Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.07.2010, Az. I ZR 160/07

1. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 4797

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Gegenstand

Anhörungsrüge: Erhebung in der gesetzlichen Form


Tenor

Die Anhörungsrüge vom 26. November 2009 gegen das Urteil vom 12. November 2009 wird auf Kosten der Klägerin als unzulässig verworfen.

Die weitere Anhörungsrüge vom 12. Mai 2010 gegen das Urteil vom 12. November 2009 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Gründe

1

I. Die Anhörungsrüge der Klägerin vom 26. November 2009 gegen das Urteil vom 12. November 2009 ist unzulässig, weil sie nicht in der gesetzlichen Form erhoben ist (§ 321a Abs. 4 ZPO).

2

Eine Anhörungsrüge der durch die Entscheidung beschwerten [X.] ist nur dann in der gesetzlichen Form erhoben, wenn die [X.] darlegt, inwiefern das Gericht ihren Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Die [X.] kann dies nur darlegen, wenn sie die Gründe der beanstandeten Entscheidung kennt. Einer Anhörungsrüge, die vor Bekanntgabe der mit Gründen versehenen Entscheidung erhoben ist, fehlt zwangsläufig der ordnungsgemäße Vortrag einer Gehörsverletzung und deren Entscheidungserheblichkeit.

3

Die Klägerin hat ihre erste Anhörungsrüge am 26. November 2009 erhoben. Zu diesem [X.]punkt war ihr lediglich der Tenor des Urteils vom 12. November 2009 bekannt. Das in vollständiger Form abgefasste Urteil ist ihr am 28. April 2010 zugestellt worden. Da die Gründe des Urteils zum [X.]punkt der Anhörungsrüge für die Klägerin - wie sie zutreffend bemerkt hat - „im Dunkeln lagen“, konnte die Klägerin in ihrer Anhörungsrüge auch nur Mutmaßungen über eine entscheidungserhebliche Verletzung ihres rechtlichen Gehörs anstellen. Eine solche Anhörungsrüge ist nicht in der gesetzlichen Form erhoben und deshalb als unzulässig zu verwerfen.

4

II. Die weitere Anhörungsrüge der Klägerin vom 12. Mai 2010 gegen das Urteil vom 12. November 2009 ist zwar zulässig, aber nicht begründet.

5

1. Dass der Senat das Urteil in vollständiger Form abgefasst und zugestellt hat, ohne zuvor über die erste Anhörungsrüge der Klägerin vom 26. November 2009 entschieden zu haben, verletzt das rechtliche Gehör der Klägerin schon deshalb nicht in entscheidungserheblicher Weise, weil diese Anhörungsrüge als unzulässig zu verwerfen war (vgl. unter I).  

6

2. Die Klägerin rügt ohne Erfolg, eine entscheidungserhebliche Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör ergebe sich daraus, dass der Senat in [X.]. 27 seines Urteils ausgeführt hat:

Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Laufzeit des [X.] - wie die Klägerin in der Revisionsinstanz geltend gemacht hat - nicht über den 31. Dezember 2008 hinaus verlängert worden ist. Denn es ist bereits weder von der Klägerin vorgetragen noch vom Berufungsgericht festgestellt, dass [X.] auch in der [X.] nach dem 31. Dezember 2008 Funksendungen über eine Verteileranlage in die Hotelzimmer der Beklagten weitergesendet hat.

7

a) Die Klägerin macht vergeblich geltend, der Senat habe übersehen, dass das Berufungsgericht im Tatbestand seines Urteils die Beendigung des [X.] zum 31. Dezember 2008 als unstreitig festgestellt habe. Selbst wenn dem so wäre, läge darin keine entscheidungserhebliche Verletzung des rechtlichen Gehörs der Klägerin, weil es nach der Entscheidung des Senats auf die Laufzeit des [X.] nicht ankommt. Davon abgesehen kann der von der Klägerin herangezogenen Feststellung im Berufungsurteil auch nicht entnommen werden, dass die Laufzeit des [X.] zum 31. Dezember 2008 endgültig endete. Die Feststellung des Berufungsgerichts lautet:

Die Laufzeit des [X.] ist immer wieder verlängert worden, zuletzt bis zum 31. Dezember 2008.

8

Diese Feststellung lässt die Möglichkeit offen, dass die zuletzt (nicht: „zum letzten Mal“) bis zum 31. Dezember 2008 verlängerte Laufzeit des Vertrags - so wie auch zuvor immer wieder - über diesen [X.]punkt hinaus verlängert worden ist.

9

b) Der Senat hat entgegen der Vermutung der Klägerin nicht übersehen, dass die mündliche Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 4. September 2007 und damit lange vor dem 31. Dezember 2008 geschlossen worden ist. Der Senat hat mit seiner Bemerkung, es sei weder von der Klägerin vorgetragen noch vom Berufungsgericht festgestellt, dass [X.] auch in der [X.] nach dem 31. Dezember 2008 Funksendungen über eine Verteileranlage in die Hotelzimmer der Beklagten weitergesendet habe, lediglich darauf hingewiesen, dass in der Revisionsinstanz mangels - zwangsläufig - fehlenden Sachvortrags und fehlender Feststellungen in den Tatsacheninstanzen nicht davon ausgegangen werden kann, [X.] habe das von der Klägerin beanstandete Verhalten nach dem 31. Dezember 2008 fortgesetzt.

c) Es kann dahinstehen, ob ein unstreitiger Vortrag der [X.]en in der Revisionsinstanz, [X.] habe über den 31. Dezember 2008 hinaus weitergesendet, nach der Rechtsprechung des [X.] in der Revisionsinstanz zu berücksichtigen gewesen wäre. Entgegen der Ansicht der Klägerin folgt allein daraus, dass die Beklagte die technischen Abläufe und die urheberrechtliche Bewertung auch in der Revisionsinstanz im Präsens dargestellt hat, nicht, dass es zwischen den [X.]en in der Revisionsinstanz unstreitig gewesen ist, dass [X.] über den 31. Dezember 2008 hinaus weitergesendet hat.

3. Die Klägerin rügt des Weiteren ohne Erfolg, die Ausführungen des Senats unter [X.]. 28 zur uneingeschränkten Nachprüfbarkeit der Auslegung des [X.] durch das Berufungsgericht setzten sich über die unstreitige Tatsache hinweg, dass der [X.] am 31. Dezember 2008 ausgelaufen sei; aus dem Auslaufen des [X.] folge, dass kein Bedürfnis für eine Auslegung durch den Senat bestehe. Diese Rüge hat schon deshalb keinen Erfolg, weil sie - wie oben unter II 1 a ausgeführt - auf der unzutreffenden Annahme beruht, der Senat habe  übersehen, dass der [X.] am 31. Dezember 2008 ausgelaufen sei. Im Übrigen kann ein Bedürfnis an einer einheitlichen Auslegung eines ausgelaufenen Vertragswerkes auch dann bestehen, wenn dieses - wie im Streitfall - noch für zahlreiche Rechtsbeziehungen von Bedeutung ist.

4. Entgegen der Ansicht der Klägerin stellt das Ergebnis der vom Senat vorgenommenen Auslegung des [X.] keine Überraschungsentscheidung dar. Der gesamte Rechtsstreit drehte sich von Anfang an um die Frage der Auslegung dieses Vertrags. Die Klägerin musste daher damit rechnen, dass der Senat den Vertrag nicht in ihrem Sinne auslegt. Der Senat war deshalb nicht verpflichtet, die Klägerin hierauf noch vor der mündlichen Verhandlung hinzuweisen. In der mündlichen Verhandlung ist dieser Punkt im Übrigen auch ausführlich erörtert worden.

5. Die Klägerin macht ferner ohne Erfolg geltend, die Ausführungen des Senats in [X.]. 22 ff. des Urteils zur Frage, wer [X.] bzw. [X.] ist, seien überraschend. Die für diese Ausführungen maßgeblichen Feststellungen des Berufungsgerichts, die der Senat unter [X.]. 3 und 24 seines Urteils wiedergegeben hat, sind weder missverständlich noch auslegungsbedürftig, sondern klar und eindeutig. Dies gilt insbesondere für die Feststellung des Berufungsgerichts, dass [X.] die Programme an der Grundstücksgrenze übernimmt und zu den [X.] in den Hotelzimmern weiterleitet. Es bestand für den Senat daher keine Veranlassung und erst recht keine Verpflichtung, die Klägerin vor der mündlichen Verhandlung darauf hinzuweisen, dass er diese Feststellungen seiner Entscheidung zugrunde zu legen gedachte. Auch dies ist in der mündlichen Verhandlung erörtert worden.

Die Klägerin beanstandet auch vergeblich, der Senat sei unter [X.]. 3 und 32 seiner Entscheidung davon ausgegangen, dass zwischen [X.] und der [X.] ein Signallieferungsvertrag bestehe. Die Beklagte hat in der Revisionsbegründung (S. 11 Abs. 2) zutreffend darauf hingewiesen, dass sich aus dem - in erster Instanz vorgelegten - Bestätigungsschreiben vom 13. September 2006 (Anlage [X.] = [X.]) ergibt, dass [X.] die von der [X.] gelieferten Programme aufgrund eines Signallieferungsvertrages empfängt. Die Klägerin ist dem in der Revisionserwiderung - anders als sie nunmehr behauptet - nicht entgegengetreten. Insbesondere hat sie nicht geltend gemacht, das Vorliegen eines solchen Vertrages in erster Instanz mit Nichtwissen bestritten zu haben.

Soweit die Klägerin sich mit ihrer Anhörungsrüge im Übrigen gegen die Auffassung des Senats wendet, im Streitfall sei allein [X.] als Sendende anzusehen, wiederholt sie lediglich ihre abweichende Ansicht, ohne eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör darzulegen.

III. Die Klägerin hat nach Ablauf der zweiwöchigen Rügefrist des § 321a Abs. 2 Satz 1 ZPO, die hier mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils am 28. April 2010 begonnen und am 12. Mai 2010 geendet hat, am 24. Juni 2010 eine „Ergänzung der Rügeschriften“ vom 26. November 2009 und vom 12. Mai 2010 vorgelegt. Darin rügt sie, der Senat habe seiner Entscheidung mit der Feststellung einer Programmauswahl durch [X.] ([X.]. 24 und 26 des [X.]) eine Tatsache zugrunde gelegt, die nicht Gegenstand in den Instanzen gewesen sei.

Dieses Vorbringen ist verspätet und kann daher nicht berücksichtigt werden. Eine Ergänzung der Rügebegründung ist zwar auch nach Fristablauf möglich. Neues Vorbringen zur Rügebegründung ist jedoch ausgeschlossen (Zöller-Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 321a Rdn. 13). Die Klägerin hat entgegen ihrer Darstellung in keiner der beiden früheren Rügeschriften geltend gemacht, die Anwendung des Kriteriums der Programmauswahl hätte eines vorherigen Hinweises des Senats bedurft.

[X.]                                 Schaffert

                         Bergmann                                   Koch

Meta

I ZR 160/07

15.07.2010

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend BGH, 12. November 2009, Az: I ZR 160/07, Urteil

§ 321a Abs 4 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.07.2010, Az. I ZR 160/07 (REWIS RS 2010, 4797)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 4797


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 1 BvR 2553/10

Bundesverfassungsgericht, 1 BvR 2553/10, 22.06.2011.


Az. I ZR 160/07

Bundesgerichtshof, I ZR 160/07, 15.07.2010.


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