Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.10.2011, Az. RiZ (R) 3/10

Dienstgericht des Bundes | REWIS RS 2011, 2660

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Gegenstand

(Richterdienstaufsicht: Untersagung einer Nebentätigkeit des Richters als Prozessbevollmächtigter als Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit) 


Tenor

Die Revision des Antragstellers gegen das Urteil des [X.] - Dienstgericht für [X.] - vom 13. April 2010 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der am         geborene Antragsteller stand seit 1991 im richterlichen Dienst des [X.]. Er war seit [X.] am [X.]      und als Vorsitzender der dortigen [X.] tätig. Zum         ist er aus dem aktiven [X.]dienst ausgeschieden.

2

Nachdem der Antragsgegner im April 2007 erfahren hatte, dass der Antragsteller in einem Verfahren vor dem [X.]     den Kläger dieses Verfahrens, den Chefarzt einer Klinik, als Prozessbevollmächtigter vertrat, untersagte er dem Antragsteller mit Verfügung vom 8. August 2007 die Fortsetzung dieser Tätigkeit. Die Untersagung wurde damit begründet, durch die Ausübung der Nebentätigkeit seien bereits Dienstpflichten verletzt worden und weitere Dienstpflichtverletzungen zu besorgen. Der Antragsteller habe gegenüber dem [X.]    ausdrücklich auf sein [X.]amt beim Nachbargericht hingewiesen und angeregt, Zustellungen an ihn könnten mit Kurierpost an seine Dienstadresse erfolgen. Dies zeige, dass er gegenüber dem [X.]      und auch der Beklagten in dem dort anhängigen Verfahren seinen Amtsbonus ins Spiel bringe und dienstliche Möglichkeiten, die ihm kraft Amtes zur Verfügung stünden, in Anspruch nehme und ausnutze. Das Verhalten des Antragstellers sei geeignet, nachhaltig das Vertrauen in die Chancengleichheit vor Gericht und in die Neutralität des erkennenden Gerichts zu beeinträchtigen. Darüber hinaus beschädige er nachhaltig das Vertrauen in seine eigene Neutralität als [X.]. Schließlich komme hinzu, dass er in der [X.] der fraglichen Prozessvertretung immer wieder die gesetzliche Urteilsabsetzungsfrist in nicht unerheblicher Weise überschritten habe.

3

Den gegen diese Verfügung gerichteten Widerspruch des Antragstellers hat der Antragsgegner mit Bescheid vom 20. Dezember 2007 zurückgewiesen.

4

Mit der beim [X.] erhobenen Klage hat der Antragsteller die Feststellung beantragt, dass in der Verfügung vom 8. August 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 20. Dezember 2007 eine Maßnahme der Dienstaufsicht vorliegt, die seine richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigt.

5

Das [X.] für [X.] hat den Antrag als unbegründet zurückgewiesen. Bei der verfügten Untersagung gehe es um keine Frage, die dem Kernbereich der eigentlichen Rechtsprechung zuzuordnen sei. Vielmehr handele es sich um den Bereich der "äußeren Ordnung". Die Verfügung enthalte weder eine direkte noch eine indirekte Weisung, wie der Antragsteller in Zukunft bei Verfahren entscheiden oder vorgehen solle. Der Vorhalt unangemessen langer Urteilsabsetzungsfristen stelle eine zulässige Ausübung der Dienstaufsicht dar.

6

Dagegen richtet sich die - vom [X.] zugelassene - Revision des Antragstellers, mit der er geltend macht, von ihm beanstandete Formulierungen in der Untersagungsverfügung des Antragsgegners griffen entgegen der Auffassung des [X.]s in den Kernbereich der richterlichen Unabhängigkeit ein, weil sie eine Herabwürdigung seiner gesamten [X.]persönlichkeit darstellten.

7

Der Antragsteller beantragt,

in Abänderung des Urteils des [X.] - [X.] für [X.] - vom 13. April 2010 festzustellen, dass die dienstaufsichtliche Maßnahme des Präsidenten des [X.] vom 8. August 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Dezember 2007 unzulässig ist, soweit darin ausgeführt wird:

Durch die bisherige Ausübung vorliegender Nebentätigkeit sind bereits Dienstpflichten verletzt worden. Bei Fortsetzung dieser Tätigkeit ist die weitere Verletzung von Dienstpflichten anzunehmen.

Dies zeigt, dass Sie dem [X.]    gegenüber und insbesondere der Beklagten gegenüber Ihren Amtsbonus und dienstliche Möglichkeiten, die Ihnen kraft Amtes zur Verfügung stehen, in Anspruch nehmen und ausnutzen. Ihr Verhalten ist somit geeignet, nachhaltig das Vertrauen in die Chancengleichheit vor Gericht und in die Neutralität des erkennenden Gerichts zu beeinträchtigen.

Darüber hinaus beschädigen Sie durch die Tätigkeit als Prozessvertreter mit den genannten Erscheinungsformen nachhaltig das Vertrauen in Ihre eigene Neutralität als [X.].

Sie beschädigen hiermit das Vertrauen in Ihre Neutralität bei eigener Amtsausübung und das Ansehen der Arbeitsgerichtsbarkeit insgesamt.

Schließlich kommt hinzu, dass Sie auch in dieser [X.] der fraglichen Prozessvertretung Ihre Dienstgeschäfte beim [X.]      nicht ordnungsgemäß verrichtet haben. So werden immer wieder die Urteilsabsetzungsfristen gem. § 60 ArbGG in nicht unerheblicher Weise überschritten.

8

Der Antragsgegner beantragt,

die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige [X.]evision (§ 79 Abs. 2, § 78 Nr. 4 Buchst. e, § 80 Abs. 2 D[X.]iG, § 45 Abs. 2 Sächs[X.]iG) des Antragstellers ist unbegründet. Das angefochtene Urteil beruht nicht auf der Nichtanwendung oder unrichtigen Anwendung einer [X.]echtsnorm (§ 80 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 D[X.]iG, § 144 Abs. 2 VwGO).

I. Die [X.]evision ist zulässig. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners entspricht die [X.]evisionsbegründung den gesetzlichen Anforderungen (vgl. § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO). Der Antragsteller hat einen bestimmten Antrag formuliert und rügt die Verletzung von konkret bezeichneten [X.]echtsnormen. Seinen Ausführungen ist hinreichend deutlich zu entnehmen, dass er eine unrichtige Anwendung des § 26 Abs. 1 und 3 D[X.]iG rügt, weil die Vorinstanz den Begriff der "Maßnahme der Dienstaufsicht" zu eng ausgelegt habe und die Auswirkungen der angefochtenen Verhaltensweisen des Antragsgegners auf die richterliche Entscheidungsfindung verkannt worden seien.

II. Die [X.]evision ist unbegründet.

1. Allerdings ist das [X.]echtsschutzbedürfnis für den Antrag nicht durch den Eintritt des Antragstellers in den [X.]uhestand zum        entfallen. Es besteht vielmehr im Streitfall unter Berücksichtigung von Art und Inhalt der angegriffenen Maßnahmen der Dienstaufsicht fort (vgl. [X.], Urteil vom 12. Mai 2011 - [X.]([X.]) 4/09 [X.]n. 22, juris).

2. Der Antrag ist unbegründet. Weder die Untersagung der Nebentätigkeit noch die beanstandeten Formulierungen im angefochtenen Bescheid sind geeignet, den Antragsteller in seiner richterlichen Unabhängigkeit zu beeinträchtigen.

a) Zutreffend hat das [X.] die angefochtene dienstliche Maßnahme ausschließlich dahingehend überprüft, ob sie den Antragsteller in seiner richterlichen Unabhängigkeit beeinträchtigt. Ob sie im Übrigen rechtmäßig ist, hat es nicht zu beurteilen (st. [X.]spr.; vgl. [X.], Urteil vom 20. Januar 2011 -[X.]([X.]) 1/10, NJW-[X.][X.] 2011, 700 [X.]n. 20 mwN).

b) Die Dienstaufsicht der zuständigen Behörde berührt als solche die richterliche Unabhängigkeit nicht, solange sie sich im [X.]ahmen des § 26 D[X.]iG hält (vgl. [X.], Urteil vom 10. August 2001 - [X.]([X.]) 5/00, NJW 2002, 359, 360). Unter diesem Vorbehalt umfasst die Dienstaufsicht auch die Befugnis, dem [X.] die ordnungswidrige Art der Amtsführung vorzuhalten und zu ordnungsgemäßer, unverzögerter Erledigung der Amtsgeschäfte zu ermahnen, § 26 Abs. 2 D[X.]iG ([X.], Urteil vom 22. Februar 2006 - [X.]([X.]) 3/05, [X.], 1674). Die richterliche Amtsführung unterliegt insoweit der Dienstaufsicht, als es um die Sicherung eines ordnungsgemäßen Geschäftsablaufs, die äußere Form der Erledigung eines Dienstgeschäfts oder um solche Fragen geht, die dem Kernbereich der [X.]echtsprechungstätigkeit so weit entrückt sind, dass sie nur noch als zur äußeren Ordnung gehörig anzusehen sind (st. [X.]spr.; vgl. [X.], Urteil vom 14. April 1997 - [X.]([X.]) 1/96, D[X.] 1997, 467, 468; Urteil vom 22. Februar 2006 - [X.]([X.]) 3/05, [X.], 1674 mwN). Danach kann der Vorhalt unangemessen langer Urteilsabsetzungsfristen eine zulässige Ausübung der Dienstaufsicht sein ([X.], Urteil vom 31. Januar 1984 - [X.]([X.]) 3/83, [X.]Z 90, 41, 44; Urteil vom 27. Januar 1995 - [X.]([X.]) 3/94, D[X.] 1995, 352; Urteil vom 4. Juni 2009 - [X.]([X.]) 5/08, [X.]Z 181, 268 [X.]n. 17).

c) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat die [X.]evision des Antragstellers keinen Erfolg. Das [X.] für [X.] hat in der angefochtenen Maßnahme der Dienstaufsicht zu [X.]echt keinen Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit gesehen (§ 26 Abs. 3 D[X.]iG).

aa) Die Untersagung der Nebentätigkeit stellt sich schon deshalb nicht als Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit dar, weil sie nicht auf die richterliche Tätigkeit des Antragstellers abzielt. Erkennbar geht es dem Antragsgegner gerade nicht um die Beeinflussung der richterlichen, sondern der nichtrichterlichen Betätigung des Antragstellers im [X.]ahmen einer Nebentätigkeit, die dem besonderen Schutz durch die Gewährleistung der richterlichen Unabhängigkeit nicht unterfällt.

bb) Die Feststellung der Verletzung von Dienstpflichten durch die Ausübung der bisherigen Nebentätigkeit und der Verweis darauf, dass weitere [X.] zu erwarten seien, greift nicht in den Bereich der richterlichen Unabhängigkeit ein. Die beanstandete Äußerung erschöpft sich in einer auf Tatsachen bezogenen, im [X.]ahmen einer Maßnahme der Dienstaufsicht zulässigen Wertung, ohne mit einem darüber hinausgehenden - unzulässigen - persönlichen Vorwurf im Sinne einer Missbilligung verbunden zu sein (vgl. [X.], Urteil vom 14. April 1997 - [X.]([X.]) 1/96, D[X.] 1997, 467, 470 mwN). Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Äußerung, eine weitere Verletzung von Dienstpflichten sei zu befürchten, auf eine direkte oder indirekte Weisung hinausläuft, eine Verfahrens- oder Sachentscheidung künftig in einem anderen Sinne zu treffen als ohne diese Bemerkung (vgl. [X.], Urteil vom 27. Januar 1995 - [X.]([X.]) 3/94, D[X.] 1995, 352, 353).

cc) Der Hinweis auf die Ausnutzung des Amtsbonus und der dienstlichen Möglichkeiten, die dem Antragsteller kraft Amtes zur Verfügung standen, greift nicht in den Kernbereich der richterlichen Tätigkeit ein. Zu diesem Kernbereich gehören Nebentätigkeiten gerade nicht. Die Nutzung von Diensteinrichtungen zur Nebenbeschäftigung ist erkennbar keine richterliche Tätigkeit. Die im [X.]ahmen der Dienstaufsicht zulässige Bemerkung des Antragsgegners sollte begründen, weshalb ein solches Verhalten künftig zu unterbleiben habe.

dd) Der Hinweis auf die Beschädigung der Neutralität als [X.] bei eigener Amtsführung und des Ansehens der Arbeitsgerichtsbarkeit enthält keine Missbilligung richterlicher Tätigkeit. Er erschöpft sich vielmehr in einer sachbezogenen Bewertung der Auswirkungen der nichtrichterlichen Nebenbeschäftigung des Antragstellers. Ihm sollte damit die Außenwirkung seines Verhaltens vor Augen geführt werden. Dazu gab das beanstandete Verhalten des Antragstellers hinreichenden Anlass.

ee) Auch der Hinweis auf die Überschreitung der Urteilsabsetzungsfristen gem. § 60 Abs. 4 Satz 2 ArbGG bezieht sich nicht auf den Kernbereich der richterlichen Tätigkeit, sondern nur auf den "äußeren Ordnungsbereich". Der Vorhalt betrifft nicht den Inhalt der getroffenen Entscheidungen, sondern die äußere Form der Erledigung abgeschlossener richterlicher Geschäfte (vgl. [X.], Urteil vom 27. September 1976 - [X.]([X.]) 3/75, [X.]Z 67, 184, 187; Urteil vom 4. Juni 2009 - [X.]([X.]) 5/08, [X.]Z 181, 268 [X.]n. 17 mwN) und enthält sich gleichfalls jeder über die zulässige Ausübung der Dienstaufsicht hinausgehenden Missbilligung oder Herabsetzung der [X.]persönlichkeit des Antragstellers.

III. [X.] beruht auf § 80 Abs. 1 Satz 1 D[X.]iG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 VwGO.

IV. Der Wert des Streitgegenstands wird für das [X.]evisionsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt (§ 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 2, § 71 Abs. 1 Satz 2 GKG).

Bergmann                                                 Joeres                                                           Fischer

                              Gräfl                                                 [X.]

Meta

RiZ (R) 3/10

06.10.2011

Bundesgerichtshof Dienstgericht des Bundes

Urteil

Sachgebiet: False

vorgehend Sächsisches Dienstgericht für Richter, 13. April 2010, Az: 66 DG 2/09, Urteil

§ 26 Abs 3 DRiG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.10.2011, Az. RiZ (R) 3/10 (REWIS RS 2011, 2660)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2660

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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