Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.10.2021, Az. VI ZR 513/19

6. Zivilsenat | REWIS RS 2021, 1942

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Gegenstand

Schadensersatz bei Kfz-Unfall: Abrechnung auf Reparaturkostenbasis bei Erwerb eines Ersatzfahrzeugs; Ersatz von Umsatzsteuer bei fiktiver Schadensabrechnung


Leitsatz

1. Der Geschädigte, der statt der wirtschaftlich gebotenen Reparatur ein Ersatzfahrzeug erwirbt, kann die tatsächlich angefallenen Kosten der Ersatzbeschaffung bis zur Höhe der - hypothetisch erforderlichen - Reparaturkosten beanspruchen.

2. Wählt der Geschädigte den Weg der fiktiven Schadensabrechnung, kann er den Ersatz von Umsatzsteuer nicht verlangen. Dies gilt auch dann, wenn im Rahmen einer durchgeführten Reparatur oder Ersatzbeschaffung tatsächlich Umsatzsteuer angefallen ist. Eine Kombination fiktiver und konkreter Schadensberechnung ist insoweit nicht zulässig.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil der 3. Zivilkammer des [X.] vom 22. November 2019 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage in Höhe von 365,21 € nebst Zinsen abgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagten im Wege der fiktiven Schadensabrechnung auf Ersatz restlichen Sachschadens aus einem Verkehrsunfall vom 26. Januar 2017 in Anspruch, bei dem sein Fahrzeug, ein im Unfallzeitpunkt knapp fünf Jahre alter [X.], beschädigt wurde. Die volle Haftung der Beklagten für den Unfallschaden steht in der Revisionsinstanz dem Grunde nach außer Streit.

2

Der Kläger bezifferte den ihm entstandenen Fahrzeugschaden auf der Grundlage eines am 4. Februar 2017 eingeholten Sachverständigengutachtens auf 5.262,91 € netto. Die Beklagte zu 2 legte ihrer Schadensberechnung unter Hinweis auf die im Wohnort des [X.] gelegene [X.] geringere Stundenverrechnungssätze zugrunde und ermittelte Reparaturkosten in Höhe von lediglich 4.503,88 €. Auf der Basis hälftiger Haftungsverteilung zahlte sie hierauf einen Betrag in Höhe von 2.251,94 €.

3

Mit Urteil vom 29. Oktober 2018 hat das Amtsgericht - soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse - die Reparaturkosten auf den Mittelwert von 4.883,39 € geschätzt und die Beklagten auf der Grundlage einer Haftungsquote von 100 % zu ihren Lasten zur Zahlung von weiteren 2.631,45 € nebst Zinsen verurteilt. Die Klage auf Ersatz weitergehender Reparaturkosten hat es abgewiesen.

4

Unter anderem gegen die Schätzung der Reparaturkosten haben sich die Beklagten mit der Berufung und der Kläger mit der Anschlussberufung gewandt. Nach dem zwischenzeitlichen Erwerb eines Neufahrzeugs zum Preis von 17.990 € inklusive Umsatzsteuer in Höhe von 2.872,35 € hat der Kläger die Klage um einen Umsatzsteueranteil in Höhe von 999,95 € - begrenzt auf den bei der Durchführung notwendiger Reparaturen laut Privatgutachten angefallenen Betrag - erweitert. Auf die Berufung der Beklagten hat das [X.] - soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse - die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung weiterer Reparaturkosten auf 2.361,96 € reduziert und die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger einen Umsatzsteueranteil in Höhe von 876,64 € nebst Zinsen zu zahlen; die weitergehenden Rechtsmittel hat es zurückgewiesen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger den Ersatz weiterer Reparaturkosten in Höhe von 306,90 € nebst darauf entfallender Umsatzsteuer und Zinsen.

Entscheidungsgründe

I.

5

Nach Auffassung des Berufungsgerichts belaufen sich die ersatzfähigen Reparaturkosten auf 4.613,90 € netto. Der Kläger müsse sich auf die günstigeren Stundenverrechnungssätze der von der [X.] zu 2 benannten [X.] gemäß deren Preisliste für den Zeitraum vom 1. Juni 2015 bis 8. Februar 2017 verweisen lassen. Der Umstand, dass die [X.] ihre Preise am 9. Februar 2017 erhöht habe, wirke sich nicht zugunsten des [X.] aus. Zwar habe die Beklagte zu 2 den Kläger erst am 20. März 2017 auf das Autohaus L. als günstigere Alternative verwiesen. Es sei aber zu berücksichtigen, dass die gesamte Schadensabrechnung fiktiv erfolge, was eine andere Bewertung des für den Kläger Zumutbaren rechtfertige. Bei der fiktiven Abrechnung sei der objektiv zur Herstellung erforderliche Betrag ohne Bezug zu den tatsächlich getätigten Aufwendungen zu ermitteln. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Berechnung der fiktiven Reparaturkosten sei deshalb der Zeitpunkt der Erstellung des vom Geschädigten eingeholten Privatgutachtens.

6

Der Kläger könne auch Ersatz anteiliger Umsatzsteuer anlässlich der zwischenzeitlich erfolgten [X.] verlangen. Es handele sich nicht um eine unzulässige Vermischung von fiktiver und konkreter Schadensberechnung. Maßstab sei der Grundgedanke des § 249 Abs. 2 Satz 2 [X.], wonach Umsatzsteuer nur zu ersetzen sei, soweit sie tatsächlich angefallen sei. Dies werde vorliegend beachtet. Nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot sei es dem Kläger nicht vorzuwerfen, dass er seinen Schaden nicht konkret auf der Grundlage der Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs, sondern fiktiv abrechne. Die Reparaturkosten seien nämlich wesentlich niedriger als die Kosten der Ersatzbeschaffung. Der Kläger beschränke seinen Anspruch daher bereits auf die fiktive Abrechnung der günstigeren Reparaturkosten; die im Rahmen der Ersatzbeschaffung angefallene Umsatzsteuer sei ihm als tatsächlich entstandene zu ersetzen. Bei dieser Berechnung müsse der Schädiger nicht mehr leisten als im Falle einer tatsächlich durchgeführten Reparatur. Der Kläger hätte ebenso "konkret" abrechnen können, indem er im Ausgangspunkt die durchgeführte Ersatzbeschaffung (inklusive Umsatzsteuer) geltend gemacht hätte bzw. auf sie umgeschwenkt wäre, um sie sodann im Betrag auf die günstigeren Reparaturkosten (Wirtschaftlichkeitsprinzip) zu beschränken. Der Erstattungsanspruch sei allerdings auf diejenige Umsatzsteuer beschränkt, die bei durchgeführter Reparatur angefallen wäre. Der Anteil belaufe sich auf 876,64 €.

II.

7

Über die Revision des [X.] ist durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Inhaltlich beruht das Urteil jedoch nicht auf der Säumnis der [X.], sondern auf einer Sachprüfung (vgl. [X.], Urteil vom 4. April 1962 - [X.], [X.]Z 37, 79, 82).

8

Das angefochtene Urteil hält den Angriffen der Revision nicht stand. Das Berufungsgericht hat bei der Bemessung der Höhe des dem Kläger entstandenen Fahrzeugschadens rechtsfehlerhaft die in der [X.] am 9. Februar 2017 eingetretene Preiserhöhung nicht berücksichtigt.

9

1. Die Revision wendet sich nicht gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Kläger müsse sich im Rahmen der fiktiven Abrechnung des an seinem fast fünf Jahre alten Fahrzeug entstandenen Schadens unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht (§ 254 Abs. 2 [X.]) auf die günstigere Reparaturmöglichkeit in der von der [X.] zu 2 benannten und im Wohnort des [X.] gelegenen Fachwerkstatt L. verweisen lassen. Diese Beurteilung lässt auch keine Rechtsfehler erkennen (vgl. [X.]surteile vom 18. Februar 2020 - [X.]/19, [X.], 776 Rn. 8; vom 22. Juni 2010 - [X.], [X.], 1096 Rn. 7, jeweils mwN).

2. Mit Erfolg beanstandet die Revision aber die Annahme des Berufungsgerichts, der Schadensberechnung seien die zum Zeitpunkt der Erstellung des Privatgutachtens geltenden Stundenverrechnungssätze der [X.] zugrunde zu legen, während die kurz danach erfolgte Preiserhöhung außer Betracht zu bleiben habe.

a) Allerdings ist der Tatrichter bei seiner Überzeugungsbildung im Rahmen des § 254 Abs. 2 Satz 1 [X.] nach § 287 ZPO beson[X.] frei gestellt. Denn die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs, auf die sich die Verletzung der Schadensminderungspflicht auswirken kann, ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter erhebliches Vorbringen der Parteien unberücksichtigt gelassen, Rechtsgrundsätze der [X.] verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (st. Rspr., vgl. [X.]surteil vom 25. September 2018 - [X.], [X.], 120 Rn. 7 mwN).

b) Dies ist hier der Fall. Das Berufungsgericht hat Rechtsgrundsätze der [X.] verkannt.

aa) Nach der gefestigten Rechtsprechung des [X.] bemisst sich die Höhe des Schadensersatzanspruchs in Geld grundsätzlich nach den [X.] im Zeitpunkt der vollständigen Erfüllung; im Rechtsstreit ist, wenn noch nicht vollständig erfüllt ist, der prozessual letztmögliche Beurteilungszeitpunkt, regelmäßig also der Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung, maßgeblich (vgl. [X.]surteile vom 20. Juli 2021 - [X.], [X.], 1817 Rn. 29 und - [X.], [X.], 1922 Rn. 30; vom 18. Februar 2020 - [X.]/19, [X.], 776 Rn. 11; vom 21. April 1998 - [X.], [X.], 995, juris Rn. 17). Wie der [X.] nach Erlass der angegriffenen Entscheidung mit Urteil vom 18. Februar 2020 ([X.]/19, [X.] 776 Rn. 13) entschieden hat, gelten diese Grundsätze auch für die Abrechnung fiktiver Reparatur- oder Wiederbeschaffungskosten. Lediglich im Fall der konkreten Schadensabrechnung ist auf die Umstände desjenigen Zeitpunkts abzustellen, in dem der Zustand im Sinne von § 249 [X.] hergestellt worden ist (ebenda).

bb) Nach diesen Grundsätzen ist die am 9. Februar 2017 erfolgte Preiserhöhung in der [X.] bei der Schadensberechnung zu berücksichtigen. Denn die [X.] haben den Ersatzanspruch des [X.] nicht vollständig erfüllt. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts haben sie nicht nur unberechtigte Abzüge bei den (Bei-)Lackierungskosten vorgenommen, sondern auch lediglich auf der Basis einer hälftigen Schadensteilung reguliert. Aus seiner Sicht konsequent hat das Berufungsgericht zur Höhe der sich unter Berücksichtigung der Preiserhöhung ergebenden Reparaturkosten keine Feststellungen getroffen.

3. Dem Kläger steht derzeit allerdings kein Anspruch auf Zahlung eines Umsatzsteueranteils in Höhe von weiteren 58,31 € zu. Da der Kläger den Weg der fiktiven Schadensabrechnung gewählt hat und nach den getroffenen Feststellungen bislang nicht zu einer konkreten Berechnung seines Schadens auf der Grundlage der Ersatzbeschaffung übergegangen ist, kann er derzeit nicht den anteiligen Ersatz der im Rahmen der Ersatzbeschaffung angefallenen Umsatzsteuer verlangen. Eine Kombination fiktiver und konkreter Schadensberechnung ist insoweit nicht zulässig.

a) Gemäß § 249 Abs. 1 [X.] hat der zum Schadensersatz Verpflichtete den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Ist wegen der Verletzung einer Person oder der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 [X.] statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Für die Berechnung von Fahrzeugschäden stehen dem Geschädigten regelmäßig zwei Wege der Naturalrestitution zur Verfügung: Reparatur des beschädigten Fahrzeugs oder Anschaffung eines gleichwertigen Ersatzfahrzeugs. Unter den zum Schadensausgleich führenden Möglichkeiten der Naturalrestitution hat der Geschädigte dabei grundsätzlich diejenige zu wählen, die den geringeren Aufwand erfordert. Nur der für diese Art der Schadensbehebung nötige Geldbetrag ist im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 [X.] zur Herstellung erforderlich ([X.], vgl. [X.]surteile vom 9. Juni 2009 - [X.]/08, [X.]Z 181, 242 Rn. 13 f.; vom 17. Oktober 2006 - [X.], [X.]Z 169, 263 Rn. 11; vom 5. Februar 2013 - [X.], [X.], 471 Rn. 11; vom 29. Oktober 2019 - [X.], [X.], 174 Rn. 9).

Beschreitet der Geschädigte nicht den Weg des geringsten Aufwands, so entfällt sein Ersatzanspruch allerdings nicht, sondern ist der Höhe nach auf den nach Maßgabe des [X.]s erforderlichen niedrigeren Betrag beschränkt (vgl. [X.]surteile vom 5. Februar 2013 - [X.], [X.], 471 Rn. 12; vom 22. September 2009 - [X.], [X.], 1554 Rn. 8; [X.]/[X.], 8. Aufl., [X.] § 249 Rn. 387). So kann der Geschädigte, der statt der wirtschaftlich gebotenen Reparatur ein Ersatzfahrzeug erwirbt, die tatsächlich angefallenen Kosten der Ersatzbeschaffung bis zur Höhe der - hypothetisch erforderlichen - Reparaturkosten beanspruchen (vgl. [X.]surteil vom 5. Februar 2013 - [X.], [X.], 471 Rn. 12; [X.]/[X.], 8. Aufl., [X.] § 249 Rn. 387; [X.], [X.], 4, 8). Denn die Ersatzbeschaffung und die Reparatur des beschädigten Fahrzeugs sind gleichwertige Arten der Naturalrestitution; bei der Abrechnung auf der Basis einer Ersatzbeschaffung oder einer Reparatur handelt es sich lediglich um unterschiedliche Arten der Schadensberechnung ([X.]surteile vom 17. Oktober 2006 - [X.], [X.]Z 169, 263 Rn. 14 f.; vom 20. April 2004 - [X.], [X.]Z 158, 388, juris Rn. 4 f.; vgl. auch [X.], [X.] 1/2017 [X.]. 1; [X.]. [X.] 2007, 639). Gleiches gilt für die Frage, ob fiktiv auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens oder konkret nach den tatsächlich aufgewendeten Kosten abgerechnet wird ([X.]surteil vom 17. Oktober 2006 - [X.], [X.]Z 169, 263 Rn. 15).

b) Die unterschiedlichen Abrechnungsarten dürfen aber nicht miteinander vermengt werden. So ist insbesondere eine Kombination von konkreter und fiktiver Schadensabrechnung unzulässig (vgl. [X.]surteile vom 15. Februar 2005 - [X.], [X.]Z 162, 170, juris Rn. 16; vom 15. November 2005 - [X.], [X.]Z 164, 397, juris Rn. 5; vom 2. Oktober 2018 - [X.], [X.], 1530 [X.], Rn. 7; vom 13. September 2016 - [X.], [X.], 115 [X.] 2, Rn. 10, 17; vom 17. Oktober 2006 - [X.], [X.]Z 169, 263, juris Rn. 15; vom 15. Juli 2003 - [X.], [X.], 1575, juris Rn. 9; vom 30. Mai 2006 - [X.], [X.], 1088 Rn. 11; vom 24. Januar 2017 - [X.], [X.], 440 Rn. 5, 7; [X.], [X.] 2014, 62, 63; [X.]., [X.], 607 ff.). Hierdurch soll nicht nur verhindert werden, dass sich der Geschädigte unter Missachtung des schadensrechtlichen Bereicherungsverbots (vgl. [X.]surteil vom 29. Oktober 2019 - [X.], [X.], 174 Rn. 11) die ihm vorteilhaften Elemente der jeweiligen Berechnungsart aussucht ("Rosinenpicken"), sondern auch den unterschiedlichen Grundlagen der jeweiligen Abrechnung Rechnung getragen und deren innere Kohärenz sichergestellt werden.

So knüpft die konkrete Schadensabrechnung an eine tatsächlich durchgeführte Reparatur oder Ersatzbeschaffung an und zielt auf Ersatz der hierfür konkret angefallenen Kosten ab (vgl. [X.]surteile vom 15. Februar 2005 - [X.], [X.]Z 162, 170, juris Rn. 13; vom 1. März 2005 - [X.], [X.]Z 162, 270, juris Rn. 7; vom 5. Dezember 2006 - [X.], [X.], 372 Rn. 10; vom 18. Oktober 2011 - [X.], [X.], 1582 Rn. 4, 8). Demgegenüber ist bei der fiktiven Abrechnung der objektiv zur Herstellung erforderliche Betrag ohne Bezug zu tatsächlich getätigten Aufwendungen zu ermitteln. Der Geschädigte, der aufgrund seiner Dispositionsfreiheit in der Verwendung des vom Schädiger zu leistenden Schadensersatzes frei und deshalb nicht verpflichtet ist, zu den von ihm tatsächlich veranlassten oder auch nicht veranlassten Herstellungsmaßnahmen vorzutragen, disponiert hier dahin, dass er sich mit einer Schadensberechnung auf einer abstrahierten Grundlage zufriedengibt (vgl. [X.]surteile vom 17. September 2019 - [X.], [X.], 44 Rn. 9; vom 15. Juli 2014 - [X.], NJW 2014, 3236 Rn. 9; vgl. auch [X.]surteil vom 13. September 2016 - [X.], [X.], 115 Rn. 12). Ein etwaiges besonderes Integritätsinteresse des Geschädigten an einer an sich unwirtschaftlichen Restitutionsmaßnahme (Erhalt des ihm vertrauten Fahrzeugs, Beschädigung eines fabrikneuen Fahrzeugs) bleibt hier unberücksichtigt (vgl. [X.]surteile vom 9. Juni 2009 - [X.]/08, [X.]Z 181, 242 Rn. 15 f. mwN; vom 29. September 2020 - [X.], [X.], 1547 Rn. 8, 10; [X.], [X.], 244, 247).

Dem durch einen Verkehrsunfall Geschädigten entsteht durch das Vermischungsverbot kein Nachteil. Auch wenn er seinen Fahrzeugschaden zunächst fiktiv abgerechnet hat, kann er später - im Rahmen der rechtlichen Voraussetzungen für eine solche Schadensabrechnung und der Verjährung - grundsätzlich zur konkreten Schadensabrechnung übergehen und Ersatz der tatsächlich angefallenen Kosten verlangen ([X.]surteile vom 17. Oktober 2006 - [X.], [X.]Z 169, 263 Rn. 16 ff.; vom 18. Oktober 2011 - [X.], [X.], 1582 Rn. 4; vom 13. September 2016 - [X.], [X.], 115 Rn. 18; vom 2. Oktober 2018 - [X.], [X.], 1530 Rn. 9).

c) Wählt der Geschädigte den Weg der fiktiven Schadensabrechnung, kann er den Ersatz von Umsatzsteuer nicht beanspruchen. Dies gilt auch dann, wenn im Rahmen einer durchgeführten Reparatur oder Ersatzbeschaffung tatsächlich Umsatzsteuer angefallen ist. Eine Kombination fiktiver und konkreter Schadensberechnung ist insoweit nicht zulässig.

aa) Gemäß § 249 Abs. 2 Satz 2 [X.] schließt der bei der Beschädigung einer Sache zur Wiederherstellung erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist. Die Umsatzsteuer soll hingegen nicht ersetzt werden, wenn und soweit sie fiktiv bleibt (vgl. [X.]surteile vom 13. September 2016 - [X.], [X.], 115 Rn. 11 f., 17; vom 2. Oktober 2018 - [X.], [X.], 1530 Rn. 6 f.). Die Vorschrift des § 249 Abs. 2 Satz 2 [X.] begrenzt insoweit die Dispositionsfreiheit des Geschädigten (vgl. [X.]surteile vom 2. Juli 2013 - [X.], [X.], 1277 Rn. 7; vom 13. September 2016 - [X.], [X.], 115 Rn. 11).

bb) Die Umsatzsteuer bleibt nicht nur dann fiktiv in diesem Sinne, wenn es nicht zu einer umsatzsteuerpflichtigen Reparatur oder Ersatzbeschaffung kommt; sie bleibt es vielmehr auch dann, wenn der Geschädigte zwar tatsächlich eine Restitutionsmaßnahme veranlasst, diese Maßnahme aber nicht zur Grundlage seiner Abrechnung macht, sondern seinen Schaden fiktiv und damit ohne Bezug zu den tatsächlich getätigten Aufwendungen auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens abrechnet (vgl. [X.]surteile vom 15. November 2005 - [X.], [X.]Z 164, 397, juris Rn. 5; vom 9. Mai 2006 - [X.], [X.], 987 Rn. 10; vom 2. Juli 2013 - [X.], [X.], 1277, Rn. 9; vom 13. September 2016 - [X.], [X.], 115 Rn. 17; vom 2. Oktober 2018 - [X.], [X.], 1530 Rn. 7; [X.] in [X.], [X.], 28. Aufl., [X.]. 3 Rn. 69; aA [X.] in [X.], aaO, [X.]. 5 Rn. 11 ff.).

So verhält es sich im Streitfall. Die in der vom Kläger gewählten fiktiven Schadensabrechnung enthaltene Umsatzsteuer auf die Reparaturkosten bleibt fiktiv, weil sie nicht angefallen ist, während das tatsächlich getätigte Ersatzbeschaffungsgeschäft, bei dem Umsatzsteuer angefallen ist, von dem Kläger nicht abgerechnet wird. Wie bereits unter b) ausgeführt, darf der Kläger die tatsächlich erfolgte Restitutionsmaßnahme auch nicht teilweise - in Bezug auf die angefallene Umsatzsteuer - zum Gegenstand seiner - im Übrigen fiktiven - Abrechnung machen. Der Geschädigte darf nicht einzelne Elemente der einen Abrechnung mit der anderen kombinieren, sondern muss sich für eine Abrechnungsart - fiktiv oder konkret - entscheiden. Andernfalls verstieße er gegen das Vermischungsverbot.

An[X.] als in der Literatur zum Teil vertreten (vgl. [X.] in [X.], aaO, [X.]. 5 Rn. 11 ff.; [X.]. [X.], 607, 609; [X.]/[X.], 8. Aufl., § 249 Rn. 467; [X.]/[X.], [X.], Neubearbeitung 2017, § 249 Rn. 236a), steht dieses Ergebnis nicht im Wi[X.]pruch zu dem mit der Einführung des § 249 Abs. 2 Satz 2 [X.] verfolgten Zweck. Durch die gesetzliche Regelung wollte der Gesetzgeber zwar nichts an der Möglichkeit des Geschädigten ändern, den für die Herstellung erforderlichen Geldbetrag stets und insoweit zu verlangen, als er zur Herstellung des ursprünglichen Zustandes tatsächlich angefallen ist (vgl. [X.]. 14/7752, 23 f.; [X.]surteile vom 13. September 2016 - [X.], [X.], 115 Rn. 11; vom 2. Juli 2013 - [X.], [X.], 1277, Rn. 9). Diese Möglichkeit wird dem Geschädigten durch das Vermischungsverbot aber nicht genommen. Wie oben ausgeführt bleibt es dem Geschädigten unbenommen, seinen Schaden konkret abzurechnen oder, wenn er ihn zunächst fiktiv abgerechnet hat, - im Rahmen der rechtlichen Voraussetzungen für eine solche Schadensabrechnung und der Verjährung - zu einer konkreten Berechnung auf der Grundlage der tatsächlich veranlassten Restitutionsmaßnahme überzugehen.

Dies gilt auch dann, wenn die tatsächlich durchgeführte Wiederherstellungsmaßnahme dem Wirtschaftlichkeitsgebot nicht entspricht, etwa wenn der Geschädigte - wie im Streitfall - statt der wirtschaftlich gebotenen Reparatur ein Ersatzfahrzeug erwirbt. In diesem Fall kann der Geschädigte die tatsächlich angefallenen Kosten der Ersatzbeschaffung konkret abrechnen; sein Ersatzanspruch ist allerdings der Höhe nach beschränkt auf die hypothetisch erforderlichen Reparaturkosten ("Deckelung", vgl. [X.]surteil vom 5. Februar 2013 - [X.], [X.], 471 Rn. 12, 17: "konkrete Schadensabrechnung auf der Grundlage der Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs"; [X.]/[X.], 8. Aufl., [X.] § 249 Rn. 387; [X.], [X.], 4, 8). Soweit der [X.] abweichend hiervon im Urteil vom 22. September 2009 ausgeführt hat, der Geschädigte dürfe in einem solchen Fall nur fiktiv auf Reparaturkostenbasis abrechnen ([X.], [X.], 155 Rn. 8), wird daran nicht festgehalten.

III.

Das Berufungsurteil war deshalb aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen das hiermit zugestellte Versäumnisurteil des [X.] kann die säumige Partei binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab Zustellung beim [X.] E i n s p r u c h einlegen. Der Einspruch muss von einem beim [X.] zugelassenen Rechtsanwalt durch Einreichung einer Einspruchsschrift eingelegt werden.

Die Einspruchsschrift muss enthalten:

1. die Bezeichnung des Urteils, gegen das der Einspruch gerichtet wird;

2. die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Einspruch eingelegt werde.

Soll das Urteil nur zum Teil angefochten werden, so ist der Umfang der Anfechtung zu bezeichnen.

In der Einspruchsschrift sind die Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie [X.], die die Zulässigkeit der Klage betreffen, vorzubringen. Auf Antrag kann der Vorsitzende des erkennenden [X.]s die Frist für die Begründung verlängern. Bei Versäumung der Frist für die Begründung ist damit zu rechnen, dass das nachträgliche Vorbringen nicht mehr zugelassen wird. Im Einzelnen wird auf die Verfahrensvorschriften in § 78, § 296 Abs. 1, 3, 4, § 338, § 339 und § 340 ZPO verwiesen.

[X.]     

      

von [X.]     

      

[X.]

      

Klein     

      

Böhm     

      

Meta

VI ZR 513/19

12.10.2021

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Limburg, 22. November 2019, Az: 3 S 189/18

§ 249 Abs 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.10.2021, Az. VI ZR 513/19 (REWIS RS 2021, 1942)

Papier­fundstellen: MDR 2022, 162-163 NJW 2022, 543 REWIS RS 2021, 1942

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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