Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.06.2016, Az. V ZR 238/15

V. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 9784

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:[X.]:2016:160616BVZR238.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZR 238/15
vom

16. Juni 2016

in dem Rechtsstreit

-
2
-
Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am 16. Juni 2016
durch die Vorsitzende Richterin Dr.
[X.], die Richterin Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, und die Richter
Dr. [X.], [X.] und Dr. Göbel

beschlossen:

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger wird der Beschluss des 8. Zivilsenats des [X.] vom 9. November 2015 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungs-beschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt

Gründe:

I.

Die Beklagten verkauften 2002 ihr Hausgrundstück an R.

W.

für l-len und verlangte anschließend vor dem [X.] im Jahr 2005 die Rückabwicklung des Vertrags, auf die sich die Beklagten mit ihm in einem ge-1
-
3
-
richtlichen Vergleich auch einigten. Mit notariellem Vertrag vom 13.
Mai 2008 verkauften die Beklagten das 2006 zurückgegebene Grundstück unter [X.]. [X.] beantragten die Kläger ein selbständiges Beweisverfah-ren, in welchem ein Sachverständigengutachten zu Mängeln des Grundstücks eingeholt wurde. Mit anwaltlichem Schreiben vom 7. Juni 2011 fochten die Klä-ger den Vertrag wegen arglistiger Täuschung an und traten hilfsweise von dem Kaufvertrag zurück. Sie verlangen die Rückabwicklung des Kaufvertrags und die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, ihnen einen weitergehenden Schaden zu ersetzen.

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger hat das [X.] durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewie-sen. Hiergegen wenden sich die Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde.

II.

Das Berufungsgericht meint, Ansprüche der Kläger auf Rückabwicklung des Kaufvertrags und auf Schadensersatz
schieden aus, weil sie den ihnen ob-liegenden Beweis für ein arglistiges Verhalten der Beklagten nicht geführt [X.]. Die Beklagten hätten ihrer sekundären Darlegungslast entsprochen und dargelegt, dass sie die Kläger am 28. April 2008 an Ort und Stelle über die Mängel aufgeklärt hätten. Dem seien die Kläger detailliert entgegen getreten. Es sei indessen nicht zu beanstanden, wenn das [X.] zwar Anhalts-punkte dafür gefunden habe, dass die Aufklärung nicht hinreichend gewesen sein könnte, diese aber als nicht ausreichend angesehen habe, um sich von der Arglist der Beklagten zu überzeugen. Der in zweiter Instanz gehaltene Vortrag 2
3
-
4
-
der Kläger, die Beklagten hätten sechs Wochen zuvor schon einmal versucht, das Grundstück zu demselben Preis an die Eheleute O.

zu verkaufen, und hätten diese nicht über die Mängel aufgeklärt, sei gemäß § 531 Abs. 2 ZPO als verspätet zurückzuweisen. Die Kläger hätten keinen stichhaltigen Grund dafür angeführt, weshalb sie die Eheleute O.

nicht bereits in erster Instanz
zu den Vertragsverhandlungen befragt hätten.

III.

Der angefochtene Beschluss ist nach § 522 Abs. 3, § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil dieses den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen
Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.

1. Das Verfahrensgrundrecht ist durch die Zurückweisung des beweis-bewehrten Vortrags der Kläger, die Beklagten hätten sechs Wochen zuvor [X.], das Grundstück an die Eheleute O.

zu verkaufen, und diese (eben-falls) nicht über die Mängel aufgeklärt, verletzt worden.

a) Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots, die im Prozessrecht keine Stütze hat, verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG (st. Rspr., vgl. Senat, Beschluss vom 20. März 2014 -
V [X.], juris Rn. 4
mwN). [X.] Grenze ist bei Anwendung einer Präklusionsvorschrift wie des § 531 ZPO erreicht, wenn sie in offenkundig unrichtiger Weise angewandt wird (vgl. Senat, Beschluss vom 9. Juni 2005 -
V ZR
271/04, NJW 2005, 2624; [X.], Beschlüsse vom 15. August 2012 -
VIII ZR 256/11, juris Rn. 14 und vom 30. Oktober 2013
-
VII ZR 339/12, NJW-RR 2014, 85 Rn. 8; vgl. [X.], NJW 2000, 945, 946).
4
5
6
-
5
-

b) So ist es hier. Die vom Berufungsgericht gegebene Begründung, die Kläger hätten keinen stichhaltigen Grund dafür angeführt, weshalb sie die [X.] O.

nicht bereits in erster Instanz zu den Vertragsverhandlungen befragt hätten, ist nicht tragfähig.

aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] liegt eine Nachlässigkeit im Sinne von § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO nur dann vor, wenn die [X.] gegen ihre Prozessförderungspflicht verstoßen hat. Die [X.]-en sind aufgrund dieser Pflicht zu konzentrierter Verfahrensführung gehalten. Insbesondere
dürfen sie Vorbringen grundsätzlich nicht aus prozesstaktischen Erwägungen zurückhalten ([X.], Beschluss vom 10. Juni 2010 -
Xa [X.], NJW-RR 2011, 211 Rn. 28 mwN). Eine Verpflichtung, tatsächliche Umstände, die der [X.] nicht bekannt sind, erst zu ermitteln, ist daraus jedoch grundsätz-lich nicht abzuleiten (vgl. Senat, Beschluss vom 19. Juni 2008 -
V [X.], juris Rn. 10; [X.], Beschlüsse vom 17. Dezember 2009 -
III ZR 61/08, juris Rn.
13 mwN, vom 10. Juni 2010 -
Xa [X.], NJW-RR 2011, 211 Rn. 28 und vom 30.

Oktober 2013 -
VII ZR 339/12, NJW-RR 2014, 85 Rn. 9); sie kann allenfalls durch besondere Umstände begründet werden (vgl. [X.], Beschluss vom 10.
Juni 2010 -
Xa [X.], aaO Rn. 28).

bb) Danach haben die Kläger ihre Prozessförderungspflicht nicht verletzt. Der Entwurf des Kaufvertrags der Beklagten mit den Eheleuten O.

lag den Klägern nach ihrem Vortrag, den das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, zwar schon in erster Instanz vor. Dass sie deshalb bereits
in erster Instanz auf den Gedanken hätten kommen können, sich bei den [X.]n O.

nach den Einzelheiten der Vertragsverhandlungen zu erkundigen, rechtfertigt die Zurückweisung ihres Vortrags als verspätet aber nicht. Das [X.] vielmehr zusätzlich besondere Umstände voraus, die aus der objektivierten 7
8
9
-
6
-
Sicht der Kläger solche Erkundigungen erforderten oder zumindest nahelegten. Dafür ist nichts ersichtlich. Dem Kaufvertragsentwurf war nur zu entnehmen, dass die Beklagten den Eheleuten O.

das Grundstück zu den gleichen Be-dingungen angeboten hatten wie den Klägern und dass die Eheleute O.

die-ses Angebot nicht angenommen hatten. Diese beiden Umstände ließen nicht erwarten, dass sich bei näherer Erkundigung nach den Umständen und den Gründen für das Scheitern der Verhandlungen verwertbare Erkenntnisse für die Bewertung des anschließend geschlossenen Vertrags der Kläger mit den [X.] ergeben würden. Jedenfalls musste sich den Klägern nicht aufdrängen, dass die Beklagten diesen Kaufinteressenten Mängel
des Hauses arglistig ver-schwiegen haben könnten.

2. Der Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG ist entscheidungserheblich.

a) Mangels abweichender Feststellungen ist im Verfahren über die Nicht-zulassungsbeschwerde zu Gunsten der Kläger davon auszugehen, dass das verkaufte Grundstück die in dem vorausgegangenen Beweisverfahren festge-stellten erheblichen Mängel hat. Auszugehen ist aus dem gleichen Grund auch davon, dass diese für die Kläger nicht erkennbar waren und sie
deshalb über die Mängel aufgeklärt
werden mussten.

b) Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die genannten Zeugen bestätigen, dass die Beklagten ihnen
etwa sechs Wochen
zuvor dasselbe Grundstück zu dem gleichen Preis und zu den gleichen Bedingungen verkaufen wollten, ohne sie über die Mängel des Objekts aufzuklären, und dass das [X.] bei der Würdigung der Aussage der Zeugen und der -
ohnehin schon sehr ungewöhnlichen -
Umstände die Überzeugung gewinnt, die von den 10
11
12
-
7
-
Beklagten behauptete Aufklärung habe nicht stattgefunden und die Kläger seien arglistig getäuscht worden.

[X.] Schmidt-Räntsch [X.]

Kazele

Göbel

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 18.09.2014 -
2 O 223/11 -

OLG Koblenz, Entscheidung vom 09.11.2015 -
8 U 1234/14 -

Meta

V ZR 238/15

16.06.2016

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.06.2016, Az. V ZR 238/15 (REWIS RS 2016, 9784)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 9784

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

V ZR 238/15 (Bundesgerichtshof)

Klage auf Rückabwicklung eines Grundstückskaufvertrages nach Arglistanfechtung: Gehörsverletzung bei Nichtberücksichtigung erheblicher Beweisangebote in der Berufungsinstanz


V ZR 223/15 (Bundesgerichtshof)


VII ZR 339/12 (Bundesgerichtshof)

Arglist des Bauunternehmers durch Nichtoffenbaren von Mängeln: Zurechnung der Mangelkenntnis des Poliers als Erfüllungsgehilfe; unterbliebene …


V ZR 2/19 (Bundesgerichtshof)

Grundsstückskaufvertrag: Darlegungs- und Beweislast für die unterbliebene Aufklärung über offenbarungspflichtiger Umstände und Erklärung der Unkenntnis …


VIII ZR 91/04 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

V ZR 238/15

VII ZR 339/12

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.