Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.12.2015, Az. 2 ARs 434/14

2. Strafsenat | REWIS RS 2015, 95

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Tenor

Der beabsichtigten Entscheidung des 5. Strafsenats steht Rechtsprechung des [X.] nicht entgegen. An eventuell früher abweichender Rechtsprechung hält der [X.] nicht fest.

Gründe

1

Der 5. Strafsenat hat in dem Verfahren 5 [X.] über die Revision eines Angeklagten zu entscheiden, der vom [X.] wegen vorsätzlichen Inverkehrbringens bedenklicher Arzneimittel in 87 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt worden ist. Zugrunde liegt ein Fall, in dem der Angeklagte Kräutermischungen aus getrocknetem Pflanzenmaterial in Verkehr gebracht hat, denen verschiedene, dem [X.] zum damaligen Zeitpunkt weitgehend noch nicht unterliegende synthetische Cannabinoide zugesetzt waren. Einen therapeutischen oder medizinisch-prophylaktischen Nutzen für die Gesundheit der Konsumenten hatten die Kräutermischungen nicht.

2

Der 5. Strafsenat ist der Auffassung, die vom Angeklagten vertriebenen Kräutermischungen könnten im Lichte der Rechtsprechung des [X.] in dessen Urteil vom 10. Juli 2014 – [X.]/13 und [X.] (NStZ 2014, 461) nicht als Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 AMG angesehen werden. Deshalb könne der Schuldspruch keinen Bestand haben. Er meint aber, soweit nicht das [X.] Anwendung finde, sei das Inverkehrbringen der Kräutermischungen als Vergehen gemäß § 52 Abs. 2 Nr. 1 [X.] anzusehen. Es handele sich bei den Kräutermischungen um den Tabakerzeugnissen ähnliche Waren; denn diese seien zum Rauchen bestimmt. Der Vorgang sei dem Rauchen von Zigaretten ähnlich, ohne dass es darauf ankomme, ob die verwendeten Stoffe mit Tabakerzeugnissen verwechselbar seien. Nach dem Wortlaut des § 3 Abs. 2 Nr. 1 [X.] komme es nicht darauf an, dass der Konsument zusätzlich zum Erlebnis des Rauchens eine Rauschwirkung erzielen wolle. Der Normzweck des Gesundheitsschutzes gebiete die Einbeziehung der Kräutermischungen in den Begriff der tabakähnlichen Erzeugnisse im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 1 [X.]. Nur Betäubungsmittel im Sinne des [X.]es seien vorrangig nach Betäubungsmittelrecht zu beurteilen und deshalb nicht dem Tabakrecht unterworfen.

3

Der 5. Strafsenat fragt an, ob Rechtsprechung des [X.]s, insbesondere dessen Beschluss vom 13. August 2014 – 2 StR 22/13, entgegensteht. Dies ist nicht der Fall; vorsorglich gibt der [X.] entgegenstehende Rechtsprechung auf.

4

Der [X.] stimmt mit dem 5. Strafsenat darin überein, dass der Begriff des Funktionsarzneimittels auch voraussetzt, dass das Mittel – unbeschadet eventueller gesundheitsschädlicher Nebenfolgen – jedenfalls unter anderem auch eine positive Wirkung auf die Gesundheit hat oder haben soll.

5

Zu den [X.] zählen alle Stoffe und Stoffzubereitungen, die im oder am menschlichen Körper angewendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe [X.]). Das Produkt muss die Körperfunktionen nachweisbar und in nennenswerter Weise wiederherstellen, korrigieren oder beeinflussen können, wobei auf dessen bestimmungsgemäßen Gebrauch abzustellen ist. Unter Berücksichtigung der Vorgaben des [X.] in seinem Urteil vom 10. Juli 2014 - [X.]/13 und [X.] – (NStZ 2014, 461 ff.) sind aber solche Stoffe oder Stoffzusammensetzungen keine Funktionsarzneimittel, deren Wirkung sich auf eine schlichte Beeinflussung der physiologischen Funktionen beschränkt, ohne dass sie geeignet wären, der menschlichen Gesundheit unmittelbar oder mittelbar zuträglich zu sein.

6

Das entspricht der Rechtsprechung des [X.] (vgl. BVerwG, Urteile vom 20. November 2014 – 3 C 25/13, 26/13, 27/13, NVwZ 2015, 425 ff., 749 ff., [X.] 2015, 252, 257 ff.) und derjenigen des [X.]s (Urteil vom 23. Dezember 2015 - 2 StR 525/13).

7

Dementsprechend hat der [X.] durch seinen Beschluss vom 13. August 2014 - 2 StR 22/13 - auf einen nach dem Vorabentscheidungsverfahren geänderten Antrag des [X.] die Verurteilung eines Angeklagten gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 1 AMG aufgehoben. In einer Reihe von Fällen, in denen der Angeklagte jenes Verfahrens weder nach dem [X.] noch nach dem [X.] verurteilt werden konnte, hat es ihn freigesprochen.

8

Über die weitere Frage, ob eine Verurteilung nach § 52 [X.] in Betracht kommt, hat der [X.] dort nicht ausdrücklich entschieden. Diese Frage wurde in jenem Fall weder vom [X.] noch von der Revision, dem [X.] oder dem [X.] ausdrücklich thematisiert.

9

Zugrunde lag folgende Feststellung des Tatgerichts: „Auf den Päckchen befand sich der Hinweis, dass die Kräutermischung nicht zum menschlichen Konsum, sondern nur zum Verräuchern bestimmt sei. Allerdings wusste der Angeklagte, dass seine Kunden die Kräutermischungen zum Rauchen in Form von Joints oder mittels Wasserpfeife erwarben. Ein Verräuchern im Sinne einer Raumerfrischung war eine völlig zu vernachlässigende Verwendungsweise.“

Nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 [X.] stehen den Tabakerzeugnissen ähnliche Waren den Tabakerzeugnissen gleich, die zum Rauchen, Kauen oder anderweitigen oralen Gebrauch oder zum Schnupfen bestimmt sind. Welche Anforderungen an die Eigenschaften von tabakähnlichen Waren oder deren Zweckbestimmung zu stellen sind (einschränkend [X.], Beschluss vom 20. Januar 2015 – 3 [X.], [X.], 142, 143 f.), hat der [X.] in seinem Beschluss vom 13. August 2014 - 2 StR 22/13 - nicht entschieden. Soweit damit angedeutet sein könnte, dass die §§ 3 Abs. 2, 52 Abs. 2 Nr. 1 [X.] auf ein Rauchen von Kräutermischungen nicht anwendbar seien, würde der [X.] mehrheitlich daran nicht festhalten wollen.

Fischer                   Eschelbach                        Ott

                Zeng                            Bartel

Meta

2 ARs 434/14

23.12.2015

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: ARs

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.12.2015, Az. 2 ARs 434/14 (REWIS RS 2015, 95)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 95

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