Bundesgerichtshof, Urteil vom 28.03.2023, Az. X ZR 27/21

10. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 2137

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Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des 4. Senats ([X.]) des [X.] vom 19. Januar 2021 wird zurückgewiesen.

Auf die Berufung der Klägerin wird das genannte Urteil abgeändert.

Das [X.] Patent 1 441 142 wird mit Wirkung für die [X.] für nichtig erklärt.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die [X.] erteilten [X.] Patents 1 441 142 (Streitpatents), das am 22. Januar 2004 unter Inanspruchnahme der Priorität einer [X.] Patentanmeldung vom 25. Januar 2003 angemeldet worden ist und eine Scheibenbremse betrifft.

2

Patentanspruch 1, auf den weitere acht Patentansprüche zurückbezogen sind, lautet in der [X.]:

[X.] (124) and a force transmission device (105) for a disc brake operable to move a friction element (102) of the brake into engagement with a rotary brake disc (4) along a first axis in response to a loading from a thrust member, [X.] restrained from movement transverse to the first axis proximate a first end (150) engageable with the thrust member, characterized in that the force transmission device is guided only by the housing at the first end, and in that a second end (174) is engageable with the friction element.

3

Patentanspruch 10 schützt eine Scheibenbremse, die einen Scheibenbremssattel nach einem der Ansprüche 1 bis 9 umfasst.

4

Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents gehe über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldeunterlagen hinaus und sei nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Streitpatent wie erteilt und hilfsweise in acht geänderten Fassungen verteidigt.

5

Das Patentgericht hat das Streitpatent teilweise für nichtig erklärt soweit sein Umfang über die mit Hilfsantrag 2 verteidigte Fassung hinausgeht und die Klage im Übrigen abgewiesen. Dagegen wenden sich beide Parteien mit der Berufung. Die Klägerin begehrt weiterhin die vollständige Nichtigerklärung des Streitpatents. Die Beklagte verteidigt das Streitpatent wie erteilt und hilfsweise nunmehr in elf geänderten Fassungen.

Entscheidungsgründe

6

Die Berufungen sind zulässig. Die Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Dagegen hat die Berufung der Klägerin Erfolg.

7

I. Das Streitpatent betrifft einen [X.] und eine [X.] mit einem solchem Sattel.

8

1. Nach der Beschreibung des Streitpatents umfasst ein [X.] eine Kraftübertragungsvorrichtung. Diese übertrage mittels [X.]n oder Kolben die Betätigungskraft auf [X.] der Bremse. [X.]ypischerweise umfasse eine Kraftübertragungsvorrichtung auch einen Mechanismus, mit dem der Verschleiß des [X.] kompensiert werden könne (Abs. 2).

9

Herkömmliche Kraftübertragungsvorrichtungen wiesen verschiedene Nachteile auf. So gebe es eine große Anzahl von Oberflächen, bei denen Metall an Metall gleite, was die Effektivität reduziere. Die Bearbeitung, die notwendig sei, um eine enge Passung zwischen den [X.]chäften und dem Gehäuse der Kraftübertragungsvorrichtung herzustellen, sei verhältnismäßig teuer. Zudem seien die [X.]köpfe individuelle Komponenten, die sicher an den [X.]chäften angebracht werden müssten, wozu üblicherweise Halte- oder [X.]rengringe verwendet würden, was die Anzahl der [X.]eile erhöhe. Obwohl [X.] für [X.] inzwischen häufiger verwendet würden, sei es teuer, sie so zu bearbeiten, dass sie flach seien und damit die Last der Kraftübertragungsvorrichtung angemessen auf die Rückenplatte verteilt werde (Abs. 3).

2. Vor diesem Hintergrund besteht das technische Problem darin, eine [X.] mit einer Kraftübertragungsvorrichtung bereitzustellen, bei der die genannten Probleme vermieden oder zumindest reduziert werden (Abs. 4).

3. Zur Lösung schlägt das Streitpatent einen [X.] vor, dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:

0

A disk brake caliper comprising

[X.] umfassend

1

a housing (124) and

ein Gehäuse (124) und

2

a force transmission device (105).

eine Kraftübertragungsvorrichtung (105).

[X.]he force transmission device

Die Kraftübertragungsvorrichtung

2a

is operable to move a friction element (102) of the brake into engagement with a rotary brake disc (4)

kann zum Bewegen eines [X.] (102) der Bremse in Eingriff mit einer Drehbremsscheibe (4) betätigt werden,

2b

along a first axis in response to a loading from a thrust member,

und zwar entlang einer ersten Achse in Reaktion auf eine Belastung durch ein [X.],

3

is restrained from movements transverse to the first axis proximate a first end (150) engageable with the thrust member,

wird an einer Bewegung quer zur ersten Achse nahe einem ersten Ende, das mit dem [X.] in Eingriff gebracht werden kann, gehindert

4a

is guided only by the housing (124) at the first end (150) and

wird nur durch das Gehäuse (124) am ersten Ende geführt und

4b      

a second end (174) is engageable with the friction element

ein zweites Ende (174) kann mit dem Reibelement in Eingriff gebracht werden.

Ein Ausführungsbeispiel zeigen die Figuren 3 bis 5 der Streitpatentschrift:

Abbildung

Abbildung

4. Einige Merkmale bedürfen der Erläuterung:

a) Der [X.] umfasst ein Gehäuse und eine Kraftübertragungsvorrichtung.

Bei der Kraftübertragungsvorrichtung handelt es sich um ein Vorrichtungselement, das geeignet ist, an seinem einen Ende die von einem [X.] ausgeübte Kraft aufzunehmen und diese durch eine Bewegung entlang einer ersten Achse an seinem zweiten Ende an ein Reibelement abzugeben, das dadurch so bewegt werden kann, dass es in Eingriff mit der Bremsscheibe gelangt. Die erste Achse bestimmt sich mithin dadurch, dass sie auf die Bremsscheibe zuläuft und parallel zu deren Rotationsachse verläuft.

Die Kraftübertragungsvorrichtung ist damit funktional definiert. Weitere Vorgaben sind dem Streitpatent nicht zu entnehmen. Die Kraftübertragungsvorrichtung kann einteilig oder mehrteilig ausgebildet sein. Im Ausführungsbeispiel besteht sie aus zwei parallel angeordneten [X.]n und einer Einstelleinrichtung, die den Verschleiß des [X.] ausgleichen soll.

b) Die Kraftübertragungsvorrichtung weist zwei Enden auf.

Nach Merkmal 3 ist das erste Ende der Kraftübertragungsvorrichtung dadurch bestimmt, dass es mit dem [X.] "in Eingriff" (engageable with the thrust member) gebracht werden kann. Aus Merkmal 4b ergibt sich, dass das zweite Ende der Kraftübertragungsvorrichtung das Ende ist, das mit dem Reibelement "in Eingriff" (engageable with the friction element) gebracht werden kann.

c) Das Patentgericht hat angenommen, [X.] müsse durch ein festes [X.] in [X.]übertragungsvorrichtung eingeleitet werden. Eine Vorrichtung, bei der der Schub durch ein Fluid eingeleitet werde, entspreche nicht den Vorgaben von Merkmal 2b.

Dieser Auffassung tritt der [X.] nicht bei. Patentanspruch 1 umfasst auch den Fall, dass [X.]übertragungsvorrichtung mit einem Fluid beaufschlagt und von diesem Schub ausgeübt wird.

Das Patentgericht hat im Ausgangspunkt zutreffend angenommen, dass das [X.] als solches nicht Gegenstand des Streitpatents ist. Merkmal 2b ist jedoch zu entnehmen, dass [X.]übertragungsvorrichtung die Eignung aufweisen muss, den von einem [X.] ausgehenden Schub aufzunehmen und an das Reibelement weiterzuleiten. [X.] im Sinne des Streitpatents sind damit die [X.], die geeignet sind, Schub in das erste Ende der Kraftübertragungsvorrichtung einzuleiten.

Für die patentgemäße Lehre ist unerheblich, wie der Kontakt zwischen dem [X.] und der Kraftübertragungsvorrichtung erfolgt. Der in der maßgeblichen [X.] verwendete Begriff "engageable" legt ein weites Verständnis von der Art des "Eingriffs" zugrunde. Dieser Begriff ist nicht auf einen (gar formschlüssigen) Eingriff beschränkt, sondern fordert nur einen unmittelbaren Kontakt zwischen [X.] und Kraftübertragungsvorrichtung.

Dieses Verständnis steht auch im Einklang mit den weiteren Merkmalen des Patentanspruchs 1. Der Begriff "engageable" wird ebenfalls in Merkmal 2a verwendet, wo ein Formschluss zwischen Reibelement und Bremsscheibe gerade nicht in Betracht kommt.

Zwar zeigt das Ausführungsbeispiel gemäß Figur 3 eine pneumatische Bremse. Sie lässt eine Betätigungseinrichtung 13 ([X.]) mit Walzen 15 und 16 ([X.]) erkennen, über die der Schub auf die [X.] 17 und 18 - und damit [X.]übertragungsvorrichtung - übertragen wird (Abs. 8). Bei Betätigung der Bremse wird Schub von den Walzen 15 und 16 auf die [X.] und 23 (adjuster shafts), die zur Kraftübertragungsvorrichtung zählen, ausgeübt. Diese werden dadurch entlang einer ersten Achse in Richtung des [X.] bewegt.

Weder aus dem Wortlaut von Patentanspruch 1 noch aus der Beschreibung ergibt sich indessen, dass das Streitpatent auf pneumatische Bremsen begrenzt ist. Die Beschreibung hebt vielmehr hervor, dass die Erfindung auch auf mit Fluid betätigte und auf Festsattelbremsen, und damit auch auf hydraulische Bremsen angewendet werden kann (Abs. 36).

Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Begriff "thrust member" nur ein festes Bauteil meinen kann, sind nicht ersichtlich. Hiergegen spricht insbesondere, dass die Erfindung nach der Beschreibung auch in anderen als pneumatisch wirkenden Bremsen angewendet werden kann (Abs. 2, 7, 36).

d) Entscheidende Bedeutung kommt den Merkmalen 3, 4a und 4b zu, die in ihrem Zusammenwirken sicherstellen sollen, dass [X.]übertragungsvorrichtung sich nur in axialer Richtung, entlang der ersten Achse bewegt.

aa) Nach Merkmal 3 wird [X.]übertragungsvorrichtung an einer Bewegung quer zur ersten Achse gehindert.

Dieses Merkmal ist dahin zu verstehen, dass [X.]übertragungsvorrichtung - abgesehen von einem gewissen [X.]iel, das wegen thermisch bedingter Veränderungen der Bauteile erforderlich ist - an jeglicher Bewegung quer zur ersten Achse gehindert ist. Dies soll ein Verkippen oder Verkeilen der Kraftübertragungsvorrichtung im Gehäuse vermeiden.

Diese Hinderung der Bewegung quer zur ersten Achse geschieht nach Merkmal 3 in einem Bereich nahe dem ersten Ende der Kraftübertragungsvorrichtung. Dies schließt eine Gestaltung nicht aus, durch die [X.]übertragungsvorrichtung auch in ihren anderen Bereichen an einer Bewegung quer zur Achse gehindert wird.

bb) Nach Merkmal 4a wird [X.]übertragungsvorrichtung nur am ersten Ende durch das Gehäuse geführt.

Mit diesem Merkmal grenzt sich das Streitpatent vom Stand der [X.]echnik ab, den es dahin beschreibt, dass [X.]übertragungsvorrichtung über nahezu die gesamte Länge des Gehäuses geführt wird, sich also bei Betätigung der Bremse mit geringem [X.]iel entlang der ersten Achse hin und her bewegt. Dies erfordert eine aufwendige Bearbeitung der Innenseite des Gehäuses und der Außenfläche des [X.]. Zu Recht hat das Patentgericht angenommen, dass die Führung der Kraftübertragungsvorrichtung durch das Gehäuse nach Merkmal 4a auf einen Bereich am ersten Ende der Kraftübertragungsvorrichtung beschränkt ist, der zumindest deutlich kleiner ist als die erste Hälfte ihrer axialen Erstreckung.

cc) Wie bereits erwähnt wurde, schließt Patentanspruch 1 nicht aus, dass [X.]übertragungsvorrichtung auch an ihrem zweiten Ende an einer Bewegung quer zur ersten Achse und damit an einem Verkippen oder Verkeilen gehindert wird. Nach Merkmal 4b wird dies dadurch gewährleistet, dass [X.]übertragungsvorrichtung an ihrem zweiten Ende mit dem Reibelement in Eingriff gebracht werden kann. Wie die Beschreibung erläutert, ermöglicht es gerade der Eingriff des zweiten Endes mit dem Reibelement, auf eine längere Führung der Kraftübertragungsvorrichtung im Gehäuse zu verzichten (Abs. 14 und Abs. 26).

Nach dem Ausführungsbeispiel gemäß Figuren 3 bis 5 kann dies dadurch geschehen, dass der [X.] mit seinem zweiten Ende 174 in die Ausnehmung 166A der Rückplatte 138 und mit einem quadratischen Vorsprung 175 in eine entsprechend geformte Ausnehmung 173 eingreift. Wird das zweite Ende des [X.] in diese Ausnehmungen eingeführt, wird [X.]übertragungsvorrichtung auch hierdurch an einer Bewegung quer zur Achse gehindert. Der Frage, ob man diese Wirkung - wie in Absatz 14 der Beschreibung des Streitpatents - als "Führung" der Kraftübertragungsvorrichtung bezeichnet, kommt keine ausschlaggebende Bedeutung zu.

Zu Recht hat das Patentgericht entschieden, dass Patentanspruch 1 nicht auf eine formschlüssige Verbindung zwischen dem zweiten Ende der Kraftübertragungsvorrichtung und dem Reibelement beschränkt ist.

Zwar ist ein solcher Formschluss, wie ausgeführt wurde, im Ausführungsbeispiel gezeigt. In Patentanspruch 1 hat dies jedoch keinen Niederschlag gefunden.

In der maßgeblichen [X.] ist lediglich gefordert, dass das zweite Ende mit dem Reibelement in Eingriff gebracht werden kann (is engageable with the friction element). Vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen kann auch hier nicht angenommen werden, dass damit ein Formschluss zwingend gefordert wird.

Gegen ein enges Verständnis von Merkmal 4b spricht schließlich auch der Umstand, dass eine formschlüssige Verbindung erst in [X.] gefordert wird.

II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Der Gegenstand von Patentanspruch 1 gehe nicht dadurch über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldeunterlagen hinaus, dass die Fassung in Anspruch 1 der Anmeldung, wonach [X.]übertragungsvorrichtung in der Nähe des zweiten Endes nicht geführt werde, durch die Merkmale 4a und 4b ersetzt wurde. Bereits aus den ursprünglichen Anmeldeunterlagen ergebe sich, dass die Führung der Kraftübertragungsvorrichtung durch das Gehäuse auf einen Bereich nahe deren ersten Ende beschränkt sei und diese Führung eine Bewegung quer zur ersten Achse hindere. Ihnen sei zudem zu entnehmen, dass [X.]übertragungsvorrichtung im Bereich des zweiten Endes nicht durch das Gehäuse geführt werden dürfe.

Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung sei jedoch nicht patentfähig. Er sei durch die [X.] Patentschriften 4 645 038 ([X.]) und 5 000 294 ([X.]) sowie durch die [X.] Patentschrift 25 59 613 ([X.]) vorweggenommen.

Die Verteidigung des Gegenstands von Patentanspruch 1 in der Fassung der [X.] und 1a sei unzulässig. Dass der Anspruch auch das Reibelement umfasse, führe zu einer Erweiterung des Schutzbereichs gegenüber der erteilten Fassung, bei der das Reibelement nicht mitbeansprucht werde.

Dagegen sei die Verteidigung von Patentanspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag 2 zulässig. Sein Gegenstand sei auch patentfähig. Er werde durch das [X.] Patent 747 965 ([X.]) nicht vorweggenommen. [X.] betreffe eine hydraulische Bremse und zeige damit keine Kraftübertragungsvorrichtung, die geeignet sei, mit einem mechanischen [X.] in Eingriff gebracht zu werden. Auch [X.], [X.] und [X.] seien nicht neuheitsschädlich, da sie jeweils nur einen [X.] aufwiesen.

Dieser Gegenstand beruhe auch auf erfinderischer [X.]ätigkeit. Er werde weder durch eine Kombination der [X.] mit der [X.] Patentanmeldung 1 160 478 ([X.]) noch durch eine Kombination der [X.] mit einer der [X.] [X.] bis [X.] oder durch sonstigen Stand der [X.]echnik nahegelegt.

III. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Berufung der Beklagten stand.

Ohne Erfolg wendet sich die Berufung der Beklagten gegen die Auffassung des Patentgerichts, der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung sei durch den Stand der [X.]echnik vorweggenommen.

1. Es kann offenbleiben, ob die [X.] [X.], [X.] und [X.] neuheitsschädlich sind. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung wird jedenfalls durch die [X.] vollständig vorweggenommen.

a) [X.] beschreibt eine hydraulisch betätigte [X.], bei der auf jeder Seite der Bremsscheibe zwei Zylinder und zwei zylindrische [X.] vorgesehen sind.

Der nachstehend abgebildete Ausschnitt aus der Figur 2 der [X.] zeigt einen solchen Zylinder 19, der an einer Seite durch die Platte 17 verschlossen ist. In diesem Zylinder ist ein verschiebbarer Kolben 20 druckmitteldicht angeordnet. Der Kolben ist mit einem Schaft 21 versehen, der aus dem Zylinder herausragt. Das Ende des Schafts ist abgerundet und greift in eine entsprechend geformte Ausnehmung der Druckplatte 23 an, an der das [X.] 14 anliegt.

Abbildung

Der Kolben kann durch das Einleiten eines Fluid mit Druck beaufschlagt und im Zylinder in Richtung der Bremsscheibe bewegt werden ([X.]. 4 [X.] 7-36).

b) Damit zeigt [X.] eine aus Kolben und Schaft bestehende Kraftübertragungsvorrichtung, die zum Bewegen eines [X.] entlang einer ersten Achse in Reaktion auf eine Belastung auf ein [X.] betätigt werden kann. Dass der Schub nicht durch ein festes Bauteil, sondern durch ein Fluid bewirkt wird, steht der Vorwegnahme der Merkmale 2b und 3, wie oben aufgezeigt wurde, nicht entgegen.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die [X.] nicht Bestandteil der Kraftübertragungsvorrichtung. Die [X.] ist über die Distanzstücke 18 am Bremssattel befestigt ([X.]. 4 [X.] 7-9). Demgemäß ist die [X.] zusammen mit dem Zylinder 19 der [X.]eil des [X.], in dem sich der [X.] bewegt. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Zylinder ein nicht bewegliches Element. Lediglich der Kolben wird bei Betätigung der Bremse bewegt ([X.]. 4 [X.] 16-17 und [X.] 27-36).

Der Kolben wird nur über ein kurzes, nahe dem ersten Ende der Kraftübertragungsvorrichtung liegendes Stück im Zylinder geführt und damit an einer Bewegung quer zur ersten Achse gehindert. An seinem zweiten Ende kann er mit der Druckplatte, die einen Bestandteil des [X.] bildet, in Eingriff gebracht werden.

2. Das Patentgericht hat zutreffend entschieden, dass die Verteidigung des Streitpatents in der Fassung der [X.] und 1a unzulässig ist, weil sie zu einer Erweiterung des Schutzbereichs führt.

Der erteilte Anspruch 1 stellt lediglich einen Bremssattel unter Schutz, der ein Gehäuse und eine Kraftübertragungsvorrichtung umfasst. Die Kraftübertragungsvorrichtung kann nach Merkmal 2a zum Bewegen eines [X.] der Bremse betätigt werden, doch wird das Reibelement damit nicht zum Gegenstand von Patentanspruch 1. Es ist zudem nicht [X.]eil des Bremssattels, sondern, wie dieser, [X.]eil der Bremse.

In der Fassung von Hilfsantrag 1 soll der Bremssattel auch ein Reibelement umfassen. Diese Fassung führt dazu, dass ein Gegenstand, der vom Patent in der erteilten Fassung nicht geschützt ist, nachträglich einbezogen wird. Dies ist nicht zulässig. Entsprechendes gilt für Hilfsantrag 1a.

IV. Dagegen ist die Berufung der Klägerin begründet. Auch in der Fassung der weiteren Hilfsanträge erweist sich der Gegenstand von Patentanspruch 1 als nicht patentfähig.

1. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag 2 lässt sich wie folgt gliedern (Änderungen hervorgehoben):

0

A disk brake caliper comprising

1

a disk brake caliper, [X.] (124),

1a

a friction element (102)

2

a force transmission device (105).

[X.]he force transmission device

2a

is operable to move a the friction element (102) of the brake into engagement with a rotary brake disc (4)

2b

along a first axis in response to a loading from a thrust member

5

comprises two tappets (117, 118)

3

is restrained from movements transverse to the first axis proximate a first end (150) engageable with the thrust member,

4a

is guided only by the housing (124) at the first end (150) and

4b

a second end (174) is engageable with the friction element.

6

[X.]he friction element comprises a backplate (138)

6a

wherein the backplate is generally arcuate and

6b       

having circumferential ends (178, 180), which are locally thickened ([X.]) when compared with the thickness (t) of a main portion of the backplate.

Das Patentgericht hat zutreffend angenommen, dass Patentanspruch 1 in dieser Fassung nicht nur auf einen Bremssattel, sondern auf eine [X.] gerichtet ist, die neben dem Bremssattel auch das Reibelement umfasst.

a) Nach Merkmal 5 umfasst [X.]übertragungsvorrichtung zwei [X.].

Wie sich aus der zur Auslegung heranzuziehenden Beschreibung ergibt, ist Anspruch 1 damit auf eine Kraftübertragungsvorrichtung gerichtet, bei der auf einer Seite einer Bremsscheibe zwei [X.] vorhanden sind, die mit einem Reibelement in Eingriff stehen.

b) Nach Merkmal 6a ist die Rückenplatte des [X.] im Allgemeinen bogenförmig ausgebildet. Eine solche Gestaltung ist beispielhaft in Figur 4 gezeigt.

c) Nach Merkmal 6b weist die Rückenplatte an ihren Umfangsenden lokale Verdickungen verglichen mit der Dicke des Hauptteils der Rückenplatte auf. Dies ist wiederum beispielhaft in Figur 4 zu erkennen, wo an den seitlichen Rändern der Rückenplatte Verdickungen 178 gezeigt sind.

2. Zu Recht hat das Patentgericht angenommen, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 in dieser Fassung neu ist.

Die [X.] nimmt den Gegenstand dieses Anspruchs nicht vollständig vorweg.

a) Wie oben bereits ausgeführt wurde, sind die Merkmale 1 bis 4b in [X.] offenbart.

b) Da sich an jeder Platte zwei mit ihr einstückig ausgebildete Zylinder befinden, in denen jeweils ein Kolben mit einem Schaft angeordnet ist, die gemeinsam als [X.] anzusehen sind, ist auch Merkmal 5 offenbart. Wie sich aus den Figuren 1 und 2 der [X.] ergibt, können beide [X.] mit der Druckplatte 23 in Eingriff gebracht werden, die zusammen mit dem [X.] 14 ein Reibelement bildet.

c) Dagegen sind die Merkmale 6a und 6b nicht vorweggenommen. Aus [X.] ist weder ersichtlich, dass die Druckplatte 23 eine Bogenform aufweist, noch, dass sie an den Umfangsenden Verdickungen zeigt.

3. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag 2 ist jedoch ausgehend von der [X.] in Verbindung mit der [X.]n [X.] 41 27 113 ([X.]) oder der [X.] Patentanmeldung 6 367 594 ([X.]) nahegelegt.

Da sich die [X.] mit der Gestaltung des [X.] nicht befasst, wird der Fachmann, der sich im Prioritätszeitpunkt dieser Entgegenhaltung zuwendet, insoweit im Stand der [X.]echnik nach möglichen Gestaltungen suchen. Dabei stößt er auf die [X.] und die [X.], die jeweils ein Reibelement mit einem im wesentlichen bogenförmigen Bremsbelag und einer entsprechend geformten Rückenplatte beschreiben. Beide [X.] zeigen zudem an den Umfangsenden Verdickungen. Deren Zweck ist in [X.] wie in [X.] dahin erläutert, dass diese die Führung der Rückenplatte am Bremsträger verbessern ([X.] [X.]. 3 [X.] 22-40, [X.] [X.]. 3 [X.] 9-18).

4. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 ist auch in der Fassung der weiteren Hilfsanträge nicht patentfähig.

a) Nach Hilfsantrag 2a enthält Merkmal 5 zusätzlich die Vorgabe, dass die beiden [X.] parallel zueinander angeordnet sind.

Auch eine solche Gestaltung ist durch [X.] bereits vorweggenommen.

b) Hilfsantrag 2b unterscheidet sich von Hilfsantrag 2a nur dadurch, dass das Reibelement nicht vom Gegenstand des Anspruchs 1 erfasst ist.

Demgemäß ergibt sich keine abweichende Beurteilung.

c) Nach Hilfsantrag 3 ist Anspruch 1 gegenüber der Fassung nach Hilfsantrag 2 um folgende Merkmale ergänzt:

"wherein the backplate comprises location features, [X.],

[X.] in an inner position it has to be first moved in [X.] inward direction then in an axial [X.] disc."

Die Verteidigung des Gegenstands von Patentanspruch 1 in dieser Fassung ist zulässig. Dass die quadratische Gestaltung der Ausnehmung nicht mit aufgenommen wurde, stellt eine zulässige Zwischenverallgemeinerung dar.

Auch diese Merkmale sind jedoch durch [X.] bereits vorweggenommen bzw. nahegelegt.

Wie Figur 2 der [X.] zeigt, weist die Druckplatte 23 eine Ausnehmung auf, mit der das entsprechend geformte zweite Ende des [X.] in Eingriff gebracht werden kann.

Bei einer solchen Gestaltung liegt es nahe, bei der Montage der Bremse die Rückenplatte zunächst radial nach innen und dann axial auf den Bremssattel zu bzw. von der Bremsscheibe weg zu bewegen. Da es sich um einen Vorrichtungsanspruch handelt, genügt es ohnehin, wenn die Rückenplatte für das so beschriebene Vorgehen geeignet ist.

Für die Hilfsanträge 3a und 3b, die den [X.] 2a und 2 entsprechende Ergänzungen aufweisen, gilt aus den oben aufgezeigten Gründen nichts anderes.

Nach Hilfsantrag 4 weist Patentanspruch 1 über die Merkmale in der Fassung nach Hilfsantrag 2 hinaus folgendes Merkmal auf:

"wherein a pad strap (32) is provided which is positioned and arranged to be removed before the inner friction element (102) and an outer friction element can be removed in a radial direction relative to the brake disc."

Das Vorsehen eines solchen [X.] geht nicht über handwerkliches Können hinaus und wird bereits in Absatz 3 der Anmeldung zum Streitpatent als wohlbekannt (well known) bezeichnet.

V. [X.] beruht auf § 121 Abs. 2 [X.] und § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

Deichfuß     

  

Kober-Dehm     

  

Marx

  

Rombach     

  

Rensen     

  

Meta

X ZR 27/21

28.03.2023

Bundesgerichtshof 10. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend BPatG München, 19. Januar 2021, Az: 4 Ni 4/19 (EP), Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 28.03.2023, Az. X ZR 27/21 (REWIS RS 2023, 2137)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 2137


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 4 Ni 4/19 (EP)

Bundespatentgericht, 4 Ni 4/19 (EP), 19.01.2021.


Az. X ZR 27/21

Bundesgerichtshof, X ZR 27/21, 28.03.2023.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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