Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.09.2015, Az. IX ZB 91/13

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 4865

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB
91/13
vom

24. September 2015

in dem
Verfahren auf Vollstreckbarerklärung

-

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-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.],
die
Richter
Prof. Dr. Gehrlein,
[X.], die Richterin [X.] und den Richter Dr.
Bär

am
24. September 2015
beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegner wird der Beschluss des 16.
Zivilsenats des [X.] vom 26. Novem-ber 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Beschwerdegericht zu-rückverwiesen.

Der Gegenstandswert des [X.] wird auf 3.500.000

Gründe:

I.

Die Antragstellerin erwirkte gegen die Antragsgegner ein Urteil des Ge-richtshofs
Den
Haag, [X.], vom 31.
Oktober 2000,
durch welches diese verurteilt wurden, als Gesamtschuldner 6.808.248
NLG nebst Zinsen und [X.]
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ten an die Antragstellerin zu zahlen. Die Antragsgegner hatten sich in dem [X.] vor dem [X.] Gericht nicht eingelassen.

Auf Veranlassung der Antragstellerin hat das [X.] mit Beschluss vom 2.
August 2011 angeordnet, das Urteil gemäß Art.
31
ff [X.] mit der Vollstreckungsklausel zu versehen. Das [X.] hat
die Zustellung des [X.] auf dem diplomatischen Weg veranlasst. Mit E-Mail vom 25.
April 2012 hat eine Mitarbeiterin der [X.] Botschaft in [X.] mitgeteilt, dass das Zustellungsersuchen mit
[X.] vom 12.
April 2012 an das Außenmi-nisterium
der Republik [X.] weitergeleitet und die Auslieferung der Schriftstücke am 15.
April 2012 durch einen Fahrer der Botschaft erfolgt sei. Eine Quittung sei nicht erteilt worden.

Mit E-Mail vom 10.
Dezember 2012 hat das [X.] dem Justizminister des [X.] die Sachstandsmitteilung des [X.] übermittelt, dass das [X.] nach [X.] nunmehr mit [X.] vom 13.
November 2012 bestätigt habe, dass das Zustellungsersuchen den [X.] Stellen vorliege, aber man noch auf eine Rückmeldung der zuständigen Stelle warte.

Mit Schriftsatz vom 4.
Dezember 2012 haben sich für die Antragsgegner beim [X.] Verfahrensbevollmächtigte bestellt und Akteneinsicht [X.]. Diese wurde ihnen vom [X.] unter Berufung
auf Art.
41 [X.] verweigert, wonach dem Schuldner im Exequaturverfahren keine Gelegenheit zu geben sei, eine Erklärung abzugeben. Es müsse erst der Eingang des [X.] abgewartet werden, welcher noch nicht vorliege.

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Am 22.
Januar 2013 wurde den Verfahrensbevollmächtigten der [X.] Beschluss durch das [X.] förmlich zugestellt. Am 2.
Februar 2013 haben sie Akteneinsicht erhalten. Mit einem am 20.
Februar 2013 per Fax eingegangenen Schriftsatz haben sie Beschwerde gegen die Vollstreckbarer-klärung eingelegt.

[X.] hat die Beschwerde als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antragsgegner, die die [X.] der Entscheidung des [X.] begehren und die [X.].

II.

Auf das Vollstreckbarerklärungsverfahren ist gemäß §
66 Abs.
2
[X.] aF noch das [X.] EWG-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil-
und Handelssachen anwendbar (nachfolgend: [X.]). Hierüber herrscht zwischen den Beteiligten kein Streit.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß Art.
41 [X.], §
15 Abs. 1 [X.] in Verbindung mit §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1 ZPO statthaft und gemäß §
15 Abs.
1 [X.], §
574 Abs.
2 ZPO zulässig. Sie führt zur Aufhebung und Zurückverwei-sung der Sache an das Beschwerdegericht.

1. [X.] hat gemeint, die Beschwerde sei wegen [X.] der Beschwerdefrist unzulässig. Die Beschwerde sei
nach Art.
36 Abs.
1 [X.] in Verbindung mit §
55 Abs.
2 [X.] innerhalb von zwei Mona-5
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ten nach Zustellung der angefochtenen Entscheidung einzulegen, wenn der Schuldner -
wie hier
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seinen Wohnsitz im Ausland habe.

Die Beschwerde sei am 20.
Februar 2013
bei Gericht eingegangen und damit verspätet, weil die Zustellung bereits am 15.
April 2012 erfolgt sei. [X.] sei mangels eines bilateralen Abkommens mit dem [X.] §
183 ZPO. Die Zustellung an [X.] erfolge nach §
183 Abs.
2 ZPO auf diplomatischem Wege, Adressat der Zustellung sei das [X.] des betreffenden Staates zur Weiterleitung an die zuständige Behörde. Zeitpunkt der Zustellung sei die Übergabe an das [X.]. Das gelte für beide Antragsgegner, weil auch der Antragsgegner zu
2 eine staatliche Organisation sei. Die Ent-scheidung des [X.]s sei dem [X.] [X.] am 15.
April 2012 ausgeliefert worden, was von den [X.] auch nicht bestritten werde. Nach §
183 Abs.
4 Satz
2 ZPO werde die Zustellung auf diplomatischem Wege durch das Zeugnis der ersuchten Behörde, d.h. der [X.] Botschaft in [X.], nachgewiesen. Auf ein Empfangsbekenntnis des Empfängers [X.] es nicht an. Ob als Zustellzeugnis die E-Mail der Botschaftsangestellten ausreiche, könne dahinstehen, weil die Beurkundung lediglich dem Nachweis der Zustellung diene, nicht aber notwendiger Bestandteil der Zustellung sei.

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand.

Entgegen der Ansicht des [X.] ist die Entscheidung des [X.]s nicht bereits am 15.
April 2012 wirksam an die Antragsgegner zu-gestellt worden.

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Die Zustellung sollte nach §
183 Abs.
2 ZPO erfolgen, weil im Verhältnis zum [X.] der [X.] auf vertragloser Grundlage stattfindet, das heißt
aufgrund gegenseitigen Entgegenkommens (vgl. §
3 Abs.
1 Nr.
3 [X.]). Ausgehende Ersuchen werden grundsätzlich durch ausländische Stellen erle-digt (§
12 [X.]). Die [X.] Auslandsvertretungen sollen zur Erledigung in eigener Zuständigkeit nur
in Ausnahmefällen in Anspruch genommen werden, etwa für Zustellungen bei [X.] (§
14 [X.]).

Ob, wie das Beschwerdegericht -
anders als das [X.]
-
gemeint hat, eine Zustellung an die Antragsgegner durch die [X.] Botschaft in
Bag-dad durch Übergabe der erforderlichen Schriftstücke an das [X.] des [X.] hätte erfolgen können, kann dahinstehen. Denn eine Übergabe der Schriftstücke zum Zwecke der Zustellung ist nicht erfolgt. Vielmehr konnte das [X.] des [X.] die übergebenen Schriftstücke nach ihrem klaren Wortlaut nur dahin verstehen, dass es selbst die Zustellung erst vermitteln soll-te. In diesem Sinne hat es ausweislich seiner [X.] vom 13. November 2012 das Zustellungsersuchen auch verstanden.

Das [X.] hatte
für beide Antragsgegner getrennte [X.] übermittelt. An die C.

(Antragsgegner zu
2) sollte nach dem Ersuchen durch die zuständige Behörde im [X.] zugestellt werden. Es wurde um einen Zustellungsnachweis der [X.] Behörde ersucht. Ein solcher Zustellungsnachweis liegt nicht vor.

Das
Zustellungsersuchen betreffend den
Antragsgegner zu
1
ist [X.] so zu verstehen, dass die Zustellung über die zuständige Behörde des [X.] erfolgen sollte. Auch hier wurde um einen Zustellungsnachweis der zuständigen Behörde des [X.] gebeten. Auch einen
solchen
gibt es nicht.
Es kann aber nicht 13
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die Übergabe von Schriftstücken an eine Stelle eines auswärtigen Staates mit der Bitte, diese Schriftstücke an die genannten Empfänger zuzustellen, nach-träglich und abweichend vom Zustellungsersuchen
als bereits erfolgte Zustel-lung bewertet werden.

3. Die Entscheidung des [X.] ist auch nicht aus anderen Gründen richtig, §
17 Abs.
2 [X.], §
577 Abs.
3 ZPO.

Eine solche Heilung kann insbesondere nicht darin gesehen werden, dass sich die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegner am 5.
Dezember 2012
beim [X.]
bestellt haben.

Grundsätzlich kommt eine Heilung von [X.] nach §
189 ZPO auch bei [X.] in Betracht ([X.]/[X.], ZPO, 30.
Aufl., §
183 Rn.
29; [X.] in [X.], ZPO, 36.
Aufl., §
189 Rn.
3; [X.], 4.
Aufl., §
183 Rn.
17
f).

Allein aus der Bestellung der Verfahrensbevollmächtigten lässt sich
aber
nicht mit ausreichender Sicherheit ableiten, dass den
Zustellungsempfängern
die Schriftstücke, die gemäß §
11 Abs.
3 Satz
2, §
10 Abs.
1 [X.] zuzustellen waren, auch zugegangen sind. Es bestehen zwar erhebliche Anhaltspunkte [X.], dass die Verfahrensbevollmächtigten zumindest den landgerichtlichen Be-schluss in [X.]r Sprache erhalten haben, weil das von ihnen angegebene Rubrum nahezu identisch ist mit demjenigen des landgerichtlichen Beschlus-ses. Da dieses verschiedene ungewöhnliche Eigentümlichkeiten aufweist, ins-besondere was die Bezeichnung des Antragsgegners zu
1 betrifft, kann ein Zu-fall in der Übereinstimmung ausgeschlossen werden. Nicht feststellbar ist aber, ob dieser Beschluss vollständig zugegangen ist und ob auch die sonstigen
er-17
18
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-
forderlichen Unterlagen
zugegangen sind, insbesondere eine Abschrift des nie-derländischen Urteils und die erforderlichen Übersetzungen in die [X.].

Der Zustellungsmangel hätte zwar womöglich durch Akteneinsicht geheilt werden können, die jedoch vom [X.] wegen fehlender vorheriger Zustel-lung verweigert worden war. Das war zwar nicht im Hinblick auf den herange-zogenen Art.
41 [X.] aF, wohl aber im Hinblick auf Art.
34 Abs.
1 [X.], §
6 Abs.
1 [X.] zutreffend.

4. Ob die Zustellung allein des Beschlusses des [X.]s an die [X.]sbevollmächtigten der Antragsgegner am 22.
Januar 2013 als ausrei-chende Zustellung an die Antragsgegner gemäß §
11 Abs.
3 Satz
2, §
10 Abs.
1 [X.] angesehen
werden kann, mag
dahinstehen. Die am 20.
Februar 2013 per Fax eingelegte Beschwerde war, die Zustellung am 22.
Januar 2013 unterstellt, jedenfalls rechtzeitig erhoben, weil die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde, die
gemäß
Art.
36 Abs.
2 [X.], §
15 Abs.
2 [X.] je-denfalls nicht kürzer als einen Monat ist, noch nicht abgelaufen war.

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III.

Die Entscheidung des [X.] kann demnach keinen [X.] haben. Sie ist gemäß §
17 Abs.
2 [X.], §
577 Abs.
4 ZPO aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung, insbesondere zur Hauptsache, zu-rückzuverweisen.

Kayser

Gehrlein
[X.]

[X.]
Bär
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 02.08.2011 -
1 [X.]/11 -

OLG [X.], Entscheidung vom 26.11.2013 -
16 W 7/13 -

23

Meta

IX ZB 91/13

24.09.2015

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.09.2015, Az. IX ZB 91/13 (REWIS RS 2015, 4865)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 4865

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