Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31.07.2013, Az. XII ZR 114/13

12. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 3733

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Gegenstand

Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung durch das Revisionsgericht: Vollstreckungsschutzantrag im Berufungsverfahren als Voraussetzung; Räumung von Büroräumen als unersetzlicher Nachteil


Tenor

Der Antrag der Beklagten, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des [X.] vom 20. Dezember 2012 in Verbindung mit dem Beschluss des [X.] vom 19. Juni 2013 einstweilen einzustellen, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Beklagte ist durch Urteil des [X.] vom 20. Dezember 2012 zur Räumung und Herausgabe von Büroräumen verurteilt worden. Mit als Beschluss bezeichnetem Ergänzungsurteil hat das [X.] am 15. April 2013 der [X.] der Beklagten stattgegeben, den Tatbestand seines Urteils vom 20. Dezember 2012 um den von der Beklagten gestellten Antrag nach § 712 ZPO ergänzt und diesen in den Entscheidungsgründen abgewiesen, da die Beklagte einen nicht zu ersetzenden Nachteil durch die Vollstreckung nicht dargetan habe.

2

Das Berufungsgericht hat die gegen beide Entscheidungen eingelegten Berufungen verbunden und die gegen das Räumungsurteil gerichtete Berufung der Beklagten durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Es hat seinen Beschluss und das Urteil des [X.] für vorläufig vollstreckbar erklärt und der Beklagten nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 60.000 € abzuwenden, sofern der Kläger nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

3

Nach Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde beantragt die Beklagte innerhalb verlängerter Begründungsfrist, die Zwangsvollstreckung aus dem landgerichtlichen Urteil in Verbindung mit dem [X.] einstweilen einzustellen. Zur Begründung trägt sie vor, die Räumungsvollstreckung habe für sie nicht mehr auszugleichende Nachteile zur Folge. Sie nutze die Räume als Betriebsstätte und wäre im Fall der Räumung gezwungen, ihren Betrieb einzustellen, wodurch die von ihr geschaffenen Arbeitsplätze gefährdet würden. Sie sei auf die räumliche Nähe zu ihren Kunden angewiesen und es sei ihr nicht möglich, die von ihr noch angemieteten Räume im Untergeschoss des Gebäudes ersatzweise zu nutzen, da diese durch das Verschulden des [X.] nicht fertig gestellt seien.

II.

4

Der [X.] der Beklagten ist nicht begründet.

5

Wird Revision gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil eingelegt, so ordnet das Revisionsgericht auf Antrag an, dass die Zwangsvollstreckung einstweilen eingestellt wird, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und wenn nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht (§ 719 Abs. 2 ZPO). Im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde gilt dies entsprechend (§ 544 Abs. 5 Satz 2 ZPO). Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] kommt eine solche Einstellung nicht in Betracht, wenn der Schuldner es versäumt hat, im [X.] einen Vollstreckungsschutzantrag gemäß § 712 ZPO zu stellen, obwohl ihm ein solcher Antrag möglich und zumutbar gewesen wäre (Senatsbeschlüsse vom 6. April 2011 - [X.] - FamRZ 2011, 884 Rn. 4; vom 6. Juni 2006 - [X.]/06 - NJW-RR 2006, 1088 Rn. 5 und vom 4. September 2002 - [X.] - NJW-RR 2002, 1650). An diesen Voraussetzungen für die Einstellung der Zwangsvollstreckung fehlt es hier. Die Beklagte hat im [X.] zum einen beantragt, den Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit im Urteil des [X.] dahin abzuändern, dass die Zwangsvollstreckung hinsichtlich des Räumungsanspruchs ohne Sicherheitsleistung einstweilen eingestellt wird. Diesen Antrag hat das Berufungsgericht gemäß §§ 719, 707 ZPO abgelehnt. Dieser Antrag, der nur für die Dauer des Berufungsverfahrens gilt und nicht über den Erlass des Berufungsurteils hinaus wirkt, ersetzt jedoch nicht den erforderlichen Antrag nach §§ 712, 714 ZPO dahin, dass das Berufungsgericht der Beklagten auch bei seiner Entscheidung Vollstreckungsschutz gewähren sollte (vgl. Senatsbeschlüsse vom 4. September 2002 - [X.] - NJW-RR 2002, 1650 f.; vom 22. April 2004 - [X.] - [X.] 2004, 129 f. und vom 21. September 2005 - [X.]/05 - Grundeigentum 2005, 1347).

6

Einen Antrag nach §§ 712, 714 ZPO hat die Beklagte in der Berufungsinstanz nicht gestellt. Der [X.] im Rahmen der Berufung gegen das Ergänzungsurteil zielte allein auf die Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Räumungstitel des [X.] für die Dauer des Berufungsverfahrens. Dafür spricht neben der ausdrücklichen Begründung auch, dass die Beklagte eine Entscheidung nach § 718 Abs. 1 ZPO beantragt hat, der die Korrektur einer vorinstanzlichen fehlerhaften Entscheidung vor der zweitinstanzlichen Sachentscheidung ermöglicht ([X.]/[X.] ZPO 29. Aufl. § 718 Rn. 1; [X.]/Schütze/[X.] ZPO 4. Aufl. § 718 Rn. 1 ff.; [X.] ZPO 22. Aufl. § 718 Rn. 1).

7

Es war der Beklagten auch nicht aus besonderen Gründen unmöglich, im Berufungsverfahren einen Vollstreckungsschutzantrag zu stellen. Zwar ist der Antrag nach § 712 ZPO ein Sachantrag, der - ebenso wie die [X.] - gemäß § 297 ZPO in der mündlichen Verhandlung gestellt werden muss (Senatsbeschluss vom 2. Oktober 2002 - [X.] - FamRZ 2003, 598). In einem Verfahren, in dem das Berufungsgericht die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückweist, ist für eine Anwendung von § 297 ZPO aber kein Raum. In solchen rein schriftlichen Verfahren werden Anträge bereits durch die Einreichung des Schriftsatzes wirksam gestellt (Hk-ZPO/[X.] 4. Aufl. § 297 Rn. 9; Musielak/[X.] ZPO 10. Aufl. § 297 Rn. 3). Aufgrund des Hinweises des Berufungsgerichts auf die beabsichtigte Berufungszurückweisung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO konnte sich die Beklagte darauf einstellen, dass voraussichtlich keine Gelegenheit bestehen werde, einen etwaigen Vollstreckungsschutzantrag in einer mündlichen Verhandlung zu stellen. Gründe, weshalb es ihr nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen sein sollte, dem durch Stellung eines schriftsätzlichen Schutzantrages Rechnung zu tragen, hat sie nicht dargelegt (vgl. [X.] Beschluss vom 20. März 2012 - [X.]/11 - NJW 2012, 1292 Rn. 7).

8

Abgesehen davon stellt die Verpflichtung zur Räumung von Büroräumen, die zur Berufsausübung genutzt werden, auch keinen unersetzlichen Nachteil im Sinne des § 712 Abs. 1 ZPO dar, hinter dem die Gläubigerinteressen ausnahmsweise zurücktreten müssten. Der Beklagten ist dadurch ihre weitere Berufstätigkeit keineswegs erschwert oder gar unmöglich gemacht worden. Es ist ihr unbenommen, sich um Ersatzräume zu bemühen und dort ihre Berufsausübung fortzusetzen (vgl. Senatsbeschluss vom 27. August 1998 - [X.] - NJW-RR 1998, 1603). Dass ihr dies nicht möglich sei, hat sie weder dargetan noch glaubhaft gemacht.

Dose                      Vézina                                        [X.]

              [X.]

Meta

XII ZR 114/13

31.07.2013

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG München, 19. Juni 2013, Az: 32 U 358/13

§ 522 Abs 2 ZPO, § 544 ZPO, § 712 Abs 1 ZPO, § 714 ZPO, § 718 ZPO, § 719 Abs 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31.07.2013, Az. XII ZR 114/13 (REWIS RS 2013, 3733)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 3733

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