Bundesgerichtshof, Urteil vom 29.09.2020, Az. VI ZR 271/19

6. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 808

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Gegenstand

Abrechnung auf Neuwagenbasis bei Beschädigung eines fabrikneuen Fahrzeugs


Leitsatz

Zur Abrechnung auf Neuwagenbasis bei Beschädigung eines fabrikneuen Fahrzeugs (Bestätigung Senatsurteil vom 9. Juni 2009 - VI ZR 110/08, BGHZ 181, 242).

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des 22. Zivilsenats des [X.] mit Sitz in [X.] vom 6. Juni 2019 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagten auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 14. November 2017 in Anspruch, für den die Beklagten unstreitig dem Grunde nach voll einstandspflichtig sind.

2

Der Kilometerstand des von dem Kläger für einen Kaufpreis in Höhe von 37.181 € neu erworbenen, am 25. Oktober 2017 erstmals zugelassenen und bei dem Unfall beschädigten Fahrzeugs [X.] betrug am Unfalltag 571 Kilometer. Der Kläger holte ein Gutachten der [X.] ein, das Reparaturkosten von 5.287,43 € brutto und eine Wertminderung von 1.000 € ausweist.

3

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Zahlung von 37.923,32 € nebst Zinsen (Kosten für einen Neuwagen in Höhe von 37.181 €, Sachverständigenkosten in Höhe von 712,32 € und eine Kostenpauschale in Höhe von 30 €). Das [X.] hat der Klage in Höhe von 37.918,32 € nebst Zinsen stattgegeben und sie im Übrigen wegen eines [X.] der Kostenpauschale abgewiesen. Das [X.] hat das Urteil auf die Berufung der Beklagten abgeändert und die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 6.180,54 € (Reparaturkosten netto in Höhe von 4.443,22 €, Sachverständigenkosten in Höhe von 712,32 €, Wertminderung in Höhe von 1.000 € sowie Kostenpauschale in Höhe von 25 €) nebst Zinsen zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

4

Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den von ihm geltenden gemachten Anspruch auf [X.] in Höhe von 31.787,78 € weiter. Mit in der Revisionsinstanz erstmals gestelltem Hilfsantrag begehrt er die Feststellung, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger gegen Vorlage einer Originalrechnung den Rechnungsbetrag bis zu einer maximalen Höhe des Listenpreises des Herstellers für ein identisch ausgestattetes Fahrzeug [X.] (Typ: […]), welcher über den Betrag von 6.180,54 € hinausgeht, Zug um Zug gegen Übereignung des PKW [X.]] zu ersetzen.

Entscheidungsgründe

I.

5

Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Berufungsgericht ausgeführt, der Kläger könne Schadensersatz im Hinblick auf den [X.] nicht geltend machen. Der Kläger habe unstreitig keinen Neuwagen angeschafft. Nach der Rechtsprechung des [X.] könne ein Geschädigter, dessen neues Fahrzeug erheblich beschädigt worden sei, den Schaden nur dann auf Neuwagenbasis abrechnen, wenn er ein fabrikneues Ersatzfahrzeug gekauft habe. Eine fiktive Abrechnung auf Neuwagenbasis sei unzulässig. Für die Abrechnung auf Neuwagenbasis genüge auch nicht, dass der Kläger vortrage, bisher eine Neuanschaffung nur aus finanziellen Gründen unterlassen zu haben.

II.

6

Das hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.

7

1. Die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs ist in erster Linie Sache des dabei nach § 287 ZPO besonders freigestellten Tatrichters und revisionsrechtlich lediglich daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der [X.] verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer [X.] gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (st. Rspr., vgl. etwa [X.]surteil vom 29. Oktober 2019 - [X.], NJW 2020, 144 Rn. 8 mwN). Solche Fehler zeigt die Revision nicht auf und sind auch nicht ersichtlich.

8

a) In zutreffender Anwendung der [X.]srechtsprechung geht das Berufungsgericht davon aus, dass der Eigentümer eines fabrikneuen Fahrzeugs mit einer Laufleistung von nicht mehr als 1.000 km im Falle dessen - hier mangels Feststellungen des Berufungsgerichts zugunsten der Revision zu [X.] - erheblicher Beschädigung (nur dann) berechtigt ist, Ersatz der Kosten für die Beschaffung eines Neufahrzeugs zu verlangen, wenn er ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug erworben hat ([X.], Urteil vom 9. Juni 2009 - [X.]/08, [X.], 242 Rn. 16 ff.; [X.] in [X.], 2017, [X.] § 249 Rn. 231; Ekkenga/[X.] in Soergel, [X.], 13. Aufl., § 249 Rn. 169; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 4. Aufl., § 249 Rn. 236 ff.; [X.]/Froitzheim in [X.], Stand 1. Juli 2020, [X.] § 251 Rn. 15; [X.], 2. Aufl., § 251 [X.] Rn. 13; Sanden/Völtz, Sachschadenrecht des Kraftverkehrs, 9. Aufl., Rn. 192; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 26. Aufl., [X.]. 4 Rn. 42; [X.], [X.], 457, 458; [X.] in [X.]/Halm, Handbuch des Fachanwalts Verkehrsrecht, 6. Aufl., [X.]itel 4, Rn. 672; vgl. auch [X.] in MünchKomm[X.], 8. Aufl., § 251 Rn. 26). Daran hält der [X.] fest. Soweit die Rechtsprechung des [X.]s vereinzelt Kritik erfahren hat ([X.] NJW 2009, 2994 ff.; vgl. auch [X.]/[X.] in: [X.]/[X.], jurisPK-Straßenverkehrsrecht, Stand 3. Juli 2020, § 249 [X.] Rn. 82), erweist sich diese entgegen der Ansicht der Revision nicht als durchgreifend. Die Erwägung, ein repariertes Unfallfahrzeug bleibe wertmäßig hinter einem Neuwagen zurück ([X.] NJW 2009, 2994, 2996), lässt den Anspruch auf Ersatz des [X.] unberücksichtigt. Gründe, die bei der Beschädigung eines Neuwagens für die Aufgabe des [X.] (vgl. nur [X.], Urteil vom 7. Juni 2005 - [X.], [X.], 180, 184, juris Rn. 8) und des Bereicherungsverbots sprechen könnten, sind nicht ersichtlich.

9

b) Von der Revision nicht angegriffen hat das Berufungsgericht festgestellt, dass der Kläger kein Neufahrzeug erworben hat.

aa) Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, ist die mit dem erhöhten Schadensausgleich einhergehende Anhebung der "Opfergrenze" des Schädigers allein zum Schutz des besonderen Interesses des Geschädigten am Eigentum und an der Nutzung eines Neufahrzeugs gerechtfertigt. Dies gilt aber nur dann, wenn der Geschädigte im konkreten Einzelfall tatsächlich ein solches Interesse hat und dieses durch den Kauf eines Neufahrzeugs nachweist. Nur in diesem Fall ist die Zuerkennung einer den Reparaturaufwand (zuzüglich des merkantilen Minderwerts) übersteigenden und damit an sich unwirtschaftlichen Neupreisentschädigung mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot und dem Bereicherungsverbot zu vereinbaren ([X.], Urteil vom 9. Juni 2009 - [X.]/08, [X.], 242 Rn. 26).

bb) Entgegen der Ansicht der Revision folgt ein anderes Ergebnis nicht aus dem Einwand des [X.], er habe einen Erwerb aus finanziellen Gründen unterlassen. Unbeschadet der Frage der Relevanz dieses Gesichtspunkts ist der diesbezügliche streitige Vortrag im erstinstanzlichen Schriftsatz vom 19. Juli 2018 substanzlos, nicht unter Beweis gestellt und bereits deshalb nicht erheblich.

c) Schließlich greift auch die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe übersehen, dass der Geschädigte einen Neuwagenkauf nachholen könne und deshalb die Klage nur derzeit unbegründet sei, nicht durch. Das Berufungsgericht hat darauf abgestellt, dass der Kläger keinen Neuwagen gekauft hat und es damit an einer Anspruchsvoraussetzung für die Kostenerstattung fehle. Mit der Frage, wie zu entscheiden ist, wenn der Kläger einen Neuwagen kauft, hat sich das Berufungsgericht nicht befasst. Ein solcher neuer Sachverhalt wird von der Rechtskraft der klageabweisenden Entscheidung nicht erfasst (vgl. [X.], Urteil vom 9. Juni 2009 - [X.]/08, [X.], 242 Rn. 27).

2. Mit dem in der Revisionsinstanz erstmals gestellten Hilfsantrag hatte sich der [X.] inhaltlich nicht zu befassen, weil er unzulässig ist (vgl. nur [X.], Urteile vom 23. Mai 1957 - [X.], [X.]Z 24, 279, 285; vom 7. November 1957 - II ZR 280/55, [X.]Z 26, 31, 37; vom 18. September 1958 - [X.], [X.]Z 28, 131, 137; vom 21. Dezember 1960 - [X.], NJW 1961, 777, juris Rn. 26; vom 28. September 1989 - [X.], [X.], 1873, juris Rn. 11).

[X.]     

      

[X.]     

      

Müller

      

Klein     

      

Allgayer     

      

Meta

VI ZR 271/19

29.09.2020

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Frankfurt, 6. Juni 2019, Az: 22 U 188/18

§ 249 BGB, § 287 Abs 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 29.09.2020, Az. VI ZR 271/19 (REWIS RS 2020, 808)

Papier­fundstellen: MDR 2020, 1504-1505 REWIS RS 2020, 808

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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