Bundesfinanzhof, Beschluss vom 17.05.2017, Az. III B 92/16

3. Senat | REWIS RS 2017, 10788

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Gegenstand

Beibehaltung eines inländischen Wohnsitzes durch ein im Ausland studierendes Kind - Zulassung der Revision


Leitsatz

NV: Die Beibehaltung einer inländischen Wohnung lässt sich nicht daraus herleiten, dass ein Kind, das im Herkunftsland seiner Familie ausgebildet wird, dort mit seinen Eltern Urlaube verbringt; Aufenthalte der im Inland lebenden Eltern mit den Kindern außerhalb Deutschlands haben regelmäßig keine Bedeutung für die Beibehaltung des inländischen Wohnsitzes durch das Kind .

Tenor

Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 10. Mai 2016 6 K 662/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Das Finanzgericht (FG) wies die auf Gewährung von Kindergeld in voller Höhe für den Zeitraum April 2012 bis April 2014 gerichtete Klage ab, weil die Tochter des [X.] und Beschwerdeführers (Kläger), die im Juni 2012 in der [X.] ihr Abitur bestanden hatte und seit September 2012 in der [X.] studierte, im Inland keinen Wohnsitz gehabt habe (§ 63 Abs. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes --EStG-- a.F., jetzt § 63 Abs. 1 Satz 6 EStG). Die Tochter habe sich im [X.] für ein Studium in der [X.] und damit für einen fünf- bis sechsjährigen Auslandsaufenthalt entschieden. Sie habe von 210 schulfreien Tagen nur 72 Tage im Inland verbracht und sei während der Schulzeit in die Familie ihrer [X.] Verwandten integriert gewesen. Durch gemeinsame Urlaube mit ihren in der [X.] ([X.]) lebenden Familienangehörigen (u.a. dem Kläger) in der [X.] habe sie keinen [X.] begründet.

2

Zur Begründung seiner Nichtzulassungsbeschwerde trägt der Kläger vor, das [X.] widerspreche den [X.] vom 23. Juni 2015 III R 38/14 ([X.], 381, [X.], 102) und vom 25. September 2014 III R 10/14 ([X.], 239, [X.], 655); die Rechtssache sei zudem grundsätzlich bedeutsam. Von den 210 schulfreien Tagen im Zeitraum von September 2010 bis September 2012 habe sich seine Tochter nicht nur 72 Tage in [X.] aufgehalten, sondern zusammen mit ihrem Vater --dem [X.] sowie ihrer Mutter und Schwester 70 Tage zu Urlaubszwecken in der [X.] verbracht. Diese in familiärer Lebensgemeinschaft verbrachten Urlaubstage seien im Hinblick auf die Beibehaltung des inländischen Wohnsitzes ebenfalls zu berücksichtigen, weil der Wohnsitz durch eine kurzfristige Abwesenheit zu Erholungszwecken nicht aufgegeben werde. Die Tochter habe somit an 142 von 210 schulfreien Tagen einen [X.] innegehabt.

Entscheidungsgründe

3

II. Die Beschwerde ist unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

4

1. Die Revision ist nicht wegen Divergenz zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alternative FGO), denn die gerügte Abweichung von den [X.] in [X.], 381, [X.], 102 und in [X.], 239, [X.], 655 liegt nicht vor.

5

Wie der Kläger zutreffend ausführt lautet der erste Leitsatz des Urteils des [X.] ([X.]) in [X.], 381, [X.], 102 "Während eines mehrjährigen Auslandsaufenthalts zum Zwecke einer Berufsausbildung behält ein Kind seinen Wohnsitz in der Wohnung der Eltern im Inland im Regelfall nur dann bei, wenn es diese Wohnung zumindest überwiegend in den [X.]en nutzt ... . Nicht erforderlich ist hingegen, dass das Kind den weit überwiegenden Teil der [X.] im Inland verbringt." und der erste Leitsatz des Urteils in [X.], 239, [X.], 655 "Während eines mehrjährigen Auslandsaufenthalts zum Zwecke einer Berufsausbildung behält ein Kind seinen Wohnsitz in der Wohnung der Eltern im Inland im Regelfall nur dann bei, wenn es diese Wohnung zumindest überwiegend in den [X.]en nutzt".

6

Dem widerspricht das angefochtene Urteil nicht. Den vorgenannten [X.] ist nicht, wie der Kläger meint, zu entnehmen, dass ein im Ausland studierendes Kind seinen inländischen Wohnsitz dadurch beibehält, dass es mit seinen Eltern einen Erholungsurlaub im Ausland verbringt. Denn es kommt gerade nicht auf die persönliche Beziehung zu den Eltern, sondern auf die Beziehung zur elterlichen Wohnung an ([X.]-Urteil in [X.], 239, [X.], 655, Rz 18).

7

Die Beantwortung der Frage, ob ein Kind, das sich zu Ausbildungszwecken im Ausland aufhält, seinen inländischen Wohnsitz bei den Eltern beibehält, liegt weitgehend auf tatsächlichem Gebiet unter Berücksichtigung der objektiven Umstände des jeweiligen Falles, so dass sich generelle Regeln nicht ohne Weiteres aufstellen lassen. Die Umstände müssen aber nach der Lebenserfahrung den Schluss zulassen, dass das Kind die Wohnung innehat, um sie als solche zu nutzen. Anhaltspunkte dafür sind nach der Rechtsprechung des Senats neben der voraussichtlichen Dauer der auswärtigen Unterbringung, der Art der Unterbringung am Ausbildungsort auf der einen und im Elternhaus auf der anderen Seite, dem Zweck des Auslandsaufenthalts und den persönlichen Beziehungen des Kindes am Wohnort der Eltern einerseits und am Ausbildungsort andererseits vornehmlich Dauer und Häufigkeit der Inlandsaufenthalte (z.B. Senatsurteil in [X.], 239, [X.], 655, Rz 19 f.). Die Innehabung und Beibehaltung einer inländischen Wohnung lässt sich danach nicht daraus herleiten, dass ein Kind, dass im Herkunftsland seiner Familie ausgebildet wird, dort mit seinen Eltern Urlaube verbringt; Aufenthalte der Eltern mit den Kindern außerhalb [X.] haben regelmäßig keine ausschlaggebende Bedeutung für die Beibehaltung des inländischen Wohnsitzes (Senatsurteil in [X.], 239, [X.], 655, Rz 25).

8

2. Grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) kommt einer Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des [X.] zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Außerdem muss die Rechtsfrage klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig sein (z.B. [X.]-Beschluss vom 19. Januar 2011 [X.]43/10, [X.]/NV 2011, 636, Rz 5).

9

Daran fehlt es vorliegend, denn die Grundsätze, nach denen zu beurteilen ist, ob ein Kind, das sich zu einer mehrjährigen Ausbildung im Ausland aufhält, seinen Wohnsitz in der inländischen elterlichen Wohnung beibehält, sind durch die Rechtsprechung bereits hinreichend geklärt. Maßgeblich sind jeweils die Umstände des Einzelfalls und insbesondere die Dauer der zwischenzeitlichen Inlandsaufenthalte ([X.]-Beschlüsse vom 11. Dezember 2012 III B 108/12, [X.]/NV 2013, 538, Rz 5; vom 12. Februar 2014 V B 39/13, [X.]/NV 2014, 715).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 143 Abs. 1 i.V.m. § 135 Abs. 2 FGO.

Meta

III B 92/16

17.05.2017

Bundesfinanzhof 3. Senat

Beschluss

vorgehend FG Nürnberg, 10. Mai 2016, Az: 6 K 662/14, Urteil

§ 8 AO, § 63 Abs 1 S 3 EStG 2009, § 63 Abs 1 S 6 EStG 2009, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO, EStG VZ 2012, EStG VZ 2013, EStG VZ 2014

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 17.05.2017, Az. III B 92/16 (REWIS RS 2017, 10788)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 10788

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