Bundesverfassungsgericht, Gegenstandswertfestsetzung im verfassungsgerichtlichen Verfahren vom 24.08.2022, Az. 2 BvR 257/21

2. Senat 3. Kammer | REWIS RS 2022, 4809

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Anordnung der Auslagenerstattung sowie Gegenstandswertfestsetzung im Verfassungsbeschwerdeverfahren nach Erledigterklärung


Tenor

Der [X.] hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.

Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 10.000 (in Worten: zehntausend) Euro festgesetzt.

Gründe

1

1. Über die Verfassungsbeschwerde ist nicht mehr zu entscheiden, weil der Beschwerdeführer das Verfassungsbeschwerdeverfahren mit Schriftsatz vom 8. Dezember 2021 für erledigt erklärt hat.

2

2. Die Auslagenerstattung war anzuordnen.

3

a) Nach Erledigung der Verfassungsbeschwerde ist über die Auslagenerstattung gemäß § 34a Abs. 3 [X.] nach [X.] zu entscheiden. Die Erstattung der Auslagen nach dieser Vorschrift stellt im Hinblick auf die Kostenfreiheit des Verfahrens (§ 34 Abs. 1 [X.]), den fehlenden Anwaltszwang und das Fehlen eines bei Unterliegen des Beschwerdeführers erstattungsberechtigten Gegners die Ausnahme von dem Grundsatz des Selbstbehalts der eigenen Auslagen (vgl. [X.] 49, 70 <89>) dar (vgl. [X.] 66, 152 <154>). Im Hinblick auf die Funktion und die Tragweite der Entscheidungen des [X.] findet eine überschlägige Beurteilung der Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde im Rahmen der Entscheidung über die Auslagenerstattung nicht statt (vgl. [X.] 33, 247 <264 f.>; [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 29. Mai 2018 - 2 BvR 2767/17 -, Rn. 13). Bei der Entscheidung über die Auslagenerstattung kann jedoch insbesondere dem Grund, der zur Erledigung geführt hat, wesentliche Bedeutung zukommen. So ist es billig, einer beschwerdeführenden Person die Erstattung ihrer Auslagen zuzuerkennen, wenn die öffentliche Gewalt von sich aus den mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Akt beseitigt oder der Beschwer auf andere Weise abhilft, weil in diesem Fall - falls keine anderweitigen Gründe ersichtlich sind - davon ausgegangen werden kann, dass sie deren Begehren selbst für berechtigt erachtet hat (vgl. [X.] 85, 109 <114 ff.>; 87, 394 <397 f.>).

4

b) Nach diesen Maßstäben entspricht es der Billigkeit, die Auslagenerstattung anzuordnen.

5

Mit Entscheidung vom 9. November 2021 - [X.]. 23-VI-21 -, hat der [X.] der dortigen Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers wegen eines Verstoßes gegen das Grundrecht auf rechtliches Gehör (Art. 91 Abs. 1 BV) stattgegeben und den auch hier angegriffenen Beschluss des [X.] vom 1. Dezember 2020 aufgehoben. Für die Entscheidung, ob dieses sowohl durch das Grundgesetz (Art. 103 Abs. 1 GG) wie durch die [X.] (Art. 91 Abs. 1 BV) gewährleistete Grundrecht verletzt ist, gelten die gleichen verfassungsrechtlichen Maßstäbe ([X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 24. Februar 1992 - 2 BvR 1122/90 -, juris, Rn. 9). Durch seine Entscheidung hat der [X.] als Teil der öffentlichen Gewalt des [X.] hinsichtlich des Beschlusses des [X.] vom 1. Dezember 2020 zu verstehen gegeben, dass er das verfassungsrechtliche Begehren des Beschwerdeführers selbst für berechtigt erachtet hat (vgl. [X.] 85, 109 <114 ff.>; 87, 394 <397 f.>).

6

Nachdem der [X.] den Antrag des Beschwerdeführers aufgrund der auch hier beantragten Zurückverweisung an das [X.] dahingehend ausgelegt hat, dass eine Aufhebung des Urteils des [X.] nicht begehrt wird, ist unter [X.] trotz Nichtaufhebung des hier ebenfalls angegriffenen Urteils des [X.] eine hundertprozentige Kostenerstattung auszusprechen, ohne dass es auf die Zulässigkeit der gegen das Urteil des [X.] gerichteten Verfassungsbeschwerde ankommt.

7

Besondere Anhaltspunkte, die trotz der stattgebenden Entscheidung des [X.] gegen die Billigkeit der Auslagenerstattung sprechen ([X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 17. Dezember 2008 - 1 BvR 2554/06 -, juris), sind nicht ersichtlich. Soweit der Beschwerdeführer vorliegend über die Verfassungsbeschwerde vor dem [X.] hinausgehend auch den Beschluss des [X.] vom 30. Dezember 2020 angreift, ändert dies nichts an dem vollständigen Erstattungsanspruch, da dieser Beschluss lediglich das Ergebnis der erforderlichen Rechtswegerschöpfung darstellt.

8

Der Umstand, dass durch die parallele Erhebung zweier Verfassungsbeschwerden zweimal Kosten entstanden sind, führt nicht dazu, dass die Auslagenerstattung in den Verfahren vor dem [X.] als unbillig anzusehen ist ([X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 17. Dezember 2008 - 1 BvR 2554/06 -, juris).

9

3. Die Festsetzung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG (vgl. [X.] 79, 365 <366 ff.>; [X.]K 20, 336 <337 f.>).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

2 BvR 257/21

24.08.2022

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 3. Kammer

Gegenstandswertfestsetzung im verfassungsgerichtlichen Verfahren

Sachgebiet: BvR

vorgehend OLG München, 30. Dezember 2020, Az: 9 U 3081/20 Bau, Beschluss

Art 103 Abs 1 GG, § 34a Abs 3 BVerfGG, § 14 Abs 1 RVG, § 37 Abs 2 S 2 RVG, Art 91 Abs 1 Verf BY

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Gegenstandswertfestsetzung im verfassungsgerichtlichen Verfahren vom 24.08.2022, Az. 2 BvR 257/21 (REWIS RS 2022, 4809)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 4809 NJW 2022, 3703 REWIS RS 2022, 4809

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

1 BvQ 8/22

1 BvR 614/20

Zitiert

2 BvR 2767/17

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