Bundessozialgericht, Beschluss vom 30.07.2018, Az. B 5 R 88/18 B

5. Senat | REWIS RS 2018, 5323

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - Anhörungsfrist - sozialgerichtliches Verfahren


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des [X.] vom 27. März 2018 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Gründe

1

Mit Beschluss vom 27.3.2018 hat das [X.] die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom [X.] zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die vom Kläger gegen den Bescheid der Beklagten vom 29.9.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.6.2016 erhobene Anfechtungsklage sei unzulässig, weil der Bescheid vom 29.9.2015 hinsichtlich des streitigen Anrechnungs- und Rentenzahlbetrages durch den Bescheid vom 13.10.2015 ersetzt worden sei und daher keine Wirkung mehr entfalte. Der Bescheid vom 13.10.2015 sei weder nach § 96 Abs 1 [X.] Gegenstand des Klageverfahrens noch gemäß § 86 [X.] Gegenstand des Vorverfahrens geworden und mangels Anfechtung durch den Kläger bestandskräftig. Damit erweise sich auch die auf die Zahlung einer höheren Rente gerichtete Leistungsklage als unzulässig.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Beschluss hat der Kläger Beschwerde beim [X.] eingelegt. Er beruft sich auf Verfahrensmängel iS von § 160 Abs 2 [X.] [X.] und die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS von § 160 Abs 2 [X.] [X.].

3

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.

4

Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

-       

die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]),

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das Urteil von einer Entscheidung des [X.], des [X.] oder des [X.] abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO [X.]) oder

-       

ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO [X.]).

5

Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 [X.] [X.] dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 [X.] iVm § 169 [X.] zu verwerfen.

6

1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 [X.] Halbs 1 [X.]), so müssen bei der Bezeichnung des [X.] (§ 160a Abs 2 [X.] [X.]) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des [X.] ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Beschlusses besteht. Gemäß § 160 Abs 2 [X.] Halbs 2 [X.] kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 [X.] [X.] und auf eine Verletzung des § 103 [X.] nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das [X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

7

a) Der Kläger rügt eine Verletzung des § 96 [X.].

8

Hierzu trägt er vor:

        

"Der Verfahrensmangel besteht vorliegend nun schlicht und ergreifend darin, dass fußend auf den Umstand einer vermeintlichen Nichtanwendung des § 96 [X.] dieser Umstand, dass ein Bescheid vom 13.10.2015, der gar nicht existent ist, im Sinne einer Bekanntgabe und Zustellung, zum Anlass genommen wird, dass man über die Rechtsfrage, ob der Bescheid vom 29.09.2015 nun rechtmäßig ist oder nicht, meint gar nicht entscheiden zu müssen."

9

Mit diesem Vorbringen ist eine Verletzung des § 96 [X.] nicht schlüssig bezeichnet.

Gemäß § 96 Abs 1 [X.] wird nach Klageerhebung ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. § 96 Abs 2 [X.] bestimmt, dass eine Abschrift des neuen Verwaltungsaktes dem Gericht mitzuteilen ist, bei dem das Verfahren anhängig ist.

Der Kläger hat bereits nicht dargelegt, dass der Anwendungsbereich des § 96 [X.] betroffen ist. Dies ist nur dann der Fall, wenn in dem von der Norm vorgegebenen [X.]raum ein neuer Verwaltungsakt ergangen ist. Ein neuer Verwaltungsakt iS von § 31 [X.] SGB X ist nur dann ergangen, wenn er dem Adressaten bekannt gegeben worden ist, weil ein Verwaltungsakt erst im [X.]punkt seiner Bekanntgabe wirksam wird (§§ 37, 39 Abs 1 SGB X). Die Beschwerdebegründung bezweifelt indes bereits, dass es überhaupt "einen Bescheid vom 13.10.2015" gibt, der einzig als neuer Verwaltungsakt in Betracht kommt, und trägt im Übrigen vor, dass ein solcher jedenfalls weder dem früheren Bevollmächtigten des [X.] noch dem Kläger selbst bekannt gegeben worden sei.

b) Der Kläger rügt ferner sinngemäß einen Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht (§ 103 [X.]).

Hierzu trägt er vor, das [X.] sei von Amts wegen verpflichtet gewesen zu ermitteln, ob der "vermeintliche Verwaltungsakt vom 13.10.2015" dem Kläger überhaupt zugegangen sei. Das Berufungsgericht habe mit Schreiben vom 1.3.2018 lediglich auf den Bescheid vom 13.10.2015 hingewiesen, aber mit keinem Wort nachgefragt, ob dieser dem Kläger zugegangen sei.

Ausweislich § 160 Abs 2 [X.] Halbs 2 [X.] kann eine Nichtzulassungsbeschwerde nur dann auf eine Verletzung des § 103 [X.] gestützt werden, wenn der Beschwerdeführer im Berufungsverfahren einen Beweisantrag gestellt hat, dem das [X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Der Kläger hat aber nicht vorgetragen, vor dem [X.] einen entsprechenden Beweisantrag gestellt zu haben.

Soweit der Kläger möglicherweise mit dem obigen Vorbringen gleichzeitig eine Verletzung des § 106 Abs 1 [X.] rügen möchte, nach dem der Vorsitzende ua darauf hinzuwirken hat, dass alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden, ist darauf hinzuweisen, dass die Vorgaben des § 160 Abs 2 [X.] Halbs 2 [X.] nicht über den "Umweg" der Rüge einer Verletzung des § 106 [X.] umgangen werden können (vgl [X.] SozR 1500 § 160 [X.]3; [X.] Beschluss vom 24.7.2002 - B 7 [X.] 228/01 B - Juris RdNr 6; [X.] Beschluss vom 13.9.2004 - B 11 [X.] 153/04 B - Juris Rd[X.]; [X.] Beschluss vom [X.] - [X.] SB 38/13 B - Juris RdNr 4).

c) Des Weiteren macht der Kläger sinngemäß eine Verletzung des § 153 Abs 4 [X.] [X.] geltend, nach dem die Beteiligten vor Zurückweisung der Berufung durch Beschluss nach § 153 Abs 4 [X.] [X.] zu hören sind.

Hierzu hat der Kläger vorgetragen, das [X.] habe mit Schreiben vom 1.3.2018 unter Bezugnahme auf "einen Bescheid vom 13.10.2015" gefragt, ob die Berufung zurückgenommen werde und bereits am 27.3.2015 (gemeint 2018) entschieden. Bei der Kürze der [X.] könne man "nicht erwarten, dass so schnell eine Antwort oder Ermittlung diesbezüglich orientiert erfolgt, weil man ja schließlich auch wiederum erneut die ganze Akte durchschauen muss".

Der Senat versteht dieses Vorbringen dahin, dass der Kläger geltend machen möchte, er bzw sein Bevollmächtigter hätten nicht ausreichend [X.] gehabt, um die Akten auf das Vorhandensein des Bescheides vom 13.10.2015 zu überprüfen und dessen Nichterhalt einzuwenden.

Nach dem von der Beschwerdebegründung in Bezug genommenen Anhörungsschreiben des [X.] vom 1.3.2018 hat das Gericht dem Kläger eine Frist zur Stellungnahme bis zum 23.3.2018 gesetzt und dieses Schreiben per Fax übermittelt. Damit stand dem rechtskundig vertretenen Kläger ein [X.]raum von mehr als drei Wochen für die Überprüfung der Sach- und Rechtslage sowie eine Äußerung gegenüber dem Gericht zur Verfügung. Als [X.] ist aber in der Regel ein [X.]raum von zwei Wochen zuzüglich der Postlaufzeiten ausreichend (vgl hierzu [X.] SozR 4-1500 § 153 [X.] Rd[X.]5). Substantiierte Gründe dafür, dass diese [X.] für die Prüfung des Zugangs eines bestimmten Bescheides nicht ausreichend bzw im vorliegenden Fall nicht ausreichend gewesen ist, sind der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen.

2. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl [X.] SozR 3-1500 § 160a [X.]4 S 70 mwN; Fichte in Breitkreuz/Fichte, [X.], 2. Aufl 2014, § 160a Rd[X.]2 ff). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.

Der Kläger misst der Frage grundsätzliche Bedeutung bei,

        

"ob man bei der Hinzuverdienstgrenzenermittlung bei der Hinterbliebenenrente, wenn es um den Vergleich geht, ob Einkünfte sich erniedrigt haben oder nicht und somit eine höhere Rente zu zahlen ist, § 18 b Abs. 5, Satz 1, Nr. 1 SGB IV anwenden darf und das versicherungspflichtige Entgelt um 40 v. H. pauschal kürzen darf, und das Krankengeld demgegenüber im Bruttobetrag und nicht das Bemessungsentgelt nehmen darf, und nur diese besagten rund 12 % an Beiträgen definitiv abziehen darf".

Der Senat lässt dahinstehen, ob der Kläger mit dieser Formulierung eine aus sich heraus verständliche abstrakt-generelle Rechtsfrage aufgeworfen hat. Jedenfalls fehlt jedes Vorbringen zu deren Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit.

Mit seinem übrigen Vorbringen macht der Kläger die sachliche Unrichtigkeit der angefochtenen Berufungsentscheidung geltend. Hierauf kann jedoch ausweislich § 160 Abs 2 [X.] bis 3 [X.] eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (vgl § 160a Abs 4 [X.] Halbs 2 [X.]).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 [X.].

Meta

B 5 R 88/18 B

30.07.2018

Bundessozialgericht 5. Senat

Beschluss

Sachgebiet: R

vorgehend SG Freiburg (Breisgau), 21. Februar 2017, Az: S 16 R 2624/16, Urteil

§ 96 SGG, § 153 Abs 4 S 2 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160a Abs 4 S 1 SGG, § 169 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 30.07.2018, Az. B 5 R 88/18 B (REWIS RS 2018, 5323)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 5323

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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