Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.09.2015, Az. IX ZB 91/13

9. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 4897

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Gegenstand

Internationale Rechtshilfe: Zustellung eines Urteils im Irak


Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegner wird der Beschluss des 16. Zivilsenats des [X.] vom 26. November 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des [X.] wird auf 3.500.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin erwirkte gegen die Antragsgegner ein Urteil des Gerichtshofs [X.], [X.], vom 31. Oktober 2000, durch welches diese verurteilt wurden, als Gesamtschuldner 6.808.248 [X.] nebst Zinsen und Kosten an die Antragstellerin zu zahlen. Die Antragsgegner hatten sich in dem Verfahren vor dem [X.] Gericht nicht eingelassen.

2

Auf Veranlassung der Antragstellerin hat das [X.] mit Beschluss vom 2. August 2011 angeordnet, das Urteil gemäß Art. 31 ff EuGVÜ mit der Vollstreckungsklausel zu versehen. Das [X.] hat die Zustellung des Beschlusses auf dem diplomatischen Weg veranlasst. Mit E-Mail vom 25. April 2012 hat eine Mitarbeiterin der [X.] Botschaft in [X.] mitgeteilt, dass das Zustellungsersuchen mit [X.] vom 12. April 2012 an das [X.] weitergeleitet und die Auslieferung der Schriftstücke am 15. April 2012 durch einen Fahrer der Botschaft erfolgt sei. Eine Quittung sei nicht erteilt worden.

3

Mit E-Mail vom 10. Dezember 2012 hat das [X.] dem Justizminister des [X.] die Sachstandsmitteilung des [X.] übermittelt, dass das [X.] nach Erinnerungen nunmehr mit [X.] vom 13. November 2012 bestätigt habe, dass das Zustellungsersuchen den [X.] Stellen vorliege, aber man noch auf eine Rückmeldung der zuständigen Stelle warte.

4

Mit Schriftsatz vom 4. Dezember 2012 haben sich für die Antragsgegner beim [X.] Verfahrensbevollmächtigte bestellt und Akteneinsicht beantragt. Diese wurde ihnen vom [X.] unter Berufung auf Art. 41 [X.] verweigert, wonach dem Schuldner im Exequaturverfahren keine Gelegenheit zu geben sei, eine Erklärung abzugeben. Es müsse erst der Eingang des [X.] abgewartet werden, welcher noch nicht vorliege.

5

Am 22. Januar 2013 wurde den Verfahrensbevollmächtigten der angefochtene Beschluss durch das [X.] förmlich zugestellt. Am 2. Februar 2013 haben sie Akteneinsicht erhalten. Mit einem am 20. Februar 2013 per Fax eingegangenen Schriftsatz haben sie Beschwerde gegen die Vollstreckbarerklärung eingelegt.

6

Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antragsgegner, die die Aufhebung der Entscheidung des [X.] begehren und die Zurückverweisung zur Sachentscheidung.

II.

7

Auf das Vollstreckbarerklärungsverfahren ist gemäß § 66 Abs. 2 [X.] aF noch das [X.] EWG-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen anwendbar (nachfolgend: EuGVÜ). Hierüber herrscht zwischen den Beteiligten kein Streit.

8

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß Art. 41 EuGVÜ, § 15 Abs. 1 [X.] in Verbindung mit § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft und gemäß § 15 Abs. 1 [X.], § 574 Abs. 2 ZPO zulässig. Sie führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.

9

1. Das Beschwerdegericht hat gemeint, die Beschwerde sei wegen Versäumung der Beschwerdefrist unzulässig. Die Beschwerde sei nach Art. 36 Abs. 1 EuGVÜ in Verbindung mit § 55 Abs. 2 [X.] innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der angefochtenen Entscheidung einzulegen, wenn der Schuldner - wie hier - seinen Wohnsitz im Ausland habe.

Die Beschwerde sei am 20. Februar 2013 bei Gericht eingegangen und damit verspätet, weil die Zustellung bereits am 15. April 2012 erfolgt sei. Anwendbar sei mangels eines bilateralen Abkommens mit dem [X.] § 183 ZPO. Die Zustellung an [X.] erfolge nach § 183 Abs. 2 ZPO auf diplomatischem Wege, Adressat der Zustellung sei das [X.] des betreffenden Staates zur Weiterleitung an die zuständige Behörde. Zeitpunkt der Zustellung sei die Übergabe an das [X.]. Das gelte für beide Antragsgegner, weil auch der Antragsgegner zu 2 eine staatliche Organisation sei. Die Entscheidung des [X.]s sei dem [X.] [X.] am 15. April 2012 ausgeliefert worden, was von den [X.] auch nicht bestritten werde. Nach § 183 Abs. 4 Satz 2 ZPO werde die Zustellung auf diplomatischem Wege durch das Zeugnis der ersuchten Behörde, d.h. der [X.] Botschaft in [X.], nachgewiesen. Auf ein Empfangsbekenntnis des Empfängers komme es nicht an. Ob als Zustellzeugnis die E-Mail der Botschaftsangestellten ausreiche, könne dahinstehen, weil die Beurkundung lediglich dem Nachweis der Zustellung diene, nicht aber notwendiger Bestandteil der Zustellung sei.

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand.

Entgegen der Ansicht des [X.] ist die Entscheidung des [X.]s nicht bereits am 15. April 2012 wirksam an die Antragsgegner zugestellt worden.

Die Zustellung sollte nach § 183 Abs. 2 ZPO erfolgen, weil im Verhältnis zum [X.] der [X.] auf vertragloser Grundlage stattfindet, das heißt aufgrund gegenseitigen Entgegenkommens (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 3 [X.]). Ausgehende Ersuchen werden grundsätzlich durch ausländische Stellen erledigt (§ 12 [X.]). Die [X.] Auslandsvertretungen sollen zur Erledigung in eigener Zuständigkeit nur in Ausnahmefällen in Anspruch genommen werden, etwa für Zustellungen bei [X.] (§ 14 [X.]).

Ob, wie das Beschwerdegericht - anders als das [X.] - gemeint hat, eine Zustellung an die Antragsgegner durch die [X.] Botschaft in [X.] durch Übergabe der erforderlichen Schriftstücke an das [X.] des [X.] hätte erfolgen können, kann dahinstehen. Denn eine Übergabe der Schriftstücke zum Zwecke der Zustellung ist nicht erfolgt. Vielmehr konnte das [X.] des [X.] die übergebenen Schriftstücke nach ihrem klaren Wortlaut nur dahin verstehen, dass es selbst die Zustellung erst vermitteln sollte. In diesem Sinne hat es ausweislich seiner [X.] vom 13. November 2012 das Zustellungsersuchen auch verstanden.

Das [X.] hatte für beide Antragsgegner getrennte Zustellungsersuchen übermittelt. An die C.                    (Antragsgegner zu 2) sollte nach dem Ersuchen durch die zuständige Behörde im [X.] zugestellt werden. Es wurde um einen Zustellungsnachweis der [X.] Behörde ersucht. Ein solcher Zustellungsnachweis liegt nicht vor.

Das Zustellungsersuchen betreffend den Antragsgegner zu 1 ist ebenfalls so zu verstehen, dass die Zustellung über die zuständige Behörde des [X.] erfolgen sollte. Auch hier wurde um einen Zustellungsnachweis der zuständigen Behörde des [X.] gebeten. Auch einen solchen gibt es nicht. Es kann aber nicht die Übergabe von Schriftstücken an eine Stelle eines auswärtigen Staates mit der Bitte, diese Schriftstücke an die genannten Empfänger zuzustellen, nachträglich und abweichend vom Zustellungsersuchen als bereits erfolgte Zustellung bewertet werden.

3. Die Entscheidung des [X.] ist auch nicht aus anderen Gründen richtig, § 17 Abs. 2 [X.], § 577 Abs. 3 ZPO.

Eine solche Heilung kann insbesondere nicht darin gesehen werden, dass sich die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegner am 5. Dezember 2012 beim [X.] bestellt haben.

Grundsätzlich kommt eine Heilung von [X.] nach § 189 ZPO auch bei [X.] in Betracht ([X.]/[X.], ZPO, 30. Aufl., § 183 Rn. 29; [X.] in [X.], ZPO, 36. Aufl., § 189 Rn. 3; Münch- [X.], 4. Aufl., § 183 Rn. 17 f).

Allein aus der Bestellung der Verfahrensbevollmächtigten lässt sich aber nicht mit ausreichender Sicherheit ableiten, dass den Zustellungsempfängern die Schriftstücke, die gemäß § 11 Abs. 3 Satz 2, § 10 Abs. 1 [X.] zuzustellen waren, auch zugegangen sind. Es bestehen zwar erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass die Verfahrensbevollmächtigten zumindest den landgerichtlichen Beschluss in [X.]r Sprache erhalten haben, weil das von ihnen angegebene Rubrum nahezu identisch ist mit demjenigen des landgerichtlichen Beschlusses. Da dieses verschiedene ungewöhnliche Eigentümlichkeiten aufweist, insbesondere was die Bezeichnung des Antragsgegners zu 1 betrifft, kann ein Zufall in der Übereinstimmung ausgeschlossen werden. Nicht feststellbar ist aber, ob dieser Beschluss vollständig zugegangen ist und ob auch die sonstigen erforderlichen Unterlagen zugegangen sind, insbesondere eine Abschrift des [X.] Urteils und die erforderlichen Übersetzungen in die [X.] Sprache.

Der Zustellungsmangel hätte zwar womöglich durch Akteneinsicht geheilt werden können, die jedoch vom [X.] wegen fehlender vorheriger Zustellung verweigert worden war. Das war zwar nicht im Hinblick auf den herangezogenen Art. 41 [X.] aF, wohl aber im Hinblick auf Art. 34 Abs. 1 EuGVÜ, § 6 Abs. 1 [X.] zutreffend.

4. Ob die Zustellung allein des Beschlusses des [X.]s an die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegner am 22. Januar 2013 als ausreichende Zustellung an die Antragsgegner gemäß § 11 Abs. 3 Satz 2, § 10 Abs. 1 [X.] angesehen werden kann, mag dahinstehen. Die am 20. Februar 2013 per Fax eingelegte Beschwerde war, die Zustellung am 22. Januar 2013 unterstellt, jedenfalls rechtzeitig erhoben, weil die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde, die gemäß Art. 36 Abs. 2 EuGVÜ, § 15 Abs. 2 [X.] jedenfalls nicht kürzer als einen Monat ist, noch nicht abgelaufen war.

III.

Die Entscheidung des [X.] kann demnach keinen Bestand haben. Sie ist gemäß § 17 Abs. 2 [X.], § 577 Abs. 4 ZPO aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung, insbesondere zur Hauptsache, zurückzuverweisen.

Kayser                           Gehrlein                    Vill

                Lohmann                          Bär

Meta

IX ZB 91/13

24.09.2015

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Köln, 26. November 2013, Az: 16 W 7/13

§ 183 Abs 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.09.2015, Az. IX ZB 91/13 (REWIS RS 2015, 4897)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 4897


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. IX ZB 91/13

Bundesgerichtshof, IX ZB 91/13, 24.09.2015.


Az. 16 W 7/13

Oberlandesgericht Köln, 16 W 7/13, 19.11.2014.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

V ZB 125/15

IX ZB 83/16

V ZB 125/15

25 W 962/18

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