Bundesfinanzhof, Beschluss vom 25.07.2011, Az. I B 37/11

1. Senat | REWIS RS 2011, 4419

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Gegenstand

Besteuerungsrecht für italienische Sozialversicherungsrente nach DBA-Italien 1989


Leitsatz

NV: Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass das Besteuerungsrecht für eine Rente aus der italienischen Sozialversicherung (des Rententrägers INPS), die an einen italienischen Staatsangehörigen mit Wohnsitz in Deutschland gezahlt wird, nicht nach Art. 19 Abs. 4 DBA-Italien 1989 (i.V.m. Abschn. 14 Buchst. e des dazu ergangenen Protokolls vom 18. Oktober 1989) Italien, sondern nach Art. 18 DBA-Italien Deutschland zusteht .

Tatbestand

1

I. Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) ist [X.] Staatsangehöriger mit ständigem Wohnsitz und Lebensmittelpunkt in [X.]. Seit dem 1. März 1991 ist er Rentenempfänger. Er bezieht für eine frühere nichtselbständig erbrachte Arbeit eine Firmenrente seines ehemaligen [X.] Arbeitgebers in [X.] und eine Rente aus der [X.] Sozialversicherung des Rententrägers [X.] ([X.]). Die Rente des [X.] wird in [X.] nicht besteuert.

2

Für das Streitjahr 2009 erklärte der Antragsteller in seiner Einkommensteuererklärung beide Renten, die Firmenrente mit 16.002 € und die Rente des [X.] mit 60.052 €. Für die Rente des [X.] machte er Steuerfreiheit nach Art. 19 Abs. 4 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik [X.] und der [X.]ischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und zur Verhinderung der Steuerverkürzung vom 18. Oktober 1989 ([X.] 1990, 743) --DBA-[X.] [X.] ohne Progressionsvorbehalt geltend. Abweichend von den Vorjahren behandelte der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --[X.]--) die Rente des [X.] als in [X.] zu versteuernde Rente und setzte 50 v.H. als gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa des Einkommensteuergesetzes (EStG 2009) steuerpflichtigen Teil der Rente bei der Ermittlung der sonstigen Einkünfte an. Der entsprechende Einkommensteuerbescheid erging am 14. Oktober 2010.

3

Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller Einspruch ein, der bisher noch nicht beschieden wurde. Den gleichzeitig gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte das [X.] am 12. November 2010 ab. Am 23. November 2010 zahlte der Antragsteller die offenen Steuerbeträge auf den Einkommensteuerbescheid.

4

Sodann begehrte der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz gemäß § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O). Auch dieser Antrag blieb erfolglos; das [X.] ([X.]) lehnte ihn mit Beschluss vom 3. März 2011  [X.]/11 ab.

5

Mit seiner vom [X.] zugelassenen Beschwerde beantragt der Antragsteller, den [X.]-Beschluss aufzuheben und die Aufhebung der Vollziehung des angefochtenen Einkommensteuerbescheids 2009 insoweit anzuordnen, als bei der Veranlagung die [X.] Sozialversicherungsrente des [X.] in Höhe von 60.052 € vom Antragsgegner berücksichtigt wurde.

6

Das [X.] beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

II. [X.] ist unbegründet. Das [X.] hat den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

8

1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 und 3 [X.]O kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aufheben. Die Aufhebung soll --u.a. und soweit hier einschlägig-- erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 [X.]O). [X.] von § 69 Abs. 2 Satz 2 [X.]O sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Steuerbescheids neben für seine Rechtmäßigkeit sprechende Umstände gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (vgl. Beschluss des [X.] vom 10. Februar 1967 [X.]/66, [X.], 447, [X.] 1967, 182, seitdem ständige Rechtsprechung).

9

2. Derartige ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheids bestehen im Streitfall nach dem im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes anzuwendenden summarischen Prüfungsmaßstab nicht.

a) Der Antragsteller wohnte im Streitjahr in [X.] und war hier unbeschränkt steuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 EStG 2009). Zu den hiernach zu erfassenden Einkünften seines Welteinkommens gehören auch die Renten der [X.] Sozialversicherung. Diese Renten werden in [X.] nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. [X.] EStG 2009 besteuert. Darüber besteht unter den Beteiligten im Grundsatz kein Streit.

b) Das Besteuerungsrecht für die Renten gebührt nach summarischer Prüfung [X.], nicht aber [X.].

[X.]) Denn entweder handelt es sich hierbei um Ruhegehälter oder ähnliche Vergütungen, die einer in einem Vertragsst[X.]t ansässigen Person für frühere unselbständige Arbeit gezahlt werden, und die nach Art. 18 [X.] 1989 nur im Ansässigkeitsst[X.]t besteuert werden können (s. dazu z.B. [X.] in [X.]/ [X.], [X.], 5. Aufl., Art. 18 Rz 29, 29a). Dass diese [X.] unter dem Vorbehalt u.a. des Art. 19 Abs. 4 [X.] 1989 (i.V.m. Abschn. 14 Buchst. e des dazu ergangenen Protokolls vom 18. Oktober 1989) steht, ist insoweit unbeachtlich. Zwar können danach Ruhegehälter und alle anderen wiederkehrenden oder einmaligen Bezüge, die auf Grund der Sozialversicherungsgesetzgebung eines Vertragsst[X.]ts von diesem St[X.]t, einem seiner Länder, einer ihrer Gebietskörperschaften oder einer ihrer juristischen Personen des öffentlichen Rechts gezahlt werden, nur in diesem St[X.]t besteuert werden, wenn der Empfänger St[X.]tsangehöriger dieses St[X.]tes ist, ohne St[X.]tsangehöriger des anderen Vertragsst[X.]ts zu sein. Letzteres --die alleinige [X.] St[X.]tsangehörigkeit-- trifft auf den Antragsteller zu, ersteres --die [X.] infolge des sog. Kassenst[X.]tsprinzips für [X.] nach vorläufiger rechtlicher Einschätzung jedoch nicht. Denn die in Rede stehenden Renten werden nicht auf Grund der [X.] Sozialversicherungsgesetzgebung "von" [X.] gezahlt, sondern allenfalls "durch" [X.] oder einer dessen öffentlichen Institutionen. Der präpositionelle Terminus "von" verdeutlicht in hinlänglicher Weise, dass die betreffenden Leistungen wirtschaftlich von dem jeweiligen Zahlenden herrühren müssen; ausschlaggebend sind danach nicht (nur) der bloße Zahlungsvorgang und die Zahlstelle, sondern der wirtschaftliche [X.]. [X.] wie hier jene der [X.] werden aber wirtschaftlich aus geleisteten Beiträgen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber während der [X.] --also nicht als st[X.]tliche [X.] aufgebracht, und so gesehen unterwirft die [X.] Finanzverwaltung Art. 19 Abs. 4 [X.] 1989 zutreffend lediglich St[X.]tspensionen und Kriegsrenten der Besteuerung, nicht aber allgemeine [X.]. In Einklang mit dem [X.] ergibt sich auf diese Weise normspezifisch ein entscheidungsharmonisches Abkommensverständnis (s. dazu z.B. Senatsurteile vom 28. April 2010 [X.]/09, [X.], 252, unter II.2. der Entscheidungsgründe; vom 2. September 2009 [X.]/08, [X.], 276, BStBl II 2010, 387, unter II.2. der Entscheidungsgründe; anders wohl [X.] in Debatin/ [X.], Doppelbesteuerung, Art. 19 [X.] Rz 27; s. aber auch [X.], daselbst, Exkurs zu Art. 19 [X.] Rz 132 ff.).

bb) Oder aber man vertritt die Auffassung, [X.] der vorgenannten Art werden auch nicht [X.]. 18 [X.] 1989 "für" frühere unselbständige Arbeit gezahlt. Dann unterfallen die Renten gleichwohl als andere Einkünfte gemäß Art. 22 Abs. 1 [X.] 1989 dem Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsst[X.]ts und damit hier [X.]s (vgl. z.B. Prokisch in [X.]/[X.], [X.], 4. Aufl., Art. 18 Rz 11; [X.] in Debatin/[X.], a.a.O., Art. 18 [X.] Rz 18; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.]/[X.] [Hrsg.], Arbeitnehmer im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, [X.], 298 ff., [X.]/[X.], daselbst, [X.]; H[X.]se, [X.]/[X.] Art. 18 [X.] Rz 16). Art. 19 Abs. 4 [X.] 1989 könnte an dieser [X.] aus den erwähnten Gründen abermals nichts ändern.

3. Des Rückgriffs auf die sog. [X.] in Abschn. 16 Buchst. d des Protokolls vom 18. Oktober 1989 zu Art. 24 [X.] 1989 bedarf es damit im Ergebnis ebenso wenig wie auf den in § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2009 unilateral und [X.] angeordneten Rückfall des [X.] an [X.].

Meta

I B 37/11

25.07.2011

Bundesfinanzhof 1. Senat

Beschluss

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 3. März 2011, Az: 10 V 204/11, Beschluss

Art 18 DBA ITA 1989, Art 19 Abs 4 DBA ITA 1989, § 69 Abs 2 S 2 FGO, § 69 Abs 3 S 1 FGO, § 69 Abs 3 S 3 FGO, Abschn 14 Buchst e DBAProt ITA, Art 22 Abs 1 DBA ITA 1989

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 25.07.2011, Az. I B 37/11 (REWIS RS 2011, 4419)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 4419

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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