Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.09.2013, Az. V ZB 195/12

V. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 2817

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB
195/12
vom

12. September 2013

in dem Zwangsversteigerungsverfahren

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 59 Abs. 1; [X.] § 11 Abs. 1
Ist ein [X.] verurteilt worden, von seinem Recht an einem [X.] gegenüber einem nachrangigen Grundpfandgläubiger keinen Gebrauch zu machen, kann dieser in der Zwangsversteigerung verlangen, dass das ihm vorge-hende Recht abweichend von § 44 Abs. 1 [X.] nicht in das geringste Gebot auf-genommen wird. Einer Zustimmung des [X.]s bedarf es nicht.

[X.], Beschluss vom 12. September 2013 -
V [X.] -
LG [X.]

[X.]

-
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Der V. Zivilsenat des [X.] hat am 12. September 2013 durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Stresemann, den Richter [X.], die Richterinnen Dr.
Brückner und Weinland und den Richter Dr.
Kazele

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin werden der Beschluss der 5. Zivilkammer des [X.] vom 22.
Oktober
2012 und der Beschluss des [X.] vom 15.
Juni 2012 aufgehoben.
Der Zuschlag auf das im Versteigerungstermin vom 15.
Juni
2012 abgegebene [X.] der Beteiligten zu 3 wird versagt.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt für die

Vertretung der Gläubigerin e-

Gründe:

I.
Auf Antrag der Gläubigerin ordnete das Amtsgericht mit Beschluss vom 24.
Februar 2010 aufgrund dinglicher und persönlicher Ansprüche die Zwangsversteigerung des im Eingang dieses Beschlusses genannten Grund-besitzes des Schuldners an.
Auf dem Grundstück lastet ein zu Gunsten der Ehefrau des Schuldners bestellter lebenslanger, unentgeltlicher Nießbrauch, der am 14. März 2008 in 1
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das Grundbuch eingetragen worden ist. Für die Gläubigerin wurde am 9.
April
2009

Auf eine von der Gläubigerin auf § 4, § 11 [X.] gestützte Klage wurde die Nießbrauchsberechtigte am 25. November 2011 verurteilt, von dem zu ihren Gunsten auf dem obigen Grundbesitz eingetragenen Nießbrauch der Gläubige-rin gegenüber keinen Gebrauch zu machen und in die Auszahlung des bei der Zwangsversteigerung auf diese Position entfallenden Erlöses an die Gläubige-rin bis zum Betrag von deren Forderung einzuwilligen. Das Urteil ist rechtskräf-tig.
Für den auf den 23. März 2012 bestimmten Versteigerungstermin bean-tragte die Gläubigerin, die Versteigerungsbedingungen gemäß § 59 [X.] da-hingehend abzuändern, dass die Nießbrauchsberechtigte sich ihr gegenüber nicht auf den Nießbrauch berufen dürfe und in die Auszahlung des bei der Zwangsversteigerung auf diese Position entfallenden Erlöses an die Gläubige-rin bis zu dem Betrag in Höhe ihrer Forderung einzuwilligen habe.

Im Versteigerungstermin ordnete das Amtsgericht die Ausbietung in Form eines Doppelausgebots an, wobei zum einen der Nießbrauch nach den gesetzlichen Versteigerungsbedingungen bestehen bleiben sollte und mit einem ß-brauch nicht bestehen bleiben und mit einem Betrae-ringste Bargebot aufgenommen werden. Gebote wurden in diesem Versteige-rungstermin nicht abgegeben, so dass das Verfahren einstweilen eingestellt wurde.
Auf Antrag der Gläubigerin wurde das Verfahren fortgesetzt und ein [X.] auf den 15. Juni 2012 bestimmt. Die Gläubigerin beantragte in der Folge abweichende Versteigerungsbedingungen dahingehend, dass von 3
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einem Erlöschen des Nießbrauchs auszugehen und dieser nicht in das gerings-te Gebot aufzunehmen sei.
Das Amtsgericht wies den Antrag im Versteigerungstermin zurück. Es setzte das geringste Gebot in der Weise fest, dass der Nießbrauch als beste-
wurde. Die Nießbrauchsberechtigte blieb im Versteigerungstermin [X.] mit einem Bargebot von 11.20

Mit Beschluss vom gleichen Tage hat das Amtsgericht der [X.]n den Zuschlag zu den Versteigerungsbedingungen erteilt. Die sofortige Be-schwerde der Gläubigerin hat das [X.] zurückgewiesen. Mit der zuge-lassenen Rechtsbeschwerde will sie
die Versagung des Zuschlags erreichen.
II.
Das Beschwerdegericht meint, das Vollstreckungsgericht habe dem [X.] der Gläubigerin auf abweichende Feststellung des geringsten Gebots und der Versteigerungsbedingungen zu Recht nicht entsprochen. Das Erlöschen des Nießbrauchs beeinträchtige die Interessen der Nießbrauchsberechtigten. Deren Zustimmung habe nicht vorgelegen; sie sei auch nicht entbehrlich gewe-sen. Das von der Gläubigerin erstrittene Anfechtungsurteil enthalte keine Verur-teilung zur Zustimmung zur Löschung des Nießbrauchs. Der auf eine Löschung des Nießbrauchs gerichtete Abweichungsantrag gehe somit in seinen Wirkun-gen über das Anfechtungsurteil hinaus. Mangels anderweitiger [X.] sei die Zwangsversteigerung daher mit dem nach den gesetzlichen Ver-steigerungsbedingungen ermittelten geringsten Gebot durchzuführen gewesen. Hinsichtlich der Umsetzung des [X.] sei die Gläubigerin auf das [X.] zu verweisen. Im Verhältnis zu ihr sei der Nießbrauch als 6
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nicht bestehend anzusehen, weshalb die Nießbrauchsberechtigte zur Zahlung des im Zuschlagsbeschluss festgesetzten Zuzahlungsbetrages verpflichtet sei.
III.
Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen (§
575 ZPO) zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Das [X.] hat die gegen die Erteilung des Zuschlags gerichtete Beschwerde der Gläubigerin rechtsfehlerhaft zurückgewiesen. Entgegen der Auffassung des [X.] liegt ein Zuschlagsversagungsgrund vor, weil das Amtsge-richt dem Verlangen der Gläubigerin auf abweichende Feststellung der Verstei-gerungsbedingungen nicht entsprochen hat.
1. Nach § 83 Nr. 1 [X.] ist der Zuschlag u.a. zu versagen, wenn eine der Vorschriften über die Feststellung des geringsten Gebots oder der
Versteige-rungsbedingungen verletzt ist. Hierunter sind die in §§ 44 bis 65 [X.] enthalte-nen Regelungen zu verstehen. Nach §
59 [X.] kann jeder Beteiligter spätes-tens im Versteigerungstermin vor der Aufforderung zur Abgabe von Geboten eine von den gesetzlichen Vorschriften abweichende Feststellung des gerings-ten Gebots und der Versteigerungsbestimmungen verlangen.
2. Dem auf dieser Grundlage gestellten Antrag der Gläubigerin, den der zugunsten der Ehefrau des Schuldners bestellten Nießbrauch bei der Feststel-lung des geringsten Gebots abweichend von § 44 Abs. 1 [X.] nicht zu berück-sichtigen, hätte ungeachtet der fehlenden Zustimmung der Berechtigten (§ 59 Abs. 1 Satz 3 [X.]) entsprochen werden müssen.
a) In der Rechtsprechung des [X.] ist anerkannt, dass der [X.] jedenfalls als Beteiligter (§ 9 [X.]) eine Änderung der Versteigerungsbedingungen nach § 59 [X.] verlangen kann, wenn das an-9
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fechtbar erlangte Recht

wie hier

nach §
44 Abs. 1 [X.] in das geringste Ge-bot fällt und es deshalb nach § 52 Abs. 1 [X.] bestehen bleibt ([X.], Urteil vom 13. Juli 1995

[X.], [X.]Z 130, 314, 325
f.). Durch die Verurteilung des [X.]s, von dem anfechtbar erworbenen Recht gegenüber dem [X.] keinen Gebrauch zu machen, soll die Zugriffslage wieder-hergestellt werden, die ohne die anfechtbare Rechtshandlung bestehen würde ([X.], Urteil vom 11. Juli 1996

IX ZR 226/94, NJW 1996, 3147 unter [X.]). Ohne die Einräumung des Nießbrauchs wären der Sicherungshypothek der Gläubigerin keine Rechte der Ehefrau des Schuldners vorgegangen. Die Gläu-bigerin kann daher verlangen, dass der Nießbrauch bei der Aufstellung des ge-ringsten Gebots wie ein ihrer Sicherungshypothek im Rang nachgehendes Recht behandelt und daher nicht in das geringste Gebot aufgenommen wird. Die damit einhergehende Beeinträchtigung der Nießbrauchsberechtigten steht entsprechenden abweichenden Versteigerungsbedingungen nicht entgegen. Denn aus der Verurteilung, von dem anfechtbar erworbenen Recht keinen Ge-brauch zu machen, folgt ihre Verpflichtung, alle Erklärungen abzugeben, die erforderlich sind, um dem Recht der Gläubigerin den Vorrang einzuräumen (vgl. [X.], Urteil vom 13. Juli 1995

[X.], aaO, S.
326 zu c).
Etwas anderes folgt entgegen der Auffassung des [X.] nicht daraus, dass die Nießbrauchsberechtigte nicht zur Abgabe einer auf die Aufhebung ihres Rechts zielenden Willenserklärung (§ 875 Abs. 1 BGB, § 894 ZPO) verurteilt worden ist. Richtig ist zwar, dass die Gläubigerin weder die Lö-schung
des Nießbrauchs verlangen noch beanspruchen kann, dass dieser in dem Zwangsversteigerungsverfahren als nicht bestehend behandelt wird. [X.] könnten nämlich auch Dritte, etwa andere Gläubiger des Schuldners oder nachrangige Grundpfandgläubiger, von der Gläubigeranfechtung profitie-ren. Deren Folgen dürfen nach Art und Umfang aber nicht weiter gehen, also 13
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zur Befriedigung gerade des anfechtenden Gläubigers erforderlich ist (vgl. nä-her [X.], Urteil vom 13. Juli 1995

[X.], aaO, 324).
Letzteres
wird jedoch erreicht, wenn der Nießbrauch als (zunächst) [X.], der Sicherungshypothek der Gläubigerin aber im Rang nachge-hendes Recht behandelt wird. Insbesondere steht der Nießbrauchsberechtigten damit die Möglichkeit zu, das ihr vorgehende Recht abzulösen (§ 268 Abs. 1 BGB). Macht sie davon keinen Gebrauch, muss sie es wie jeder Rechtsinhaber hinnehmen, dass es erlischt, wenn ein im Rang vorgehender Gläubiger die Zwangsversteigerung des Grundstücks betreibt (§ 44 Abs. 1, § 91 Abs. 1 [X.]), und dass an die Stelle des Rechts der Anspruch auf Ersatz des Wertes aus dem [X.] tritt (§ 92 Abs. 1 [X.]).
Die Verfahrensweise des Vollstreckungsgerichts führt demgegenüber dazu, dass der Nießbrauch als bestehen bleibendes Recht viele Interessenten vom Bieten abhält und damit ein Zugriffshindernis bildet (vgl. [X.], Urteil vom 13. Juli 1995

[X.], [X.]Z 130, 314, 323). Die Festsetzung eines Zu-zahlungsbetrages (§ 50 Abs. 1 [X.]) für den Fall, dass das Recht nicht [X.] sollte, ändert daran nichts, da der Nießbrauch nur im Verhältnis zur Anfech-tungsgegnerin (Nießbrauchberechtigte), nicht aber im Verhältnis zu [X.] als nicht bestehend behandelt werden könnte. Dass die Zwangsversteigerung (nur) im Fall eines Gebots des [X.]s
eine realistische Aussicht auf Befriedigung des Gläubigers bietet, reicht nicht, um das durch die anfechtbare Handlung geschaffene Zugriffshindernis als beseitigt anzusehen.
b) Der Berücksichtigung des Abweichungsverlangens der Gläubigerin stand nicht entgegen, dass sich ihr Antrag nicht darauf beschränkte, den Nieß-brauch nicht in das geringste Gebot aufzunehmen, sondern dass weitergehend 14
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den vorstehenden Ausführungen, wonach der
Nießbrauch lediglich als dem Recht der Gläubigerin nachgehend zu behandeln ist, zwar unzutreffend. Der Antrag auf Feststellung abweichender Versteigerungsbedingungen ist aber wie jede Prozess-
oder Verfahrenserklärung der Auslegung zugänglich; dabei ist im Zweifel davon auszugehen, dass der Erklärende das erreichen will, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und seiner recht verstande-nen Interessenlage entspricht (vgl. nur [X.], Beschluss vom 19. Oktober 2010

[X.], [X.], 769, 770
mwN). Danach war das Abweichungsver-langen der Gläubigerin bei verständiger Würdigung des [X.] der Gläubigerin dahin auszulegen, dass der Nießbrauch als nachrangiges Recht zu behandeln und als solches nicht in das geringste Gebot aufgenommen werden sollte. Hätte das Vollstreckungsgericht eine solche Auslegung nicht für möglich erachtet, wäre es nach § 139 ZPO verpflichtet gewesen, der Gläubigerin einen rechtlichen Hinweis zu geben, der einen sachgerechten Antrag ermöglicht hätte (vgl. zur Hinweispflicht des Vollstreckungsgerichts: [X.], NJW-RR 2012, 302, 304 Rn. 28).
IV.
1. Der angefochtene Beschluss hat somit keinen Bestand; er ist [X.] (§
577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Da die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der [X.] selbst zu
entscheiden (§ 577 Abs. 5 ZPO). Deshalb ist auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin der Zuschlagsbeschluss des [X.] ebenfalls aufzuheben und nach § 83 Nr. 1 [X.] der Beteiligten zu 3 der Zuschlag zu versagen.
2. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst ([X.], Beschluss vom 1. Juli 2010

[X.], NJW-RR 2010, 1458 f.). Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens bestimmt sich für die Gerichtskosten gemäß §
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Abs. 1 Satz 1 GKG nach dem Wert des Zuschlags. Dieser wiederum entspricht nach § 54 Abs. 2 Satz 1 GKG dem [X.] des [X.]. Das [X.] ist auch für die anwaltliche Vertretung der Meistbietenden maßgeblich. Der Wert der anwaltlichen Tätigkeit der Bevollmächtigten der Gläubigerin bemisst sich gemäß § 26 Nr. 1 RVG
nach dem Wert des ihr zustehenden Rechts. Für die Bevollmächtigten des Schuldners ist nach § 26 Nr. 2 RVG der Wert des Ge-genstands der Zwangsversteigerung maßgebend. Hierbei ist von dem [X.]

Stresemann
Roth
Brückner

Weinland
Kazele

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 15.06.2012 -
50 K 5/10 -

LG [X.], Entscheidung vom 22.10.2012 -
5 T 163/12 -

Meta

V ZB 195/12

12.09.2013

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.09.2013, Az. V ZB 195/12 (REWIS RS 2013, 2817)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2817

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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V ZB 195/12

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