Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.01.2005, Az. XI ZR 325/03

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 5336

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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/03 Verkündet am: 25. Januar 2005 [X.], [X.] als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja

[X.]Z: nein

[X.]R: ja _____________________

BGB § 138 Bb

Zur Abgrenzung zwischen echter Mitdarlehensnehmerschaft und einseitig ver-pflichtender Mithaftungsübernahme.

[X.], Urteil vom 25. Januar 2005 - [X.]/03 - OLG Frankfurt am Main

LG [X.]

- 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] vom 25. Januar 2005 durch [X.], [X.] [X.], [X.], [X.] und die Richterin [X.]

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der [X.] werden das Urteil des Einzelrichters des [X.] in [X.] des [X.] vom 29. August
2003 aufgehoben und das Urteil der 2. Zivilkammer des [X.]s [X.] vom 27. Juni 2001 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit eines Darlehensvertrages und früherer Bürgschaften. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Ehemann der [X.], einer 1954 geborenen Verkäuferin, war zusammen mit zwei weiteren Gesellschaftern an der [X.]- 3 -

GmbH (nachfolgend: GmbH) beteiligt und deren [X.]. Die Klägerin gewährte der GmbH mehrere Geschäftskredite, für die ihre Gesellschafter und die Beklagte seit 1986 selbstschuldnerische Bürgschaften über insgesamt 357.038 DM übernahmen. Die Darlehens-forderungen der Klägerin waren außerdem durch eine Grundschuld von 350.000 DM an dem Hausgrundstück der Schwiegereltern der [X.] gesichert. Nachdem über das Vermögen der GmbH das Liquidationsver-fahren eröffnet worden war, machte die Klägerin eine Restforderung über 350.000 DM geltend und kündigte die Verwertung ihrer Grundschuld an.

Am 1. März 1993 schlossen die Beklagte und ihr Ehemann mit der Klägerin einen "Kreditvertrag" über 350.000 DM zu 8% p.a. und einer monatlichen Zins- und Tilgungsrate von 2.250 DM ab. Nach dem [X.] diente die Kreditaufnahme ausschließlich zur Ablösung der noch bestehenden [X.]. Die Rückführung des [X.] sollte über ein von der Klägerin für die Beklagte geführtes Konto-korrentkonto erfolgen. Das Darlehen wurde in der Folgezeit ordnungs-gemäß bedient. Nach Ablauf der [X.] vereinbarte die [X.] mit der [X.] für den offenen Darlehensrestbetrag von 269.800 DM am 27. Oktober 1998 eine Ermäßigung des Zinssatzes auf 5% p.a. und der monatlichen Annuitätenrate auf 1.500 DM. Als Anfang des Jahres 2000 keine Zahlungen mehr erfolgten, kündigte die Klägerin die Geschäftsverbindung am 12. Juli 2000 fristlos und forderte einen [X.] von 283.552,72 DM.

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus dem Darlehensvertrag im Wege der [X.] auf Zahlung von 100.000 DM zuzüglich Zinsen in Anspruch. Die Beklagte meint, der Darlehensvertrag entspreche seinem - 4 - Sinn nach den von ihr im Auftrag der GmbH übernommenen Bürgschaf-ten und sei wie diese wegen krasser finanzieller Überforderung sitten-widrig.

Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der [X.] ist erfolglos geblieben. Mit der vom erkennenden Senat zugelas-senen Revision verfolgt sie ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist begründet.

[X.]

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt:

Der Darlehensvertrag der Parteien sei wirksam. Eine etwaige Nich-tigkeit der von der [X.] zur Sicherung der [X.] gestellten Bürgschaften wegen sittenwidriger finanzieller Überforderung setze sich in dem neuen Rechtsgeschäft nicht fort. Die zur Fortwirkung der Sittenwidrigkeit bei interner Umschuldung entwickelten Grundsätze seien nicht anwendbar. Die verbürgten Darlehensforderungen der [X.] hätten tatsächlich bestanden und seien wirksam. Lediglich die zwi-schenzeitlich weggefallenen Bürgschaften der [X.] verstießen möglicherweise gegen die guten Sitten und seien infolgedessen nichtig. - 5 - Die Beklagte habe aber an deren Stelle die darlehensvertragliche Haf-tung für neue und noch bestehende Zahlungsansprüche übernommen.

Eine krasse finanzielle Überforderung der [X.] lasse sich nicht feststellen. Selbst nach ihren Angaben in der [X.] habe ihr laufendes Einkommen bei Abschluß des [X.]vertrages ausgereicht, um die vereinbarten Annuitäten ordnungs-gemäß zu bedienen. Dabei sei freilich auch auf die Einkünfte ihres Ehe-mannes abzustellen, weil die Eheleute den Vertrag gemeinsam [X.] und auch die Zins- und Tilgungsraten gemeinsam gezahlt [X.]. Davon, daß der Darlehensvertrag auf seiten der [X.] einer Bürgschaft entspreche, könne demnach keine Rede sein.

I[X.]

Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.

1. Das Berufungsgericht hat die Beklagte, wie die Revision zu Recht rügt, unter Mißachtung der Interessenlage und damit in rechtlich unvertretbarer Weise für eine echte Darlehensnehmerin gehalten.

a) Die Qualifizierung der von der [X.] mit Vertrag vom 1. März 1993 übernommenen Verpflichtung als Darlehensschuld oder als Beitrittsschuld ist davon abhängig, ob die Beklagte als gleichberechtigte Vertragspartnerin neben ihrem Ehemann einen Anspruch auf Auszahlung der Darlehensvaluta haben und deshalb gleichgründig zur Rückzahlung des Darlehens verpflichtet sein sollte, oder ob sie aus dem [X.] 6 - vertrag keine Rechte erwerben, sondern der Klägerin nur zu Sicherungs-zwecken in Höhe der noch offenen Darlehensschuld der GmbH haften sollte. Maßgebend für die Abgrenzung zwischen der Begründung einer echten Mitdarlehensnehmerschaft und einer Mithaftungsübernahme des Kreditgebers ist die von den Vertragsparteien tatsächlich gewollte Rechtsfolge ([X.], 1705, 1706 f.). Die Privatautonomie schließt - in den Grenzen der §§ 134 und 138 BGB - die Freiheit der Wahl der Rechtsfolgen und damit des vereinbarten Vertragstyps ein, [X.] allerdings nicht die Freiheit zu dessen beliebiger rechtlicher Qualifi-kation (Senatsurteil vom 23. März 2004 - [X.] ZR 114/03, [X.], 1083, 1084). Die kreditgebende Bank hat es deshalb nicht in der Hand, durch eine im Darlehensvertrag einseitig gewählte Formulierung wie "[X.]", "Mitantragsteller", "[X.]" oder dergleichen einen materiell-rechtlich bloß Mithaftenden zu einem gleichberechtigten Mitdar-lehensnehmer zu machen und dadurch den weitreichenden Nichtigkeits-folgen des § 138 Abs. 1 BGB zu entgehen (Senatsurteile vom 4. Dezember 2001 - [X.] ZR 56/01, [X.], 223, 224, vom 28. Mai 2002 - [X.] ZR 205/01, [X.], 1649, 1650 und vom 23. März 2004, aaO S. 1084). Maßgeblich ist vielmehr der wirkliche Parteiwille bei Abschluß des Darlehensvertrages.

Dieser ist in Streitfällen im Wege der Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Zu den vom [X.] anerkann-ten [X.] gehören die Maßgeblichkeit des [X.] als Ausgangspunkt jeder Auslegung (st.Rspr., siehe z.B. [X.]Z 121, 13, 16; [X.], Urteil vom 11. September 2000 - [X.], [X.], 2371, 2372) und die Berücksichtigung der Interessenlage der Vertragspartner (st.Rspr., vgl. [X.], Urteile vom 10. Juli 1998 - [X.], [X.], - 7 - 1883, 1886 und vom 27. Juni 2001 - [X.], [X.], 1863, 1864). Dem trägt das Berufungsgericht keine Rechnung.

b) Zwar spricht der Wortlaut des Darlehensvertrages der Parteien vom 1. März 1993 für eine echte Mitvertragspartnerschaft der [X.]. Sie ist im "Kreditvertrag" ebenso wie ihr Ehemann als "Kreditnehmer" bezeichnet. Eine Vertragsauslegung kann aber zu einem vom Wortlaut abweichenden Ergebnis gelangen, wenn sich ein dies rechtfertigender übereinstimmender Wille der Vertragspartner feststellen läßt (§ 133 BGB). Überdies ist dem Wortlaut angesichts der Stärke der Verhand-lungsposition der kreditgebenden Bank (vgl. Schimansky [X.], 2437, 2438 f.) und der Verwendung von Vertragsformularen in Fällen der vorliegenden Art grundsätzlich weniger Bedeutung beizumessen als sonst. Nach der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats ist als echter Mitdarlehensnehmer daher ungeachtet der Vertragsbezeich-nung in aller Regel nur derjenige anzusehen, der für den Darlehensgeber erkennbar ein eigenes - sachliches und/oder persönliches - Interesse an der Kreditaufnahme hat sowie als im wesentlichen gleichberechtigter Partner über die Auszahlung bzw. Verwendung der Darlehensvaluta mit-entscheiden darf (Senat [X.]Z 146, 37, 41; Senatsurteile vom 4. Dezember 2001 - [X.] ZR 56/01, [X.], 223, 224 und vom 28. Mai 2002 - [X.] ZR 205/01, [X.], 1649, 1650; vgl. auch Senatsurteil vom 23. März 2004, aaO S. 1084). Dazu hat das Berufungsgericht rechtsfeh-lerhaft keine Feststellungen getroffen.

c) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung liegen keine Umstände oder Verhältnisse vor, die die Beklagte trotz ihrer fehlenden Beteiligung an der liquidierten GmbH nach dem Willen verständiger und - 8 - redlicher Vertragsparteien als gleichgestellte Mitdarlehensnehmerin ne-ben ihrem Ehemann als deren ehemaligen Gesellschafter/[X.] erscheinen lassen.

Nach dem Inhalt des Darlehensvertrages dient die Kreditaufnahme der "Übernahme der Verbindlichkeiten der ... GmbH i.L." in Höhe von 350.000 DM. Damit war für die Beklagte nicht einmal ein bloßes mittelba-res wirtschaftliches oder persönliches Eigeninteresse verbunden. [X.] sie nämlich von einer mit den verbürgten Geschäftskrediten zu-sammenhängenden Verbesserung der Ertragslage des von der Gesell-schaft betriebenen Unternehmens und einer daraus resultierenden Wert-steigerung der Beteiligung ihres Ehemannes oder von [X.] bzw. einer Erhöhung seines [X.] immerhin indirekt profitieren konnte, ist selbst diese äußerst vage Erwerbschance mit der Geschäftsaufgabe entfallen. Ebenso unterliegt es keinem ver-nünftigen Zweifel, daß die Beklagte weder als [X.] noch als angebli-che Darlehensnehmerin über die Auszahlung bzw. Verwendung der aus-gereichten Kredite mitentschieden hat oder dazu berechtigt gewesen [X.].

Anders als die Revisionserwiderung meint, ist das mit der Ablö-sung der noch bestehenden Gesellschaftsverbindlichkeiten verbundene Erlöschen der früheren Bürgschaften der [X.] kein geeignetes Be-weisanzeichen dafür, daß der Klägerin von Anfang an zwei gleichberech-tigte Darlehensnehmer gegenüberstanden. Denn abgesehen davon, daß dies die Wirksamkeit der im Auftrag der GmbH übernommenen Bürg-schaften voraussetzt, stellt der Austausch einer auf den Eintritt des [X.] beschränkten Bürgenhaftung durch eine darlehensver-- 9 - tragliche Primärhaftung jedenfalls unter den vorliegenden Umständen und Verhältnissen keinen Vorteil, sondern eher einen Nachteil dar.

Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung zeigt sich die Stel-lung der [X.] als gleichberechtigte Kreditnehmerin auch nicht dar-an, daß die Zins- und Tilgungsleistungen entsprechend der darlehens-vertraglichen Vereinbarung ihrem Konto belastet wurden. Zwar kann in der vertragsgemäßen Bedienung des aufgenommenen Darlehens durch einen Vertragsteil durchaus eine für die Vertragsauslegung bedeutsame Indiztatsache liegen (vgl. Senatsurteil vom 23. März 2004, aaO). Dies setzt aber grundsätzlich voraus, daß aus der maßgebenden Sicht eines rational handelnden Kreditgebers bereits konkrete Anhaltspunkte für ein unmittelbares Eigeninteresse des Betroffenen an der Kreditgewährung bestehen. Andernfalls ist das Beweisanzeichen nicht stark genug, um im Wege der Vertragsauslegung auf eine echte Mitgläubigerschaft zu schließen. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß die den darle-hensvertraglichen Zinssatz und die monatliche Rückzahlungsrate än-dernde Vereinbarung der Parteien vom 27. Oktober 1993 nur von der [X.] und nicht von den Eheleuten gemeinsam unterzeichnet [X.] ist. Denn abgesehen davon, daß es hierfür verschiedene Gründe gibt, ist von der Klägerin in den Vorinstanzen nichts vorgetragen worden, was für ein auslegungsrelevantes nachvertragliches Verhalten der [X.] sprechen könnte.

Schließlich ist auch in der vorläufigen Abwendung der [X.] des beliehenen [X.] der Schwiegereltern der [X.] kein geeignetes Beweisanzeichen zu sehen. Sollte darin auf seiten der [X.] ein Motiv für den Abschluß des Darlehensvertrages - 10 - gelegen haben, so würde dies die Klägerin nicht entlasten, sondern nur den Blick auf ihre wirtschaftliche Überlegenheit richten.

2. Die von der Klägerin in Wirklichkeit verlangte [X.] der [X.] über 350.000 DM verstößt gegen die guten Sitten (§ 138 Abs. 1 BGB) und ist daher nichtig.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.]s hängt die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB auf von Kreditinstituten mit privaten Sicherungsgebern geschlossene Bürgschafts- und [X.] regelmäßig entscheidend vom Grad des [X.] dem Verpflichtungsumfang und der finanziellen Leistungsfähigkeit des dem Hauptschuldner persönlich nahe stehenden Bürgen oder [X.] ab ([X.]Z 136, 347, 351; 146, 37, 42; 151, 34, 36 f.; zu-letzt Senatsurteil vom 11. Februar 2003 - [X.] ZR 214/01, [X.], 796, 797 und Senat [X.]Z 156, 302, 307 m.w.Nachw.). Zwar reicht selbst der Umstand, daß der Betroffene voraussichtlich nicht einmal die von den [X.] festgelegte Zinslast aus dem pfändbaren Teil seines laufenden Einkommens und/oder Vermögens bei Eintritt des [X.] dauerhaft allein tragen kann, regelmäßig nicht aus, um das [X.] der Sittenwidrigkeit zu begründen. In einem solchen Fall krasser finanzieller Überforderung ist aber nach der allgemeinen Le-benserfahrung ohne Hinzutreten weiterer Umstände widerleglich zu [X.], daß er die ruinöse Bürgschaft oder Mithaftung allein aus emotio-naler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner übernommen und der Kre-ditgeber dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat (st.Rspr., siehe z.B. Senatsurteil vom 11. Februar 2003, aaO m.w.Nachw. und Senat [X.]Z 156, aaO). - 11 -

b) Die weitgehend vermögenslose Beklagte war von Anfang an voraussichtlich nicht in der Lage, die im Darlehensvertrag über 350.000 DM festgeschriebenen Zinsen von 8% p.a. aus eigenem Ar-beitsverdienst dauerhaft allein aufzubringen.

aa) Wie sich aus der von der Klägerin selbst überreichten [X.] für Dezember 1997 ergibt, verdiente die Beklagte als kauf-männische Angestellte monatlich 2.054,84 DM netto, wovon nach Abzug der für die Direktversicherung und Vermögensbildung abzuführenden Be-träge 1.684,80 DM ausgezahlt wurden. Dieses nicht einmal in Höhe von 100 DM monatlich pfändbare Einkommen der [X.], die gegenüber ihrem 1985 geborenen [X.] unterhaltspflichtig ist, reichte bei weitem nicht aus, um die jährliche Zinslast aus dem Darlehensvertrag in Höhe von 28.000 DM dauerhaft allein zu tragen. Dafür, daß die Prozeßparteien bei Vertragsschluß im März 1993 auf realistischer Grundlage von einem wesentlich höheren Gehalt der [X.] ausgegangen sind oder eine erhebliche einkommenserhöhende Änderung in Betracht gezogen haben, ist nichts festgestellt bzw. vorgetragen.

[X.]) Bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der [X.] ist - anders als das Berufungsgericht angenommen hat - ledig-lich das eigene, nicht aber auch das laufende Einkommen des [X.] zu berücksichtigen. Zwar liegt bei Darlehensnehmern, die ein ge-meinsames Interesse an der Kreditgewährung haben und sich [X.] als Gesamtschuldner verpflichten, eine krasse finanzielle Überfor-derung nur vor, wenn die pfändbaren Einkommen aller Mitdarlehens-nehmer zusammen nicht ausreichen, um die laufenden Zinsen des Kre-- 12 - dits aufzubringen (Senatsurteile vom 6. Oktober 1998 - [X.] ZR 244/97, [X.], 2366, 2367 und vom 23. März 2004, aaO S. 1085). Dies [X.] aber nicht die Beklagte als einseitig verpflichtete Mithaftende. [X.] bliebe nämlich unberücksichtigt, daß der oder die Hauptschuld-ner bei Eintritt des Sicherungsfalles gewöhnlich zahlungsunfähig sind oder vergleichbare Leistungshindernisse vorliegen (st.Rspr., siehe Senat [X.]Z 146, 37, 43 und Senatsurteil vom 28. Mai 2002 - [X.] ZR 205/01, [X.], 1649, 1651, jeweils m.w.Nachw.). Der Umstand, daß die Zins- und Tilgungsraten nach den Feststellungen des Berufungsgerichts von den Eheleuten jahrelang aus den gemeinsamen Einnahmen und Vermö-gen geleistet worden sind, schließt daher eine krasse finanzielle Über-forderung der [X.] nicht aus.

c) Die danach bestehende tatsächliche Vermutung, daß die [X.] die ruinöse Mithaftung allein aus emotionaler Verbundenheit mit ihrem Ehemann übernommen und die Klägerin dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat, ist von der insoweit darlegungs- und beweispflich-tigen Klägerin nicht widerlegt oder entkräftet worden.

Es besteht vielmehr kein vernünftiger Zweifel daran, daß die [X.] schon ihre Bürgschaften über 357.038 DM für [X.] der GmbH, an der ihr Ehemann als geschäftsführender Gesellschafter maßgeblich beteiligt war, nicht aufgrund einer im wesentlichen freien und autonomen Willensentscheidung, sondern allein oder hauptsächlich aus emotionaler Verbundenheit mit ihrem Ehemann übernommen hat. Nichts spricht dafür, daß die Beklagte als Mutter eines Kleinkindes bei Über-nahme der Bürgschaften in den Jahren 1986 und 1988 in Höhe etwa der späteren Darlehenssumme nicht kraß finanziell überfordert war. Ebenso - 13 - war es mangels entstehender Anhaltspunkte vor allem die emotionale Verbundenheit mit ihrem Ehemann, die die Klägerin in die Lage [X.], die Beklagte dazu zu bewegen, sich als Nichtgesellschafterin und auch sonst in keiner Weise für die GmbH verantwortliche Dritte an der Entschuldung der Gesellschaft zu beteiligen und dabei eine ruinöse Ver-pflichtung einzugehen.

Die Klägerin entlastende Umstände liegen nicht vor. Nach der Wertung des § 138 BGB ist es den Kreditinstituten grundsätzlich [X.], eine erkennbar finanziell überforderte Person über eine Bürgschaft oder [X.] mit dem unternehmerischen Risiko ihres [X.] oder nichtehelichen Lebensgefährten zu belasten und sie damit möglicherweise bis zum Lebensende wirtschaftlich zu ruinieren. Daß es noch anstößiger ist, wenn der Darlehensgeber - wie hier - versucht, bei Liquidation der [X.] den finanz-schwachen Ehepartner des ehemaligen Gesellschafters/Geschäftsfüh-rers ohne jede Gegenleistung mit dem verbliebenen Debet zu belasten, liegt auf der Hand.

- 14 - II[X.]

Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO) und die Klage ab-weisen.

[X.] [X.]

Joeres

Wassermann

[X.]

Meta

XI ZR 325/03

25.01.2005

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.01.2005, Az. XI ZR 325/03 (REWIS RS 2005, 5336)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 5336

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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