Bundesfinanzhof, Beschluss vom 03.03.2010, Az. I B 102/09

1. Senat | REWIS RS 2010, 8797

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Gegenstand

Verdeckte Gewinnausschüttung durch Veräußerung eigener Anteile zum Buchwert an Gesellschafter


Leitsatz

1. NV: Es ist geklärt, dass eine vGA durch Veräußerung eigener Anteile auch dann gegeben sein kann, wenn die GmbH die eigenen Anteile proportional im Verhältnis der jeweiligen Beteiligung zu den Buchwerten an die bisherigen Gesellschafter veräußert .

2. NV: Eine Steuerfolge ist auch dann zu beachten, wenn die betreffende Maßnahme mit einem vergleichbaren wirtschaftlichen Ergebnis zivilrechtlich anders hätte gestaltet werden können, ohne dass die Steuerfolge eingetreten wäre. Für einen Grundsatz der "Umkehrung des Missbrauchs" in Anlehnung an § 42 AO fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage .

Tatbestand

1

I. Streitpunkt ist, ob die Veräußerung eigener [X.]nteile einer GmbH an die Gesellschafter zu verdeckten Gewinnausschüttungen (vG[X.]) führt.

2

Die Klägerin und [X.]eschwerdeführerin (Klägerin) ist eine GmbH mit abweichendem Wirtschaftsjahr zum 28./29. Februar. Ihr Stammkapital betrug zunächst 535.700 [X.]. Gesellschafter waren nach einer Neuordnung der [X.]eteiligungsverhältnisse in den Jahren 1991/1992 [X.] mit einem [X.]nteil von nominal 348.000 [X.] (64,96 % des Stammkapitals) und [X.] mit einem [X.]nteil von 18.300 [X.] (3,42 % des Stammkapitals); die restlichen Geschäftsanteile im [X.]etrag von 169.400 [X.] (31,62 % des Stammkapitals) hielt die Klägerin selbst. Sie hatte die eigenen [X.]nteile mit ihren [X.]nschaffungskosten (169.400 [X.] [X.] [X.]nschaffungsnebenkosten von 778,72 [X.]) aktiviert. Im Dezember 1998 erwarben [X.] und der bisher nicht an der Klägerin beteiligte [X.] von [X.] je einen Geschäftsanteil von nominal 36.700 [X.] für einen Kaufpreis in Höhe von jeweils 500.000 [X.]. Nunmehr betrug die nominelle [X.]eteiligung des [X.] 51,26 %, die des [X.] 10,27 % und die des [X.] 6,85 %.

3

Im Oktober 1999 veräußerte die Klägerin die eigenen [X.]nteile im Nennwert von 127.000 [X.] an [X.], im Nennwert von 25.400 [X.] an [X.] und im Nennwert von 17.000 [X.] an [X.]. [X.]ls Kaufpreise wurden jeweils die Nennwerte der [X.]nteile vereinbart.

4

Der [X.]eklagte und [X.]eschwerdegegner (das Finanzamt --[X.]--) beurteilte die Veräußerung der eigenen [X.]nteile an die Gesellschafter bei Festsetzung der Körperschaftsteuer und des [X.] für das Streitjahr 2000 als vG[X.] in Höhe von insgesamt 1.411.600 [X.], weil die Kaufpreise um diesen [X.]etrag unter den gemeinen Werten der [X.]nteile gelegen hätten. Den gemeinen Wert der [X.]nteile bemaß das [X.] anhand der bei den [X.]nteilsverkäufen im Dezember 1998 zwischen [X.] und [X.] bzw. [X.] vereinbarten Kaufpreise; dabei legte es nicht die auf die nominalen [X.]eteiligungsquoten, sondern die auf die höheren Gewinnbezugs- und Stimmrechte der veräußerten [X.]nteile --wie sie sich ohne [X.]erücksichtigung der eigenen [X.]nteile der Klägerin ergaben-- entfallenden Kaufpreise zugrunde. Die deswegen erhobene Klage blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) [X.]erlin-[X.]randenburg hat sie mit in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 1675 abgedrucktem Urteil vom 16. Juni 2009 6 K 959/05 abgewiesen.

5

Die Klägerin beantragt mit ihrer [X.]eschwerde die Zulassung der Revision gegen das [X.] und begründet ihr [X.]egehren mit der grundsätzlichen [X.]edeutung der Rechtssache, mit Divergenzen zur Rechtsprechung des [X.]undesfinanzhofs ([X.]FH), mit der Erforderlichkeit einer [X.]FH-Entscheidung zur Fortbildung des Rechts und mit einem gravierenden Verstoß gegen die Denkgesetze.

6

Das [X.] beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

Entscheidungsgründe

7

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

8

1. Das [X.] weicht nicht von den von der Klägerin angeführten [X.] ab (Zulassungsgrund der Erforderlichkeit einer [X.] zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, § 115 [X.]bs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Soweit der [X.] in den Urteilen vom 16. Juli 1965 VI 71/64 U ([X.]E 83, 325, [X.]I 1965, 618) und vom 31. Oktober 1990 [X.] ([X.]E 162, 546, [X.] 1991, 255) eine vG[X.] bzw. eine "andere [X.]usschüttung" i.S. des § 27 [X.]bs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes 1977 in Fällen bejaht hat, in denen die Gesellschaft eigene [X.]nteile sofort bzw. zeitnah nach dem Erwerb zu einem Preis unter den [X.]nschaffungskosten an Gesellschafter veräußert hat, ergibt sich aus den Entscheidungen kein [X.]nhalt für die [X.]nnahme der Klägerin, eine vG[X.] bei der Veräußerung eigener [X.]nteile an Gesellschafter sei ausschließlich auf die dort gegebenen Sachverhaltskonstellationen beschränkt.

9

[X.]uch von dem Senatsurteil vom 7. [X.]ugust 2002 [X.] ([X.]E 200, 197, [X.] 2004, 131) ist die Vorinstanz nicht abgewichen. Der Senat hat dort den seither in ständiger Rechtsprechung vertretenen Rechtssatz aufgestellt, dass die [X.]nnahme einer vG[X.] voraussetzt, die Unterschiedsbetragsminderung --oder (nicht Gegenstand des zitierten [X.]) die verhinderte Vermögensmehrung-- bei der Körperschaft müsse die objektive Eignung haben, beim Gesellschafter einen sonstigen [X.]ezug i.S. des § 20 [X.]bs. 1 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auszulösen. Diesen Rechtssatz hat indes auch das [X.] seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Soweit die Klägerin daran zweifelt, dass der vom [X.] angenommene Vorteil als "sonstiger [X.]ezug" in diesem Sinne in [X.]etracht kommt, läge hierin keine [X.]bweichung von der Senatsrechtsprechung, sondern lediglich deren unrichtige [X.]nwendung auf den Einzelfall.

Zu dem Senatsurteil vom 23. Februar 2005 [X.] ([X.]E 209, 123, [X.] 2005, 522) besteht ebenfalls keine Divergenz. [X.]us der dortigen [X.]ussage, eigene [X.]nteile seien wertlos, solange sie sich in der Hand der Kapitalgesellschaft befänden, weil die Werte der Kapitalgesellschaft dieser ohnehin zustünden, lässt sich nicht folgern --und das Senatsurteil enthält keine [X.]ndeutung in diese Richtung--, dass eine Veräußerung von eigenen [X.]nteilen an die Gesellschafter nicht als vG[X.] beurteilt werden kann.

2. Soweit die Klägerin eine Entscheidung des [X.] zur Rechtsfortbildung (§ 115 [X.]bs. 2 Nr. 2 [X.]O) oder zur Klärung von Rechtsfragen von grundsätzlicher [X.]edeutung (§ 115 [X.]bs. 2 Nr. 1 [X.]O) für erforderlich hält, sind die aufgeworfenen Fragen durch die Rechtsprechung bereits geklärt bzw. in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht klärungsbedürftig.

a) [X.]us dem Senatsbeschluss vom 3. März 2009 [X.]/08 ([X.]/NV 2009, 1280) ergibt sich, dass eine vG[X.] auch gegeben sein kann, wenn alle eigenen [X.]nteile proportional im Verhältnis ihrer jeweiligen [X.]eteiligung zu den [X.]uchwerten an die bisherigen Gesellschafter veräußert werden. Soweit die Klägerin dies im Hinblick auf das Erfordernis der Eignung zur [X.]uslösung eines "sonstigen [X.]ezugs" beim Gesellschafter i.S. des § 20 [X.]bs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG infrage stellt, weil die Gewinnbezugs- und Stimmrechte der Gesellschafter sich durch die Veräußerungen im Ergebnis nicht veränderten, übergeht sie einen wesentlichen Umstand:

Selbst wenn man --entsprechend der Forderung der Klägerin und entgegen der [X.]uffassung des [X.]-- im Hinblick auf die Vorteilsgeneigtheit den mit dem Erwerb der eigenen [X.]nteile für den jeweiligen Gesellschafter verbundenen Zuwachs an Gewinnbezugs- und Stimmrechten mit der dadurch gleichzeitig eintretenden "Verwässerung" der mit den [X.] bislang faktisch verbundenen überproportionalen Gewinnbezugs- und Stimmrechte saldieren würde, verbliebe ein positiver Saldo zugunsten des jeweiligen Gesellschafters. Denn der Verwässerungseffekt in [X.]ezug auf die Rechte aus den [X.] ist --weil er sich gleichmäßig auch auf die [X.]nteile der anderen Gesellschafter [X.] geringer als der ausschließlich dem jeweiligen Erwerber der eigenen [X.]nteile zugute kommende Zuwachs an Gewinnbezugs- und Stimmrechten. Die [X.]eteiligungsverhältnisse sind für den einzelnen Gesellschafter am Ende nur deshalb gleich geblieben, weil auch die jeweils anderen Gesellschafter eigene [X.]nteile erworben und sich dadurch die Rechte aus den [X.] jeweils noch weiter verwässert haben. [X.]ei den aus den Erwerben der anderen Gesellschafter resultierenden "Verwässerungen" handelt es sich indes aus Sicht des einzelnen Gesellschafters um nicht unmittelbar und zwangsläufig mit dem eigenen [X.]nteilserwerb verbundene Nachteile; sie treten vielmehr --auch wenn sie im Streitfall auf einem gemeinsamen Plan der Gesellschafter beruht haben mögen-- gleichsam "zufällig" ein. Deshalb könnten sie bei der von der Klägerin geforderten Saldierung nicht berücksichtigt werden. Es bliebe mit dem Erwerb der eigenen [X.]nteile mithin in jedem Fall ein zur [X.]uslösung eines "sonstigen [X.]ezugs" i.S. des § 20 [X.]bs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG geeigneter Vorteil des jeweiligen Gesellschafters.

b) Die von der Klägerin zur Klärung gestellte Rechtsfrage, ob die Vorteilsgeneigtheit mit der Rechtsfolge der vG[X.] auch dann angenommen werden könne, wenn diese Rechtsfolge bei einer anderen zivilrechtlichen Gestaltung --nämlich einer Einziehung der eigenen [X.]nteile und einer anschließenden [X.] nicht eingetreten wäre, ist nicht klärungsbedürftig. Denn an der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage fehlt es u.a. dann, wenn die Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das [X.] getan hat (ständige Rechtsprechung, z.[X.]. [X.]-[X.]eschlüsse vom 6. Mai 2004 [X.], [X.]E 205, 416, [X.] 2004, 1221; vom 3. [X.]pril 2008 [X.], [X.]/NV 2008, 1445). So liegt die Sache im Streitfall. Das Gesetz knüpft die steuerlichen Folgen grundsätzlich an den objektiv verwirklichten Sachverhalt. Es bietet keine Handhabe dafür, einen Steueranspruch als nicht gegeben anzusehen, wenn die betreffende Maßnahme mit einem vergleichbaren wirtschaftlichen Ergebnis zivilrechtlich anders hätte gestaltet werden können, ohne dass die Steuerfolge eingetreten wäre. Für die von der Klägerin unter [X.]ezugnahme auf einen Vorschlag aus der Literatur ([X.] (Hrsg.), Festschrift für [X.], 1999, S. 373) mit [X.]lick auf § 42 der [X.]bgabenordnung geforderte "Umkehrung des Missbrauchs" fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage.

c) Hinsichtlich der [X.]emessung der vG[X.] anhand der Differenz zwischen den Entgelten, die [X.] und [X.] im Rahmen des [X.]nteilserwerbs vom Dezember 1998 an [X.] gezahlt haben und den von [X.], [X.] und [X.] für den Erwerb der eigenen [X.]nteile im Oktober 1999 zu zahlenden Kaufpreise macht die Klägerin einen offensichtlichen und für jedermann erkennbaren Verstoß gegen die Denkgesetze geltend, der geeignet sei, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen und deshalb eine Revisionszulassung wegen grundsätzlicher [X.]edeutung der Rechtssache erfordere. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.

Rechtlicher [X.]usgangspunkt des [X.] ist die [X.]nnahme, in der Veräußerung der eigenen [X.]nteile zum Nennwert liege eine vG[X.] in Form der verhinderten Vermögensmehrung, weil bei einer Veräußerung zum Verkehrswert der [X.]nteile höhere Kaufpreise erzielt worden wären. [X.]us dieser Sicht ist es konsequent, für die [X.]emessung des erzielbaren Kaufpreises auf den Preis abzustellen, der bei einem Verkauf der [X.]nteile an gesellschaftsfremde Dritte erzielt worden wäre. Soweit die Klägerin verlangt, im Rahmen des Fremdvergleichs müsse die mit der Veräußerung eintretende Verminderung des Werts der [X.]ltanteile der bisherigen Gesellschafter berücksichtigt werden, wäre das mit dem vom [X.] verfolgten und in sich schlüssigen [X.] nicht vereinbar. Ein Verstoß gegen die Denkgesetze --erst recht ein offenkundiger, für jedermann erkennbarer Verstoß-- liegt somit nicht vor. Überdies hat das [X.] bei der Ermittlung des [X.] zugunsten der Klägerin unterstellt, der Preis, den [X.] und [X.] im Dezember 1998 für die [X.]nteile von nominal je 36.700 DM an [X.] gezahlt haben, sei an den damit während des Ruhens der [X.]eteiligungsrechte an den eigenen [X.]nteilen der Klägerin faktisch verbundenen überproportionalen [X.]eteiligungsrechten von jeweils 10 % --und nicht an der niedrigeren nominalen [X.]eteiligungsquote von 6,85 %-- orientiert gewesen.

Meta

I B 102/09

03.03.2010

Bundesfinanzhof 1. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 16. Juni 2009, Az: 6 K 959/05, Urteil

§ 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 FGO, § 8 Abs 3 S 2 KStG 1999, § 42 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 03.03.2010, Az. I B 102/09 (REWIS RS 2010, 8797)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 8797

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7 K 1197/19

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