Bundesgerichtshof, Urteil vom 14.10.2015, Az. IV ZR 359/13

4. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 3965

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Rentenversicherungsvertrag im Policenmodell: Anforderungen an eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung; Vereinbarkeit des sog. Policenmodells nach altem Recht mit Gemeinschaftsrecht; treuwidrige Berufung des Versicherungsnehmers auf die Unwirksamkeit eines Rentenversicherungsvertrags


Tenor

Die Revision der Klägerseite gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des [X.] vom 18. September 2013 wird auf deren Kosten zurückgewiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 6.065,99 € festgesetzt.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden [X.]) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer [X.].

2

Diese wurde aufgrund eines Antrags [X.] mit Versicherungsbeginn zum 1. September 1996 nach dem so genannten Policenmodell des § 5a [X.] in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden § 5a [X.] a.F.) abgeschlossen.

3

D. [X.] zahlte von September 1996 bis Juni 2009 Prämien in Höhe von insgesamt 4.413,17 €. Im Mai 2001 verpfändete [X.] die Ansprüche aus der [X.] an eine Bausparkasse. [X.] nahm er ein Vorauszahlungsdarlehen in Höhe von 1.900 € in Anspruch und im [X.] beantragte er Freistellung von der Beitragszahlung. Mit Schreiben vom 24. Juni 2009 kündigte [X.] den Vertrag und der Versicherer zahlte den Rückkaufswert aus. Mit Schreiben vom April 2012 erklärte [X.] den Widerspruch nach § 5a Abs. 1 Satz 1 [X.] a.F.

4

Mit der Klage verlangt [X.] Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten [X.], insgesamt 6.065,99 €.

5

Nach Auffassung [X.] ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen, weil [X.] nicht ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht belehrt wurde und das Policenmodell mit den [X.] der [X.] nicht vereinbar sei.

6

Das [X.] hat die Klage abgewiesen, das [X.] die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt [X.] das Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision hat keinen Erfolg.

8

I. Dieses hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint. Der Versicherer habe zwar nicht ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht belehrt. Der Vertrag sei aber gemäß § 5a Abs. 2 Satz 4 [X.] a.F. ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie endgültig wirksam geworden. Die Regelung des [X.] verstoße nicht gegen [X.] Richtlinien.

9

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.

[X.] [X.] kann nicht gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB Rückzahlung der Prämien verlangen.

1. Die Voraussetzungen für ein Zustandekommen des Versicherungsvertrages sind hier erfüllt. Nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt d. [X.] mit dem Policenbegleitschreiben den Versicherungsschein, die Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformation. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts und der Revision ist auch die Widerspruchsbelehrung inhaltlich ordnungsgemäß; sie genügt den Anforderungen des § 5a Abs. 2 Satz 1 [X.] a.F. Für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer ist deutlich ersichtlich, was mit den Verbraucherinformationen gemeint ist, auf die in der Widerspruchsbelehrung Bezug genommen wird. Deren Satz 1 lautet auszugsweise: "Der Vertrag gilt auf der Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformationen als geschlossen, ... ." Im [X.] an die Widerspruchsbelehrung ist vermerkt, dass dem Versicherungsschein die Vertragsunterlagen "[X.] [X.]" beigefügt sind. Zwar sind die Verbraucherinformationen nicht mit dieser Bezeichnung überschrieben, aus dem Zusammenhang mit der Anmerkung und den tatsächlich übersandten Unterlagen, von denen der Versicherungsschein und die Versicherungsbedingungen auch als solche bezeichnet sind, ergibt sich für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer aber unmissverständlich, dass es sich bei der Anlage [X.] um die Verbraucherinformationen handelt. Bis zum Ablauf der damit in Gang gesetzten 14-tägigen Widerspruchsfrist erklärte d. [X.] den Widerspruch nicht.

2. Ob solchermaßen nach dem [X.] geschlossene Versicherungsverträge wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 5a [X.] a.[X.] unterliegen (vgl. dazu Senatsurteil vom 16. Juli 2014 - [X.], [X.], 102 Rn. 16 ff.; [X.], 693 Rn. 30 ff.), kann im Streitfall dahinstehen. Die von der Revision begehrte Vorlage an den Gerichtshof der [X.]n Union scheidet bereits deshalb aus, weil es auf die Frage, ob das [X.] mit den genannten Richtlinien unvereinbar ist, hier nicht entscheidungserheblich ankommt. [X.] [X.] ist es auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des [X.] nach [X.] und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten. Die [X.]widrigkeit liegt darin, dass d. [X.] nach ordnungsgemäßer Belehrung über die Möglichkeit, den Vertrag ohne Nachteile nicht zustande kommen zu lassen, diesen jahrelang unter regelmäßiger Prämienzahlung durchführte und erst dann von dem Versicherer, der auf den Bestand des [X.] durfte, unter Berufung auf die behauptete Unwirksamkeit des Vertrages Rückzahlung aller Prämien verlangte (vgl. im Einzelnen zu den Maßstäben Senatsurteil vom 16. Juli 2014 aaO Rn. 32-42; [X.] aaO Rn. 42 ff.). [X.] [X.] verhielt sich objektiv widersprüchlich. Die vertraglich eingeräumte und bekannt gemachte Widerspruchsfrist blieb bei Vertragsschluss 1996 ungenutzt. [X.] [X.] zahlte bis zur Kündigung im Juni 2009 mehr als 11 Jahre die Versicherungsprämien und ließ danach nochmals fast drei Jahre bis zur Erklärung des Widerspruchs vergehen. Die jahrelangen Prämienzahlungen des bereits im Jahre 1996 über die Möglichkeit, den Vertrag nicht zustande kommen zu lassen, belehrten [X.] und seine trotz dieser Belehrung zunächst nur für die Zukunft ausgesprochene Beendigung im Juni 2009 haben bei dem Versicherer ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrages für die Vergangenheit begründet. Dies gilt umso mehr als d. [X.] über die Versicherung auch verfügt hat, insbesondere verpfändete er seine Ansprüche aus der Rentenversicherung im Mai 2001 an eine Bausparkasse. Diese vertrauensbegründende Wirkung war für d. [X.] auch erkennbar.

Die Frage einer möglichen Vorlage an den Gerichtshof der [X.]n Union in einem Fall, in dem kein widersprüchliches Verhalten des Versicherungsnehmers festgestellt werden kann, stellt sich im Streitfall nicht.

[X.]                                [X.]                                Dr. Karczewski

                   [X.] Brockmöller

Meta

IV ZR 359/13

14.10.2015

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Frankfurt, 18. September 2013, Az: 7 U 120/13

§ 5a Abs 1 VVG vom 21.07.1994, § 5a Abs 2 S 1 VVG vom 21.07.1994, § 10a VAG, § 242 BGB, § 812 Abs 1 S 1 Alt 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 14.10.2015, Az. IV ZR 359/13 (REWIS RS 2015, 3965)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 3965

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IV ZR 359/13 (Bundesgerichtshof)


IV ZR 155/14 (Bundesgerichtshof)

Rentenversicherungsvertrag im Policenmodell: Anforderungen an eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung bei Übersendung zusätzlicher Unterlagen; Vereinbarkeit des sog. …


IV ZR 36/13 (Bundesgerichtshof)

Rentenversicherungsvertrag nach dem sog. Policenmodell: Treuwidrigkeit des Widerspruchs eines ordnungsgemäß belehrten Versicherungsnehmers nach jahrelanger Vertragsdurchführung


IV ZR 293/14 (Bundesgerichtshof)

Lebensversicherung im Policenmodell: Anforderungen an eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung; Vereinbarkeit des sog. Policenmodells nach altem Recht …


IV ZR 105/13 (Bundesgerichtshof)

Versicherungsvertrag nach dem sog. Policenmodell: Begriff der "Textform" in der Widerspruchsbelehrung


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.