Bundesfinanzhof, Urteil vom 20.12.2017, Az. I R 9/16

1. Senat | REWIS RS 2017, 251

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Gegenstand

Beschränkte Steuerpflicht für in das Ausland gezahlte Rentenversicherungsleistungen


Leitsatz

Die beschränkte Einkommensteuerpflicht der von der Deutschen Rentenversicherung Bund in das Ausland (hier: Kanada) gezahlten Renten wird nicht durch das DBA-Kanada 2001 ausgeschlossen. Die in Art. 18 Abs. 3 Buchst. c DBA-Kanada 2001 vorgenommene Zuordnung des Besteuerungsrechts für Sozialversicherungsrenten an Kanada lässt das in Art. 18 Abs. 1 Satz 2 DBA-Kanada 2001 vorbehaltene Quellenbesteuerungsrecht Deutschlands unberührt; das zu Art. 18 DBA-Kanada 2001 ergangene Protokoll steht dem nicht entgegen .

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 13. Januar 2016  1 K 453/13 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Streitig ist, ob das Besteuerungsrecht der [X.] ([X.]) für die von der [X.] in das Ausland ([X.]) gezahlten Leibrente kraft Abkommensrechts ausgeschlossen ist.

2

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) lebt seit 2001 in [X.]. Sie bezog in den Jahren 2009 bis 2011 (Streitjahre) eine Leibrente von der [X.] in Höhe von ... € (2009), ... € (2010) und ... € (2011). Die Klägerin hielt sich in 2009 rund fünf Monate und 2010 rund vier Monate in [X.] auf; dabei nutzte sie (mit ihrem Ehemann) eine von Bekannten auf Anfrage zur Verfügung gestellte Wohnung.

3

Mit Bescheiden vom 30. Mai 2013 setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) unter Hinweis auf § 49 Abs. 1 Nr. 7 und § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa des Einkommensteuergesetzes in der in den Streitjahren geltenden Fassung (EStG) Einkommensteuern gegen die Klägerin fest. Dabei berücksichtigte er die Rente jeweils nur mit ihrem steuerpflichtigen Teil (... %). Auf die dagegen erhobene Klage hat das Finanzgericht ([X.]) die Einkommensteuer jeweils auf ... € herabgesetzt ([X.] Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 13. Januar 2016  1 K 453/13, abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte --E[X.]-- 2016, 576).

4

Das [X.] rügt die Verletzung materiellen Rechts und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

5

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

6

Das [X.] ist dem Verfahren beigetreten (§ 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Es hat sich, ohne einen eigenen Antrag zu stellen, der Rechtsauffassung des [X.] angeschlossen.

Entscheidungsgründe

II.

7

Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht; es ist aufzuheben und die Klage ist abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.]O). Die angefochtenen Steuerfestsetzungen sind rechtmäßig, da die Besteuerung der der Klägerin zugeflossenen Sozialversicherungsrenten nicht durch das Abkommen zwischen der [X.] und [X.] zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und bestimmter anderer Steuern, zur Verhinderung der Steuerverkürzung und zur Amtshilfe in Steuersachen vom 19. April 2001 --[X.]-[X.] 2001-- ([X.] 2002, 671, BStBl I 2002, 505) beschränkt wird.

8

1. Die Klägerin wohnte in den Streitjahren in [X.]; sie war dort mit ihrem Welteinkommen unbeschränkt steuerpflichtig und i.S. des Art. 4 Abs. 1 Buchst. a [X.]-[X.] 2001 ansässig. In [X.] war die Klägerin nach Maßgabe des § 1 Abs. 4 EStG beschränkt steuerpflichtig, da sie --ohne einen inländischen Wohnsitz (§ 8 der Abgabenordnung --[X.]--) oder gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 [X.]) zu haben-- durch den Bezug von Renten eines inländischen gesetzlichen Rentenversicherungsträgers (inländische) Einkünfte i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 7 i.V.m. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. [X.] EStG erzielt hat. Über diese von den Feststellungen des [X.] getragenen Grundlagen besteht zwischen den Beteiligten kein Streit; weitere Ausführungen dazu sind entbehrlich.

9

2. An der Besteuerung wird [X.] durch das [X.]-[X.] 2001 nicht gehindert; der Senat hält insoweit an der in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits geäußerten Rechtsauffassung (Senatsbeschluss vom 13. Dezember 2011 I B 159/11, [X.], 417) auch nach erneuter Prüfung fest (dieser Rechtslage zustimmend z.B. [X.] in [X.], EStG, 16. Aufl., § 49 Rz 90 mit [X.]. 6; [X.] in [X.]/[X.], [X.], Art. 18 Rz 167 f., 171, 174; [X.]/[X.], § 49 EStG Rz 218; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 49 EStG Rz 1003; [X.], E[X.] 2016, 578; [X.], E[X.] 2016, 990; Ismer in [X.]/ [X.], [X.], 6. Aufl., Art. 18 Rz 87; [X.], [X.] 2017, 796, 797; im Ergebnis ebenso die Verwaltungspraxis, s. [X.], Verfügung vom 8. Juni 2011, Internationales Steuerrecht 2011, 776; a.[X.] in Wassermeyer, [X.], [X.] Art. 18 Rz 70a; [X.]/[X.]/[X.], Betriebs-Berater 2017, 2775, 2785 f.).

a) Nach Art. 18 Abs. 1 Satz 1 [X.]-[X.] 2001 können regelmäßig wiederkehrende oder nicht wiederkehrende Ruhegehälter sowie ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsst[X.]t ansässige Person bezieht, nur in diesem St[X.]t (Ansässigkeitsst[X.]t) besteuert werden. Diese Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen können nach Art. 18 Abs. 1 Satz 2 [X.]-[X.] 2001 aber auch im anderen Vertragsst[X.]t (Quellenst[X.]t) besteuert werden, wenn sie --nach Maßgabe verschiedener [X.] aus Quellen in jenem St[X.]t resultieren, u.a. --nach Abs. 1 Satz 2 Buchst. [X.] dann, wenn sie aus Quellen innerhalb des anderen Vertragsst[X.]ts bezogen werden und --nach Abs. 1 Satz 2 Buchst. b-- dann, wenn die Beiträge zu den Altersversorgungskassen oder -systemen im anderen St[X.]t steuerlich abzugsfähig waren, oder wenn das Ruhegehalt von dem anderen St[X.]t, einem seiner Länder, einer ihrer Gebietskörperschaften oder einem ihrer st[X.]tlichen Organe finanziert worden ist. Danach steht bei einer Zuordnung der Sozialversicherungsrenten zu den tatbestandlichen Begriffen "Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen" (auch) [X.] für die der Klägerin gezahlten Renten das Besteuerungsrecht zu.

b) Allerdings bestimmt Art. 18 Abs. 3 Buchst. c [X.]-[X.] 2001, dass Leistungen aufgrund des Sozialversicherungsrechts eines Vertragsst[X.]ts, die an eine im anderen Vertragsst[X.]t --hier [X.]-- ansässige Person gezahlt werden, in diesem anderen St[X.]t besteuert werden können, wobei jedoch der Betrag einer solchen Leistung, der in dem erstgenannten St[X.]t --hier [X.]-- vom zu versteuernden Einkommen ausgenommen wäre, wenn der Empfänger in diesem St[X.]t ansässig wäre, von der Besteuerung in dem anderen St[X.]t befreit ist. Diese Besteuerungszuordnung gilt zwar "ungeachtet der übrigen Bestimmungen dieses Abkommens" und geht damit diesen Bestimmungen vor. Das ändert indessen nichts daran, dass sie in den Kontext des Art. 18 [X.]-[X.] 2001 und den dort angeordneten Besteuerungszuordnungen eingebunden ist. Demgemäß modifiziert Art. 18 Abs. 3 Buchst. c [X.]-[X.] 2001 die in Abs. 1 Satz 1 bestimmte Grundregel der Besteuerungszuordnung für den Bereich der Sozialversicherungsrenten lediglich insoweit, als sie den Ansässigkeitsst[X.]t den in der Vorschrift genannten Restriktionen seines prinzipiell aufrechterhaltenen Besteuerungsrechts (nach Maßgabe des Besteuerungsrechts des Quellenst[X.]ts) unterwirft. [X.] verdrängt die Regelung zugleich das in Art. 18 Abs. 1 Satz 2 [X.]-[X.] 2001 eingeräumte konkurrierende Zugriffsrecht des Quellenst[X.]ts. Dieses Recht bleibt vielmehr unberührt. Es wird in [X.] innerst[X.]tlich durch § 49 Abs. 1 Nr. 7 EStG auch wahrgenommen. Das Ziel des Abkommens, Doppelbesteuerungen zu vermeiden, wird dadurch nicht unterlaufen; vielmehr stellt Art. 23 Abs. 1 Buchst. a i.V.m. Buchst. d [X.]-[X.] 2001 sicher, dass [X.] als Ansässigkeitsst[X.]t entsprechende Maßnahmen im Einklang mit seinen innerst[X.]tlichen Gesetzen vorsieht.

c) Bestätigt wird dieses Auslegungsergebnis nicht zuletzt durch Art. 18 Abs. 3 Buchst. a, b und d [X.]-[X.] 2001. Abweichend von den Einkünften, welche in Abs. 3 Buchst. c des Art. 18 [X.]-[X.] 2001 benannt werden, können die darin aufgeführten Einkünfte (u.a. [X.], [X.], Unterhaltszahlungen) "nur" entweder in dem einen oder dem anderen Vertragsst[X.]t besteuert werden; ein Zugriffsrecht des jeweils anderen St[X.]tes ist damit für solche Einkünfte ausgeschlossen.

d) Ein Hindernis für das Besteuerungsrecht [X.]s folgt auch nicht aus Ziffer 5 Buchstabe b des Protokolls zu diesem Doppelbesteuerungsabkommen, das Bestandteil des Abkommens ist (s. Art. 30 [X.]-[X.] 2001). Zwar gilt zu den Einkünften, die nach Art. 18 Abs. 1 [X.]-[X.] 2001 besteuert werden, gemäß dieser Ziffer (dort Buchst. b) die Einschränkung, dass "von [X.] aus Quellen innerhalb der [X.] ... die [X.] Steuer nur erhoben werden (darf), wenn die Ruhegehälter von der [X.], einem ihrer Länder oder einer ihrer Gebietskörperschaften gezahlt werden" – und zu den dort angeführten Zahlstellen gehört die [X.] nicht. Der Wortlaut der Regelung erfasst aber nur die "Ruhegehälter" und macht dabei --gemeinsam mit Art. 18 Abs. 1 Satz 1 [X.]-[X.] 2001-- seine Komplementärfunktion zu den in Art. 19 Abs. 1 Buchst. a [X.]-[X.] 2001 geregelten "[X.]" im öffentlichen Dienst ("Ruhegehälter" als Rückausnahme zum Regelungsbereich des Art. 19 Abs. 1 Buchst. a [X.]-[X.] 2001) deutlich (s.a. [X.] in [X.]/[X.]/Grotherr, [X.], Art. 18 [X.]-[X.] 2001 Rz 7). Ein Einfluss dieser Protokollbestimmung auf die in Art. 18 Abs. 3 Buchst. c [X.]-[X.] 2001 "ungeachtet der übrigen Bestimmungen des Abkommens" angesprochenen "Leistungen aufgrund des Sozialversicherungsrechts eines Vertragsst[X.]ts" besteht nicht. Für diese Leistungen hält das Protokoll ausschließlich eine für die Entscheidung des vorliegenden Streitfalls nicht relevante Regelung in Nr. 7 zum Informationsaustausch mit dem Ansässigkeitsst[X.]t bereit, um eine ordnungsgemäße Besteuerung der Sozialversicherungsrenten nach Maßgabe des Art. 18 Abs. 3 Buchst. c [X.]-[X.] 2001 zu gewährleisten.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 [X.]O.

Meta

I R 9/16

20.12.2017

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern, 13. Januar 2016, Az: 1 K 453/13, Urteil

§ 1 Abs 4 EStG 2009, § 22 Nr 1 S 3 Buchst a DBuchst aa EStG 2009, § 49 Abs 1 Nr 7 EStG 2009, Art 18 Abs 1 DBA CAN 2001, Art 18 Abs 3 Buchst c DBA CAN 2001, EStG VZ 2009, EStG VZ 2010, EStG VZ 2011, Ziff 5 Buchst b DBAProt CAN

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 20.12.2017, Az. I R 9/16 (REWIS RS 2017, 251)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 251

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