindung einer Krise darstellen. Voraussetzung ist [X.], dass sie bestehen, fällig sind und mit baldiger Zahlung zu rechnen ist, so dass die Eingänge alsbald zur Begleichung der fälligen Verbindlichkeiten zur Verfügung stehen. Im vorliegenden Fall hat sich die Sachbearbeiterin des [X.] [X.] aber allein auf die nicht näher belegten Angaben des Ge-schäftsführers der Schuldnerin verlassen. Diese bezogen sich, wie die Zeugin ausgesagt hat, auf Rechnungen der Schuldnerin, die bis dahin nicht geprüft worden waren, deren Höhe also noch nicht feststand. Folglich war noch offen, wann und in welchem Umfang Zahlungen auf die behaupteten hohen [X.] eingehen würden. Außerdem hatte der seit März 2002 behaup-tete Auftrags- und Forderungsbestand nichts an dem stetigen Anstieg der Rückstände geändert, was der Sachbearbeiterin ebenfalls bekannt war. Die Sachbearbeiterin wusste von den hohen laufenden Kosten sowie dem einge-schränkten Kreditrahmen der Schuldnerin. Ihrer eigenen Aussage nach achtete sie nur darauf, ob die Forderungen des Schuldners die Steuerschulden deck-ten, und bewilligte den Zahlungsaufschub insbesondere deshalb, weil [X.] die Möglichkeit bestand, mit Forderungen öffentlicher Auftraggeber aufzurechnen. Dass sie ein Scheitern der Schuldnerin nicht wenigstens für 15 - 9 - möglich hielt, ist in Anbetracht aller dieser Umstände auszuschließen. Die Fest-stellungen des [X.] bilden damit keine tragfähige rechtliche Grundlage für eine Widerlegung der gemäß § 133 Abs. 1 Satz 2 [X.] geltenden Vermutung. II[X.] Das angefochtene [X.]eil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Schon nach dem unstreitigen Sachverhalt liegen die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 143 Abs. 1 [X.], § 133 Abs. 1 [X.] vor. 16 1. Die angefochtenen Zahlungen vom 20. September, 20. November und 17. Dezember 2002 stellten Rechtshandlungen der Schuldnerin dar, die zu [X.] Benachteiligung der Gesamtheit der Gläubiger führten. 17 2. Die Schuldnerin handelte mit [X.]. 18 a) [X.] hat, wer bei Vornahme der Rechtshandlung die Benachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen als Erfolg seiner Rechts-handlung will oder als mutmaßliche Folge erkennt und billigt ([X.] 155, 72, 84; 162, 143, 153). Gewährt der Schuldner dem [X.] - wie hier - eine kongruente Deckung, also nur das, worauf dieser Anspruch hatte, sind an den Nachweis des [X.]es zwar erhöhte Anforderungen zu stellen. In einem solchen Fall will der Schuldner in der Regel nur seine Verbind-lichkeiten begleichen ([X.], [X.]. v. 17. Juli 2003, aaO S. 598; HK-[X.]/[X.], 4. Aufl. § 133 Rn. 14; MünchKomm-[X.]/Kirchhof, § 133 Rn. 33). Nach [X.] - 10 - ger Rechtsprechung des [X.] hat der Schuldner die angefoch-tene Rechtshandlung jedoch dann mit [X.] vorgenommen, wenn er zur [X.] ihrer Wirksamkeit (§ 140 [X.]) zahlungsunfähig war ([X.] 155, 75, 83 f; 162, 143, 153; 167, 190, 195; [X.], [X.]. v. 8. Dezember 2005, aaO S. 193; krit. [X.], Handbuch des [X.]. 5 Rn. 46, 48). b) Die Schuldnerin war im [X.]punkt der Zahlungen zahlungsunfähig. 20 aa) Zahlungsunfähig ist ein Schuldner, der nicht in der Lage ist, die [X.] Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzu-nehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat (§ 17 Abs. 2 [X.]). 21 [X.]) Das [X.], auf dessen Ausführungen das Berufungsgericht Bezug genommen hat, hat zutreffend angenommen, dass die Schuldnerin be-reits vor der ersten Zahlung am 20. September 2002, nämlich spätestens im August 2002, ihre Zahlungen eingestellt hatte, weil sie nicht in der Lage war, die fälligen Steuern in Höhe von insgesamt 327.233,65 Euro sowie die offenen So-zialversicherungsbeiträge von 222.828,63 Euro (am 31. Juli 2002) bzw. 206.034 Euro (am 31. August 2002) zu begleichen. Die tatsächliche Nichtzah-lung eines erheblichen Teils der fälligen Verbindlichkeiten reicht auch dann für eine Zahlungseinstellung aus, wenn die tatsächlich noch geleisteten Zahlungen beträchtlich sind, aber im Verhältnis zu den fälligen Gesamtschulden nicht den wesentlichen Teil ausmachen ([X.], [X.]. v. 12. Oktober 2006 - [X.] ZR 228/03, [X.], 36, 37). 22 cc) Eine einmal eingetretene Zahlungseinstellung kann nur dadurch [X.] beseitigt werden, dass der Schuldner seine Zahlungen insgesamt wieder 23 - 11 - aufnimmt ([X.], [X.]. v. 8. Dezember 2005, aaO S. 193; [X.]. v. 12. Oktober 2006, aaO). Das war hier nicht der Fall. Die Schuldnerin hat zwar bis ein-schließlich Dezember 2002 nicht nur die hier streitigen Zahlungen von 191.419,76 Euro an das beklagte Bundesland erbracht, sondern auch die [X.] und -gehälter ihrer etwa 70 bis 80 Arbeitnehmer entrichtet, insgesamt 80.000 Euro an Sozialversicherungsträger gezahlt und auch die übrigen laufen-den Kosten des Betriebes aufgebracht. Lieferantenrechnungen sind - bis auf einen Betrag von 26.000 Euro, der aber frühestens im November 2002 in Rech-nung gestellt worden sein kann - anscheinend ebenfalls bezahlt worden. Die Steuerschulden sind jedoch bis Dezember 2002 auf insgesamt 472.789,37 Euro angestiegen; die Rückstände bei den Sozialversicherungsträgern betrugen am 31. Dezember 2002 schließlich 280.518,46 Euro. Von einer Wiederaufnahme der Zahlungen kann angesichts dessen nicht die Rede sein.
3. Weitere Voraussetzung des Anfechtungstatbestandes des § 133 Abs. 1 [X.] ist schließlich, dass der [X.] den [X.] kannte. Seine Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte (§ 133 Abs. 1 Satz 2 [X.]). Dies ist in der Regel anzunehmen, wenn die Verbindlichkeiten des Schuldners bei dem späteren [X.] über einen längeren [X.]raum hinweg ständig in beträchtlichem Umfang nicht ausgeglichen werden und jenem den Umständen nach bekannt ist, dass es noch weitere Gläubiger mit ungedeckten Ansprüchen gibt (vgl. [X.] 155, 75, 85 f; [X.], [X.]. v. 17. Februar 2004 - [X.] ZR 318/01, [X.], 669, 671). Solche Umstände lagen unstreitig vor. 24 a) Der Beklagte wusste von einer - drohenden oder bereits eingetrete-nen - Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin. Kennt ein Gläubiger tatsächliche 25 - 12 - Umstände, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene Zah-lungsunfähigkeit des Schuldners hinweisen, spricht eine tatsächliche Vermu-tung dafür, dass er auch die (drohende) Zahlungsunfähigkeit kennt ([X.], [X.]. v. 17. Juli 2003, aaO S. 599; [X.]. v. 12. Oktober 2006, aaO [X.]). Das war hier der Fall. Die im fraglichen [X.]raum zuständige Sachbearbeiterin des Finanz-amts des beklagten [X.] wusste von den hohen Steuerrückständen, die im Verlauf des Jahres 2002 stetig angestiegen waren. Die Schuldnerin hatte - etwa im Schreiben vom 2. September 2002 - Raten mit dem Hinweis angeboten, zu höheren Zahlungen derzeit nicht in der Lage zu sein; auch die in diesem Schreiben und in der Folgezeit versprochenen Zahlungen wurden nur teilweise oder gar nicht erbracht. Trotz der streitgegenständlichen erheblichen Zahlungen gelang es der Schuldnerin nicht, die Rückstände zu begleichen und die laufen-den Zahlungen aufzunehmen; vielmehr stiegen die Rückstände auch in der [X.] von August bis Dezember 2002 weiter auf zuletzt 472.789,37 Euro am 17. [X.] an. b) Der Beklagte hatte schließlich auch Kenntnis von der durch die [X.] bewirkten Gläubigerbenachteiligung. Die zuständige Sachbearbeiterin kannte die Größenordnung der Lohn- und Umsatzsteueranmeldungen der Schuldnerin und wusste daher auch von der Existenz anderer Gläubiger, insbe-sondere der Arbeitnehmer und Sozialversicherungsträger. Dass die Schuldnerin nicht nur die Steuern nicht vollständig zahlen konnte, lag angesichts der Höhe der Rückstände und der Dauer der Krise, die sich im August 2002 bereits seit mehr als einem halben Jahr hinzog, auf der Hand. Tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass gleichwohl bis auf die Steuern sämtliche Verbindlichkeiten begli-chen werden konnten und beglichen worden waren, hatte die Sachbearbeiterin nicht. Sie wusste vielmehr, dass die Zahlungen an den Beklagten auch zur Vermeidung eines [X.] geleistet wurden, welches die 26 - 13 - Schuldnerin von der Vergabe weiterer öffentlicher Aufträge ausgeschlossen hätte und das der Geschäftsführer der Schuldnerin deshalb besonders [X.]. Die Benachteiligung anderer Gläubiger, die über ein vergleichbares Druck-mittel nicht verfügten, lag angesichts dessen auf der Hand.
[X.] Das angefochtene [X.]eil kann daher keinen Bestand haben. Es ist auf-zuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung des [X.]eils nur wegen Rechts-verletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der [X.] eine eigene Sachentscheidung zu treffen. Die Klage hat in vollem Umfang Erfolg. Gemäß § 133 Abs. 1, § 143 Abs. 1 Satz 1 [X.] hat der Beklagte die ge- 27 - 14 - zahlten 191.419,76 Euro zurückzugewähren. Der Zinsanspruch folgt aus § 286 Abs. 1 Satz 1, § 288 Abs. 1 BGB. [X.] [X.] [X.]

[X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 06.07.2005 - 9 O 9165/04 - [X.], Entscheidung vom [X.] - 15 U 3980/05 -

Meta

IX ZR 97/06

24.05.2007

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.05.2007, Az. IX ZR 97/06 (REWIS RS 2007, 3672)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 3672

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