Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.08.2014, Az. XII ZB 155/13

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 3411

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.]
155/13

vom

20. August 2014

in der Familiensache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
FamFG § 117 Abs. 1; ZPO § 233 [X.], Gc
Es
gehört zu den Aufgaben des Verfahrensbevollmächtigten, dafür zu sorgen, dass ein Antrag auf Verlängerung der Frist zur Beschwerdebegründung innerhalb der [X.] Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht.

[X.], Beschluss vom 20. August 2014 -
XII [X.] 155/13 -
Kammergericht

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 20. August 2014
durch die Richter
Dr. [X.],
Schilling, [X.],
[X.] und Guhling

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 13.
Zivilsenats des Kammergerichts
in Berlin vom 12. März 2013 wird auf Kosten des Antragsgegners
verworfen.
[X.]: 3.296

Gründe:
I.
Mit Beschluss vom 9. November 2012, der dem Antragsgegner
am 21.
November 2012 zugestellt worden ist, hat das [X.] ihn zur [X.] von Kindesunterhalt
an den Antragsteller
verpflichtet. Hiergegen hat der Antragsgegner
rechtzeitig
Beschwerde eingelegt. Mit einem am 15. Januar 2013 nach Dienstschluss
beim [X.] eingegangenen Telefax hat der Antragsgegner
die Verlängerung der Frist zur Beschwerdebegründung
bean-tragt. Die Akte lag
zu der Zeit dem
Rechtspfleger
des [X.]s
vor. Am 18. Januar 2013 hat die [X.] des [X.]s verfügt, den Vertretern der Beteiligten sei mitzuteilen, dass Fristverlängerung bis 8. Februar 2013 gewährt werde. Am 21. Januar 2013 hat die Kanzleiangestellte der Ver-fahrensbevollmächtigten
des Antragsgegners beim
[X.] die Auskunft eingeholt, dass die beantragte Fristverlängerung gewährt sei. Am selben Tag hat das [X.] die Weiterleitung der Akte an das Beschwerdegericht verfügt, wo sie
am 23. Januar 2013 eingegangen ist. Mit Verfügung des [X.]
-
3
-
zenden des Beschwerdesenats vom 31. Januar 2013 ist dem Antragsgegner mitgeteilt worden, dass seinem Antrag auf Verlängerung der Frist zur [X.] nicht stattgegeben werden könne, weil der Antrag erst nach Ablauf der zweimonatigen Beschwerdebegründungsfrist beim [X.]
eingegangen sei.
Am 8. Februar 2013 hat der Antragsgegner Wieder-einsetzung in den vorigen Stand beantragt und die Beschwerdebegründung nachgeholt.
Das Beschwerdegericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewie-sen und die Beschwerde verworfen. Die Beschwerdebegründungsfrist sei ver-säumt, weil das [X.] sie nicht wirksam habe verlängern können und die Akte mit dem Verlängerungsantrag erst nach Ablauf der gesetzlichen
Be-gründungsfrist beim Beschwerdegericht eingegangen sei. Die Frist sei auch nicht schuldlos versäumt. Die
Bevollmächtigte des Antragsgegners
habe ihre
Kanzleiangestellte, die den Verlängerungsantrag an das [X.] adres-siert und dort eingereicht habe, nicht ausreichend darüber unterrichtet, dass der [X.] auch dann beim Beschwerdegericht eingereicht wer-den müsse, wenn sich die Akte noch beim [X.] befinde.
Das Famili-engericht habe den Antrag im ordentlichen Geschäftsgang an das [X.] weitergeleitet.
Zu einer besonderen Beschleunigung der [X.] sei das [X.] nicht verpflichtet gewesen. Der Anspruch auf ein faires Verfahren sei auch nicht dadurch verletzt, dass der Kanzleiangestell-ten telefonisch durch die Geschäftsstelle des [X.]s die Fristverlänge-rung bestätigt worden sei.
2
-
4
-

II.
Die gemäß §§ 117 Abs. 1 Satz 4, Abs. 5 FamFG, 574 Abs. 1 Satz
1 Nr.
1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des [X.]. Der angefochtene Beschluss verletzt den Antragsgegner
nicht
in seinem verfahrensrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs.
1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip). Danach darf einem Beteiligten die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten seines Verfahrensbe-vollmächtigten versagt werden, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und den Parteien den Zugang zu einer in der [X.] eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus [X.] nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren (vgl. Senatsbeschluss vom 11.
Juni 2008 -
XII [X.] 184/07
-
FamRZ 2008, 1605 Rn. 6 mwN).
1. Zu Recht hat das Beschwerdegericht festgestellt, dass die Frist zur Beschwerdebegründung nicht gewahrt
ist, da bis zu deren Ablauf am 21.
Januar 2013 weder die Beschwerdebegründung noch ein Fristverlänge-rungsantrag bei dem Beschwerdegericht eingegangen war. Die Frist war auch nicht wirksam durch die
[X.]
des [X.]s verlängert worden, da über die Verlängerung der Begründungsfrist der Vorsitzende des [X.] entscheidet (§ 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG i.V.m. § 520 Abs.
2 Satz 2, 3 ZPO).
Insoweit liegt der Fall anders als bei der Fristverlänge-3
4
5
-
5
-
rung durch den Vorsitzenden eines nicht berufenen
Spruchkörpers
([X.]Z 37, 125
= NJW 1962, 1396; offen gelassen in einem wiederum anders gelagerten Fall [X.] Beschluss vom 12. Februar 2009 -
VII [X.] 76/07
-
NJW 2009, 1149).
2. Ebenso zutreffend hat das Beschwerdegericht eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt, da die Frist nicht schuldlos versäumt ist.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] -
auch
des Senats
-
gehört es zu den Aufgaben des Verfahrensbevollmächtigten, dafür zu sorgen, dass
ein fristgebundener [X.] rechtzeitig gefertigt wird und innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht
(vgl. Senatsbeschlüsse
vom 29. Juni 2011 -
XII [X.] 691/10
-
juris
Rn.
6
und vom 19.
September 2012
-
XII
[X.] 221/12 -
juris Rn.
7, 9).
In
einer Familienstreitsache ist die Begründung der Beschwerde beim Beschwerdegericht einzureichen (§
117 Abs.
1 Satz
2 FamFG). Dasselbe gilt für Anträge auf Verlängerung
der Frist, über die der [X.] des [X.] entscheidet.
Die schuldhafte
Verkennung dieser eindeutigen Gesetzeslage ist dem Antragsgegner nach §
113 Abs.
1 FamFG i.V.m.
§
85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen.

Selbst wenn sich die Akten mit der eingelegten Beschwerde noch beim Ausgangsgericht befinden, ist die Beschwerdebegründung oder
ein entspre-chender Verlängerungsantrag in Ehe-
und Familienstreitsachen nach §
117 Abs.
1 FamFG beim Beschwerdegericht einzureichen. Auch darüber konnte bei der
Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners kein Zweifel bestehen (vgl. Senatsbeschluss vom 15. Juni 2011 -
XII [X.] 468/10
-
FamRZ 2011, 1389
Rn.
10).
An einen mit der Beschwerdeeinlegung betrauten Rechtsanwalt sind hin-sichtlich der Ermittlung des für die Einlegung des Rechtsmittels zuständigen Gerichts hohe Sorgfaltsanforderungen zu stellen (vgl. etwa Senatsbeschluss 6
7
8
9
-
6
-
vom 3. November 2010 -
XII [X.] 197/10 -
FamRZ 2011, 100 Rn. 19 mwN). Denn die Klärung der Zuständigkeit fällt in seinen Verantwortungsbereich. Er ist daher gehalten, die Rechtsmittelschrift und insbesondere die Empfangszuständigkeit des darin bezeichneten Adressaten auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (vgl. Se-natsbeschluss vom 19.
September 2012 -
XII
[X.] 221/12
-
juris Rn.
7, 9; [X.] Beschlüsse vom 14.
Oktober 2010 -
VIII [X.] 20/09 -
NJW 2011, 683 Rn.
16 und vom 12.
April 2010 -
V [X.] 224/09 -
NJW-RR 2010, 1096 Rn.
12 mwN).
Diesel-ben Maßstäbe gelten für die Einreichung der Rechtsmittelbegründung und ei-nes darauf bezogenen [X.]s. Bei der Unterzeichnung ei-nes solchen Antrags hat der Rechtsanwalt den von der [X.] vorbereiteten Entwurf auf seine Richtigkeit, insbesondere auf korrekte Adressie-rung hin zu überprüfen.
b) Das Verschulden der Verfahrensbevollmächtigten entfällt nicht dadurch, dass die [X.] des [X.]s eine Fristverlänge-rung bewilligt hat und dies der [X.] der Bevollmächtigten auf deren telefonische Nachfrage mitgeteilt worden ist. Der daraus bei der Kanzlei-angestellten entstandene Irrtum, welcher
sie letztlich zur Streichung der Frist im Fristenkalender veranlasst hat, lässt die Fristversäumung nicht als unverschul-det erscheinen, weil er eine schlichte Folgewirkung der von der Verfahrensbe-vollmächtigten persönlich zu vertretenden Fehladressierung ist.
Auch wenn die Verfahrensbevollmächtigte vor Fristablauf
von der Frist-verlängerung durch das [X.] erfahren hätte, hätte sie auf deren Wirksamkeit nicht vertrauen dürfen.
c)
Die Entscheidung des [X.] verstößt auch nicht gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens.

10
11
12
-
7
-
Nach der auf eine
Entscheidung des [X.] zurück-gehenden Rechtsprechung des [X.] darf ein Rechtsuchender allerdings darauf vertrauen, dass ein mit der Sache bereits befasstes Gericht einen bei ihm eingereichten, aber für das Rechtsmittelgericht bestimmten [X.] im ordentlichen Geschäftsgang dorthin weiterleiten wird ([X.] vom 23. Mai 2012 -
XII [X.] 375/11 -
FamRZ 2012, 1205 Rn.
26
und vom 15. Juni 2011 -
XII [X.] 468/10 -
FamRZ 2011, 1389 Rn. 12). Das ist im vor-liegenden Fall geschehen. Der am 15. Januar 2013 nach Dienstschluss einge-gangene Verlängerungsantrag hat
der Geschäftsstelle am 16. Januar 2013 vor-gelegen. Dies bewegt sich im Rahmen eines
ordentlichen Geschäftsgangs
(vgl. Senatsbeschluss vom 12. Juni 2013 -
XII [X.] 394/12 -
FamRZ 2013, 1384 Rn.
23).
Dass die [X.] irrtümlich verfügt
hat, den Vertretern der [X.] sei mitzuteilen, dass Fristverlängerung bis 8. Februar 2013 gewährt werde, hat den ansonsten ordentlichen Geschäftsgang nur um einen Tag ver-zögert. Ohne diese Verzögerung wäre die Aktenübersendung am Montag, den 21. Januar 2013, von der Geschäftsstelle veranlasst worden. Auch in diesem
Fall wäre sie nicht mehr rechtzeitig am selben Tag, an dem auch die Frist ablief, beim [X.] eingegangen.
13
14
-
8
-
3. Das [X.] hat dem Antragsgegner daher die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m.
§
233 ZPO zu Recht versagt. Auch die Verwerfung der Beschwerde nach § 117 Abs.
1 Satz 4 FamFG i.V.m.
§ 522 Abs. 1 Satz
2 ZPO ist deswegen nicht zu beanstanden.
[X.] Richter am [X.] Schilling Nedden-Boeger

ist im Urlaub und daher

gehindert zu unterschreiben.

[X.]

Botur Guhling

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 09.11.2012 -
120 [X.]/12 -

Kammergericht, Entscheidung vom 12.03.2013 -
13 UF 19/13 -

15

Meta

XII ZB 155/13

20.08.2014

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.08.2014, Az. XII ZB 155/13 (REWIS RS 2014, 3411)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 3411

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

XII ZB 155/13 (Bundesgerichtshof)

Rechtsmittel in Ehe- und Familienstreitsachen: Pflicht des Verfahrensbevollmächtigten zur rechtzeitigen Stellung eines Fristverlängerungsantrages für eine …


XII ZB 468/10 (Bundesgerichtshof)

Wiedereinsetzung bei Versäumung der Beschwerdefrist in einer Familienstreitsache: Anforderungen an die Rechtsbehelfsbelehrung; Überprüfung einer unrichtigen …


XII ZB 468/10 (Bundesgerichtshof)


XII ZB 640/13 (Bundesgerichtshof)


XII ZB 131/15 (Bundesgerichtshof)

Familienstreitsache: Wahrung der Beschwerdebegründungsfrist durch eine Eingabe des Beschwerdeführers mit der Bitte um Einstellung der …


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.