Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.11.2016, Az. XI ZR 32/16

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 2420

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:151116UXIZR32.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
XI
[X.]
Verkündet am:

15.
November 2016

Herrwerth,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] §§ 765, 138 Bb

Zur Widerlegung der Vermutung der Sittenwidrigkeit der [X.] bei Vorliegen einer [X.]en finanziellen Überforderung des mitverpflichteten Ehepartners.

[X.], Urteil vom 15. November 2016 -
XI [X.] -
OLG Schleswig

[X.]

-
2
-
Der XI.
Zivilsenat des [X.] hat gemäß §
128 Abs.
2 ZPO im schriftlichen Verfahren, in dem Schriftsätze bis zum 13.
Oktober 2016 einge-reicht werden konnten, durch den Vorsitzenden Richter
Prof.
Dr.
Ellenberger, die Richter
Dr.
Grüneberg
und
Maihold
sowie
die
Richterinnen
Dr.
Menges
und Dr.
Derstadt

für Recht erkannt:

Auf die Revision der
Klägerin
wird das Urteil des 5.
Zivilsenats des [X.] in Schleswig
vom 24.
September
2015
im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als ihre
Berufung gegen das Urteil der 5.
Zivilkammer des [X.] vom 23.
Januar 2015
zurückgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens
und die
durch die Wiedereinsetzung entstandenen Kosten, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen ihre Inanspruchnahme aus einer Mithaf-tungserklärung für die Rückzahlung eines Darlehens und aus einem notariellen Schuldanerkenntnis sowie gegen die Vollstreckung aus einer notariellen Unter-werfungserklärung.
1
-
3
-
Die Klägerin und ihr am 4.
Juni 2012 verstorbener Ehemann waren je zur Hälfte Miteigentümer eines Einfamilienhauses in K

. Der Ehemann besaß außerdem als Alleineigentümer ein Mehrfamilienhaus in L.

und ein Grundstück
in [X.]

.
Zur Finanzierung des von ihm geplanten [X.] auf dem Grundstück in [X.]

, eines Mehrfamilienhauses mit sechs Wohneinheiten, beantragte der Ehemann der Klägerin bei der Rechts-vorgängerin der Beklagten (im Folgenden: Beklagte) Ende November 1993 eine Förderung im Rahmen des [X.], die die Beklagte
mit Bescheid vom 5.
Juli 1994 bewilligte. Die Förderung bestand in der Gewährung des streitgegenständlichen Darlehens über 560.300
DM, das mit jährlich 1% zu tilgen, jedoch erst ab August 2010
in Höhe von 8% p.a. zu ver-zinsen
war, und eines (verlorenen) [X.] in Höhe von 213.940,80
DM. Ferner hatte der Ehemann der Klägerin Eigenmittel über 197.700
DM zu investieren. Zudem nahm er bei der [X.]

, der damaligen Arbeitgeberin der Klägerin, zur Baufinanzierung des Objekts ein wei-teres Darlehen über 515.000
DM auf, so dass die gesamten Investitionskosten ca. 1,5
Mio.
DM betrugen.
Der Darlehensvertrag zwischen dem Ehemann der Klägerin und der [X.] wurde am 20.
Dezember 1994/17.
Januar 1995 unterzeichnet. Vor Aus-zahlung der ersten Darlehensrate legte der Ehemann der Klägerin
gegenüber der Beklagten seine Vermögensverhältnisse und diejenigen der Klägerin offen. Nach Auszahlung der ersten Darlehensrate unterzeichnete auf Verlangen der Beklagten auch die Klägerin den Darlehensvertrag. Mit Schreiben vom 17.
Mai 1995 teilte
die Beklagte dem Ehemann der Klägerin mit, die erste Darlehensrate nur ausnahmsweise ausgezahlt zu haben, obwohl die [X.] noch nicht vorgelegen hätten. Zugleich forderte sie ein notariell beur-kundetes Schuldanerkenntnis der Klägerin,
das diese am 15.
Juni 1995 über einen Betrag von 560.300
DM abgab. Daneben wurde an dem Grundstück in 2
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4
-
[X.]

in Abteilung
III des Grundbuchs unter Nummer
2 zugunsten der Beklagten eine Grundschuld über 560.300
DM nebst Zinsen eingetragen, die einer zugunsten der [X.]

bewilligten Grundschuld über 515.000
DM nebst Zinsen nachrangig war. Im August 2006 vereinbarte der Ehemann der Klägerin mit der Beklagten eine Herabsetzung des für das Bau-darlehen zu zahlenden Zinssatzes bis Ende des Jahres 2015 auf 2,5% p.a. Zum Zeitpunkt des Todes des Ehemanns der Klägerin valutierte das Darlehen der Beklagten noch mit 239.000

Nach dem Tod ihres Ehemanns schlugen die Klägerin und die [X.] Kinder die Erbschaft aus, weshalb ein
Nachlasspfleger bestellt wurde, der infolge Überschuldung des Nachlasses Insolvenzantrag stellte. Mit Schreiben vom 19.
März 2013 kündigte die Beklagte das Darlehen und forderte die Klägerin zur Zahlung von 248.652,34

Fall der Nichtzahlung die Zwangsvollstreckung an. Die
Insolvenzverwalterin veräußerte das Einfamilienhaus und das [X.].

. Dabei wurde das Einfamilienhaus zu einem Preis von 245.000

kauft, wovon die noch beste-henden Belastungen in Höhe
von 110.000

übrigen
Erlös wurden teilweise Verbindlichkeiten des Ehemanns gegenüber der Spar-kasse L.

getilgt. Für das Mehrfamilienhaus in [X.]

ergaben sich zunächst Verwertungsschwierigkeiten; es wurde
im Juli 2013 im Einvernehmen mit der Beklagten zu einem Kaufpreis von 158.000

Mit der Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass der Beklagten gegen sie weder aus dem Darlehensvertrag vom 20.
Dezember 1994/17.
Ja-nuar 1995 noch aus dem Schuldanerkenntnis vom 15.
Juni 1995 Ansprüche zustehen würden und dass die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkun-de vom 15.
Juni 1995 unzulässig sei. Sie macht unter anderem geltend, dass Darlehensvertrag und Schuldanerkenntnis wegen finanzieller Überforderung 4
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-
sittenwidrig und nichtig seien. Hierzu trägt die am 23.
März 1951 geborene Klä-gerin vor, im Jahr 1994 ein monatliches Nettoeinkommen von 2.430
DM erzielt und im Übrigen über kein ausreichendes Vermögen zur Abdeckung des [X.] verfügt zu
haben.
Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kläge-rin hat das Berufungsgericht der Klage lediglich insoweit stattgegeben, als es die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde vom 15.
Juni 1995 für unzulässig erklärt hat, soweit sie 231.300

Mit der vom Senat
zuge-lassenen Revision verfolgt
die
Klägerin
ihr
Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet. Sie führt,
soweit das Berufungsgericht die Berufung der
Klägerin
zurückgewiesen hat, zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse,
im Wesentlichen ausgeführt:
Die Klage sei im Wesentlichen unbegründet, weil der Beklagten gegen die Klägerin ein Anspruch auf Zahlung der noch offenen Darlehensvaluta zu-stehe. Die Klägerin sei zwar nicht

neben ihrem Ehemann

Mitdarlehensneh-merin, sondern lediglich Mithaftende gewesen, weil sie kein eigenes Interesse an der Kreditaufnahme gehabt habe. Auch habe die Klägerin die Mithaftung nach den Maßgaben der Rechtsprechung des [X.]
finanziell 6
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6
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[X.] überfordert, so dass die Voraussetzungen des §
138 [X.] in objektiver Hinsicht vorliegen würden; denn der Klägerin sei es mit ihrem auf das [X.] zu prognostizierenden monatlichen Nettoeinkommen von 1.602,08

möglich gewesen, die Zinslast für das dann mit 8% p.a. zu verzinsende Darle-hen, das in diesem Jahr planmäßig noch mit 243.505,29

wäre, zu erbringen. Sie hätte auch mit ihrem Vermögen, das sich auf maximal 187.644,12

n-gen können.
Der Beklagten sei es aber gelungen, die aus der [X.]en finanziellen Überforderung herrührende Vermutung, die Beklagte habe die emotionale Ver-bundenheit der Klägerin zu ihrem Ehemann ausgenutzt, zu widerlegen. Nach den Feststellungen des [X.]s habe die Beklagte im Zeitpunkt der Abga-be der [X.] davon ausgehen dürfen, dass die [X.] gegeben gewesen sei. Diese
habe
nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten entsprechend den Angaben ihres Ehemanns über eigene Vermögenswerte von 30.000
DM verfügt und weitere Geldanlagen von deutlich über 200.000
DM zuzüglich des hälftigen Miteigentumsanteils an dem [X.] in [X.]

besessen. Ernstliche Zweifel daran bestünden nicht. Darüber hinaus habe die Beklagte davon ausgehen dürfen, dass sie im Hinblick auf die Gesamtinvestitionssumme von 1,5 Mio.
DM durch die auf dem [X.] in [X.]

eingetragene zweitrangige Grundschuld hinreichend gesi-chert sei. Aufgrund dessen würde bereits damit eine [X.]e finanzielle Überfor-derung der Klägerin ausscheiden. Zumindest habe die Beklagte davon ausge-hen dürfen, dass die Klägerin nur in geringem Maße in Anspruch genommen werden würde.
Davon abgesehen stehe fest, dass die Beklagte nicht davon ausgegan-gen sei, die Klägerin unterzeichne den Darlehensvertrag aus emotionaler Ver-10
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7
-
bundenheit. Vielmehr habe sie annehmen
dürfen, dass die Klägerin die Auszah-lung der ihrem Ehemann zugesagten Subventionen habe erreichen wollen, die im wirtschaftlichen Ergebnis auch ihr zugutegekommen wären. Die Auszahlung der Fördermittel sei nach den Förderbedingungen von ihrer Mithaftung abhän-gig gewesen. Schließlich habe die Beklagte die Vermutung auch deshalb wider-legt, weil die auf das Darlehen zu leistenden Zinsen bei Eingehung der Mithaf-tung noch nicht endgültig festgestanden hätten. Die Beklagte sei nämlich nach Maßgabe des öffentlichen Rechts verpflichtet gewesen, die Zinsen
den Markt-bedingungen anzupassen. Dies sei vorliegend im August 2006 auch erfolgt, indem der Zinssatz auf 2,5% p.a. abgesenkt und damit die monatliche Zinslast auf 507,30

Die Klage sei lediglich in Bezug auf die [X.] zu ei-nem kleinen Teil begründet, soweit nämlich die Vollstreckung über einen Betrag von 231.300

nur noch mit 239.000

i-nen Veräußerungserlös von 7.700

sich diese an ihrem wechselnden
Vorbringen in erster und zweiter Instanz fest-halten lassen.

II.
Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand.
1. Im Ausgangspunkt hat das Berufungsgericht allerdings zutreffend [X.], dass die Klägerin keine echte Mitdarlehensnehmerin, sondern Mit-haftende ist.
12
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-
8
-
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] hängt die rechtliche Qualifizierung der von dem Ehepartner oder Angehörigen des Darlehensnehmers übernommenen Verpflichtung als eigene Darlehensschuld oder als reine Mithaftung davon ab, ob der Ehepartner
oder Angehörige nach dem maßgeblichen Willen der Beteiligten als gleichberechtigter
Vertragspartner neben dem Darlehensnehmer
einen Anspruch auf Auszahlung der Darlehens-valuta haben und im Gegenzug [X.] zur Rückzahlung des Darlehens verpflichtet sein oder aber ob er
ausschließlich zu Sicherungszwecken mithaf-ten und damit eine ihn
einseitig belastende Verpflichtung übernehmen sollte. Zu den bei der Ermittlung des wirklichen Parteiwillens zu beachtenden Ausle-gungsgrundsätzen gehören insbesondere die Maßgeblichkeit des [X.] als Ausgangspunkt jeder Auslegung und die Berücksichtigung der Interes-senlage der Vertragspartner (vgl. nur Senatsurteile vom 25.
Januar 2005

XI
ZR 325/03, [X.], 418, 419 und vom 16.
Juni 2009

XI
ZR 539/07, [X.], 1460 Rn.
14 mwN).
b) Der Wortlaut des vorformulierten Darlehensvertrages spricht
zwar [X.], dass die Klägerin echte Mitdarlehensnehmerin ist. Die Bezeichnung als "Darlehensnehmerin" deutet für sich genommen darauf hin, dass der [X.]vertrag mit ihr und ihrem verstorbenen Ehemann gemeinsam geschlossen wurde. Dem Wortlaut ist aber angesichts der Stärke der Verhandlungsposition der [X.] und der allgemein üblichen Verwendung von Ver-tragsformularen grundsätzlich weniger Bedeutung beizumessen als sonst (Se-natsurteile
vom 25.
Januar 2005

XI
ZR 325/03, [X.], 418, 419 und vom 16.
Juni 2009

XI
ZR 539/07, [X.], 1460 Rn.
15
mwN). Nach der gefestig-ten Rechtsprechung des erkennenden Senats ist als Mitdarlehensnehmer daher ungeachtet der konkreten Vertragsbezeichnung in aller Regel nur derjenige [X.], der für den Darlehensgeber erkennbar ein eigenes sachliches und/oder persönliches Interesse an der Kreditaufnahme hat sowie im Wesentli-15
16
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-
chen gleichberechtigt über die Auszahlung bzw. Verwendung der [X.] bzw. bestimmter
Teile
davon mitentscheiden darf (Senatsurteile aaO).
Ein solches Interesse an der Kreditaufnahme hatte die Klägerin nicht. Nach dem übereinstimmenden Willen der [X.] diente das Darlehen über 560.300
DM ausschließlich zur Finanzierung des Bauvorhabens auf dem im Alleineigentum
des Ehemanns der Klägerin stehenden Grundstück in [X.]

und ist ausschließlich dazu verwandt worden. Dass die Klägerin gleichwohl über die Auszahlung und Verwendung der Darlehensvaluta oder Teilen davon als im Wesentlichen gleichberechtigte Vertragspartei mitbestim-men durfte und von einem solchen Recht ganz oder teilweise Gebrauch [X.] hat, ist nicht ersichtlich. Der Verwendungszweck, d.h. die Finanzierung des Bauvorhabens des Ehemanns der Klägerin, war bereits im [X.] festgelegt. Zwar mag die Errichtung des Mehrfamilienhauses in [X.]

auch der Erzielung von Mieteinkünften und steuerlichen Vorteilen sowie der privaten Altersvorsorge gedient haben. Anders als die Revisionserwiderung mit ihrer Gegenrüge geltend macht, spricht dies aber nicht für eine gleichberechtig-te Mitdarlehensnehmerschaft, sondern allenfalls für einen mittelbaren Vorteil der Klägerin aus der Kreditaufnahme
(vgl. Senatsurteile vom 28.
Mai 2002

XI
ZR 205/01, [X.], 1649, 1650
f. und vom 16.
Juni 2009

XI
ZR 539/07, [X.], 1460 Rn.
16).
2. Nach den Feststellungen des [X.] überforderte die Mit-haftungsübernahme die Klägerin von Anfang an finanziell in [X.]er Weise. Dies ist von der Revision als ihr günstig nicht angegriffen worden,
so dass da-von für das Revisionsverfahren auszugehen ist.
3. Dagegen hält die Annahme des
[X.], die Beklagte habe die tatsächliche Vermutung, dass
die Klägerin
die ruinöse Mithaftung
aus emo-17
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-
10
-
tionaler Verbundenheit mit ihrem Ehemann übernommen und die Beklagte
dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat, widerlegt, den Angriffen der [X.] nicht stand.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist

was das [X.] im Ausgangspunkt auch nicht verkannt hat

bei Vorliegen einer [X.]en finanziellen Überforderung des Mitverpflichteten ohne Hinzutreten wei-terer Umstände im Wege einer tatsächlichen Vermutung von der Sittenwidrig-keit der [X.] auszugehen, wenn der Hauptschuldner dem Mit-haftenden persönlich besonders nahe steht, wie dies im Verhältnis zwischen Ehegatten und damit auch hier der Fall ist. Dann kann nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon ausgegangen werden, dass der Mithaftende die ihn vielleicht bis an das Lebensende übermäßig finanziell belastende Personalsi-cherheit allein aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner gestellt und der Kreditgeber dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat (vgl. nur Senatsurteile vom 14.
Oktober 2003

XI
ZR 121/02, [X.]Z 156, 302, 307, vom 25.
Januar 2005

XI
ZR 28/04, [X.], 421, 422
und vom 25.
April 2006

XI
ZR 330/05, [X.], 1024, 1025). Es handelt sich hierbei um eine tat-sächliche Vermutung, die der insoweit darlegungs-
und beweispflichtige Gläubi-ger zu widerlegen hat (vgl. nur Senatsurteil vom 24.
November 2009

XI
ZR 332/08,
WM 2010, 32 Rn.
20 mwN).
b) Nach diesen Maßgaben hält die angefochtene Entscheidung der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Begründung des [X.] ist in mehrfacher Hinsicht von Rechtsfehlern beeinflusst.
aa) Mit Erfolg beanstandet die Revision die Annahme des Berufungsge-richts, die Beklagte
durfte davon ausgehen, dass eine Inanspruchnahme der Klägerin im Hinblick auf die zu Gunsten der Beklagten auf dem Grundstück
in 20
21
22
-
11
-
[X.]

lastende zweitrangige Grundschuld allenfalls zu einem solch gerin-gen
Teil erfolgen würde, dass damit deren finanzielle Leistungsfähigkeit nicht überfordert
würde.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind anderweitige Sicher-heitsleistungen des Kreditnehmers

vor allem dingliche Sicherheiten

im Rah-men der [X.] finanziell übermäßig belastender Bürgschaften oder Schuldbeitritte zu berücksichtigen, wenn sie das Haftungsrisiko des Be-troffenen in rechtlich gesicherter Weise auf ein vertretbares Maß beschränken. Nach dem Willen verständiger Parteien darf den finanziell [X.] überforderten Bürgen oder Mithaftenden jedoch mit Rücksicht auf die weitere Sicherheit allen-falls eine seine finanzielle Leistungsfähigkeit nicht übersteigende und damit von
§
138 Abs.
1 [X.] nicht erfasste "Ausfallhaftung" treffen (vgl.
nur
Senatsurteile
vom 14.
November 2000

XI
ZR 248/99, [X.]Z 146, 37, 44 und vom 16.
Juni 2009

XI
ZR 539/07, [X.], 1460 Rn.
21
mwN). Dazu muss gewährleistet sein, dass der Kreditgeber ihn
erst nach einer ordnungsgemäßen Verwertung der anderen Sicherheit in Anspruch nimmt. Dies ist vorliegend nach den ver-traglichen Regelungen nicht der Fall. Davon abgesehen wird die [X.]e [X.] Überforderung der Klägerin durch die Grundschuld hier zudem deshalb nicht beseitigt, weil die Grundschuld

was das Berufungsgericht übersehen hat

nach §
10 Abs.
1 des Darlehensvertrags vom 20.
Dezember 1994/17.
Ja-nuar 1995 nicht nur zur Sicherung des streitgegenständlichen Darlehens, son-dern auch aller gegenwärtigen und künftigen Ansprüche der Beklagten gegen den Ehemann der Klägerin diente (vgl. Senatsurteil vom 16.
Juni 2009 -
XI
ZR 539/07, aaO Rn.
22 mwN).
Diese Umstände waren der Beklagten bekannt, so dass unter diesen Gesichtspunkten

entgegen der Annahme des [X.]

eine Wider-legung der tatsächlichen Vermutung nicht in Betracht kommt.
Aufgrund dessen 23
24
-
12
-
kommt es auf die Werthaltigkeit der Grundschuld nicht mehr an. Soweit das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang allerdings von der Summe
der In-vestitionen von ca. 1,5
Mio.
DM auf einen nämlichen Grundstückswert schließt, ist dies ohne konkrete Feststellungen zum Wert nicht haltbar.
bb) Entgegen der Auffassung des [X.] durfte die Beklagte im Hinblick auf die Vermögensverhältnisse der Klägerin auch nicht ohne [X.] darauf vertrauen, dass diese über die in dem Schreiben ihres Ehemanns vom 30.
März 1995 angegebenen Vermögenswerte verfügte.
Für eine solche Annahme fehlt es

wie die Revision zu Recht rügt

an entsprechenden Fest-stellungen des [X.].
Nach der Rechtsprechung des Senats wird die tatsächliche Vermutung einer verwerflichen Gesinnung des Gläubigers nicht ohne weiteres dadurch wi-derlegt, dass Wertangaben des Bürgen oder Mithaftenden in einer in zeitlichem Zusammenhang mit dem Abschluss des [X.] bzw. der Mithaf-tungserklärung erteilten Selbstauskunft seine objektiv [X.]e finanzielle Über-forderung nicht erkennen lassen (vgl. Senatsbeschluss vom 1.
April 2014

XI
ZR 276/13, [X.], 989 Rn.
21 mwN). Den (subjektiven) Vorwurf der Sittenwidrigkeit räumen sie nur aus, wenn sie einer sorgfältigen Überprüfung des Gläubigers standhalten
(Senatsbeschluss aaO). Für Angaben durch einen [X.] gilt dies erst recht.
Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass
die Beklagte die Anga-ben des Ehemanns der Klägerin der gebotenen sorgfältigen Überprüfung unter-zogen hat. Insoweit ist darauf
hinzuweisen, dass der Ehemann der Klägerin in der Selbstauskunft vom 21.
Oktober 1993 die Guthaben der Klägerin
bei [X.] und Bausparkassen nur mit
insgesamt 30.000
DM beziffert hat, [X.] er in dem Schreiben vom 30.
März 1995 für die Klägerin und sich noch 25
26
27
-
13
-
"weitere Geldanlagen, wie z.B. Wertpapiere
ca. [X.], Bausparguthaben [X.], Wertpapieranteile
TDM 20, [X.] aus Lebensversicherungen [X.] und einige Kleinsparverträge"
aufgeführt hat.
cc) Soweit das Berufungsgericht die Widerlegung der tatsächlichen [X.] für die Übernahme der Mithaftung aufgrund einer emotionalen Verbun-denheit der Klägerin mit ihrem Ehemann und für das Ausnutzen dieser Lage durch die Beklagte ferner darauf gestützt hat, dass die Klägerin aus der Sicht
der Beklagten den Darlehensvertrag nicht aus emotionaler Verbundenheit, son-dern zwecks Auszahlung der Subvention an ihren Ehemann unterzeichnet
ha-be, trägt dies

wie die Revision zu Recht rügt

die angefochtene Entscheidung ebenfalls nicht.
Nach der Rechtsprechung des Senats kann zwar ein auf einen freien Willensentschluss hindeutendes und ein Handeln allein aus
emotionaler [X.] Eigeninteresse des finanziell [X.] überforderten Ehepartners an der Darlehensgewährung grundsätzlich zu bejahen sein, wenn er zusammen mit dem Ehepartner ein gemeinsames Interesse an der Kredit-gewährung hat oder ihm aus der Verwendung der Darlehensvaluta unmittelbare und ins Gewicht fallende geldwerte Vorteile erwachsen (Senatsurteil vom 14.
November 2000

XI
ZR 248/99, [X.]Z 146, 37, 45; [X.], Urteil vom 27.
Mai 2003

IX
ZR 283/99,
WM 2003, 1563, 1565). In einem solchen Fall ist dann auch die tatsächliche Vermutung widerlegt (vgl. [X.], Urteil vom 27.
Mai 2003

IX
ZR 283/99, aaO).
Ein solcher unmittelbarer Vorteil, wie insbesondere das Miteigentum an dem finanzierten Objekt, liegt hier aber bei der Klägerin nicht vor. Nur mittelbare Vorteile, wie etwa eine Verbesserung des Lebensstandards oder der Wohnver-hältnisse
oder die
Aussicht auf eine spätere Mitarbeit im Betrieb,
ändern
an der 28
29
30
-
14
-
Sittenwidrigkeit nichts (vgl. Senatsurteil vom 28.
Mai 2002

XI
ZR 205/01, [X.], 1649,1650
f.).
Ihnen kommt daher auch für die Widerlegung der [X.] Vermutung keine Bedeutung zu.

Entgegen der Auffassung des [X.] gilt nichts anderes, wenn für den Ehepartner mit der Darlehensgewährung die Erzielung eines ver-lorenen Zuschusses verbunden ist und das Darlehen in den ersten 15 Jahren zinsfrei ist. Denn auch dabei handelt es sich im Verhältnis zur Klägerin allenfalls um mittelbare geldwerte Vorteile (vgl. Senatsurteil vom 25.
Januar 2005

XI
ZR 28/04, [X.], 421, 423
[staatlich gefördertes Existenzgründungsdarlehen]). Ansonsten würde dem mithaftenden Ehepartner nur wegen der Gewährung von Eigenkapitalhilfen die Mitverantwortung für das Scheitern der Investitionspläne des anderen aufgebürdet, damit der
eheliche Frieden gefährdet und der
be-troffene Partner allein damit einem erheblichen psychologischen Druck ausge-setzt. Dies spricht indes gerade gegen die Berücksichtigung eines verlorenen Zuschusses oder einer Zinsvergünstigung im Rahmen der Widerlegung der tat-sächlichen Vermutung.
Es versteht sich von selbst, dass
staatliche Fördermaß-nahmen nicht davon abhängig gemacht werden dürfen, ob ein Dritter finanzielle Verpflichtungen übernimmt, die er nicht erfüllen kann, die ihn andererseits aber für den Rest seines Lebens auf den pfändungsfreien Betrag seiner Einkünfte beschränken, falls er nicht die Voraussetzungen für etwaige
künftige gesetzli-che Entschuldungsmodelle erfüllt
(vgl.
Senatsurteil vom 11.
März 1997

XI
ZR 50/96, [X.]Z 135, 66, 71).
[X.]) Schließlich rügt die Revision zu Recht, dass es entgegen der [X.] des [X.] für die Widerlegung der tatsächlichen Vermutung ohne Belang ist,
dass die auf das Darlehen zu leistenden Zinsen bei Eingehung der Mithaftung noch nicht endgültig festgestanden haben. Dies gestaltet zwar zum maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses (vgl. Senatsurteile vom 31
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15
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14.
November
2000

XI
ZR 248/99, [X.]Z 146, 37, 42
f.
und vom 11.
Februar 2003

XI
ZR 214/01, [X.], 288, 289) die Prognose schwieriger, ob die Klägerin im Zeitpunkt des Zinsbeginns
die Zinslast aus ihrem Einkommen auf-bringen konnte, enthebt das Berufungsgericht aber nicht von entsprechenden Feststellungen, ob die Beklagte eine solche

belastbare

Prognose angestellt hat, die im Ergebnis dazu geführt hat, dass aus Sicht der Beklagten eine [X.]e finanzielle Überforderung der Klägerin zu verneinen gewesen wäre. Daran fehlt es hier.
In diesem Zusammenhang rügt die Revision auch mit Erfolg, dass das Berufungsgericht bei der Berechnung der jährlichen Zinsbelastung der Klägerin die nach §
3 Abs.
3 des Darlehensvertrags vom 20.
Dezember 1994/17.
Januar 1995 anfallenden jährlichen Verwaltungskosten übersehen und bei den [X.] der Klägerin deren Eintritt in das (Vor-)Ruhestandsalter nicht berücksichtigt hat.
4. Ohne Erfolg bleibt die Revision dagegen, soweit sie sich gegen die Auffassung des [X.] wendet, das von der Beklagten vorformulier-te abstrakte Schuldversprechen der Klägerin halte einer Inhaltskontrolle nach §§
307
ff. [X.] stand.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats stellt die Übernahme der persönlichen Haftung ein abstraktes Schuldversprechen gemäß §
780 [X.] dar. Auch wenn es vorformuliert in eine Grundschuldbestellungsurkunde aufge-nommen ist, hält ein solches Schuldversprechen der Inhaltskontrolle nach §§
307
ff. [X.] stand, sofern es

wie hier in der Zweckerklärung festgelegt

nicht der Sicherung fremder, sondern eigener Verbindlichkeiten des Schuldners dienen soll (vgl. Senatsurteile vom 5.
März 1991

XI
ZR 75/90, [X.]Z 114, 9, 33
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35
-
16
-
13
und
vom 10.
Dezember 1991 -
XI
ZR 48/91, [X.], 132). Dagegen bringt die Revision nichts Erhebliches vor.

III.
Das angefochtene Urteil ist daher im erkannten Umfang aufzuheben (§
562 Abs.
1 ZPO). Da die Sache insoweit nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur weiteren Sachaufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§
563 Abs.
1 Satz
1 ZPO).
Das Berufungsgericht wird dabei Gelegenheit ha-ben, sich auch mit den weiteren Einwänden der Parteien

insbesondere zum Vorliegen der [X.]en finanziellen Überforderung der Klägerin und der insoweit von der Revisionserwiderung im Schriftsatz vom 10.
Mai 2016 erhobenen Ge-genrüge

zu befassen.

Ellenberger
Grüneberg
Maihold

Menges
Derstadt
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 23.01.2015 -
5 O 508/13 -

OLG Schleswig, Entscheidung vom 24.09.2015 -
5 U 18/15 -

36

Meta

XI ZR 32/16

15.11.2016

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.11.2016, Az. XI ZR 32/16 (REWIS RS 2016, 2420)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 2420

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XI ZR 32/16

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