Bundespatentgericht, Beschluss vom 23.06.2015, Az. 24 W (pat) 5/15

24. Senat | REWIS RS 2015, 9311

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Diabolo Freizeitsport" – keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Einlegung der Erinnerung - Organisationsverschulden – Zurechnung des Verschuldens des Verfahrensbevollmächtigten – zu den Anforderungen an die Büroorganisation


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2013 050 814.9

hat der 24. Senat ([X.]) des [X.] am 23. Juni 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] sowie [X.] und Schmid

beschlossen:

Die Beschwerde des Anmelders wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das [X.] ([X.]) hat mit [X.]uss vom 30. Juni 2014 die unter Nr. 30 2013 050 814 geführte Anmeldung der Wortfolge „Diabolo Freizeitsport“, welche Schutz für diverse Waren und Dienstleistungen der Klassen 25, 28 und 35 begehrt, teilweise zurückgewiesen.

2

Gegen diesen am 4. Juli 2014 dem [X.]n des Anmelders zugestellten [X.]uss, der mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen war, hat dieser mit am 6. August 2014 beim [X.] eingegangenem Faxschreiben Erinnerung eingelegt. Die [X.] hatte der Anmelder am 31. Juli 2014 bezahlt. Mit Schreiben vom 22. August 2014 hat das [X.] mitgeteilt, dass die Erinnerung erst nach Ablauf der Monatsfrist des § 64 [X.] eingegangen sei.

3

Mit Schriftsatz vom 25. September 2014 hat der Anmelder Antrag auf Wiedereinsetzung in die Erinnerungsfrist gemäß § 91 [X.] gestellt, weil er unverschuldet gehindert gewesen sei, die Erinnerung fristgerecht einzureichen.

4

Mit [X.]uss vom 5. November 2014 hat die Markenstelle für Klasse 28 den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen. Zur Begründung hat die Markenstelle ausgeführt, zwar sei die [X.] rechtzeitig gezahlt worden, allerdings sei die Erinnerung selbst erst nach Fristablauf eingegangen, eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand scheide aus. Dem Anmelder sei das Verschulden seines [X.]n zuzurechnen, der es versäumt habe, bei einem erhöhten Diktataufkommen vor seinem Urlaub fristwahrend zunächst Erinnerung einzulegen und die Erinnerungsbegründung nachzureichen. Des Weiteren stelle der Umstand, dass, wie der Anmelder in seinem [X.] geschildert habe, die Angestellte seines [X.]n angenommen habe, die Rechtsbehelfsfrist sei bereits durch die Zahlung der [X.] gewahrt, und die deshalb den [X.] erst verspätet zur Unterschrift vorgelegt habe, auf ein Organisationsverschulden zurückzuführen, da der Rechtsanwalt sein Personal nicht auf diese einfachen Regeln hingewiesen habe und entsprechende Anweisungen erteilt habe.

5

Dagegen wendet sich der Anmelder mit seiner Beschwerde, mit der er den Antrag auf Wiedereinsetzung weiterverfolgt.

6

Er ist der Auffassung, dass die Fristversäumung auf einem unvorhersehbaren Fehlverhalten der bislang zuverlässigen Angestellten seines [X.]n beruhe, welches dem Anmelder nicht zugerechnet werden könne.

7

Nach dem Vorbringen des Anmelders, zu dessen Glaubhaftmachung er eine anwaltliche Versicherung des [X.]n und eine eidesstattliche Versicherung der Rechtsanwaltsfachangestellten [X.] vorgelegt hat, sei nach Erhalt des die Anmeldung teilweise zurückweisenden [X.]usses zunächst die Entscheidung des Anmelders abgewartet worden, ob der Rechtsbehelf der Erinnerung eingelegt werden solle. Nachdem der Anmelder am 25. Juli 2014 fernmündlich mitgeteilt habe, dass die Zahlung der Gebühr zum 30. Juli 2014 erfolgen werde, sei von der Angestellten das Fristende „04.08.“ auf dem [X.] notiert worden. Der [X.] sei vor der Urlaubsabwesenheit des [X.]n ab dem 28. Juli 2014, mithin vor Fristablauf fertig diktiert worden, die [X.] [X.] habe vom [X.]n die [X.] erhalten, die angekündigte Zahlung der [X.] zum 30. Juli 2014 abzuwarten, die bereits gefertigte Erinnerung nebst ebenfalls bereits fertiggestellter Erinnerungsbegründung durch die anwaltliche Urlaubsvertretung unterzeichnen zu lassen und diese sodann fristgerecht einzureichen.

8

Am 30. Juli 2014 habe der Anmelder die Zahlung der Gebühr telefonisch mitgeteilt, dennoch habe die [X.] den Schriftsatz erst am 6. August 2014 der Urlaubsvertreterin des [X.]n zur Unterzeichnung vorgelegt. Ein Hinweis auf den Ablauf der Frist habe die Urlaubsvertretung nicht erhalten, da die [X.] davon ausgegangen sei, die Erinnerung sei schon durch die Zahlung der [X.] ausdrücklich eingelegt worden. Die [X.] habe die Frist „04.08.“ daher gestrichen und eine neue Frist „12.9.“ notiert.

9

Der Anmelder trägt weiterhin vor, die Fristenkontrolle im Büro des [X.]n sei so geregelt, dass die Frist regelmäßig erst dann gestrichen werde, wenn die Einreichung der jeweiligen Schriftsätze erfolgt sei. Dazu befinde sich innerhalb jeder Akte vorne ein Fristzettel, auf dem - neben der Fristennotierung innerhalb eines elektronischen Kalenders und einer weiteren Fristennotierung innerhalb eines Buchkalenders - eine Notierung der Fristen in der Akte direkt erfolge, wobei Notfristen farblich (rot) unterscheidbar seien. Des Weiteren seien Ablauffristen durch den Zusatz „[X.]“ gekennzeichnet. Ferner bestehe eine allgemeine Anweisung, dass bei fristgebundenen Schriftsätzen eine Frist im Kalender immer erst dann gestrichen werden dürfe, wenn die beauftragte Bürokraft sich von der Erledigung der fristgebundenen Sachen vergewissert habe, insbesondere fristgebundene Schriftsätze versandt habe.

Der Anmelder ist der Auffassung, die Fristversäumnis beruhe nicht auf einem ihm zurechenbaren Organisationsverschulden des [X.]n aufgrund einer fehlenden Anweisung, sondern auf einem erstmaligen Nichthandeln der bislang bewährten und sorgfältig überwachten [X.]n [X.] trotz ausdrücklicher Anweisung des [X.]n. Dieser habe nicht damit rechnen müssen, dass die [X.] ihre unzutreffende Rechtsauffassung erstmals und überraschend über die konkrete [X.] gestellt habe.

Der Anmelder beantragt sinngemäß,

den [X.]uss der Markenstelle für Klasse 28 vom 5. November 2014 aufzuheben und ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betreffend die Frist zur Einlegung der Erinnerung zu gewähren.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

Das [X.] hat dem Anmelder die beantragte Wiedereinsetzung im Ergebnis zu Recht versagt, weil die Versäumung der Erinnerungsfrist auf einem Verschulden seines [X.]n beruht, das ihm nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist. Der Anmelder hat weder dargetan noch glaubhaft gemacht, dass sein [X.]r durch eine ordnungsgemäße Organisation der Fristenkontrolle in seiner Kanzlei dafür Sorge getragen hat, dass [X.] bzw. [X.] nicht versäumt werden.

1. Die Erinnerung ist erst am 6. August 2014 und damit nach Ablauf der am Montag, den 4. August 2014 endenden Frist zur Einlegung der Erinnerung eingegangen.

2. Der Anmelder konnte nicht glaubhaft machen, dass die Fristversäumung nicht auf einem - ihm zuzurechnenden - anwaltlichen Organisationsmangel in der abendlichen [X.] in der Kanzlei seines [X.]n beruht, §§ 91, 82 Abs. 1 [X.] i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO.

a) Dem steht nicht entgegen, dass der [X.] der bislang zuverlässigen und ordnungsgemäß ausgewählt und überwachten [X.]n Sonnet die konkrete [X.] gegeben hat, den [X.] fristgerecht und unterzeichnet einzureichen.

Denn der Anmelder konnte nicht glaubhaft machen, dass die Versäumung der Erinnerungsfrist allein auf dem Versehen der [X.]n beruht, welche die vorgetragene [X.] nicht korrekt ausgeführt hat.

Grundsätzlich darf ein Rechtsanwalt darauf vertrauen, dass eine ausgebildete [X.], die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete [X.] befolgt. Er ist deshalb im Allgemeinen nicht verpflichtet, sich anschließend über die Ausführung seiner Weisung zu vergewissern (st. Rspr., vgl. [X.], B. v. 22.6.2004 – VI ZB 10/04; [X.] – XII ZB 190/07; [X.] – XII ZB 277/11 - alle juris, jeweils m. w. N.).

Beinhaltet eine mündliche Anweisung - wie im vorliegenden Fall, in dem die fristwahrende Absendung der [X.] nach dem Vortrag des Anmelders erst einige Tage nach der Anweisung der Urlaubsvertretung des [X.]n zur Unterschrift vorgelegt und abgesendet werden sollte - nicht zugleich die Anordnung, die entsprechende Handlung sogleich vorzunehmen, müssen ausreichende organisatorische Vorkehrungen dafür getroffen werden, dass die rechtzeitige Übermittlung des fristwahrenden Schriftsatzes nicht unterbleibt (vgl. z. B. [X.] [X.]. v. 15.11.2007 – IX ZB 219/06; – juris).

Zu den Anforderungen an eine den o. g. Zwecken genügende Büroorganisation gehört eine Anordnung, durch die gewährleistet wird, dass am Ende jedes [X.] im Wege einer Endkontrolle von einer dazu beauftragten Bürokraft geprüft wird, welche fristwahrenden Schriftsätze hergestellt, abgesandt oder zumindest versandfertig gemacht worden sind und ob diese mit den im jeweils zu führenden Fristenkalender vermerkten Sachen korrespondieren (vgl. [X.], [X.]. v. 2.3.2000; s. a. [X.], [X.]. v. 13.9.2009 – III ZB 26/07; [X.]. v. 26.4.2012 - V ZB 45/11, - alle juris), wobei der Fristenkalender so zu führen ist, dass auch eine gestrichene Frist bei der Endkontrolle noch überprüfbar ist ([X.] [X.]. v. 4.11.2014 – [X.]14 m. w. N. – juris). Sinn und Zweck dieser zusätzlichen [X.] ist die erneute und abschließende Überprüfung anhand der Ausgangspost oder gegebenenfalls anhand der Akten, ob möglicherweise in einer bereits als erledigt vermerkten [X.] die fristwahrende Handlung noch aussteht oder die Frist irrtümlich gestrichen wurde.

Nach dem Vortrag des Anmelders ist nicht ersichtlich, ob und in welcher Weise die Büroorganisation seines [X.]n gestaltet ist, um diesen Anforderungen an die Sorgfaltspflicht eines Rechtsanwaltes zu entsprechen. Insbesondere fehlen Angaben, ob eine Endkontrolle im vorgenannten Sinne überhaupt erfolgt, und falls ja, wie diese gestaltet ist. Er hat lediglich die Verfahrensweise bezüglich der Eintragung und Löschung von Notfristen im Buchkalender und im elektronischen Kalender sowie in der jeweiligen Akte selbst vorgetragen.

Mit einer entsprechenden allabendlichen Endkontrolle hätte auch die vorliegende Fristversäumnis vermieden werden können. Der Fristablauf am 4. August 2014 war - wie aus den eingereichten Kopie bzw. Ausdrucken ersichtlich - im elektronischen Fristenkalender sowie im Buchkalender korrekt eingetragen und in der Akte vermerkt. Der [X.] war bereits fertig diktiert und musste lediglich noch von der Urlaubsvertreterin des Verfahrensbevollmächtigen des Anmelders unterzeichnet und versandt werden. Sofern in der Kanzlei des [X.]n eine entsprechende Anordnung zur Durchführung der beschriebenen [X.] bestanden hätte, wäre nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge bei ansonsten pflichtgemäßem Verhalten der zuständigen Mitarbeiter die Frist nicht versäumt worden, denn bei der [X.] wäre aufgefallen, dass die Frist gestrichen war, obwohl weder in der Ausgangspost noch in der Akte ein entsprechender Schriftsatz zu finden war. Soweit nach dem Vortrag des Anmelders die Frist aus Rechtsunkenntnis gestrichen wurde, weil die beauftragte [X.] rechtsirrtümlich angenommen habe, die Frist sei schon mit der Einzahlung der Gebühren gewahrt, hätte auch diese bewusste Streichung der Frist durch die vorstehend geschilderte Endkontrolle verhindert werden können. Die [X.], auf die sich der Anmelder beruft, war hingegen für sich betrachtet nicht geeignet, die Rechtsunkenntnis der [X.]n Sonnet auszugleichen, da – wie bereits ausgeführt – keine Vorkehrungen gegen ein Vergessen dieser [X.] getroffen waren.

Da für die Fristversäumnis auch ein Organisationsmangel ursächlich gewesen ist, konnte die Wiedereinsetzung nicht gewährt werden.

Meta

24 W (pat) 5/15

23.06.2015

Bundespatentgericht 24. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 85 Abs 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 23.06.2015, Az. 24 W (pat) 5/15 (REWIS RS 2015, 9311)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 9311

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