1. Senat | REWIS RS 2011, 541
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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Von inländischen Rentenversicherungsträgern gewährte Renten an Leistungsempfänger in Kanada unterliegen der beschränkten Steuerpflicht
NV: Nach § 49 Abs. 1 Nr. 7 i.V.m. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG 2002 i.d.F. des Alterseinkünftegesetzes vom 5. Juli 2004 unterfallen Leistungen, die von inländischen Rentenversicherungsträgern gewährt werden, der beschränkten Steuerpflicht. Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass das auch dann gilt, wenn der Leistungsempfänger in Kanada wohnt und dort unbeschränkt steuerpflichtig ist. Art. 18 Abs. 3 Buchst. c DBA-Kanada 2001 steht dem nicht entgegen. Die darin vorgenommene Zuordnung des Besteuerungsrechts für Sozialversicherungsrenten an Kanada lässt das in Art 18 Abs. 1 Satz 2 DBA-Kanada 2001 vorbehaltene Quellenbesteuerungsrecht Deutschlands unberührt (Bestätigung der Verwaltungspraxis).
I. Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) ist [X.] Staatsangehörige und wohnte in den Streitjahren 2005 bis 2009 in [X.]. Sie bezog in diesen Jahren von der [X.] Nord Sozialversicherungsleistungen, die der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --[X.]--) gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 7 i.V.m. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa des Einkommensteuergesetzes 2002 i.d.[X.] der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen (Alterseinkünftegesetz) vom 5. Juli 2004 ([X.], 1427) --EStG 2002 n.F.-- der beschränkten Steuerpflicht unterwarf.
Gegen die hiernach ergangenen Einkommensteuerbescheide legte die Antragstellerin Einsprüche ein. Sie macht geltend, das Besteuerungsrecht für die vereinnahmten Renten gebühre nach Art. 18 Abs. 3 Buchst. c des Abkommens zwischen der [X.] und [X.] zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und bestimmter anderer Steuern, zur Verhinderung der Steuerverkürzung und zur Amtshilfe in Steuersachen (DBA-[X.] 2001) nicht [X.], sondern [X.]. Die Einsprüche sind bisher noch nicht beschieden. Den gleichzeitig gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) lehnte das [X.] ab. Ihm wurde sodann aber von dem nach § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) angerufenen Finanzgericht ([X.]) entsprochen ([X.] Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 13. Oktober 2011 [X.]/11).
Mit seiner vom [X.] zugelassenen Beschwerde beantragt das [X.], den [X.]-Beschluss aufzuheben und den Antrag auf AdV abzulehnen.
Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
II. Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Antragsablehnung. Das [X.] hat den begehrten einstweiligen Rechtsschutz zu Unrecht gewährt. [X.] kann die in Rede stehenden Renten der beschränkten Steuerpflicht unterwerfen.
1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 [X.]O kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen. Die Aussetzung soll --u.a. und soweit hier einschlägig-- erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 [X.]O). [X.] von § 69 Abs. 2 Satz 2 [X.]O sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Steuerbescheides neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (vgl. Beschluss des [X.] vom 10. Februar 1967 [X.]/66, [X.], 447, [X.] 1967, 182, seitdem ständige Rechtsprechung).
2. Derartige ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerbescheide bestehen im Streitfall nach dem im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes anzuwendenden summarischen Prüfungsmaßstab nicht.
a) Die Antragstellerin wohnte (auch) in den Streitjahren in [X.] und war dort mit ihrem Welteinkommen unbeschränkt steuerpflichtig. [X.] beansprucht jedoch für sonstige Einkünfte i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG 2002 n.F., die (u.a.) von den inländischen gesetzlichen Rentenversicherungsträgern gewährt werden, seinerseits das Besteuerungsrecht; es unterwirft diese Einkünfte nach § 49 Abs. 1 Nr. 7 EStG 2002 n.F., dessen Voraussetzungen im Streitfall für die an die Antragstellerin gezahlten Renten erfüllt sind, der beschränkten Steuerpflicht.
b) Daran wird [X.] durch das [X.]-[X.] 2001 nicht gehindert (im Ergebnis ebenso die Verwaltungspraxis, s. [X.], Verfügung vom 8. Juni 2011, Internationales Steuerrecht 2011, 776; wohl auch [X.] in [X.]/[X.], [X.], 5. Aufl., Art. 18 Rz 86; anders [X.] in Debatin/Wassermeyer, [X.], Art. 18 [X.] Rz 70a).
aa) Nach dessen Art. 18 Abs. 1 Satz 1 können regelmäßig wiederkehrende oder nicht wiederkehrende Ruhegehälter sowie ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden. Diese Ruhegehälter und Vergütungen können nach Art. 18 Abs. 1 Satz 2 [X.]-[X.] 2001 aber auch im anderen Vertragsstaat besteuert werden, wenn sie --nach Maßgabe verschiedener [X.] aus Quellen in jenem Staat resultieren, u.a. --nach Abs. 1 Satz 2 Buchst. [X.] dann, wenn sie aus Quellen innerhalb des anderen Vertragsstaats bezogen werden und --nach Abs. 1 Satz 2 Buchst. b-- dann, wenn die Beiträge zu den Altersversorgungskassen oder -systemen im anderen Staat steuerlich abzugsfähig waren, oder wenn das Ruhegehalt von dem anderen Staat, einem seiner Länder, einer ihrer Gebietskörperschaften oder einem ihrer staatlichen Organe finanziert worden ist. Danach steht nach Lage der Dinge (auch) [X.] für die der Antragstellerin gezahlten Renten ein Besteuerungsrecht zu.
bb) Allerdings bestimmt Art. 18 Abs. 3 Buchst. c [X.]-[X.] 2001, dass Leistungen aufgrund des Sozialversicherungsrechts eines Vertragsstaats, die an eine im anderen Vertragsstaat --hier [X.]-- ansässige Person gezahlt werden, im anderen Staat besteuert werden können, jedoch ist der Betrag einer solchen Leistung, der in dem erstgenannten Staat --hier [X.]-- vom zu versteuernden Einkommen ausgenommen wäre, wenn der Empfänger in diesem Staat ansässig wäre, von der Besteuerung in dem anderen Staat befreit. Diese Besteuerungszuordnung in Art. 18 Abs. 3 Buchst. c [X.]-[X.] 2001 gilt erklärtermaßen "ungeachtet der übrigen Bestimmungen dieses Abkommens". Sie geht diesen Bestimmungen also vor. Das ändert indessen nichts daran, dass sie im Kontext des Art. 18 [X.]-[X.] 2001 steht und auf den dort angeordneten Besteuerungszuordnungen aufbaut. Vor diesem Hintergrund modifiziert Art. 18 Abs. 3 Buchst. c [X.]-[X.] 2001 die in Abs. 1 Satz 1 bestimmte Grundregel der Besteuerungszuordnung für den Bereich der Sozialversicherungsrenten. Die Reichweite dieser Modifikation ist aber begrenzt. Sie beschränkt sich darauf, den Ansässigkeitsstaat in der beschriebenen Weise bestimmten Restriktionen seines prinzipiell aufrechterhaltenen unbedingten Besteuerungsrechts nach Maßgabe des Besteuerungsrechts des [X.] zu unterwerfen. Keinesfalls substituiert sie zugleich das in Art. 18 Abs. 1 Satz 2 [X.]-[X.] 2001 eingeräumte konkurrierende Zugriffsrecht des [X.]. Dieses Recht bleibt vielmehr unberührt. Es wird in [X.] innerstaatlich durch § 49 Abs. 1 Nr. 7 EStG 2002 n.F. auch wahrgenommen. Das Ziel des Abkommens, Doppelbesteuerungen zu vermeiden, wird dadurch nicht unterlaufen; Art. 23 Abs. 1 Buchst. a i.V.m. Buchst. d [X.]-[X.] 2001 stellt sicher, dass [X.] als Ansässigkeitsstaat entsprechende Maßnahmen in Einklang mit seinen innerstaatlichen Gesetzen vorsieht.
cc) Die abkommensrechtliche Besteuerungszuordnung in Art. 18 Abs. 3 Buchst. c [X.]-[X.] 2001 ist also keine absolute. Sie schließt nicht aus, dass (auch) derjenige Vertragsstaat, aus dem die beschriebenen Leistungen stammen, nach seinem Steuerrecht Zugriff auf die Leistungen nimmt. Bestätigt wird dieses vorläufige Auslegungsergebnis nicht zuletzt durch Art. 18 Abs. 3 Buchst. a, b und d [X.]-[X.] 2001: Abweichend von den Einkünften, welche in Abs. 3 Buchst. c des Art. 18 [X.]-[X.] 2001 benannt werden, können die darin aufgeführten Einkünfte (u.a. [X.], [X.], Unterhaltszahlungen) "nur" entweder in dem einen oder dem anderen Vertragsstaat besteuert werden; ein Zugriffsrecht des jeweils anderen Staates ist damit für solche Einkünfte definitiv ausgeschlossen.
3. Da die Vorinstanz eine abweichende Rechtsauffassung vertreten hat, war ihr Beschluss aufzuheben. Der Antrag auf AdV ist abzulehnen.
Meta
13.12.2011
Beschluss
vorgehend Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern, 13. Oktober 2011, Az: 1 V 33/11, Beschluss
§ 22 Nr 1 S 3 Buchst a DBuchst aa EStG 2002 vom 05.07.2004, § 49 Abs 1 Nr 7 EStG 2002 vom 05.07.2004, Art 18 Abs 1 S 1 DBA CAN 2001, Art 18 Abs 1 S 2 DBA CAN 2001, Art 18 Abs 3 Buchst c DBA CAN 2001
Zitiervorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 13.12.2011, Az. I B 159/11 (REWIS RS 2011, 541)
Papierfundstellen: REWIS RS 2011, 541
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
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