Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.06.2009, Az. RiZ (R) 5/08

Dienstgericht des Bundes | REWIS RS 2009, 3226

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES U[X.]TEIL [X.]([X.]) 5/08 vom Verkündet am: 4. Juni 2009 Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle 4. Juni 2009 Nachschlagewerk: ja [X.]: ja [X.][X.] ja _____________________ D[X.]iG § 26 Abs. 1 und 2 Wird in einer dienstlichen Beurteilung die Form der Verhandlungsführung des [X.]ich-ters verallgemeinernd negativ bewertet, ohne konkrete Beobachtungen des Beurtei-lers in bestimmten Verhandlungen in Bezug zu nehmen, kann dies als eine [X.] Kritik an der Verhandlungsführung des [X.]s verstanden werden und auf die Weisung hinauslaufen, zukünftig anders oder im Sinne des Beurteilers zu verfahren, die die richterliche Unabhängigkeit des [X.] beeinträchtigt. [X.] - [X.] des [X.] - Urteil vom 4. Juni 2009 - [X.]([X.]) 5/08 - [X.] für [X.] bei dem [X.] - 2 - In dem Prüfungsverfahren des [X.]s am [X.]Antragsteller, [X.]evisionskläger und [X.]evisionsbeklagter, - Prozessbevollmächtigte: [X.]echtsanwälte - gegen [X.] Antragsgegner, [X.]evisionsbeklagter und [X.]evisionskläger,
wegen Anfechtung einer Maßnahme der Dienstaufsicht - 3 - Der [X.]gerichtshof - [X.] des [X.] - hat aufgrund der mündli-chen Verhandlung vom 4. Juni 2009 durch die Vorsitzende [X.]in am Bun-desgerichtshof [X.], die [X.] am [X.]gerichtshof Prof. Dr. Fischer und Prof. Dr. Büscher, die [X.]in am [X.]arbeitsgericht Gräfl und den [X.] am [X.]arbeitsgericht [X.] für [X.]echt erkannt: 1. Auf die [X.]evision des Antragstellers wird das Urteil des [X.] - [X.] für [X.] - vom 3. Juli 2008 teilweise (dahin) abgeändert: Die dienstliche Beurteilung vom 8. Februar 2006 in Ge-stalt des [X.] vom 19. April 2006 und des Widerspruchsbescheids vom 24. Juli 2007 ist [X.] soweit darin ausgeführt wird: "– "Vor allem vor dem Hintergrund der dienstlichen Beur-teilung vom 29. April 2002 zeigt dies, dass [X.]

nicht gewillt ist, sich insoweit gesetz- und verfas-sungskonform zu verhalten." "Trotz vielfältiger Bitten der Prozessbevollmächtigten äußert sich [X.] zu den [X.] und -risiken nicht." "Die Parteien und [X.] wissen nicht, ob und was sie sagen sollen. [X.] sitzt da und [X.], was denn wohl passieren werde. (Vergleichsvor-schläge unter Berücksichtigung der [X.] und -risiken unterbreiter [X.] nicht)." 2. Die [X.]evision des Antragsgegners gegen das genannte Urteil wird zurückgewiesen. 3. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Von [X.]echts wegen - 4 - Tatbestand: Die Beteiligten streiten darüber, ob der Antragsteller durch Formulierun-gen in der dienstlichen Beurteilung vom 8. Februar 2006 in seiner richterlichen Unabhängigkeit beeinträchtigt wird. 1 Der Antragsteller steht seit dem [X.] im richterlichen Dienst des Antragsgegners. Er ist seit März 2000 [X.] am [X.]und Vorsitzender einer Kammer. Am 8. Februar 2006 beurteilte der Präsident des [X.]den Antragsteller. Die dienstliche [X.]egelbeurteilung um-fasst den Zeitraum 1. Januar 2002 bis 31. Dezember 2005 und schließt mit dem Gesamturteil "Er entspricht nicht den Anforderungen". Im Übrigen hat sie u. a. folgenden Wortlaut: 2 "Von den insgesamt 217 streitigen Urteilen, den vier [X.] sowie den elf Entscheidungen in [X.], Ga[X.] bzw. [X.] hat [X.] 185 Entscheidungen (!) nicht in-nerhalb der [X.] des § 60 Abs. 4 bzw. Abs. 1 ArbGG in vollständig abgesetzter Form der Ge-schäftsstelle übergeben. 78 Entscheidungen legte [X.] erst vier bis fünf Monate - die allermeisten davon genau fünf Monate - nach ihrer Verkündung in vollständig abge-setzter Form der Geschäftsstelle vor. Vier Entscheidungen wurden erst nach Ablauf von fünf Monaten nach ihrer [X.] in vollständig abgesetzter Form der [X.] vorgelegt. Dieses Verhalten ist vor dem Hintergrund, dass [X.] jedenfalls in den Jahren 2004 und 2005 nicht überbelastet war, nicht zu rechtfertigen. Für andere Ent-scheidungen (zum Beispiel im Prozesskostenhilferecht) brauchte [X.] zum Teil Jahre. Vor allem vor dem [X.] der dienstlichen Beurteilung vom 29. April 2002 zeigt dies, dass [X.] nicht gewillt ist, sich insoweit [X.] und verfassungskonform zu verhalten. Am 1. Februar 2003 hatte [X.] zwei Urteile aus dem [X.] und zwei Urteile aus dem Jahre 2001 noch nicht ab-gesetzt. Die beiden Urteile vom 24. November 2000 und vom 8. Dezember 2000 lagen auch am 1. August 2003 noch nicht in vollständig abgesetzter Form der [X.] vor. - 5 - [X.] bereitet seine mündlichen Verhandlungen auch mit entsprechenden Hinweis- und Auflagenbeschlüssen so vor, dass sie regelmäßig im ersten Kammertermin [X.] sind. Es ist allerdings nicht erkennbar, dass [X.] die mündlichen Verhandlungen leitet. Er lässt nach der Antragstellung die Parteien reden, ohne auf die ent-scheidungserheblichen Fragen hinzuwirken. Diese werden auch nicht deutlich herausgearbeitet. Trotz vielfältiger Bit-ten der Prozessbevollmächtigten äußert sich [X.] zu den [X.] und -risiken nicht. Es entstehen in der mündlichen Verhandlung Leerläufe. Die Parteien und [X.] wissen nicht, ob und was sie sagen [X.]. [X.] sitzt da und wartet, was denn wohl passieren werde. [X.] unter Berücksichtigung der [X.] und -risiken unterbreitet [X.] nicht. Er schließt die Verhandlung, ohne dass die Parteien eine Ah-nung davon haben, worauf es dem Gericht ankommt und was das Gericht für entscheidungserheblich hält. [X.]s Urteile sind sprachlich gut nachvollziehbar und in der [X.]egel übersichtlich aufgebaut. Sie sind auch gut ver-ständlich. [X.] blendet allerdings die höchstrichterliche [X.]echtsprechung oft selbst dann aus, wenn er von ihr ab-weicht. Für die Parteien wäre es jedenfalls hilfreich zu erfahren, ob die [X.]echtsprechung der Kammer des [X.]s [X.] sich an der höchstrichterlichen [X.]echtsprechung orientiert oder nicht." Die dienstliche Beurteilung wurde dem Antragsteller am 3. April 2006 [X.]. Mit [X.] vom 19. April 2006 wurde sie vom Präsidenten des [X.] bestätigt und am 24. April 2006 dem [X.] nochmals eröffnet. 3 Mit einem an den Präsidenten des [X.] gerichteten Schreiben vom 24. April 2007 erhob der Antragsteller Widerspruch gegen die dienstliche Beurteilung. Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Juli 2007, der dem Antragsteller am 1. August 2007 zuging, wurde dieser [X.] - 6 - sen. Mit der am 3. September 2007 beim [X.] eingereichten [X.] hat der Antragsteller eine gerichtliche Entscheidung des Dienstge-richts für [X.] beantragt. Daneben hat er die Beurteilung mit einer Klage vor dem [X.] (- 3 K 559/07 -) angefochten. Der Antragsteller hat die Auffassung vertreten, dass die dienstliche Beur-teilung als Maßnahme der Dienstaufsicht ihn - soweit angefochten - in seiner richterlichen Unabhängigkeit verletze. Dies folge schon daraus, dass die bean-standeten Passagen keine zulässigen Maßnahmen der Dienstaufsicht [X.]. Es handle sich um offenkundige [X.] seines Verhaltens im Kernbereich der richterlichen Tätigkeit, der der Dienstaufsicht grundsätzlich entzogen sei. 5 Der Antragsteller hat beantragt 6 festzustellen, dass die dienstliche Beurteilung vom 8. Februar 2006/19. April 2006 eine unzulässige Maß-nahme der Dienstaufsicht insoweit darstellt, als dort ausgeführt wird: 1. "Vor allem vor dem Hintergrund der dienstlichen Beurteilung vom 29. April 2002 zeigt dies, dass [X.] nicht gewillt ist, sich insoweit gesetz- und verfassungskonform zu verhalten." 2. "Er lässt nach der Antragstellung die Parteien reden, ohne auf die entscheidungserheblichen Fragen hinzuwirken. Diese werden auch nicht deutlich herausgearbeitet. Trotz vielfältiger Bit-ten der Prozessbevollmächtigten äußert sich [X.] zu den [X.] und -risiken nicht. Es entstehen in der mündlichen Verhand-lung Leerläufe. Die Parteien und Prozessvertre-ter wissen nicht, ob und was sie sagen sollen. [X.] sitzt da und wartet, was denn wohl pas-sieren werde. [X.] unter [X.] 7 - rücksichtigung der [X.] und -risiken unterbreitet [X.] nicht. Er schließt die [X.], ohne dass die Parteien eine Ahnung davon haben, worauf es dem Gericht ankommt und was das Gericht für [X.] hält." 3. "[X.] blendet allerdings die höchstrichterliche [X.]echtsprechung oft selbst dann aus, wenn er von ihr abweicht. Für die Parteien wäre es [X.] hilfreich zu erfahren, ob die [X.]echtspre-chung der Kammer des [X.]s [X.] sich an der höchstrichterlichen [X.]echtsprechung orientiert oder nicht." Der die Zurückweisung des Antrags begehrende Antragsgegner ist der Auffassung, die dienstliche Beurteilung wahre die Grenzen der richterlichen Un-abhängigkeit. Sie sei eine notwendige und zulässige Bewertung der Eignung, Leistung und Befähigung des Antragstellers. 7 Das [X.] - [X.] für [X.] - hat den Antrag für zulässig und teilweise auch für begründet gehalten. Unbegründet sei er hin-sichtlich der in Ziff. 1 des Antrags genannten Formulierung. Diese sei nicht [X.], die richterliche Unabhängigkeit zu beeinträchtigen. Sie stehe im Zu-sammenhang mit der Feststellung der vielfachen Nichteinhaltung der [X.]. Begründet sei der Antrag hingegen hinsichtlich der in Ziff. 2 des Antrags genannten Formulierungen "Er lässt nach der Antragstellung die [X.] reden, ohne auf die entscheidungserheblichen Fragen hinzuwirken. Diese werden auch nicht deutlich herausgearbeitet.", "Es entstehen in der mündlichen Verhandlung Leerläufe." und "Er schließt die Verhandlung, ohne dass die [X.] eine Ahnung davon haben, worauf es dem Gericht ankommt und was das Gericht für entscheidungserheblich hält". Diese Aussagen seien geeignet, die richterliche Unabhängigkeit zu beeinträchtigen. Sie beträfen die [X.] - 8 - führung und damit den Kernbereich der richterlichen Tätigkeit. Hingegen gehe es in der weiteren unter Ziff. 2 des Antrags beanstandeten Formulierung im Wesentlichen um eine zulässige Beschreibung der Verhandlungsführung. [X.] wiederum sei der Antrag hinsichtlich der unter Ziff. 3 bezeichneten Wendungen. Welchen Weg der [X.]echtsfindung der [X.] wähle, sei dem Kernbereich der [X.]echtsprechung zuzuordnen. Der Antragsteller verfolgt mit seiner [X.]evision seinen Antrag, soweit er ohne Erfolg blieb, mit Ausnahme der Formulierung "Es ist allerdings nicht er-kennbar, dass [X.] die mündlichen Verhandlungen leitet.", weiter. 9 Der Antragsgegner erstrebt mit seiner [X.]evision die vollständige Zurück-weisung des Antrags. 10 Die Beteiligten rügen insoweit jeweils die Verletzung materiellen [X.]echts. Wechselseitig beantragen die Beteiligten jeweils die [X.]evision der Gegenseite zurückzuweisen und verteidigen insoweit das dienstgerichtliche Urteil. 11 Entscheidungsgründe: [X.] Die [X.]evision des Antragstellers hat Erfolg, die des Antragsgegners nicht. Der Antrag ist in den mit der [X.]evision weiter verfolgten Punkten begrün-det. Die beanstandeten Formulierungen sind geeignet, den Antragsteller in [X.] richterlichen Unabhängigkeit zu beeinträchtigen, so dass unter Aufhebung des Urteils des [X.] in diesem Umfang antragsgemäß deren Unzuläs-sigkeit festzustellen war (§ 26 Abs. 3 D[X.]iG i. V. m. § 50 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 Sächs[X.]iG). 12 - 9 - 1. Zutreffend hat das [X.] für [X.] die angefochtene dienstli-che Beurteilung ausschließlich daraufhin überprüft, ob sie den Antragsteller in seiner richterlichen Unabhängigkeit beeinträchtigt. Ob die Beurteilung im Übri-gen rechtmäßig ist, hat es nicht zu entscheiden. 13 a) Nach § 26 Abs. 1 D[X.]iG untersteht der [X.] einer Dienstaufsicht nur, soweit nicht seine Unabhängigkeit beeinträchtigt wird. Nach § 26 Abs. 2 D[X.]iG umfasst die Dienstaufsicht vorbehaltlich des Absatzes 1 auch die [X.], die ordnungswidrige Art der Ausführung eines [X.] vorzuhalten und zu ordnungsgemäßer, unverzögerter Erledigung der Amtsgeschäfte zu er-mahnen. Demgemäß sieht § 6 Abs. 1 und 2 Sächs[X.]iG die periodische Beurtei-lung von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung von [X.]n auf Le-benszeit vor, mit dem Hinweis, dass bei der Beurteilung richterlicher Amtsge-schäfte die sich aus § 26 Abs. 1 und 2 D[X.]iG ergebenden Beschränkungen zu beachten sind und dass eine Stellungnahme zum Inhalt richterlicher Entschei-dungen unzulässig ist. 14 b) Soweit die richterliche Unabhängigkeit durch den Inhalt einer dienstli-chen Beurteilung beeinträchtigt wird, ist diese unzulässig. Das ist allerdings nicht schon dann der Fall, wenn darin die richterliche Amtsführung und spezi-fisch richterliche Fähigkeiten bewertet werden. Das entspricht vielmehr ihrem Zweck. Eine dienstliche Beurteilung verletzt die richterliche Unabhängigkeit nur dann, wenn sie auf eine direkte oder indirekte Weisung hinausläuft, wie der [X.] künftig verfahren oder entscheiden soll. In dieser [X.]ichtung muss die dienstliche Beurteilung eines [X.]s sich auch jeder psychologischen Ein-flussnahme enthalten. Sie ist unzulässig, wenn die in ihr enthaltene Kritik den [X.] veranlassen könnte, in Zukunft eine andere Verfahrens- oder [X.] als ohne diese Kritik zu treffen (st. [X.]spr.; vgl. etwa [X.], Urteile vom 25. September 2002 - [X.]([X.]) 4/01 = NJW-[X.][X.] 2003, 492; vom 10. August 15 - 10 - 2001 - [X.]([X.]) 5/00 = NJW 2002, 359; vom 14. April 1997 - [X.]([X.]) 3/96 = D[X.] 1998, 20). c) Zum Schutzbereich der sachlichen richterlichen Unabhängigkeit gehö-ren in erster Linie die eigentliche [X.]echtsfindung und die ihr mittelbar dienenden Sach- und [X.], einschließlich nicht ausdrücklich [X.], dem Interesse der [X.]echtssuchenden dienender richterlicher Hand-lungen, die in einem konkreten Verfahren mit der Aufgabe des [X.]s, [X.]echt zu finden und den [X.]echtsfrieden zu sichern, in Zusammenhang stehen (sog. Kernbereich; st. [X.]spr.; vgl. etwa [X.], Urteile vom 22. Februar 2006 - [X.]([X.]) 3/05 = NJW 2006, 1674; vom 14. April 1997 - [X.]([X.]) 1/96 = D[X.] 1997, 467). Sie sind dienstaufsichtlichen Maßnahmen grundsätzlich entzogen, es sei denn, es liegt ein offensichtlicher, jedem Zweifel entrückter Fehlgriff vor ([X.], Urteil vom 14. April 1997 - [X.]([X.]) 1/96 = D[X.] 1997, 467). Dementsprechend ist auch die Verhandlungsführung einer Dienstaufsicht nicht zugänglich ([X.], Urteil vom 22. Februar 2006 - [X.]([X.]) 3/05 = NJW 2006, 1674). 16 d) Hingegen unterliegt die richterliche Amtsführung insoweit der Dienst-aufsicht, als es um die Sicherung eines ordnungsgemäßen Geschäftsablaufs, die äußere Form der Erledigung eines Dienstgeschäftes oder um solche Fragen geht, die dem Kernbereich der [X.]echtsprechungstätigkeit so weit entrückt sind, dass sie nur noch als zur äußeren Ordnung gehörig angesehen werden können (st. [X.]spr.; vgl. etwa [X.], Urteile vom 22. Februar 2006 - [X.]([X.]) 3/05 = NJW 2006, 1674; vom 14. April 1997 - [X.]([X.]) 1/96 = D[X.] 1997, 467). So kann etwa der Vorhalt unangemessen langer Urteilsabsetzungsfristen eine zulässige Aus-übung von Dienstaufsicht sein ([X.], Urteile vom 27. Januar 1995 - [X.]([X.]) 3/94 = D[X.] 1995, 352; vom 22. März 1985 - [X.]([X.]) 12/84 = D[X.] 1985, 394; vom 31. Januar 1984 - [X.]([X.]) 3/83 = [X.] 90, 41, 44). 17 - 11 - e) Ein in einer dienstlichen Beurteilung enthaltener Vorhalt hat sich in der Anführung von Tatsachen und in deren sachbezogener Wertung zu erschöpfen. Dazu gehört zwar auch die objektive Feststellung eines Verschuldens des [X.]ich-ters, ohne die ein Vorhalt nicht erteilt werden darf. Das objektiv festgestellte Verschulden darf jedoch nicht zu einer persönlichen Herabsetzung gegenüber dem [X.] führen. Geschieht das, liegt der - unzulässige - Ausspruch einer Missbilligung vor ([X.], Urteile vom 14. April 1997 - [X.]([X.]) 1/96 = D[X.] 1997, 467; vom 22. März 1985 - [X.]([X.]) 12/84 = D[X.] 1985, 394; vom 9. März 1967 - [X.]([X.]) 2/66 = [X.] 47, 275, 285; Schmidt-[X.]äntsch, D[X.]iG 6. Aufl. § 26 [X.]dn. 38; [X.]/[X.]/Arndt [X.]gesetz 1. Aufl. § 26 [X.]dn. 32 f.). 18 2. Gemessen daran sind die vom Antragsteller bemängelten [X.] geeignet, den Antragsteller in seiner rich-terlichen Unabhängigkeit zu beeinträchtigen. 19 a) Die mit dem Antrag zu 1. angegriffene Formulierung bezieht sich auf die ihr vorangestellten Feststellungen. Die dort beschriebenen Verletzungen der gesetzlichen Vorschriften über die Fristen zur Absetzung von Urteilen (§ 60 Abs. 4 Satz 2 und 3 ArbGG) sprechen für sich und mussten von dem Antrags-gegner nicht hingenommen werden. Indes begnügt sich die angegriffene [X.] nicht mit der Feststellung der Tatsachen und - was zulässig gewesen wäre - der Bewertung, dass es sich um [X.]echtsverstöße handelt. Stattdessen greift sie zu der persönlich herabwürdigenden und den Vorwurf der jederzeiti-gen Bereitschaft zum vorsätzlichen [X.]echts- und Verfassungsbruch [X.], der Antragsteller sei "nicht gewillt", sich gesetzes- und verfas-sungskonform zu verhalten. Eine derart unsachliche und über das Gebotene hinausschießende Abwertung der gesamten [X.]persönlichkeit beeinträchtigt die richterliche Unabhängigkeit. 20 - 12 - b) Auch die mit dem Antrag zu 2. beanstandeten Formulierungen sind geeignet, den Antragsteller in seiner richterlichen Unabhängigkeit zu [X.]. Die dienstliche Beurteilung greift insoweit in die dem Kernbereich richterlicher Tätigkeit zugehörige Verhandlungsführung ein, ohne dass dies ausnahmsweise gerechtfertigt wäre. 21 [X.]) Die hier in [X.]ede stehenden Formulierungen können in ihrem [X.] nur im Zusammenhang erfasst werden. Dieser Zusammenhang ist einerseits gekennzeichnet durch die vorausgegangenen [X.], die auf die nachfolgende Passage ausstrahlen. Zum andern sind in der dienstlichen Beurteilung die vom Antragsteller geleiteten Sitzungen, die der [X.] besucht haben mag, nicht bezeichnet; auf diese Weise entsteht für den Leser der Beurteilung der Eindruck, die - als reine Beschreibung einer ein-zelnen Sitzung wohl zulässigen - Aussagen gäben eine Art der Verhandlungs-führung wieder, die sich der Antragsteller zur [X.]egel gemacht habe. Indem die dienstliche Beurteilung diese Form der Verhandlungsführung verallgemeinert und negativ bewertet, entsteht der Eindruck, der [X.] wolle dem Beur-teilten eine gerade gegenteilige Verhandlungsführung vorschreiben. Die [X.] erhält so den Charakter einer Anweisung zur Gestaltung von münd-lichen Verhandlungen. 22 [X.]) Mit diesem Inhalt verletzen die betreffenden Wendungen den [X.] in seiner richterlichen Unabhängigkeit. Die Verhandlungsführung ge-hört zum Kernbereich der richterlichen Tätigkeit. Es ist Sache des Prozessge-richts und nicht der Dienstaufsicht, darüber zu befinden, wie es die mündliche Verhandlung gestaltet. Nur das Prozessgericht kann entscheiden, welche Fra-gen es für entscheidungserheblich hält und wie und wann es sie anspricht. Das muss nicht in der mündlichen Verhandlung, es kann auch durch vorbereitende Auflagen geschehen. Verfassungsrechtlich ist das Gericht nicht gezwungen, vor 23 - 13 - der Entscheidung seine [X.]echtsauffassung mitzuteilen ([X.], [X.]. vom 19. Mai 1992 - 1 Bv[X.] 986/91 = [X.]E 86, 133; [X.], [X.]. vom 20. März 2008 - 8 [X.] 1062/07 = [X.] 1979 § 72 Nr. 38). Dasselbe gilt für die Frage, ob gelegentliche "Leerläufe" hingenommen werden. Der Senat hat be-reits mehrfach ausgesprochen, dass eine Aufforderung an den [X.] zur straf-feren Verhandlungsführung diesen in seiner richterlichen Unabhängigkeit beein-trächtigt (vgl. [X.], Urteile vom 27. Januar 1995 - [X.]([X.]) 3/94 = D[X.] 1995, 352; vom 31. Januar 1984 - [X.]([X.]) 3/83 = [X.] 90, 41, 44). Ob der [X.] die Parteien zunächst einmal reden lässt, ohne in deren Vortrag einzugreifen oder ob er von Beginn an, wenn die Parteien von den maßgeblichen Fragen "abschweifen", strukturierend eingreift, um den Vortrag auf die entscheidungs-erheblichen Punkte zu lenken, hat er unbeeinflusst von der Dienstaufsicht zu entscheiden. Die Frage, ob und wann das Gericht einen Vergleichsvorschlag unterbreitet, ist ebenfalls Teil der richterlichen Unabhängigkeit (Müller-Piepenkötter D[X.] 2005, 101). Zwar schreibt das Gesetz dem [X.] vor, in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Einigung hinzuwirken. Das muss aber nicht durch [X.] in der mündlichen Verhandlung gesche-hen. Feststellungen, wie ein [X.] die Norm des § 57 Abs. 2 ArbGG in der mündlichen Verhandlung ausfüllt, betreffen auch - entgegen der Auffassung des [X.] - nicht die äußere Ordnung der Erledigung richterlicher Amtsge-schäfte, sondern den Kernbereich der richterlichen Unabhängigkeit (vgl. [X.], Urteil vom 10. Dezember 1971 - [X.]([X.]) 4/71 = [X.] 57, 344, 350; Stephan D[X.] 2002, 301, 305; Müller-Piepenkötter D[X.] 2005, 101, 103; [X.] 1992, 292, 295). All dies gilt insbesondere angesichts des Umstandes, dass der Arbeitsrichter im Kammertermin nicht Einzelrichter, sondern Vorsitzender eines Spruchkörpers ist. - 14 - c) Schließlich ist auch der Antrag zu 3. begründet. Die beanstandete Formulierung ist unzulässig, weil sie den Antragsteller in seiner richterlichen Unabhängigkeit beeinträchtigt. 24 [X.]) Der [X.] ist grundsätzlich nicht verpflichtet, einer [X.] [X.]echtsprechung Folge zu leisten (vgl. Schmidt-[X.]äntsch, D[X.]iG 6. Aufl. § 25 [X.]dn. 16; [X.]/[X.]/Arndt [X.]gesetz 1. Aufl. § 25 [X.]dn. 22 f.). Ausnah-men gelten lediglich für Entscheidungen des [X.]verfassungsgerichts (Art. 94 Abs. 2 GG, § 31 [X.]G) und in besonderen Einzelfällen, etwa bei einer Zurückverweisung eines [X.]echtsstreits durch das [X.]evisionsgericht (§ 563 Abs. 2 ZPO). Auch wenn ein [X.] immer wieder bewusst von der höchstrich-terlichen [X.]echtsprechung abweicht und seine Entscheidungen deshalb mehr-fach in der [X.]echtsmittelinstanz korrigiert worden sind, kann ihm dies vom Dienstvorgesetzten nicht vorgehalten werden (vgl. [X.], 161, 165; grds. auch [X.]/[X.]/Arndt [X.]gesetz 1. Aufl. § 26 [X.]dn. 46). [X.] kann gelten, wenn der [X.] eine höchstrichterliche [X.]echtsprechung von vornherein nicht zur Kenntnis nimmt, da dies die Methodik, die [X.]echtsan-wendungstechnik betrifft (vgl. [X.], 161, 165). Eine Ver-pflichtung des [X.]s, in den Entscheidungsgründen des Urteils auf höchst-richterliche [X.]echtsprechung hinzuweisen bzw. sich mit dieser [X.], besteht allenfalls dann, wenn der [X.] von der höchstrichterlichen [X.]echtsprechung bewusst abweicht. 25 [X.]) Gemessen an diesen Grundsätzen verletzt die dienstliche Beurtei-lung auch durch die zu Ziff. 3. beanstandeten Formulierungen die richterliche Unabhängigkeit. Der Beurteilung lässt sich entnehmen, dass sich der [X.] auf die Abfassung der Urteile bezieht. Kritisiert wird, dass der Antragsteller die höchstrichterliche [X.]echtsprechung "ausblendet". Soweit damit gemeint ist, der Antragsteller müsse ihr inhaltlich folgen, handelt es sich um 26 - 15 - eine unzulässige Weisung. Soweit damit für alle Fälle ein Hinweis auf die höchstrichterliche [X.]echtsprechung verlangt wird, erweist sich die Formulierung als zu weitgehend. Denn der [X.] ist keineswegs verpflichtet, stets auch dann höchstrichterliche [X.]echtsprechung zu zitieren, wenn er ihr folgt. [X.] dies verlangt aber die dienstliche Beurteilung. I[X.] [X.] beruht auf § 80 Abs. 1 Satz 1 D[X.]iG, § 154 Abs. 1 und 2, § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. 27 II[X.] Der Wert des Streitgegenstandes für das [X.]evisionsverfahren wird gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000 Euro festgesetzt. 28 [X.]issing-van S[X.]n Fischer Büscher Gräfl [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 03.07.2008 - 66 DG 6/07 -

Meta

RiZ (R) 5/08

04.06.2009

Bundesgerichtshof Dienstgericht des Bundes

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.06.2009, Az. RiZ (R) 5/08 (REWIS RS 2009, 3226)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 3226

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