Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 04.08.2010, Az. 9 C 7/09

9. Senat | REWIS RS 2010, 4291

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Gegenstand

Lkw-Maut: Erstattungsstreitigkeit; Berechnung der Maut nach Autobahnabschnitten unter Anwendung der Regeln kaufmännischer Rundung


Tatbestand

1

Die Beklagte wendet sich mit der Revision gegen ihre Verurteilung zur Erstattung von [X.] in Höhe von 2,52 € an die Klägerin. Die in [X.] ansässige Klägerin betreibt einen Blumengroßhandel. Sie beantragte im Januar 2006 beim [X.], die für eines ihrer Fahrzeuge, eine Sattelzugmaschine mit Auflieger, zuvor über das Erhebungssystem der Beigeladenen (hier: "On-Board-Unit") an diese entrichtete Mautbeträge rückwirkend ab dem 1. Januar 2005 zu erstatten, weil für das Fahrzeug keine Mautpflicht bestehe; es sei nicht ausschließlich für den Güterkraftverkehr bestimmt, sondern diene auch dem Verkauf. Mit Bescheid vom 7. Juni 2006 und Widerspruchsbescheid vom 10. Oktober 2006 lehnte das [X.] die Erstattung ab.

2

Das Verwaltungsgericht hat die unter anderem auf Aufhebung der genannten Bescheide und Erstattung der im Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 16. März 2006 geleisteten Maut in Höhe von 9.837,41 € gerichtete Klage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Beklagte unter entsprechender Aufhebung der Bescheide zur Erstattung in Höhe von 2,52 € verurteilt und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen. Die Berufung bleibe überwiegend ohne Erfolg. Denn das Fahrzeug der Klägerin sei ausschließlich für den Güterkraftverkehr bestimmt und daher sowohl nach nationalem Recht als auch nach Europarecht mautpflichtig. Die dem Fahrzeug der Klägerin selbst anhaftenden objektiven Merkmale ließen diesen ausschließlichen Verwendungszweck erkennen. In Höhe von 2,52 € sei das Erstattungsbegehren jedoch begründet. Insoweit beruhe die Mautzahlung auf der von der Beklagten vorgegebenen Praxis, die zu entrichtende Maut als Summe der kaufmännisch auf volle Cent gerundeten Beträge zu berechnen, die bezogen auf die Länge der einzelnen befahrenen Autobahnabschnitte anfallen. Diese Praxis der abschnittweisen Ermittlung der Mautbeträge sei nicht durch eine nach dem rechtsstaatlichen Gesetzesvorbehalt gebotene Rechtsgrundlage gedeckt. Diese hätten daher bezogen auf die jeweilige Gesamtstrecke festgesetzt werden müssen.

3

Gegen diese Entscheidung des [X.] hat nur die Beklagte Revision eingelegt.

Entscheidungsgründe

4

Die zulässige Revision der [X.] ist nicht begründet. Die Verurteilung der [X.] zur Zahlung von 2,52 € an die Klägerin beruht nicht auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO).

5

Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass die Höhe der von der Klägerin zu entrichtenden [X.] als Summe der jeweils nach der Länge der einzelnen befahrenen Autobahnabschnitte unter Ansatz des [X.] bei kaufmännischer Rundung anfallenden Beträge bestimmt wurde. Für diese Praxis gebe es entgegen dem aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Gesetzesvorbehalt keine rechtliche Grundlage, so dass die Klägerin die [X.] in einer Höhe von 2,52 € [X.] geleistet habe. Ihr stehe insoweit ein Anspruch auf Erstattung nach § 4 Abs. 1a des Autobahnmautgesetzes (ABMG) in Verbindung mit § 21 [X.] gegenüber der [X.] zu. Diese Auffassung ist nicht zu beanstanden.

6

1. Das Oberverwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass einschlägige Rechtsgrundlage für das an die Beklagte gerichtete Erstattungsbegehren der Klägerin die gemäß § 4 Abs. 1a ABMG für den Bereich der [X.]entrichtung entsprechend anzuwendende Vorschrift des § 21 [X.] ist, wonach überzahlte oder zu Unrecht erhobene Kosten unverzüglich zu erstatten sind.

7

a) Zunächst ist festzustellen, dass die Klägerin ihr Begehren nicht stattdessen auf dem [X.] gegenüber der Beigeladenen verfolgen kann. Dies hat das Oberverwaltungsgericht zutreffend erkannt.

8

aa) Das Autobahnmautgesetz legt die [X.] als öffentlich-rechtliche Benutzungsgebühr fest (vgl. u.a. §§ 1 Abs. 1, 4 Abs. 1 ABMG; BTDrucks 14/7013 [X.]). Der zivilrechtliche Vertrag, der nach § 4 Abs. 5 ABMG bei Nutzung des Erhebungssystems der Beigeladenen zwischen dieser und dem [X.] zustande kommt, ersetzt nicht das öffentlich-rechtliche Gebührenverhältnis zwischen dem [X.] und der [X.] als Gebührengläubigerin, sondern modifiziert dieses nur insoweit, als der Einzug der [X.] privatrechtlich erfolgt und der [X.] folgerichtig gemäß § 4 Abs. 5 ABMG von der Verpflichtung zur Entrichtung der [X.] unmittelbar an das [X.] befreit ist (vgl. BTDrucks 15/3678 S. 8). Somit stehen bei Nutzung des Erhebungssystems der Beigeladenen zwei Rechtsverhältnisse nebeneinander, nämlich das öffentlich-rechtliche Gebührenverhältnis zwischen [X.] und Beklagter einerseits, für das alle öffentlich-rechtlichen Vorschriften nach dem Autobahnmautgesetz und die auf der Grundlage dieses Gesetzes ergangenen Rechtsverordnungen bestimmend sind, und das auf die [X.] beschränkte privatrechtliche Rechtsverhältnis zwischen [X.] und Beigeladener andererseits, das durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beigeladenen ausgestaltet wird (vgl. BTDrucks 15/3678 S. 8; vgl. auch Müller/[X.], [X.], 2008, § 4 ABMG Rn. 123 ff.). Bei Rechtsstreitigkeiten ist danach zu unterscheiden, auf welches der beiden Rechtsverhältnisse sie sich beziehen. Rechtsstreitigkeiten, die den von der Beigeladenen zu verantwortenden Vollzug des auf die [X.] gerichteten Vertrags nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 ABMG betreffen, sind nach Maßgabe der dieses Rechtsverhältnis ausgestaltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beigeladenen vor den Zivilgerichten zwischen dieser und dem [X.] zu klären (vgl. BTDrucks 15/3678 S. 8). Rechtsstreitigkeiten, bei denen es um die Vereinbarkeit des Autobahnmautgesetzes bzw. der auf seiner Grundlage erlassenen Normen mit höherrangigem Recht oder um die Auslegung und Anwendung dieser Vorschriften - etwa zur [X.]pflicht selbst oder zur Höhe der [X.] - geht, betreffen allein das öffentlich-rechtliche Gebührenverhältnis zwischen dem [X.] und der [X.] und sind somit im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu klären.

9

Geht es - wie hier - um eine Streitigkeit über die Erstattung eines unter Nutzung des Erhebungssystems der Beigeladenen gezahlten Betrages können - abgesehen von der speziell geregelten Erstattung bei Nichtdurchführung oder nicht vollständiger Durchführung der Fahrt (§ 4 Abs. 4 ABMG, § 10 LKW-[X.]V) - beide Rechtsverhältnisse betroffen sein. Die Zahlung dieses Betrages ist zum Einen dazu bestimmt, der infolge der Nutzung des Erhebungssystems der Beigeladenen dieser gegenüber entstandenen vertraglichen Pflicht zur Zahlung eines "Entgelts" in Höhe der zu entrichtenden [X.] nachzukommen. Mit der Zahlung verfolgt der [X.] zum Anderen das Ziel, gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 ABMG von der Verpflichtung zur Entrichtung der [X.] unmittelbar an das [X.] befreit zu werden. Zu diesem Zweck beauftragt er die Beigeladene, den von ihm entrichteten Betrag an das [X.] abzuführen. Die auftragsgemäße Weiterleitung des Betrages an das [X.] stellt damit eine Leistung dar, die der [X.] zuzurechnen ist (vgl. Fuchs/[X.], [X.], 27 <30>). Danach kommt es darauf an, welchem dieser beiden Leistungsverhältnisse der gerügte Mangel zuzuordnen ist. Trägt der [X.] zum Beispiel vor, es sei aufgrund einer fehlerhaften A[X.]uchung im Erhebungssystem der Beigeladenen zu einer Überzahlung gekommen, ist das Leistungsverhältnis zur Beigeladenen betroffen. Geht es nicht um derartige "erhebungstechnische" Mängel, sondern um Grund oder Höhe der [X.]pflicht selbst, ist das öffentlich-rechtliche Gebührenverhältnis zur [X.] betroffen.

[X.]) Der zuletzt genannte Fall liegt hier vor. Die Praxis der Berechnung der [X.] nach [X.] unter Anwendung der Regeln kaufmännischer Rundung ist nicht dem vertraglichen Leistungsverhältnis mit der Beigeladenen zuzuordnen. Sie wurde nicht durch die Beigeladene etwa in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen gegenüber den [X.]n verbindlich festgelegt, sondern stellt eine Vorgabe der [X.] dar, nach der das von der Beigeladenen errichtete Erhebungssystem die für die einzelnen Fahrten zu entrichtende [X.] berechnet. Dieser Sachverhalt ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Somit sind das genannte Verfahren zur Berechnung der [X.] und die sich daraus ergebenden [X.]en der [X.] zuzurechnen.

b) Das Oberverwaltungsgericht hat auch zu Recht angenommen, dass die Klägerin ihr Erstattungsbegehren nicht auf § 4 Abs. 4 ABMG i.V.m. § 10 LKW-[X.]V stützen kann, weil diese Regelung allein den - hier nicht vorliegenden - speziellen Fall der nicht oder nicht vollständig durchgeführten Fahrt betrifft. Entgegen der Auffassung der [X.] ist auch nicht deshalb auf den allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch zurückzugreifen, weil der Wortlaut des § 21 [X.] einer Anwendung auf den vorliegenden Fall entgegensteht. Zutreffend ist allerdings, dass es vorliegend nicht um eine "Überzahlung" im Sinne dieser Vorschrift geht. Das Oberverwaltungsgericht hat die Beklagte nicht deshalb zur Erstattung von 2,52 € verurteilt, weil die Klägerin in dieser Höhe versehentlich zu viel [X.] bezahlt hat. Es hat vielmehr angenommen, dass die [X.] in dieser Höhe auf einer gegen das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot verstoßenden Berechnungspraxis der [X.] beruht, es also insoweit an einer [X.]pflicht fehlt. Dieser Fall ist jedoch nach der zweiten Alternative des § 21 [X.] zu beurteilen, wonach "zu Unrecht erhobene Kosten" zu erstatten sind. Es bedarf keiner Klärung, ob die Annahme der [X.] zutrifft, dass diese Vorschrift nach ihrem Wortlaut nur die Erstattung solcher Gebühren betrifft, die durch Bescheid "erhoben" wurden, was vorliegend nicht erfolgt ist. Denn § 21 [X.] ist für den Bereich der [X.]entrichtung nicht unmittelbar, sondern nach § 4 Abs. 1a ABMG "entsprechend" anwendbar. Mit dieser Verweisung sollte eine Regelung geschaffen werden, die alle nicht speziell im Autobahnmautgesetz oder in den hierauf gestützten Rechtsverordnungen normierten Erstattungsansprüche umfasst, und nicht nur die wenigen Fälle, in denen die [X.] ohne Nutzung des Erhebungssystems der Beigeladenen unmittelbar an das [X.] entrichtet (§ 4 Abs. 1 ABMG) oder gemäß § 8 Abs. 1 ABMG nachträglich durch Bescheid erhoben wird.

2. Die Klägerin war in Höhe von 2,52 € nicht zur Zahlung von [X.] verpflichtet.

a) Nach dem [X.] sind Eingriffsregelungen so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte und mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist ([X.], Beschluss vom 26. September 1978 - 1 BvR 525/77 - [X.]E 49, 168 <181>). Die zu entrichtende Gebühr muss daher nicht generell anhand des normativ vorgegebenen [X.] "auf den [X.]ent genau" vorausberechnet werden können. Vielmehr können Rahmengebühren festgelegt oder die Gebührenbemessung an unbestimmte Rechtsbegriffe geknüpft werden, um der Behörde eine Gebührenfestsetzung zu ermöglichen, die unterschiedlichen Einzelfallumständen gerecht wird. Ein Verstoß gegen das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot liegt jedoch dann vor, wenn es wegen der Unbestimmtheit der gebührenrechtlichen Regelungen nicht mehr möglich ist, objektive Kriterien zu gewinnen, die eine willkürliche Handhabung durch die Behörden ausschließen (Urteile vom 2. Juli 1969 - [X.] 68.67 - [X.] 11 Art. 20 GG Nr. 6 S. 5 f. und vom 21. Oktober 1970 - [X.] 137.68 - [X.] 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 1 S. 2; Beschluss vom 25. September 1989 - BVerwG 8 [X.] - [X.] 401.8 Verwaltungsgebühren Nr. 23 S. 8; Urteil vom 12. Juni 2006 - BVerwG 10 [X.] 9.05 - BVerwGE 126, 222 Rn. 30 m.w.N.).

aa) Gemessen daran verstößt die von der [X.] entwickelte Praxis zur Rundung der zurückgelegten Entfernungen und der sich unter Anwendung der [X.]sätze ergebenden [X.]beträge auf volle [X.]ent gegen das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot.

(1) Die [X.]höheverordnung setzt die [X.]sätze pro Kilometer auf den [X.]ent genau fest. Deren Anwendung auf die zurückgelegte Strecke ergibt nur dann einen Betrag, der nicht auf volle [X.]ent gerundet werden muss, wenn die zurückgelegte Strecke ihrerseits auf volle Kilometer gerundet wird. Anders als beispielsweise zahlreiche Vorschriften des [X.] enthalten jedoch das Autobahnmautgesetz und die [X.]höheverordnung weder eine Regelung zur Rundung auf volle [X.]ent noch eine Bestimmung darüber, nach welchem Längenmaß die zurückgelegte Strecke zu ermitteln ist. Daher kann die Lkw-[X.] jedenfalls bei den konkret geltenden [X.]sätzen nicht ohne ergänzende Festlegungen zu diesen für die Gebührenbemessung maßgeblichen Größen erhoben werden.

Solche Festlegungen hat die Beklagte durch ihre Praxis getroffen. Danach werden Entfernungen auf volle 100 Meter kaufmännisch gerundet; maßgeblich sind dabei die Längen der einzelnen mautpflichtigen Autobahnabschnitte (siehe unten [X.]). Die sich danach unter Anwendung der [X.]sätze ergebenden Beträge sowie deren Summe werden wiederum kaufmännisch auf volle [X.]ent gerundet. Bei der kaufmännischen Rundung wird ab der Ziffer 5 aufgerundet. Somit können sich die von der [X.] vorgegebenen Rundungsregelungen im Einzelfall zu Lasten des [X.]s auswirken, wie das Oberverwaltungsgericht dies im vorliegenden Fall auch festgestellt hat. Die Aufrundungen, die bereits bei der Ziffer 5 ansetzen, überwiegen auch im Ganzen gesehen die Abrundungen, so dass die Praxis kaufmännischer Rundung in der Summe höhere [X.]einnahmen bewirkt.

(2) Diese Rundungspraxis der [X.] kann sich nicht auf einen gesetzlich eingeräumten Entscheidungsspielraum stützen, sondern schließt eine Regelungslücke, um die [X.] erheben zu können. Es fehlt jedoch an Gründen, die es mit Blick auf das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot rechtfertigen könnten, der Verwaltung die freie Entscheidung über die Bemessung der zurückgelegten Entfernungen und die Rundung der [X.]beträge auf volle [X.]ent zu überlassen. Die sachgerechte Entscheidung darüber, ob eine für die Festsetzung der Gebühr maßgebliche Größe auf- oder abzurunden ist, hängt nicht von den Umständen des Einzelfalles ab, sondern kann ohne Weiteres generell-abstrakt getroffen werden. Zudem kann eine willkürliche Handhabung dieses Entscheidungsspielraums bei der Gebührenfestsetzung nicht ausgeschlossen werden. Das zeigt auch der vorliegende Fall. Es ist kein objektives Kriterium erkennbar, nach dem zuverlässig festgestellt werden kann, dass gerade die hier praktizierte kaufmännische Rundung sachgerecht und angemessen ist und nicht etwa auch eine Praxis, bei der die Länge der Autobahnabschnitte und die [X.]beträge durchgängig auf 100 Meter bzw. auf volle [X.]ent aufgerundet werden. Die zuletzt genannte Möglichkeit einer durchgängigen Aufrundung zu Lasten der [X.] macht schließlich deutlich, dass sich die Entscheidung über die Rundung der genannten Größen mehr als nur geringfügig auf den Umfang der [X.]einnahmen auswirken kann.

(3) Somit darf die Verwaltung in [X.], in denen - wie hier - normative Festlegungen zur Rundung maßgeblicher Bemessungsgrößen fehlen, diese Regelungslücke nicht durch eine Rundungspraxis schließen, die sich belastend auf die Gebührenschuldner auswirken kann. Die Verwaltung ist allerdings nicht gehindert, bei der Festsetzung der Gebühren zugunsten der Gebührenpflichtigen abzurunden. Denn eine solche jedenfalls nicht belastend wirkende Praxis bedarf keiner Rechtsgrundlage. Mit Blick auf die Gesetzesbindung der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) ist die Behörde auch gehalten, entsprechend vorzugehen, um den Gebührentatbestand zur Anwendung bringen zu können. Somit hätte die Beklagte ein Berechnungsverfahren vorgeben müssen, nach dem sowohl die Länge der einzelnen Autobahnabschnitte als auch die abschnittweise ermittelten Beträge und die Summe dieser Beträge durchgängig auf 100 Meter bzw. auf volle [X.]ent abzurunden sind.

[X.]) Demgegenüber bedarf die Praxis der [X.], die [X.] gesondert für jeden befahrenen Autobahnabschnitt und nicht nach der insgesamt befahrenen Strecke zu ermitteln, für sich genommen keiner Rechtsgrundlage.

Allerdings wirkt sie immer dann belastend, wenn überwiegend Autobahnabschnitte befahren werden, deren Länge nach den Vorgaben der [X.] auf volle 100 Meter aufzurunden sind. Nach dieser mangels normativer Ermächtigung unzulässigen Rundungspraxis kann die Aufteilung der zurückgelegten Strecke in Autobahnabschnitte jedoch nicht beurteilt werden. Maßgebend ist vielmehr, ob sich die abschnittweise Ermittlung der [X.]beträge auch dann belastend auswirkt, wenn die zurückgelegten Entfernungen - wie geboten - stets zugunsten der [X.] abgerundet werden, soweit nicht ohnehin der Meter als Längenmaß genommen wird. Das ist nicht der Fall. Im Gegenteil vervielfachen sich die für die [X.] günstigen Abrundungen der zurückgelegten Strecke, wenn die Berechnung nicht auf die Gesamtstrecke, sondern auf die einzelnen Autobahnabschnitte bezogen wird. Als nicht belastendes Detail des [X.] bedarf die Aufteilung der bei mautpflichtigen Fahrten zurückgelegten Strecke in Autobahnabschnitte jedoch keiner Rechtsgrundlage, sondern durfte von der [X.] nach Gesichtspunkten der [X.] festgelegt werden. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte dieses Verwaltungsermessen nicht sachgerecht ausgeübt hätte. Sie sieht den Vorteil der von ihr gewählten Berechnungspraxis unter anderem darin, dass jeder Autobahnabschnitt im Voraus mit den auf ihn entfallenden [X.]beträgen - bzw. im Falle der [X.]freiheit nach § 1 Abs. 3 ABMG mit dem Wert "0" - belegt werden könne, was die automatische Ermittlung der für die einzelnen Fahrten zu entrichtenden [X.] erleichtere; damit sei zugleich in praktischer Hinsicht die Voraussetzung dafür gelegt, dass der Verordnungsgeber die Option des § 3 Abs. 3 Satz 2 ABMG wahrnehmen und die [X.]sätze künftig auch nach bestimmten Abschnitten von Bundesautobahnen differenzieren könne, ohne dass die Berechnungspraxis umgestellt werden müsse. Diese Überlegungen sind ohne Weiteres nachvollziehbar.

Nach alledem ist die Revision der [X.] zurückzuweisen, ohne dass es auf eine Klärung der Frage ankommt, ob das Fahrzeug der Klägerin überhaupt der [X.]pflicht unterliegt. Wäre die von der Klägerin zu entrichtende [X.] auf der Grundlage einer Abrundung der einzelnen Entfernungen auf 100 Meter und der ermittelten Beträge auf volle [X.]ent berechnet worden, hätte sie zumindest um den vom Oberverwaltungsgericht angesetzten Betrag von 2,52 € unterhalb des Betrages gelegen, der vom Erhebungssystem der Beigeladenen nach den unzulässigen Vorgaben der [X.] errechnet wurde. In dieser Höhe kann die Klägerin mithin von der [X.] nach § 4 Abs. 1a ABMG i.V.m. § 21 [X.] Erstattung [X.] geleisteter [X.] verlangen.

Meta

9 C 7/09

04.08.2010

Bundesverwaltungsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 23. Juni 2009, Az: 9 A 3082/08, Urteil

§ 4 Abs 1a ABMG, § 4 Abs 4 ABMG, § 10 LKW-MautV, Art 20 Abs 3 GG, § 21 VwKostG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 04.08.2010, Az. 9 C 7/09 (REWIS RS 2010, 4291)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 4291

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