Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.07.2006, Az. VII ZB 16/06

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 2386

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[X.][X.] vom 27. Juli 2006 in dem Rechtsbeschwerdeverfahren Nachschlagewerk: ja [X.]Z: ja ZPO § 72 Abs. 1 Die [X.] gegenüber einem gerichtlichen Sachverständigen zur [X.] von Haftungsansprüchen gegen diesen aus angeblich fehlerhafter, im selben Rechtsstreit erbrachter Gutachterleistungen ist unzulässig. Der [X.]sschriftsatz ist nicht zuzustellen.
[X.], Beschluss vom 27. Juli 2006 - [X.] - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 27. Juli 2006 durch den [X.] [X.] Dr. Dressler, die [X.] [X.], [X.], [X.] und die [X.]in [X.] beschlossen: Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des 8. Zivilsenats des [X.] vom [X.] 2005 wird zurückgewiesen. Die Beklagten haben die Kosten des [X.] zu tragen. Gründe: [X.] Die Klägerin verlangt von den Beklagten die Bezahlung restlichen [X.]. Die Beklagten machen u.a. geltend, die Werkleistungen seien teilweise nicht vertragsgerecht erbracht worden. 1 [X.] hat im Auftrag des [X.] unter dem 13. September 2004 ein schriftliches Gutachten erstattet, der [X.] als [X.] ein solches unter dem 21. Juni 2005. 2 Die Beklagten behaupten, Gutachten und Mitgutachten seien teilweise grob fahrlässig unrichtig. Mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2005 haben sie den beiden Sachverständigen den Streit verkündet. Sie machen geltend, bei einer 3 - 3 - den Gutachten folgenden rechtskräftigen Entscheidung zu ihrem Nachteil stün-den ihnen Schadensersatzansprüche gemäß § 839 a BGB gegen die Sachver-ständigen zu. 4 Das [X.] hat die Zustellung der [X.]sschriftsätze abgelehnt, da die [X.] rechtsmissbräuchlich sei. Die dagegen ein-gelegte sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde erstreben die Beklagten die Zustellung der [X.] an die Sachverständigen [X.] und B. I[X.] Die Rechtsbeschwerde der Beklagten ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO zulässig. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. 5 1. Das Beschwerdegericht führt aus, die [X.]sschriftsätze seien den Sachverständigen zu Recht nicht zugestellt worden, weil die [X.] vorliegend eine nicht hinnehmbare, letztlich missbräuchliche Ein-flussnahme auf das Gerichtsverfahren darstelle und die für die Gerichtsgutach-tertätigkeit unverzichtbare Unparteilichkeit untergrabe. Ziel der Beklagten sei es, die erforderliche weitere Sachaufklärung durch die gerichtlich eingesetzten Gutachter zu unterbinden. Denn die [X.] gegenüber den gerichtli-chen Sachverständigen habe, wie dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten unzweifelhaft bewusst sei, bei einem Beitritt zwingend den Verlust der Unpartei-lichkeit des Sachverständigen zur Folge, während für den Streitverkünder die [X.] des § 68 ZPO nicht zu erzielen sei. 6 2. Die Rechtsbeschwerde ist demgegenüber der Auffassung, der [X.] müsse Gelegenheit gegeben werden, die verfahrensrechtlichen [X.] - 4 - gen für einen ihr gemäß § 839 a BGB zustehenden Anspruch zu schaffen. Werde ihr die Möglichkeit der [X.] versagt, beraube man sie eines ganz wesentlichen Mittels, welches dem Sachverständigen vor Augen führe, dass eine [X.] erwäge, wegen eines falschen Gutachtens gegen ihn vorzuge-hen. Es sei auch nicht ersichtlich, weshalb die [X.] zum Schutz des Sachverständigen zu unterbleiben habe. Bei einem nach seiner pflichtge-mäßen Beurteilung richtigen Gutachten habe der Sachverständige nichts zu befürchten. Habe das Gutachten Mängel, sei es seine Aufgabe, das Gutachten richtig zu stellen. 3. Das Beschwerdegericht hat zu Recht angenommen, dass die [X.] an den gerichtlichen Sachverständigen unzulässig und die Zustel-lung der [X.]sschriftsätze als rechtsmissbräuchlich zu verweigern ist. 8 a) In Rechtsprechung ([X.], Beschluss vom 28. September 2005 - 12 W 251/05, [X.], 144) und Literatur ([X.] 2002, 1348; [X.]/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 72 Rdn. 1; [X.]/[X.]/ [X.]/[X.], ZPO, 64. Aufl., § 72 Rdn. 5; [X.], ZPO, 22. Aufl., § 72 Rdn. 3; [X.]/[X.] 2005, 1829; [X.], [X.], 142; differenzierend: [X.], [X.], 724; Weise, [X.], 165) wird teilweise angenommen, eine [X.] an den gerichtlichen Sachver-ständigen komme während eines anhängigen Rechtsstreits nicht in Betracht. Der gerichtliche Sachverständige sei als zur Unparteilichkeit verpflichteter Hel-fer des Gerichts kein außenstehender Dritter im Sinne des § 72 ZPO, sondern - wie der [X.] - selbst Prozessbeteiligter. Die [X.] an den [X.] Sachverständigen sei damit generell unzulässig. 9 - 5 - b) Der Senat hat diese Frage bisher offengelassen (vgl. auch [X.], [X.] vom 10. Februar 2005 - [X.] ZB 22/04, [X.], 899 = [X.] 2005, 449), jedoch bereits im Urteil vom 12. Januar 2006 ([X.] ZR 207/04, [X.], 716 = NZBau 2006, 239 = [X.] 2006, 341) auf erhebliche Bedenken gegen die Wirksamkeit der [X.] gegenüber einem Sachverständigen in einem derartigen Fall hingewiesen. Er schließt sich nunmehr der oben a) dargestellten Rechtsauffassung an. 10 Die [X.] gegenüber einem gerichtlichen Sachverständigen zur Vorbereitung von Haftungsansprüchen gegen diesen aus angeblich [X.], im selben Rechtsstreit erbrachter Gutachterleistungen ist bereits deshalb allgemein unzulässig, weil der Sachverständige in diesem Verfahren nicht als Dritter im Sinne des § 72 Abs. 1 ZPO behandelt werden kann. Er steht als neut-raler, vom Gericht bestellter —Gehilfe des [X.]sfi ähnlich dem [X.] nicht außerhalb des Prozesses. Wie dieser ist er, um in Erfüllung seiner prozess-rechtlichen Aufgabe dem [X.] die notwendige Sachkunde für die Entschei-dung des Rechtsstreits zu vermitteln, zur Unparteilichkeit verpflichtet und unter-liegt gemäß § 406 ZPO einer vergleichbaren Regelung über die Ablehnung we-gen Befangenheit. 11 Mit dieser verfahrensrechtlichen Stellung des Sachverständigen, insbe-sondere der unabdingbaren Gewährleistung seiner Unabhängigkeit und Unpar-teilichkeit, wäre es unvereinbar, ihn als [X.] im Sinne des § 72 Abs. 1 ZPO zu behandeln und ihn aus Gründen in die Rolle eines [X.]semp-fängers zu versetzen, die ihren Ursprung gerade in seiner Aufgabenerfüllung im Rahmen desselben Rechtsstreits haben. Ein Beitritt nach § 74 ZPO, der ihm dann nicht verwehrt werden dürfte, müsste ihn zwangsläufig an die Seite einer Prozesspartei stellen und damit seine verfahrensrechtliche Position entgegen der im Prozessrecht vorgesehenen Aufgabenverteilung völlig verändern. Er [X.] - 6 - re nunmehr der Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit nach § 406 ZPO ausgesetzt und könnte auf diese Weise von einer Prozesspartei nach Belieben aus dem Rechtsstreit entfernt werden. Damit wäre die Entscheidung, ob ein Sachverständiger weiter im Verfahren verbleiben soll, in die Hand der [X.] gegeben und das Recht des Gerichts beeinträchtigt, den Sachverständigen pflichtgemäß auszuwählen. Diesem aus der verfahrensrechtlichen Stellung des Sachverständigen folgenden Verständnis des § 72 Abs. 1 ZPO dahin, dass er nicht als Dritter im Sinne dieser Regelung anzusehen ist, stehen auch keine höherrangigen schutzwürdigen Interessen der Prozesspartei entgegen, die eine andere Ausle-gung gebieten könnten. Soweit sie in besonderen Fallkonstellationen mögli-cherweise ein Interesse an einer [X.] nach § 68 ZPO haben sollte, das jedenfalls nicht den Hauptstreitpunkt über Richtigkeit oder Unrichtig-keit des Sachverständigengutachtens betreffen kann (vgl. dazu [X.]/[X.], NJW 2005, 1829), kann dies nicht dazu führen, entgegen den dargestellten ver-fahrensrechtlichen Grundregeln den Rechtsstreit den Gefahren auszusetzen, die aus einer faktischen [X.]disposition über den Sachverständigen resultie-ren würden. Vielmehr stellt sich eine [X.] an den [X.] regelmäßig als rechtsmissbräuchlicher Versuch dar, einen [X.], mit dessen Begutachtung die [X.] nicht einverstanden ist, aus dem Rechtsstreit zu entfernen, statt die Bedenken, die gegen die gutachterliche Stel-lungnahme bestehen mögen, mit den insoweit vorgesehenen prozessualen Mit-teln zur Geltung zu bringen. 13 c) Die Zustellung einer [X.]sschrift, die eine aus den [X.] Gründen generell unzulässige [X.] an den [X.] bewirken soll, ist vom Gericht zu verweigern. Dies folgt daraus, dass eine Zustellung der [X.]sschrift in derartigen Fällen bereits die [X.] - 7 - ren für einen ordnungsgemäßen Fortgang des Rechtsstreits heraufbeschwören würde, derentwegen die [X.] selbst als unzulässig zu erachten ist. Im Falle einer Zustellung würde der Sachverständige, auch wenn die Streitver-kündung als solche unzulässig ist, sich veranlasst sehen können, den Beitritt zum Rechtsstreit zu erklären und damit seine Befangenheit herbeizuführen. Damit wäre der Erfolg des regelmäßig rechtsmissbräuchlichen Vorgehens der [X.] erreicht. Dem muss dadurch begegnet werden, dass es schon nicht zur Zustellung der [X.]sschrift kommt. [X.]

Kuffer

[X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 09.11.2005 - 32 O 607/03 - [X.], Entscheidung vom [X.] - 8 W 34/05 -

Meta

VII ZB 16/06

27.07.2006

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.07.2006, Az. VII ZB 16/06 (REWIS RS 2006, 2386)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 2386

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