Bundespatentgericht, Beschluss vom 14.06.2018, Az. 30 W (pat) 523/17

30. Senat | REWIS RS 2018, 7824

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren - "LEAK" - Unterscheidungskraft - kein Freihaltungsbedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2016 108 401.4

hat der 30. Senat (Marken- und [X.]) des [X.] in der Sitzung vom 14. Juni 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.]s Prof. Dr. Hacker sowie der [X.] [X.] und Dr. von Hartz

beschlossen:

Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des [X.] vom 13. Dezember 2016 aufgehoben.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen

2

[X.]

3

ist am 15. September 2016 zur Eintragung in das beim [X.] ([X.]) geführte Register unter der Nummer 30 2016 108 401.4 angemeldet worden. [X.] sind nachfolgende Waren und Dienstleistungen:

4

"Klasse 9: Geräte und Instrumente zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und/oder Bild; Lautsprecher; Verstärker; Tuner; Rundfunkempfänger; Radiogeräte; Plattenspieler; [X.]; [X.]; Schallplattenabspielgeräte; Kassettenabspielgeräte; Mikrofone; Kopfhörer; [X.]; Fernseher; Videorecorder; [X.]; [X.]; [X.]; [X.]; Kabel oder Stecker, Wandler, Teile und Verbinder für alle vorgenannten Waren, soweit in Klasse 9 enthalten;

5

Klasse 35: Einzel- und Großhandelsdienstleistungen betreffend Waren aus der Klasse 9, einschließlich Geräte und Instrumente zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und/oder Bild, Lautsprecher, Verstärker, Tuner, Rundfunkempfänger, Radiogeräte, Plattenspieler, [X.] und [X.], Schallplattenabspielgeräte, Kassettenabspielgeräte, Mikrofone, Kopfhörer, [X.], Fernseher, Videorecorder, [X.] und [X.], [X.] und [X.], Kabel oder Stecker, Wandler, Teile und Verbinder für alle vorgenannten Waren, soweit in Klasse 9 enthalten;

6

Klasse 37: [X.]; vorstehende Dienstleistungen betreffend Geräte und Instrumente zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und/oder Bild;

7

[X.]: Aus-, Fort- und Weiterbildung; Unterhaltung; kulturelle Aktivitäten."

8

[X.]“ bedeute im [X.] „Leck, Loch, undichte Stelle“ und werde im [X.] Raum als die Nicht-Veröffentlichung von Informationen verstanden. Der Begriff „[X.]“ werde aufgrund der gerade seit den Veröffentlichungen u. a. von [X.] und [X.] hinlänglich bekannten [X.] immer wieder in Medien thematisiert. Die angemeldete Marke sage daher lediglich aus, dass die so bezeichneten Waren und Dienstleistungen dazu dienen/dazu bestimmt seien, vertrauliche Informationen, geheime Verträge oder Verhandlungspapiere sowie Vorabversionen von Filmen und Musikstücken zu veröffentlichen bzw. zugänglich zu machen. Die Dienstleistungen könnten mit ihren handels- und reparaturspezifischen Schwerpunkten mit diesen geheimen Informationen in engem Sachzusammenhang stehen. In Bezug auf die Dienstleistungen der [X.] ergebe sich aufgrund der Nähe des [X.] zu einem Werktitel oder einer Inhaltsangabe bei dem angesprochenen Verkehr allein die Vorstellung, dass sich deren Inhalt und Gegenstand mit dem Thema „[X.]“ befasse.

9

Gegen diese Beurteilung richtet sich die Beschwerde des Anmelders, die er nicht begründet hat.

Der Anmelder beantragt sinngemäß,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des [X.]s vom 13. Dezember 2016 aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

[X.]" kein Eintragungshindernis entgegensteht. Die Markenstelle hat die Anmeldung daher zu Unrecht zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 [X.]).

1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die dem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. [X.] [X.] 2012, 610 Rn. 42 - [X.]; [X.] 2008, 808 Rn. 66 f. - [X.]; [X.] [X.] 2016, 934 Rn. 9 - [X.]; [X.] 2013, 731 Rn. 11 - [X.]; [X.] 2012, 1143 Rn. 7 - Starsat). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. [X.] [X.] 2006, 233 Rn. 45 - Standbeutel; [X.], 229 Rn. 27 - [X.]; [X.] [X.] 2008, 710 Rn. 12 - [X.]; [X.] 2009, 949, Rn. 10 -My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des [X.] ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. [X.] [X.] 2012, 1143 Rn. 7 -Starsat; [X.] 2012, 1044 Rn. 9 - [X.]; [X.] 2012, 270 Rn. 8 - Link economy).

Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen [X.] bzw. -abnehmers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (vgl. [X.] [X.] 2006, 411 Rn. 24 - Matratzen Concord/[X.]; [X.] 2004, 943 Rn. 24 - SAT.2; [X.] [X.] 2014, 376 Rn. 11 - [X.]; [X.] 2010, 935 Rn. 8 - Die Vision).

Hiervon ausgehend besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. [X.] [X.] 2004, 674 Rn. 86 - Postkantoor; [X.] [X.] 2012, 1143 Rn. 9 - Starsat; [X.] 2012, 270, 271 Rn. 11 - Link economy; [X.] 2001, 1151, 1152 - marktfrisch) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der [X.] oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. [X.] [X.], 850, 854 Rn. 19 - [X.]; [X.] 2003, 1050, 1051 - [X.]). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft auch solche Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. [X.] [X.] 2010, 1100 Rn. 23 - [X.]!; [X.] 2006, 850 Rn. 28 f. - [X.]).

Unter Anwendung dieser Grundsätze ist das angemeldete Zeichen unterscheidungskräftig im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.].

a) Mit den hier maßgeblichen Waren der Klasse 9 werden [X.] und Endverbraucher angesprochen, wobei es sich um Produkte handelt, die mit Bedacht und auch nach fachkundiger Beratung erworben oder nachgefragt werden.

b) Das angemeldete Zeichen kommt aus dem [X.]. "Leak" bedeutet als Substantiv im [X.] „Leck“ (vgl. [X.], Großwörterbuch [X.], [X.] 2014, Stichwort: leak) und ist mit dem [X.] Begriff „leakage“ sowie dem in die [X.] eingegangenen „Leckage“ sinnverwandt (vgl. [X.], [X.], 4. Aufl., Stichwort: Leakage). Es bedeutet ferner „undicht sein, lecken, tropfen“ und als Verb „etwas verlieren, austreten lassen“. Im Zusammenhang mit vertraulichen Informationen wird ausgedrückt, „etwas durchsickern (zu) lassen“. Im letztgenannten Sinne gehört es u. a. zur [X.] Umgangssprache („[X.] verraten“, vgl. [X.], Lexikon der [X.] Umgangssprache, 1989, Stichwort: leak; Redling, [X.], 2. Aufl., Stichwort: leak). "Leak" ist auch ein [X.] Nachname.

[X.]“ im [X.] Raum die nicht autorisierte Veröffentlichung von Informationen bezeichnet, kann dem nicht beigetreten werden. Das Anmeldezeichen ist ausschließlich in seiner angemeldeten Gesamtheit Gegenstand der Prüfung im Eintragungsverfahren ([X.] [X.] 2011, 65 Rdnr. 10 - Buchstabe T mit Strich). Der Begriff "[X.]" wird in Alleinstellung in diesem Sinne - nach der Recherche des Senats - nicht verwandt. Dem angesprochen Verkehr sind zwar in diesem Zusammenhang Enthüllungsplattformen wie „[X.]; [X.]; ttip-leaks“ oder weitere Begriffspaare wie „[X.]; [X.], MCleaks“ mehr oder weniger bekannt. Ein solches zusätzliches Bestimmungswort fehlt aber der um Schutz nachsuchenden Bezeichnung. In der angemeldeten Form ist „[X.]“ weder die Bezeichnung für ein Qualitätsmerkmal, ein Fachausdruck noch ein werblicher Hinweis.

aa) In den einschlägigen Nachschlagewerken zum "Hacken" wird das Anmeldezeichen nicht in Alleinstellung verwendet. Soweit das Anmeldezeichen überhaupt verwendet wird, geschieht dies nicht isoliert, sondern in Kombination mit einem weiteren Begriff wie: leakyapp (damit wird getestet, wie die gewählte Anwendung sich im Arbeitsspeicher verhält, vgl. [X.], Hacker´s Guide, 2003, Stichwort: leakyapp) oder [X.]TEST (einem Tool, welches einen Leaktest durchführt und zeigen kann, dass trotz aktivierter Firewall durchaus Daten ins [X.] geschleust werden können, ohne dass der Anwender das mitbekommt, vgl. Kraft, [X.], 3. Aufl., S. 119).

bb) Bei dem angegriffenen Zeichen handelt es sich auch nicht um ein geläufiges und alltägliches Werbeschlagwort. Der Verkehr wird es nicht stets als solches – mithin als übliche Floskel - verstehen ([X.], 26 W (pat) 522/14 - [X.]). In der Werbesprache wird der Begriff „leak“ in Alleinstellung nicht verwendet, wie eine Recherche des Senats in der Datenbank "[X.]" ([X.]) ergab. Vielmehr sind diesem Wort Begriffe vorangestellt und/oder nachgestellt, wie z. B. "No leak is a good leak", "Designed to stop leaks", "No leak, [X.], [X.]" oder "[X.]". Dieses Rechercheergebnis kann somit die Annahme einer allgemeinen Werbeaussage des [X.] nicht begründen, da es nicht in Alleinstellung, sondern stets im Zusammenhang mit anderen Worten benutzt wird (vgl. [X.] [X.] 2016, 934 Rn. 24 - OUI).

cc) Mit den oben dargelegten Bedeutungen beschreibt das Anmeldezeichen keine Merkmale der angemeldeten Waren unmittelbar. Ferner besteht kein enger beschreibender Bezug, da die Waren und Dienstleistungen jedenfalls in keinem näheren Zusammenhang zu den vorstehenden Bedeutungen stehen.

(1) Die in der Klasse 9 beanspruchten Waren können lediglich im übertragenen Sinne eine „undichte“ Stelle aufweisen. Dies wäre dann der Fall, wenn sie so voreingestellt sind, dass sie unberechtigterweise Informationen für Dritte aufnehmen und bereitstellen, mithin als Mittel eingesetzt werden würden. Ein derartiger Bestimmungszweck fehlt den Waren der Klasse 9. Um zu diesem Begriffsverständnis zu gelangen, wären - nicht zulässige - analytische Schritte bei der Begriffsdeutung erforderlich.

(2) Obiges gilt erst recht für die in Klasse 35 beanspruchten Einzel- und Großhandelsdienstleistungen betreffend Waren der Klasse 9.

Die Dienstleistungen des Einzelhandels umfassen neben dem Rechtsgeschäft des Kaufvertrags die gesamte Tätigkeit, die ein Wirtschaftsteilnehmer entfaltet, um zum Abschluss eines Kaufvertrags anzuregen. Zu diesen Tätigkeiten gehören die Auswahl eines Sortiments an Waren, die zum Verkauf angeboten werden, und die im Angebot liegenden verschiedenen Dienstleistungen, die Verbraucher dazu veranlassen sollen, den Kaufvertrag mit einem bestimmten Händler und nicht mit einem Wettbewerber abzuschließen (vgl. [X.] [X.] 2005, 764 Rn. 34 - Praktiker; [X.] MarkenR 2016, 157 Rn. 22 - BioGourmet). Die Waren, die Gegenstand der Einzelhandelsdienstleistung sind, weisen - wie zuvor ausgeführt - bereits keinen im Vordergrund stehenden inhaltlichen oder sonstigen Sachbezug zu "Datenlecks" auf.

cc) Nichts anderes gilt im Verhältnis zu den beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 37.

dd) Schließlich besteht auch in Bezug auf die in [X.] beanspruchten Dienstleistungen nicht das Eintragungshindernis der fehlenden Unterscheidungskraft. Soweit das Anmeldezeichen Titel einer Weiterbildungsmaßnahme wäre, wäre dieses mangels zusätzlichen Bestimmungswortes zu vage, als dass der angesprochene Verkehr das Anmeldezeichen im Sinne einer Themenangabe einer (unberechtigten) Veröffentlichung von Informationen verstehen würde. Der Begriff "[X.]" ist gerade keine hinreichend konkrete Themenangabe.

2. Aus vorstehenden Gründen scheidet auch ein Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] aus.

3. Im weiteren Verfahren wird die Markenstelle das Verzeichnis der Dienstleistungen weiter zu prüfen haben. Nicht ausreichend ist in Bezug auf die Einzel- und Großhandelsdienstleistungen, dass nur Klassenangaben gemacht werden (vgl. [X.], 29 W (pat) 574/12 - [X.]). Die Bezugnahme durch „einschließlich“ verhilft dem Verzeichnis nicht zur hinreichenden Klarheit.

Meta

30 W (pat) 523/17

14.06.2018

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 14.06.2018, Az. 30 W (pat) 523/17 (REWIS RS 2018, 7824)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 7824

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