Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 18.06.2010, Az. 8 B 16/10

8. Senat | REWIS RS 2010, 5722

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Gegenstand

Verletzung rechtlichen Gehörs durch Überraschungsentscheidung


Gründe

1

Die auf die Zulassungsgründe der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte [X.]eschwerde hat keinen Erfolg.

2

1. Die [X.] ergibt eine die Revision eröffnende Abweichung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht; denn eine solche wird nicht hinreichend bezeichnet (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Die [X.]eschwerde benennt keinen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz, mit dem das Verwaltungsgericht einem in der Rechtsprechung des [X.] aufgestellten ebensolchen die Entscheidung des [X.] tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat ([X.]eschluss vom 21. Juni 1995 - [X.]VerwG 8 [X.] - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 18). Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das [X.] in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt weder den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenz noch denen einer Grundsatzrüge ([X.]eschluss vom 17. Januar 1995 - [X.]VerwG 6 [X.] - [X.] 421.0 Prüfungswesen Nr. 342).

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Die [X.]eschwerde meint, das Verwaltungsgericht setze sich über die Rechtsprechung des [X.] in seiner Entscheidung vom 16. März 1995 - [X.]VerwG 7 [X.] 39.93 - ([X.]VerwGE 98, 87 <91> = [X.] 428 § 1 VermG Nr. 39) hinweg. Danach müsse der Ermittlung des [X.], für den das Grundstück seinerzeit im Wege der [X.]eleihung für eine Verschuldung hätte eingesetzt werden können, die konkrete [X.] zugrunde gelegt werden, die der Grundstückseigentümer vor dem Verzicht durch den Versuch in Erfahrung gebracht habe, einen Kredit zur Instandhaltung des [X.] zu erhalten. Das Verwaltungsgericht habe sich über diesen Rechtssatz des [X.] hinweg gesetzt, weil es davon ausgehe, dass das Hausgrundstück bereits zum Zeitpunkt des Erwerbs durch die Eheleute [X.] am 21. September 1978 überschuldet gewesen sei und es auf eine Überschuldung zum Zeitpunkt des Verzichts daher nicht mehr ankomme. Die Eheleute [X.] hätten aber nach Übernahme des Grundstücks noch einen Kredit bekommen. Die Unterstellung, das Grundstück sei bereits zum Zeitpunkt des Erwerbs durch die Eheleute [X.] überschuldet gewesen, bedeute eine Abweichung von dem zitierten Rechtssatz.

4

Unabhängig davon, dass die [X.]eschwerde mit diesem Vorbringen keinen abstrakten Rechtssatzwiderspruch aufzeigt, sondern die Nichtbeachtung bzw. fehlerhafte Anwendung dieser Rechtsprechung rügt, hat sich das Verwaltungsgericht mit seiner Entscheidung schon deshalb nicht in Widerspruch zu der Entscheidung des [X.] vom 16. März 1995 setzten können, weil seine Entscheidung auf einer anderen rechtlichen [X.]eurteilung beruhte. Den Feststellungen im angefochtenen Urteil ist nicht zu entnehmen, dass die Eheleute [X.] vor dem [X.] vom 16. September/5. Oktober 1981, der am 18. November 1981 vom Rat des [X.] genehmigt wurde, im Rahmen eines beantragten Kredits zur Instandhaltung des [X.] die konkrete [X.] des Grundstücks in Erfahrung gebracht hätten. Dementsprechend stützt der Kläger die Annahme eines höheren [X.]eleihungswertes darauf, dass die Kreissparkasse noch im April 1979 einen Kredit in Höhe von 3 600 [X.] gewährt, also das Haus für offensichtlich nicht überschuldet gehalten habe. Insoweit hat das Verwaltungsgericht wegen der [X.]esonderheiten, die für die Finanzierung der angeordneten Maßnahme ("Schwammsanierung") bestanden, aber die Auffassung vertreten, dass die Gewährung des Kredits von 3 600 [X.] der Annahme einer Überschuldung bereits mit der Übernahme des Hauses durch die Rechtsvorgänger des [X.] nicht entgegengestanden habe. Nach der Auslegung des nicht revisiblen [X.]-Rechts durch das Verwaltungsgericht habe es sich um eine gemäß § 14a der Verordnung über die für die Finanzierung von [X.]aumaßnahmen zur Schaffung und Erhaltung von privatem Wohnraum angeordnete [X.]aumaßnahme gehandelt. Das Kreditinstitut habe gemäß §§ 15 und 16 der Verordnung den Kredit zur Sicherung der angeordneten [X.]aumaßnahmen übernehmen müssen. Gemäß § 8 der Verordnung (Finanzierung unrentabler Wohngrundstücke) seien für die Tilgung des Kredits besondere Möglichkeiten geschaffen worden, unabhängig vom [X.]eleihungswert des Grundstücks. Deshalb spielte der [X.]eleihungswert des Grundstücks im Rahmen dieser Kreditvergabe keine Rolle.

5

2. Die geltend gemachten Verfahrensfehler führen nicht zur Zulassung der Revision.

6

Die [X.]eschwerde rügt eine mangelhafte Aufklärung durch das Verwaltungsgericht. Dieses habe den Widerspruch zwischen den noch bestehenden [X.]elastungen am 13. Oktober 1981 mit 25 353,17 [X.] und dem vom Gericht unterstellten "Überlassungswert" in Höhe von 26 484,27 [X.] zum Zeitpunkt des Erwerbs nicht hinreichend aufgeklärt und den danach ausgereichten Kredit in Höhe von 3 600 [X.] nicht berücksichtigt. [X.]ei Verzicht auf das [X.] hätte sich danach ein Schuldenstand von 30 084,27 [X.] ergeben.

7

Die Rüge der mangelhaften Aufklärung ist nicht hinreichend dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Der [X.]eschwerdeführer legt nicht substantiiert dar, welche [X.]eweise er im Zusammenhang mit dem "Überlassungswert", dem Schuldenstand zum Zeitpunkt des Verzichts und den Tilgungsleistungen angetreten hat oder welche Ermittlungen sich dem [X.] auch ohne förmlichen [X.]eweisantrag hätten aufdrängen müssen, welche [X.]eweismittel in [X.]etracht gekommen wären und welches Ergebnis von einer entsprechenden [X.]eweisaufnahme zu erwarten gewesen wäre. Ob sich der Vorinstanz eine nähere Aufklärung des Sachverhalts aufdrängen musste, ist dabei allein auf der Grundlage ihrer Auffassung zur materiellen Rechtslage zu beurteilen. Das Verwaltungsgericht hat anhand der Akten und der [X.]eweisaufnahme festgestellt, dass zum Zeitpunkt des Verzichts dem Einheitswert in Höhe von 21 800 [X.] nach den Ermittlungen der Kreissparkasse Schulden in Höhe von 25 353,17 [X.] gegenübergestanden hätten. Zum Zeitpunkt der Überlassung des Grundstücks an die Eheleute [X.] beliefen sich die Schulden auf 26 484,27 [X.]. Es hat daraus gefolgert, dass in dem Zeitraum der [X.]ewirtschaftung des Hauses durch die Eheleute [X.] eine teilweise Tilgung der Schulden erfolgte. Es hat einen Ursachenzusammenhang zwischen niedrigen Mieten und Überschuldung während der [X.]ewirtschaftung durch die Eheleute [X.] verneint, weil das Grundstück bereits im Zeitpunkt des Erwerbs durch die Rechtsvorgänger des [X.] auf Grund des Kaufpreises, der in der Übernahme von [X.] und einer Sicherungshypothek bestand, überschuldet war. Den Kredit in Höhe von 3 600 [X.] hat das Verwaltungsgericht nicht unberücksichtigt gelassen. Darauf hat sich unter anderem auch die [X.]eweisaufnahme erstreckt. Das Verwaltungsgericht hat den für eine besondere [X.]aumaßnahme ([X.]eseitigung von Hausschwamm) ausgereichten Kredit bei einer Überschuldung zum Zeitpunkt des Verzichts deshalb nicht berücksichtigt, weil dieser Kredit unabhängig vom [X.]eleihungswert des Grundstücks mit besonderen Tilgungsmöglichkeiten gewährt wurde. Von seinem rechtlichen Standpunkt aus musste sich somit keine weitere [X.]eweisaufnahme aufdrängen.

8

Das Verwaltungsgericht hat auch nicht den Anspruch des [X.] auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt.

9

Nach § 108 Abs. 2 VwGO darf das Gericht seine Entscheidung nur auf Tatsachen und [X.]eweisergebnisse stützen, zu denen die [X.]eteiligten sich äußern konnten. Dies schließt den Anspruch der Verfahrensbeteiligten ein, nicht durch Unkenntnis der nach Auffassung des Gerichts entscheidungserheblichen rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte an einer sachdienlichen Äußerung gehindert zu sein. Den Prozessbeteiligten wird somit die Gelegenheit, sich zu dem entscheidungserheblichen Sachverhalt zu äußern, auch dann prozessordnungswidrig vorenthalten, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und so dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der ein [X.]eteiligter nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchte ([X.], [X.]eschluss vom 29. Mai 1991 - 1 [X.]vR 1383/90 - [X.]E 84, 188 <190>; Kammerbeschluss vom 2. Januar 1995 - 1 [X.]vR 320/94 - NJW 1996, 45; [X.]VerwG, Urteile vom 10. April 1991 - [X.]VerwG 8 [X.] 106.89 - [X.] 310 § 108 VwGO Nr. 235 und vom 24. September 1992 - [X.]VerwG 3 [X.] 88.88 - [X.] 451.512 [X.] Nr. 61; [X.]eschluss vom 12. März 2009 - 3 [X.] 2.09 - juris). Der Prozessbevollmächtigte des [X.] hatte ausreichend Gelegenheit, sich zu dem entscheidungserheblichen Sachverhalt tatsächlich und rechtlich sowohl schriftlich wie auch in der mündlichen Verhandlung zu äußern. Das Verwaltungsgericht hat ihm auch insoweit keinen entscheidungserheblichen rechtlichen Gesichtspunkt vorenthalten, weil es nicht ausdrücklich im Zusammenhang mit dem Kredit über 3 600 [X.] auf die Verordnung über die Finanzierung von [X.]aumaßnahmen vom 28. April 1960 hingewiesen haben soll. Dazu war das Verwaltungsgericht schon auf Grund seiner Rechtsauffassung nicht verpflichtet. Auf die Frage einer Überschuldung des Grundstücks zum Zeitpunkt des Verzichts kam es für das Verwaltungsgericht nicht entscheidend an. Seine Rechtsmeinung hat es dem Prozessbevollmächtigten mitgeteilt (vgl. [X.]). Ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 28. Oktober 2009 war die Frage, zu welchem Zeitpunkt das streitgegenständliche Grundstück überschuldet war, mit den Prozessbevollmächtigten auch ausführlich diskutiert worden.

Soweit die [X.]eschwerde meint, das Verwaltungsgericht hätte den Prozessbevollmächtigten darauf hinweisen müssen, dass es auf Grund dieser Verordnung von dem Urteil des [X.] vom 16. März 1995 abweichen wolle, legt sie nicht substantiiert dar, inwieweit sie durch dieses Unterlassen an einer sachdienlichen Äußerung zum tatsächlichen [X.]eleihungswert des streitgegenständlichen Grundstücks gehindert worden ist.

Der Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte, das Vorbringen der [X.]eteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht aber sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen (Urteil vom 29. November 1985 - [X.]VerwG 9 [X.] 49.85 - [X.] 310 § 108 VwGO Nr. 177). Das Verwaltungsgericht hat sich in dem Urteil mit dem Vortrag der [X.] auseinander gesetzt, ob die Überschuldung des Grundstücks während der [X.]ewirtschaftung durch die Eheleute [X.] dadurch entstanden ist bzw. unmittelbar drohend bevorstand, dass diese infolge der niedrigen Mieteinnahmen die Reparaturen der Abwassergrube nicht vornehmen lassen konnten. Es ist auf Grund der Aktenlage und der [X.]eweisaufnahme zu der Überzeugung gekommen, dass die Erforderlichkeit der [X.]aumaßnahme an der Sammelgrube nicht erwiesen ist (vgl. [X.]). Die [X.]eschwerde richtet sich in diesem Zusammenhang gegen die richterliche Überzeugungsbildung, die dem sachlichen Recht zuzuordnen ist. Ein Verfahrensmangel ist letztlich mit diesem Vorbringen nicht zu belegen.

Meta

8 B 16/10

18.06.2010

Bundesverwaltungsgericht 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend VG Cottbus, 11. November 2009, Az: 1 K 913/07, Urteil

§ 108 Abs 2 VwGO, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 18.06.2010, Az. 8 B 16/10 (REWIS RS 2010, 5722)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 5722

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7 AS 16.2193

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