Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 09.08.2010, Az. 8 B 42/10

8. Senat | REWIS RS 2010, 4200

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Gegenstand

Zum vermögensrechtlichen Überschuldungsmaßstab


Gründe

1

Die [X.]eschwerde hat keinen Erfolg. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund des [X.] (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor.

2

1. Die Aufklärungsrüge greift nicht durch. Die Rüge unzulänglicher Sachaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) erfüllt nur dann die Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, wenn der Verfahrensmangel unzureichender Sachaufklärung ausreichend bezeichnet wird. Hierzu muss substantiiert dargelegt werden, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in [X.]etracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären; weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem [X.], insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (stRspr; z.[X.]. [X.]eschluss vom 19. August 1997 - [X.]VerwG 7 [X.] 261.97 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14 f.). Hierzu lassen sich dem Vorbringen der [X.]eschwerde keine hinreichenden Ausführungen entnehmen.

3

Das Verwaltungsgericht hat aufgrund der Verwaltungsvorgänge und der von der Klägerin dem Verwaltungsgericht zur Verfügung gestellten Unterlagen festgestellt, dass die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale des Schädigungstatbestandes des § 1 Abs. 2 [X.] vorliegen, dass insbesondere keine kostendeckende Gewerbemiete gezahlt wurde, die ausreichte, um die anfallenden Reparaturen und Instandsetzungen zu finanzieren. Diesen Schluss hat das Verwaltungsgericht aufgrund der Tatsache gezogen, dass 1983 ein Kredit von [X.]/[X.] aufgenommen werden musste. Dem zwischen der [X.] und dem [X.] sowie der Objektleitung T. abgeschlossenen Kreditvertrag sei zu entnehmen, dass infolge der bestehenden Unrentabilität des Grundstücks "- % zinslos gestundet" und die Tilgung auf "- % jährl. [X.]. [X.]. Zinsen" festgesetzt worden seien. Eine weitere Kreditaufnahme sei im Jahr 1987 durch die [X.] aufgrund der Unrentabilität des Objekts abgelehnt worden. Die [X.]eschwerde legt nicht dar, welche zusätzlichen [X.]eweismittel oder sonstigen Aufklärungsmaßnahmen sich dem Verwaltungsgericht im Hinblick auf diesen festgestellten Sachverhalt hätten aufdrängen müssen und inwiefern eine [X.]eweisaufnahme zu einem für die [X.]eschwerdeführerin günstigeren Ergebnis in dem Sinne hätte führen können, dass die erzielten Mieten kostendeckend gewesen seien.

4

Soweit die Klägerin geltend macht, die Schlussfolgerung des [X.] sei unrichtig und entbehre jeglicher Grundlage, wendet sich die [X.]eschwerde gegen die Sachverhaltswürdigung durch das Verwaltungsgericht. Sachverhalts- und [X.]eweiswürdigung sind dem jeweils anzuwendenden materiellen Recht [X.]urechnen. Mit Angriffen dagegen kann deshalb grundsätzlich ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht begründet werden (stRspr; [X.]eschluss vom 3. März 2008 - [X.]VerwG 8 [X.] 95.07 - [X.] 2008, 109 m.w.N.). Eine Ausnahme kommt im [X.]ereich des Indizienbeweises bei einer aktenwidrigen, gegen die Denkgesetze verstoßenden oder sonst von objektiver Willkür geprägten Sachverhaltswürdigung in [X.]etracht (stRspr; z.[X.]. [X.]eschluss vom 22. Mai 2008 - [X.]VerwG 9 [X.] 34.07 - [X.] 442.09 § 18 [X.] Nr. 65). Ein Verstoß gegen Denkgesetze, der anzunehmen ist, wenn das Verwaltungsgericht einen Schluss gezogen hat, der aus Gründen der Logik schlechterdings nicht gezogen werden kann (stRspr; z.[X.]. [X.]eschluss vom 6. März 2008 - [X.]VerwG 7 [X.] - [X.] 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 54 S. 17 m.w.N.), ist nicht dargelegt und auch nicht ersichtlich. Hierfür genügt es nicht, dass die Klägerin allgemein vorträgt, die Schlussfolgerung des [X.] sei unrichtig und entbehre jeglicher Grundlage.

5

2. Die Rüge der Klägerin, dass das Verwaltungsgericht eine Überschuldung des Grundstücks unvollständig aufgeklärt, insbesondere zu den notwendigen Instandsetzungsmaßnahmen keine konkreten Feststellungen getroffen habe, hat ebenfalls keinen Erfolg.

6

Ein Grundstück oder Gebäude war überschuldet, wenn die ihm [X.]uordnenden Verbindlichkeiten den um die eingetragenen Grundpfandrechte verminderten [X.]wert der Immobilie überschritten haben und wenn diese vorhandenen Schulden nicht innerhalb zumutbarer [X.] durch den zu erwartenden [X.] gedeckt werden konnten (Urteil vom 24. Juni 1993 - [X.]VerwG 7 C 27.92 - [X.]VerwGE 94, 16 <19 f.> = [X.] 428 § 1 [X.] Nr. 4). Infolge der Gleichstellung der "unmittelbar bevorstehenden" mit der "eingetretenen" Überschuldung sind fiktiv auch diejenigen Aufwendungen zu berücksichtigen, die im [X.]punkt der Enteignung für Instandsetzungsmaßnahmen zur Sicherung der bestimmungsgemäßen Nutzbarkeit der Immobilie unaufschiebbar notwendig gewesen wären, aber aufgrund der ökonomischen Zwangslage unterlassen wurden (Urteil vom 16. März 1995 - [X.]VerwG 7 C 39.93 - [X.]VerwGE 98, 87 = [X.] 428 § 1 [X.] Nr. 39 S. 89).

7

Zur Überschuldung des Grundstücks muss der Wert festgestellt werden, zu dem das Grundstück seinerzeit im Wege der [X.]eleihung für eine Verschuldung hätte eingesetzt werden können. Hat der Grundstückseigentümer vor dem Verzicht versucht, einen Kredit zur Instandhaltung zu erhalten und auf diese Weise eine konkrete [X.] in Erfahrung gebracht, ist dieser zugrunde zu legen. War dies nicht der Fall, muss die [X.] nachträglich mit Hilfe der in der [X.] geltenden [X.]ewertungsvorschriften ermittelt werden. Danach war der Grundstückswert aus dem Mittel zwischen Sachwert und Ertragswert zu berechnen, wobei der Sachwert die Obergrenze bildete (Urteil vom 16. März 1995 a.a.[X.] Rn. 14).

8

Das Verwaltungsgericht hat dazu keine Feststellungen getroffen. Es hat vielmehr den im Gutachten vom 20. März 1986 des Oberingenieurs S. auf der Grundlage der Preisverfügung Nr. 3/82 vom 9. Dezember 1982 und der [X.] 13742 ermittelten Verkehrswert in Höhe von [X.]/[X.] zugrunde gelegt und diesem die im Grundbuch eingetragene Aufbauhypothek, die zum 1. März 1988 noch in Höhe von [X.]/[X.] valutierte, gegenübergestellte und im Ergebnis eine Überschuldung bejaht. Ob die anhand dieser Vorgehensweise gebildete richterliche Überzeugung (verfahrens-)fehlerhaft erfolgt ist, kann dahingestellt bleiben; denn die Prüfung der Überschuldung wird erleichtert, wenn der notwendige Reparaturaufwand schon bei überschlägiger [X.]etrachtung deutlich vom [X.]etrag des Einheitswertes abzüglich bestehender oder unmittelbar bevorstehender Verbindlichkeiten abweicht (Urteil vom 11. Februar 1999 - [X.]VerwG 7 C 4.98 - [X.]VerwGE 108, 281 <234> = [X.] 428 § 1 Abs. 2 [X.] Nr. 1).

9

Dies ist nach den Feststellungen des [X.] der Fall. Es stützt sich hierbei auf den Schriftverkehr zwischen dem [X.] und dem [X.] bzw. dem [X.]ezirksvorstand des [X.] und dem [X.] T. Demgegenüber legt die [X.]eschwerde in keiner Weise dar, welche geeigneten und erforderlichen Aufklärungsmaßnahmen für die Ermittlung der vorgesehenen baulichen Instandsetzungen in [X.]etracht gekommen und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich erzielt worden wären. Dem [X.]eschwerdevorbringen ist auch nicht zu entnehmen, dass seitens der Klägerin im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die weitere Sachverhaltsaufklärung hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht weitere Ermittlungen von sich aus hätten aufdrängen müssen.

Das Verwaltungsgericht hat es auch nicht verfahrensfehlerhaft unterlassen, aufzuklären, ob die im Schreiben des [X.] vom 30. Dezember 1985 erwähnten Eigenmittel in Höhe von [X.]/[X.] zum [X.]punkt der Enteignung verbraucht und tatsächlich für die Instandsetzung der [X.]alkone verwendet worden waren. Diese Frage war für das Verwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich. Denn es hat bei dem Kostenaufwand für die noch durchzuführenden Instandsetzungsmaßnahmen in Höhe von [X.]/[X.] den [X.]etrag ([X.]/[X.]) von der Investitionssumme in Abzug gebracht (UA S. 14).

Auch ein Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegt nicht vor. In dem Einwand, das Verwaltungsgericht habe zu den Investitionsmaßnahmen keine konkreten Feststellungen getroffen, könnte auch eine Rüge gesehen werden, dass das Verwaltungsgericht auf der Grundlage eines unvollständigen Sachverhalts, also nicht nach der "aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung" (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO), entschieden habe. Zur [X.]ezeichnung eines solchen [X.] wäre aber erforderlich gewesen, dass die [X.]eschwerdeführerin die nicht berücksichtigten, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens geschöpften Tatsachen oder [X.] benennt, deren Entscheidungserheblichkeit sich aufdrängt (vgl. [X.]eschluss vom 9. November 2006 - [X.]VerwG 1 [X.] 134.06 - [X.] 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 48 S. 8). Hieran fehlt es.

Ebenso wenig greift die Rüge durch, das Verwaltungsgericht habe einen Kostenvoranschlag zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht, der nicht Gegenstand der Akten sei. Das Verwaltungsgericht hat in den Entscheidungsgründen lediglich ausgeführt, dass in dem Schreiben des [X.] T. vom 4. November 1985 auf einen Kostenvoranschlag für vorgesehene [X.]aumaßnahmen der Jahre 1985 bis 1987 in Höhe von [X.]/[X.] verwiesen worden sei, der sich allerdings nicht in der Akte befinde. Es hat also nicht den Inhalt des Kostenvoranschlags, sondern lediglich den Umstand berücksichtigt, dass in der Korrespondenz zwischen dem [X.] T. und dem [X.] ein Kostenvoranschlag erwähnt und nach dem Inhalt des o.a. Schreibens vom 4. November 1985 an den [X.] weitergeleitet worden sei. Eine solche eingeschränkte Verwertung stellt keinen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) dar. Ein allenfalls in [X.]etracht zu ziehender Fehler der [X.]eweiswürdigung wäre dem sachlichen Recht [X.]uordnen und würde keinen Verfahrensfehler begründen.

Von einer weiteren [X.]egründung der [X.]eschwerde sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision [X.]ulassen ist (§ 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

Meta

8 B 42/10

09.08.2010

Bundesverwaltungsgericht 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend VG Gera, 12. November 2009, Az: 6 K 2320/08, Urteil

§ 1 Abs 2 VermG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 09.08.2010, Az. 8 B 42/10 (REWIS RS 2010, 4200)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 4200

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