Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.03.2016, Az. IV ZR 202/14

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 14001

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[X.]:[X.]:BGH:2016:230316UIVZR202.14.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
IV ZR 202/14

Verkündet am:

23. März 2016

Heinekamp

Amtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

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Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die
Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin [X.], die Richter Dr.
Karczewski, [X.] und die Richterin [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 23. März 2016

für Recht erkannt:

Auf die Revision der
Klägerin
wird das Urteil des 20. Zi-vilsenats des [X.] vom 2.
Mai 2014 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerseite (Versicherungsnehmerin: im Folgenden d.
[X.]) be-gehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rück-zahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer kapitalbildenden Le-bensversicherung.

Diese wurde aufgrund Antrags d.
[X.] mit Versicherungsbeginn zum 1. August 1997 nach dem so genannten Policenmodell des §
5a [X.] in 1
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der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden §
5a [X.] a.F.)
abge-schlossen.

Mit Schreiben vom Juni 2011 erklärte [X.] die Kündigung des Versicherungsvertrages und der Versicherer zahlte den Rückkaufswert aus. Mit Schreiben vom Juli 2012 erklärte [X.] den Widerspruch nach §
5a [X.] a.F.

Mit der Klage verlangt d.
[X.] Rückzahlung aller auf den Vertrag ge-leisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten [X.].

Nach Auffassung d.
[X.] ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen, weil sie
zum einen nicht ordnungsgemäß belehrt wurde und zum anderen §
5a [X.] a.F. mit den Lebensversicherungs-richtlinien der [X.] nicht vereinbar sei.

Das [X.] hat die Klage abgewiesen, das [X.] die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision ver-folgt d.
[X.] das Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur [X.] an das Berufungsgericht.

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I. Dieses hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus unge-rechtfertigter Bereicherung verneint. Der Versicherer habe im [X.] zwar nicht ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht belehrt, weil die Belehrung nicht den notwendigen Hinweis auf die einzu-haltende Schriftform enthalte. Der Vertrag sei aber gemäß § 5a Abs. 2 Satz 4 [X.] a.F. ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie rückwirkend endgültig wirksam geworden.

[X.] Die Revision ist begründet.

1. Entgegen der Ansicht des Versicherers lag eine zulässige Beru-fung vor. D.
[X.] hat mit der Berufungsbegründung unter anderem geltend gemacht, dass sie aus europarechtlichen Gründen ihr Recht auf [X.] nicht verlieren darf. Damit hat d.
[X.] sich auch gegen eine [X.] gewandt.

2. Ein Anspruch auf Prämienrückzahlung aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB kann [X.] mit der vom Berufungsgericht gegebenen [X.] nicht versagt werden.

a) Der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag schafft keinen Rechtsgrund für die Prämienzahlung. Er ist infolge des Widerspruchs [X.] nicht wirksam zustande gekommen. Der [X.] war

ungeachtet des Ablaufs der in § 5a Abs. 2 Satz 4 [X.] a.F. normierten Jahresfrist

rechtzeitig.

[X.]) Nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden [X.] belehrte der
Versicherer [X.]

auch un-8
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ter Berücksichtigung des Vorbringens der Revisionserwiderung

nicht ordnungsgemäß im Sinne von
§ 5a Abs. 2 Satz 1 [X.] a.F. über das [X.]. Die Widerspruchsbelehrung im hier maßgeblichen [X.] genügt diesen Anforderungen nicht, weil
sie inhalt-lich fehlerhaft ist. Sie enthält keinen Hinweis
darauf, dass der [X.] schriftlich
zu erheben war. Dieses Formerfordernis konnte d.
[X.] entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht aus der [X.] entnehmen, dass zur Wahrung der Frist die rechtzeitige [X.] genüge (Senatsurteil vom 29. Juli 2015

[X.], [X.], 1104 Rn. 24).

Für einen solchen Fall bestimmte §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. zwar, dass das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt. Das Widerspruchsrecht bestand hier aber nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort.

Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. auf der Grundlage der Vorabentscheidung des [X.] der [X.] vom 19.
Dezember 2013 ([X.], 225). Der Senat hat mit Urteil vom 7.
Mai 2014 ([X.], [X.], 101 Rn.
17-34) entschieden und im Einzelnen begründet, die Regelung müsse richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert werden, dass sie im Anwendungsbereich der [X.] und der [X.] keine Anwendung findet und für davon er-fasste Lebens-
und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn [X.]
wie hier

nicht ordnungsgemäß über das Recht zum [X.] belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat.

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bb) Die Kündigung des Versicherungsvertrages steht dem späteren Widerspruch nicht entgegen (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 [X.]O Rn.
36 m.w.[X.]). Ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung kommt ebenfalls nicht in Betracht (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 [X.]O Rn.
37 m.w.[X.]).

[X.]) D. [X.] hat das Recht zum Widerspruch auch nicht verwirkt. Es fehlt jedenfalls am Umstandsmoment. Ein schutzwürdiges Vertrauen kann der Versicherer schon deshalb nicht in Anspruch nehmen, weil er die Situation selbst herbeigeführt hat, indem er [X.] keine ordnungs-gemäße Widerspruchsbelehrung erteilte. Ob

wie die Revisionserwide-rung meint

der Verwirkungseinwand möglich ist, wenn eine [X.]sbelehrung nur
marginale Fehler aufweist, braucht hier nicht ent-schieden zu werden. Der genannte [X.] ist nicht [X.], sondern betrifft einen wesentlichen Punkt für die Ausübung des [X.]s, nämlich die Form des Widerspruchs (vgl. Senatsurteil
vom 29. Juli 2015

[X.], [X.], 1104 Rn. 29, 30).

b) Die bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen der Europarechts-widrigkeit des §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. sind nicht auf eine Wirkung ab Zugang des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken, sondern nur ei-ne Rückwirkung entspricht dem [X.] (dazu im Einzelnen Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 [X.]O Rn.
42-44).

3. Ein [X.] war bei Erhebung der Klage im No-vember
2012
noch nicht verjährt. Zu diesem Zeitpunkt war die maßgebli-che regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB nicht abge-laufen. Diese konnte erst mit Schluss des Jahres 2012
beginnen, da 16
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d.
[X.] erst in diesem Jahr den Widerspruch erklärte. Der nach einem [X.] gemäß § 5a [X.] a.F. geltend gemachte Bereicherungsan-spruch entstand erst mit Ausübung des Widerspruchsrechts im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB; jedenfalls zu diesem Zeitpunkt hatte [X.] Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB (vgl. Senatsurteil vom 8. April 2015 -
IV ZR 103/15, [X.], 700
Rn. 19 ff.).

4. Der Höhe nach umfasst der [X.] nach §
812 Abs.
1 Satz
1 Alt.
1 BGB nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien. Vielmehr muss sich [X.] bei
der bereicherungsrechtlichen Rückabwick-lung den jedenfalls bis zur Kündigung des Vertrages genossenen Versi-cherungsschutz anrechnen lassen. Der Wert des Versicherungsschutzes kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden; bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung [X.] (Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 [X.]O Rn.
45 m.w.[X.]).

Da es hierzu an Feststellungen fehlt, ist der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuver-weisen. Es wird den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben haben (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 [X.]O Rn.
46) und dabei auch die Vorgaben der Senatsurteile vom 29. Juli 2015 ([X.],

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[X.], 1101 Rn. 35
ff.; [X.], [X.], 1104 Rn. 34 ff.) sowie vom 11. November 2015 ([X.], [X.], 33 Rn. 31 ff.) zu beachten haben.

[X.] [X.] Dr.
Karczewski

[X.] [X.]
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 24.04.2013 -
26 O 415/12 -

O[X.], Entscheidung vom 02.05.2014 -
20 U 74/13 -

Meta

IV ZR 202/14

23.03.2016

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.03.2016, Az. IV ZR 202/14 (REWIS RS 2016, 14001)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 14001

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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IV ZR 448/14

IV ZR 76/11

IV ZR 103/15

IV ZR 384/14

IV ZR 513/14

20 U 74/13

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