Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.06.2015, Az. IX R 28/14

9. Senat | REWIS RS 2015, 9755

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Gegenstand

(Zivilrechtliche Folgen der Auflösung einer GmbH - Berechnung des Auflösungsgewinns i.S. des § 17 Abs. 4 Satz 2 EStG - Keine Befreiung des Gesellschafters von einer gegenüber der GmbH bestehenden Darlehensverbindlichkeit - Verdeckte Gewinnausschüttung)


Leitsatz

1. NV: Die Auflösung einer GmbH hat zivilrechtlich nicht die Befreiung des Gesellschafters von einer gegenüber der GmbH bestehenden Verbindlichkeit zur Folge. Die bloße Nichteinziehung der Forderung im Zuge der Auflösung führt daher nicht zur Zuteilung oder Rückzahlung von Vermögen der Gesellschaft i.S. des § 17 Abs. 4 Satz 2 EStG .

2. NV: Ist die einer GmbH gegen ihren Gesellschafter zustehende Forderung im Zeitpunkt der Auflösung der Gesellschaft wegen der Vermögenslosigkeit des Gesellschafters objektiv wertlos, ist die Forderung bei der Ermittlung des Auflösungsgewinns nicht mit ihrem Nennwert in den Veräußerungspreis einzubeziehen .

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 7. April 2014  7 K 1759/11 aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war seit 1998 alleiniger Gesellschafter einer GmbH (GmbH). Das Stammkapital betrug 50.000 DM. In den Jahren 1992 bis 1995 reichte die GmbH an den Kläger Darlehen aus, die dieser zu privaten Zwecken verwendete. Für diese Darlehen wurden weder schriftliche Darlehensverträge abgeschlossen noch Sicherheiten vereinbart. Die Darlehen wurden wie die sonstigen Ein- und Auszahlungen für private Zwecke des [X.] in einem Verrechnungskonto erfasst.

2

Im Rahmen der Bilanzerstellung für die Jahre 2001 und 2002 nahm die GmbH eine Teilwertabschreibung von zunächst 25 % auf die in dem Verrechnungskonto zum 31. Dezember 2001 erfasste Forderung in Höhe von 879.084 DM und von weiteren 30 % auf die zum 31. Dezember 2002 erfasste Forderung in Höhe von 397.858 € vor, da mit einer teilweisen Uneinbringlichkeit der Forderung zu rechnen sei. Darüber hinaus reichte die GmbH in den Jahren 2001 und 2002 weitere Beträge an den Kläger in Höhe von 95.763 DM und von 42.831 € aus. Danach verblieb zum 31. Dezember 2002 ein Bilanzansatz der gegenüber dem Kläger bestehenden Forderung von 257.858 €.

3

Nach einer bei der GmbH durchgeführten Außenprüfung erhöhte das für die Besteuerung der GmbH zuständige Finanzamt den Gewinn der [X.] und 2002 in Höhe der [X.] sowie in Höhe der in diesen Jahren ausgereichten Beträge, da es sich hierbei jeweils um verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) gehandelt habe. Bereits [X.] habe die GmbH nicht mehr mit einer Rückzahlung der Beträge rechnen können.

4

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) erfasste die weiteren Auszahlungen der Jahre 2001 und 2002 beim Kläger als vGA bei den Einkünften aus Kapitalvermögen. Die vorgenommenen Forderungsabschreibungen und die sich im Übrigen aus dem Verrechnungskonto ergebenden Altforderungen wurden zu diesem Zeitpunkt beim Kläger nicht als zusätzliche Kapitaleinkünfte angesetzt.

5

Im Mai 2005 wurde über das Vermögen der GmbH das vorläufige Insolvenzverfahren angeordnet. Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde im Oktober 2005 mangels Masse abgelehnt. Die GmbH wurde im November 2005 aufgelöst und wegen Vermögenslosigkeit im November 2009 von Amts wegen gelöscht.

6

Einen hieraus folgenden Veräußerungsgewinn erklärte der Kläger in seiner Einkommensteuererklärung 2005 nicht. Das [X.] setzte die Einkommensteuer 2005 zunächst erklärungsgemäß fest. Mit dem nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung geänderten Einkommensteuerbescheid 2005 vom 2. März 2009 erfasste das [X.] einen Veräußerungsgewinn nach § 17 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 196.568 €. Als fiktiven Veräußerungspreis berücksichtigte es die infolge des Insolvenzverfahrens weggefallene Forderung gemäß dem Verrechnungskonto zuzüglich der von der GmbH vorgenommenen [X.] und abzüglich der in den Jahren 2001 und 2002 bereits als vGA erfassten Auszahlungen.

7

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage blieb in der Sache ohne Erfolg. Das Finanzgericht ([X.]) entschied in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2014, 1302 veröffentlichten Urteil, der Kläger sei infolge der Auflösung der GmbH von einer Forderung in Höhe von insgesamt 510.225 € befreit worden. Dieser Vermögensvorteil sei ihm im Rahmen der Liquidation wie zugeteiltes Vermögen als fiktiver Veräußerungspreis zuzurechnen und mit dem Nennwert zu bewerten, da er in dieser Höhe von der Verbindlichkeit befreit worden sei.

8

Der Vorteil sei aber nur insoweit als [X.] § 17 Abs. 4 EStG zu erfassen, als er nicht zu den Einkünften aus § 20 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStG gehöre. Hierzu zählten nicht nur die in den Jahren 2001 und 2002 an den Kläger ausgereichten Beträge, sondern auch die von der GmbH in diesen Jahren vorgenommenen [X.]. Diese Forderungsabschreibungen führten zwar bei der GmbH bereits in den Jahren 2001 und 2002 zu einer vGA. Der daraus folgende Vermögensvorteil sei dem Kläger aber erst im Streitjahr zugeflossen, da erst in diesem Jahr die Forderung wegen des Wegfalls des Gläubigers endgültig ausgefallen sei.

9

Danach verblieb nach Auffassung des [X.] ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn in Höhe von 70.116 €. Das [X.] setzte den Veräußerungsgewinn entsprechend niedriger fest und erhöhte zugleich die Einkünfte aus Kapitalvermögen um 124.762 €.

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 17 Abs. 4 Satz 2, § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG). Die Auflösung der GmbH habe bei ihm nicht zu einem Liquidationsgewinn geführt. Angesichts der Überschuldung der GmbH seien ihm weder Geld- noch Sachwerte zurückgezahlt worden. Da die Forderung der GmbH aufgrund seiner Vermögenslosigkeit objektiv wertlos gewesen sei, könne sie nicht mit ihrem Nennwert als fiktiver Veräußerungspreis angesetzt werden. Entscheidend für die Bewertung der Forderung sei deren gemeiner Wert. Dieser entspreche dem Marktpreis, den ein Erwerber für die Forderung zu zahlen bereit wäre. Aus der [X.] der Forderung sei ihm im Zeitpunkt der Auflösung der GmbH auch kein Vermögensvorteil zugeflossen, der als vGA der Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG unterliege. Da bereits bei [X.] der Darlehensvaluta nicht mit einer ernsthaften Rückzahlung zu rechnen gewesen sei, liege bereits im Zeitpunkt der Hingabe der [X.] eine Vorteilszuwendung vor. Der Wegfall der Forderung aufgrund der Auflösung der GmbH im Streitjahr könne daher keinen weiteren Zufluss eines Vermögensvorteils beim Gesellschafter bewirken. Da auch das Stammkapital in Höhe von 25.564 € nicht an ihn zurückgewährt werden konnte, sei vielmehr ein Veräußerungsverlust in dieser Höhe entstanden.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des [X.] vom 7. April 2014 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2005 vom 2. März 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. Mai 2011 dahingehend zu ändern, dass der steuerpflichtige Veräußerungsgewinn i.S. des § 17 Abs. 4 EStG in Höhe von -12.782 € festgesetzt und die Einkommensteuer 2005 auf 0 € herabgesetzt wird.

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat auf der Grundlage seiner Feststellungen zu Unrecht angenommen, dass die im Rahmen der Auflösung der GmbH unterbliebene Einziehung der Forderung aus dem Verrechnungskonto beim Kläger zu einem [X.] § 17 Abs. 4 EStG geführt hat (zu 1. und 2.). Der [X.] kann aber nicht abschließend darüber entscheiden, ob und in welcher Höhe der Kläger möglicherweise im Streitjahr Einkünfte aus Kapitalvermögen als sonstige Bezüge aus seinem Anteil an der GmbH i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG bezogen hat (zu 3.).

1. Die vom [X.] getroffenen tatsächlichen Feststellungen tragen nicht seine Entscheidung, dass der Kläger im Streitjahr 2005 einen Gewinn aus der Auflösung der GmbH i.S. des § 17 Abs. 4 EStG erzielt hat.

a) Nach § 17 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb --unter weiteren hier nicht problematischen [X.] auch der Gewinn aus der Auflösung von Kapitalgesellschaften. [X.] § 17 Abs. 1, 2 und 4 EStG ist der Betrag, um den der gemeine Wert des dem Steuerpflichtigen zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens der Kapitalgesellschaft die im Zusammenhang mit der Auflösung der [X.] persönlich getragenen Kosten sowie seine Anschaffungskosten übersteigt (Urteil des [X.] --[X.]-- vom 3. Juni 1993 VIII R 23/92, [X.] 1994, 459). Das dem [X.]er zugeteilte oder zurückgezahlte Vermögen erfasst alle dem [X.]er im Rahmen der Auflösung zugeteilten materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter aus dem Vermögen der [X.] (Eilers/ R. [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 17 EStG Rz 330; [X.]/[X.], EStG, 34. Aufl., § 17 Rz 221; [X.] in [X.], EStG, 14. Aufl., § 17 Rz 129; [X.], in: [X.]/Söhn/[X.], EStG, § 17 Rz E 70), soweit die Auskehrungen nicht nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 EStG zu den Einnahmen aus Kapitalvermögen gehören (§ 17 Abs. 4 Satz 3 EStG). Gegenstand des zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens kann auch die Befreiung des [X.]ers von einer gegenüber der [X.] bestehenden Verbindlichkeit sein. Dies setzt jedoch voraus, dass der [X.]er zivilrechtlich tatsächlich von der Verbindlichkeit frei geworden ist. Besteht die Forderung der [X.] hingegen zivilrechtlich fort, ist dem [X.]er insoweit kein Wirtschaftsgut aus dem Vermögen der [X.] zugeteilt worden.

b) Diesen Grundsätzen entspricht das angefochtene Urteil nicht. Zivilrechtlich hat die rechtskräftige Ablehnung des Insolvenzantrags mangels Masse die Auflösung der [X.] (§ 60 Abs. 1 Nr. 5 des Gesetzes betreffend die [X.]en mit beschränkter Haftung --GmbHG--). Die [X.] ist abzuwickeln und bei Vermögenslosigkeit im Handelsregister zu löschen ([X.] in [X.][X.], GmbHG, 18. Aufl., § 60 Rz 9). Die [X.] behält jedoch ihre Rechts- und Parteifähigkeit (vgl. z.B. Urteile des [X.] vom 29. September 1967 V ZR 40/66, BGHZ 48, 303; vom 18. Januar 1994 [X.], [X.] - [X.] Zivilrecht 1994, 542, und vom 3. April 2003 IX ZR 287/99, [X.] 2003, 2231; [X.] in [X.]/[X.], GmbHG, 20. Aufl., § 60 Rz 67). Weder die Auflösung noch die sich wegen Vermögenslosigkeit anschließende Löschung der GmbH führen zivilrechtlich zur Befreiung des [X.]ers von einer gegenüber der [X.] bestehenden Verbindlichkeit und damit zur Zuteilung oder Zurückzahlung von Vermögen der [X.]. Etwaige Forderungen der [X.] gegenüber ihren [X.]ern bleiben materiell-rechtlich grundsätzlich weiterhin bestehen. Stellt sich nach der Löschung der [X.] nachträglich verteilungsfähiges Vermögen der [X.] heraus, das bei der Liquidation übersehen worden ist, kommt eine Nachtragsliquidation in Betracht (MünchKommGmbHG/[X.], § 60 Rz 291). Ein solches Vermögen kann insbesondere darin bestehen, dass die [X.] noch geldwerte Ansprüche gegen ihre [X.]er hat, z.B. weil sich der zuvor vermögenslose Schuldner wieder als zahlungsfähig erweist (Beschluss des [X.] vom 30. Oktober 1984, BReg 3 Z 204/84, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis 1985, 33; [X.] in [X.][X.], GmbHG, a.a.[X.], § 74 Rz 19).

c) Das [X.] hat zu Unrecht alleine in dem Umstand, dass der Kläger angesichts der Auflösung und der sich im Jahr 2009 anschließenden Löschung der GmbH mit einer Inanspruchnahme aus der aus dem Verrechnungskonto resultierenden Forderung nicht mehr zu rechnen brauchte, einen Vermögensvorteil gesehen, der im Streitjahr wie ein dem Kläger im Rahmen der Liquidation zugeteiltes Vermögen zu behandeln und in den Veräußerungspreis i.S. des § 17 Abs. 4 Satz 2 EStG einzubeziehen sei. Ob die gegen den Kläger bestehende Forderung der GmbH im Rahmen der Auflösung aus anderen Gründen --wie beispielsweise durch Erlass oder [X.] zivilrechtlich erloschen ist, hat das [X.] nicht geprüft. Der bloße wirtschaftliche Wegfall der Verbindlichkeit führt indes nicht dazu, dass dem Kläger ein Wirtschaftsgut aus dem Vermögen der [X.] zugeteilt wurde.

2. Selbst wenn unterstellt werden könnte, dass der Kläger im Rahmen der Auflösung der GmbH von seiner Verbindlichkeit aus dem Verrechnungskonto befreit worden ist, ist dem [X.] auch darin nicht zu folgen, dass bei der Ermittlung des möglichen Auflösungsgewinns die Forderung mit ihrem Nennbetrag anzusetzen ist.

a) Der Veräußerungs- bzw. [X.] von § 17 Abs. 1 und 4 EStG ist in dem Zeitpunkt zu ermitteln, in dem er entstanden ist. Dies ist auch der maßgebliche Zeitpunkt für die Bewertung des Veräußerungspreises bzw. die Ermittlung des gemeinen Werts des dem Steuerpflichtigen zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens der Kapitalgesellschaft i.S. des § 17 Abs. 4 Satz 2 EStG ([X.]-Urteil vom 24. Januar 2012 IX R 62/10, [X.], 362, [X.], 564).

Maßgebender Zeitpunkt der Gewinn- oder Verlustrealisierung ist derjenige, zu dem bei einer Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich gemäß § 4 Abs. 1, § 5 EStG nach handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung der Gewinn oder Verlust realisiert wäre (vgl. z.B. [X.]-Urteil vom 1. Juli 2014 IX R 47/13, [X.], 188, [X.], 786, m.w.N.). Der Zeitpunkt der Gewinn- oder Verlustrealisierung kann ausnahmsweise schon vor dem Abschluss der Liquidation liegen, wenn mit Zuteilungen und Rückzahlungen von Vermögen der [X.] i.S. des § 17 Abs. 4 Satz 2 EStG und damit mit einer wesentlichen Änderung des bereits feststehenden Gewinns oder Verlusts nicht mehr zu rechnen ist. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt worden ist (vgl. u.a. [X.]-Urteile vom 3. Juni 1993 VIII R 81/91, [X.], 407, [X.] 1994, 162, und in [X.] 1994, 459, sowie [X.] vom 3. Dezember 2014 IX B 90/14, [X.] 2015, 493) und mit einer Zuteilung und Rückzahlung von Vermögen der [X.] nicht mehr zu rechnen ist.

b) Entscheidend für den fiktiven Ansatz des Veräußerungspreises ist der gemeine Wert des zugeteilten Vermögens zu diesem Zeitpunkt. Handelt es sich bei dem zugeteilten Vermögen um eine Kapitalforderung, ist diese grundsätzlich mit ihrem Nennwert anzusetzen, soweit nicht besondere Umstände einen höheren oder geringeren Wert begründen (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 1 des Bewertungsgesetzes --[X.]--). Besondere Umstände, die eine vom Nennwert abweichende niedrigere Bewertung in diesem Sinne begründen, liegen beispielsweise vor, wenn die Realisierbarkeit einer Forderung nach den Verhältnissen am Bewertungsstichtag aus Sicht der [X.] unsicher erscheint, weil es infolge der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners zweifelhaft ist, ob diese Forderung in voller Höhe beigetrieben werden kann (vgl. [X.]-Urteil vom 22. September 2010 II R 62/08, [X.] 2011, 7). Ist die Forderung wegen Vermögenslosigkeit des Schuldners uneinbringlich, bleibt sie außer Ansatz (§ 12 Abs. 2 [X.]). Dabei kommt es nicht darauf an, ob es sich hierbei um eine Forderung der [X.] gegen ihren [X.]er oder gegen einen [X.] handelt. Entscheidend ist, ob und in welcher Höhe sich die Forderung aus Sicht der [X.] realisieren lässt, da die Forderung Bestandteil ihres zuzuteilenden oder zurückzuzahlenden Vermögens ist.

Dies entspricht dem Sinn und Zweck des § 17 Abs. 4 EStG, der darin besteht, Auflösung und Liquidation eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft in derselben Weise zu besteuern wie Veräußerungsvorgänge ([X.]-Urteil vom 6. Mai 2014 IX R 19/13, [X.], 225, [X.], 682) und die in den übergehenden bzw. untergehenden Wirtschaftsgütern enthaltenen stillen Reserven zu realisieren ([X.]-Urteil vom 22. Februar 1989 I R 11/85, [X.], 170, [X.] 1989, 794). Ist die zum Vermögen der Kapitalgesellschaft gehörende Forderung aber wegen Vermögenslosigkeit des Schuldners objektiv wertlos, werden durch die Auflösung der [X.] insoweit keine stillen Reserven realisiert.

c) Nach diesen Maßstäben ist das [X.] unzutreffend vom Nennwert der sich aus dem Verrechnungskonto ergebenden Forderung als Veräußerungspreis ausgegangen. Nach den insoweit bindenden Feststellungen des [X.] (§ 118 Abs. 2 [X.]O) war die GmbH bereits im Zeitpunkt der rechtskräftigen Ablehnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse vermögenslos, so dass mit Zuteilungen und Rückzahlungen aus ihrem Vermögen bereits im Streitjahr nicht mehr zu rechnen war. Zu diesem Zeitpunkt war nach den Feststellungen des [X.] deshalb auch die Forderung der GmbH wegen der Vermögenslosigkeit des Klägers objektiv wertlos und damit wegen Uneinbringlichkeit nicht anzusetzen.

3. Da das [X.] von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, ist sein Urteil aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Nach den Feststellungen des [X.] hat der Kläger zwar keinen Gewinn aus der Auflösung der GmbH nach § 17 Abs. 4 EStG erzielt. Der [X.] kann auf Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des [X.] aber nicht abschließend darüber entscheiden, ob und in welcher Höhe der Kläger möglicherweise im Streitjahr Einkünfte aus Kapitalvermögen als sonstige Bezüge aus seinem Anteil an der GmbH i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG bezogen hat. Das [X.] wird im zweiten Rechtsgang unter Würdigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalles zu entscheiden haben, ob und in welchem Umfang dem Kläger ein Vermögensvorteil aus der Darlehensgewährung zugeflossen ist, der im Streitjahr beim Kläger als vGA zu behandeln ist.

Dabei weist der [X.] für das weitere Verfahren auf Folgendes hin:

a) Nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen als sonstige Bezüge aus Anteilen an einer GmbH auch vGA. Eine vGA im Sinne dieser Vorschrift liegt nach ständiger Rechtsprechung des [X.] vor, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem [X.]er außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vorteil zuwendet und diese Zuwendung ihren Anlass im [X.]sverhältnis hat. Das ist in der Regel der Fall, wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer diesen Vorteil einem Nichtgesellschafter nicht zugewendet hätte (z.B. [X.]-Urteil vom 24. Juni 2014 VIII R 54/10, [X.] 2014, 1501). Im Verhältnis zwischen der Kapitalgesellschaft und einem beherrschenden [X.]er kann die Ursächlichkeit des [X.]sverhältnisses bereits dann angenommen werden, wenn es für die Leistung der Kapitalgesellschaft an einer im Voraus getroffenen klaren und eindeutigen Vereinbarung fehlt ([X.]-Urteil vom 23. Juni 1983 VIII R 102/80, [X.]E 134, 541, [X.] 1982, 245). Die vGA ist beim [X.]er zu erfassen, wenn ihm der Vermögensvorteil zufließt ([X.]-Urteil vom 2. Dezember 2014 VIII R 45/11, [X.] 2015, 683).

b) An einer für die Annahme einer vGA erforderlichen Vorteilszuwendung fehlt es in der Regel, wenn die Kapitalgesellschaft an ihren [X.]er etwas leistet und dabei von vornherein feststeht, dass es sich um eine Kreditgewährung seitens der Kapitalgesellschaft handelt, sofern eine Rückzahlungsverpflichtung ernsthaft vereinbart und --beispielsweise durch eine Verbuchung auf dem [X.]erverrechnungskonto-- ausreichend abgesichert worden ist (vgl. [X.]-Urteile in [X.]E 134, 541, [X.] 1982, 245, und vom 8. Oktober 1985 VIII R 284/83, [X.]E 146, 108, [X.] 1986, 481, sowie [X.] vom 22. März 2010 VIII B 204/09, [X.] 2010, 1112).

Etwas anderes gilt aber dann, wenn bereits bei [X.] aufgrund der wirtschaftlichen Situation des [X.]ers mit einer Rückzahlung der [X.] nicht gerechnet werden kann, da in diesem Fall der Darlehensgewährung von vornherein kein Gegenwert gegenübersteht und davon auszugehen ist, dass eine Rückzahlungsverpflichtung nicht begründet werden sollte. Mangels Ernsthaftigkeit der Darlehensvereinbarung ist in einem solchen Fall bereits die Hingabe der Darlehensvaluta als vGA i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG zugunsten des [X.]ers zu erfassen. Entsprechend diesen Grundsätzen kann eine vGA auch dann im Zeitpunkt der Darlehensgewährung anzunehmen sein, wenn eine behauptete Darlehensvereinbarung zwischen der Kapitalgesellschaft und dem [X.]er mangels Fremdüblichkeit nicht anzuerkennen ist, weil der Darlehensvertrag von Anfang an mangels nennenswerter Tilgungsleistungen und Zinszahlungen seitens des [X.]ers nicht ernsthaft durchgeführt worden ist (vgl. [X.]-Urteil vom 21. Oktober 2014 VIII R 32/12, [X.] 2015, 607).

Im Übrigen kann in einem späteren ausdrücklichen oder stillschweigenden Verzicht auf Rückzahlung der Darlehensvaluta eine vGA zu sehen sein ([X.]-Urteil in [X.]E 146, 108, [X.] 1986, 481). Wird das Darlehen nach seiner Hingabe uneinbringlich und hat es die [X.] unterlassen, rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um das Darlehen zu sichern und zurückzuerhalten, kann dies einem Verzicht auf Rückzahlung gleichkommen (vgl. [X.]-Urteile in [X.]E 146, 108, [X.] 1986, 481; vom 14. März 1990 I R 6/89, [X.]E 160, 459, [X.] 1990, 795, und vom 7. März 2007 I R 45/06, [X.] 2007, 1710). Ist die Darlehensgewährung nicht aus dem [X.]sverhältnis veranlasst, führt ein später eintretender teilweiser oder vollständiger wirtschaftlicher Wegfall der Darlehensforderung wegen Vermögenslosigkeit des [X.]ers alleine aber nicht zu einer vGA beim [X.]er (vgl. auch [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], Kommentar, § 20 Rz 354 f.).

c) Das [X.] wird im Rahmen einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles zu prüfen haben, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe dem Kläger noch im Streitjahr und nicht bereits bei [X.] der [X.] oder in den Folgejahren ein Vermögensvorteil aus der Darlehensgewährung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG zugeflossen ist.

4. [X.] beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

IX R 28/14

16.06.2015

Bundesfinanzhof 9. Senat

Urteil

vorgehend FG München, 7. April 2014, Az: 7 K 1759/11, Urteil

§ 17 Abs 4 S 2 EStG 2002, § 20 Abs 1 Nr 1 S 2 EStG 2002, EStG VZ 2005, § 60 Abs 1 Nr 5 GmbHG, § 12 Abs 2 BewG 1991, § 12 Abs 1 S 1 BewG 1991

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.06.2015, Az. IX R 28/14 (REWIS RS 2015, 9755)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 9755

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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