Bundespatentgericht, Beschluss vom 08.10.2014, Az. 29 W (pat) 3/12

29. Senat | REWIS RS 2014, 2326

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – „BWR Media /BRW“ – klangliche Verwechslungsgefahr im Bereich identischer und hochgradig ähnlicher Dienstleistungen – keine Verwechslungsgefahr im Bereich durchschnittlich und entfernt ähnlicher Waren und Dienstleistungen


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 307 37 272

hat der 29. Senat ([X.]) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 8. Oktober 2014 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin [X.] sowie der Richterinnen [X.] und Akintche

beschlossen:

1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 16 vom 5. August 2010 und 14. November 2011 insoweit aufgehoben, als der Widerspruch aus der Marke zurückgewiesen wurde für die Dienstleistungen

Klasse 35: Kundengewinnung und -pflege durch Versandwerbung (Mailing), Telefonmarketing, E-Mail-Werbung, [X.]werbung; Versandwerbung; Verteilung von Werbemitteln; Werbung durch Werbeschriften (Druckschriften); Werbung im [X.] für Dritte;

Klasse 38: Online-Dienste, nämlich Bereitstellen des Zugriffs auf Informationen aller Art in Bild und Ton im [X.]; Bereitstellung des Zugriffs auf Datenbanken in Computernetzwerken; Sammeln und Liefern von Pressemitteilungen (Presseagenturen); Bereitstellung von [X.]-Tagebüchern (Webblogs), nämlich chronologische Auflistung von Informationen, Sammlung von chronologisch aufgelisteten Informationen einschließlich persönlicher Kommentare und Links, Bereitstellen von Online-Foren, Bereitstellung von Online-Communities, nämlich Organisation des Zusammentreffens von Menschen mit gleichen Interessen oder zu einem bestimmten ([X.] im [X.]; Angebot der Möglichkeit zum themenbezogenen gemeinsamen Austausch im [X.]; Angebot internetbasierender Lernumgebungen;

Klasse 41: kulturelle Aktivitäten, Erziehung, Ausbildung, Unterhaltung, Publikation (Veröffentlichung und Herausgabe) von Druckereierzeugnissen (auch in elektronischer Form), auch im [X.], insbesondere auch von periodisch erscheinenden Zeitschriften, Büchern, Loseblattwerken (ausgenommen für Werbezwecke); Organisation, Veranstaltung und Durchführung von Seminaren; Organisation, Veranstaltung und Durchführung von Workshops; Organisation, Veranstaltung und Durchführung von Kolloquien; Organisation, Veranstaltung und Durchführung von Konferenzen; Aus- und Weiterbildung in Form von Schulungen, Seminaren und Vorträgen; Durchführung von Schulungen mit den Themen Unternehmensentwicklung, Organisationsentwicklung, Organisationsberatung, Personalentwicklung, Personalberatung, Unternehmensgestaltung, Teamentwicklung, Teamtraining, Managementberatung, Führungskräftetraining, Führungskräfteentwicklung, Coaching, Existenzgründungsberatung;

Klasse 42: Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung, Aktualisierung, Erstellen und Vermietung von Datenbanksoftware, Installation und Wartung von Datenbanksoftware sowie elektronische Speicherung von Daten in Computerdatenbanken.

Auf den Widerspruch aus der Marke 303 63 254 wird die Löschung der Marke 307 37 272 im Umfang der o. g. Dienstleistungen angeordnet.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

2. Der Antrag auf Erstattung der Kosten wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Wortmarke

2

[X.]

3

ist am 6. Juni 2007 angemeldet und am 11. Januar 2008 in das beim [X.] ([X.]) geführte Register eingetragen worden für folgende Waren und Dienstleistungen der

4

Klasse 16: [X.], insbesondere auch periodisch erscheinende Zeitschriften, Bücher, Loseblattwerke, Seminarunterlagen;

5

Klasse 35: Kundengewinnung und -pflege durch Versandwerbung (Mailing), Telefonmarketing, E-Mail-Werbung, [X.]werbung; Versandwerbung; Verteilung von Werbemitteln; Werbung durch Werbeschriften (Druckschriften); Werbung im [X.] für Dritte;

6

[X.]: Online-Dienste, nämlich Bereitstellen des Zugriffs auf Informationen aller Art in Bild und Ton im [X.]; Bereitstellung des Zugriffs auf Datenbanken in Computernetzwerken; Sammeln und Liefern von Pressemitteilungen (Presseagenturen); Bereitstellung von [X.]-Tagebüchern (Webblogs), nämlich chronologische Auflistung von Informationen, Sammlung von chronologisch aufgelisteten Informationen einschließlich persönlicher Kommentare und Links, Bereitstellen von Online-Foren, Bereitstellung von Online-Communities, nämlich Organisation des Zusammentreffens von Menschen mit gleichen Interessen oder zu einem bestimmten ([X.] im [X.]; Angebot der Möglichkeit zum themenbezogenen gemeinsamen Austausch im [X.]; gemeinsame Zusammenarbeit an Projekten, [X.] in Communities von Wissenschaftlern, Praktikern und in Learn-Communities; Angebot internetbasierender Lernumgebungen; Vermittlung und Vermietung von Zugriffszeiten zu Datenbanken;

7

Klasse 41: kulturelle Aktivitäten, Erziehung, Ausbildung, Unterhaltung, Publikation (Veröffentlichung und Herausgabe) von [X.]n (auch in elektronischer Form), auch im [X.], insbesondere auch von periodisch erscheinenden Zeitschriften, Büchern, Loseblattwerken (ausgenommen für Werbezwecke); Personalentwicklung durch Ausbildung, Teamtraining, Führungskräftetraining, Coaching, Organisation, Veranstaltung und Durchführung von Seminaren; Organisation, Veranstaltung und Durchführung von Workshops; Organisation, Veranstaltung und Durchführung von Kolloquien; Organisation, Veranstaltung und Durchführung von Konferenzen; Aus- und Weiterbildung in Form von Schulungen, Seminaren und Vorträgen; Kommunikationstraining; Ausbildung von Trainern und Beratern, transeuropäische Trainings- und Ausbildungsaktivitäten, Durchführung von Schulungen mit den Themen Unternehmensentwicklung, Organisationsentwicklung, Organisationsberatung, Personalentwicklung, Personalberatung, Unternehmensgestaltung, Teamentwicklung, Teamtraining, Managementberatung, Führungskräftetraining, Führungskräfteentwicklung, Coaching, Existenzgründungsberatung;

8

Klasse 42: Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung, wissenschaftliche Dienstleistungen und Forschungsarbeiten, industrielle Analyse- und Forschungsdienstleistungen, Aktualisierung, Erstellen und Vermietung von Datenbanksoftware, Installation und Wartung von Datenbanksoftware sowie elektronische Speicherung von Daten in Computerdatenbanken.

9

Gegen die Eintragung dieser Marke, die am 15. Februar 2008 veröffentlicht wurde, hat die Beschwerdeführerin und Widersprechende aus ihrer am 3. Dezember 2003 angemeldeten und am 27. Mai 2004 eingetragenen Wortmarke 303 63 254

[X.]

die geschützt ist für folgende Waren und Dienstleistungen

Klasse 9: Bespielte mechanische, magnetische, magneto-optische, optische und elektronische Träger für Ton und/oder Bild und/oder Daten; codierte Telefonkarten; codierte Ausweise;

Klasse 35: Werbung und Marketing für Dritte; Rundfunkwerbung; Sponsoring in Form von Werbung; Unterhaltung durch Hörfunk- und Fernsehwerbesendungen; Produktion von Hörfunk- und Fernsehwerbesendungen; Durchführung von [X.]; Durchführung von Fachmessen und Veranstaltungen für wirtschaftliche und/oder Werbezwecke;

[X.]: Verbreitung, Verteilung und Weiterleitung von Fernseh- und Hörfunksendungen, von [X.] über kabelfreie und/oder kabelgebundene digitale und analoge Netze, auch im Online- und Offline-Betrieb sowie mittels Computer; Bereitstellen von Informationen im [X.];

Klasse 41: Unterhaltung durch Hörfunk- und Fernsehsendungen; Film, Ton-, Video- und Fernsehproduktion; Musikdarbietungen; Veröffentlichung und Herausgabe von elektronisch [X.] Text-, Grafik-, Bild- und Toninformationen, die über Datennetze abrufbar sind; Veröffentlichung und Herausgabe von [X.]n; Durchführung von Konzert-, Theater- und Unterhaltungsveranstaltungen; Durchführung von Kongressen, Konferenzen, Tagungen, Seminaren, Lehrgängen, Symposien und Vorträgen; Durchführung von Ausstellungen für kulturelle Zwecke; Veranstaltung von [X.] aller Art;

Klasse 42: Entwickeln und Gestalten von digitalen Ton- und Bildträgern; Betrieb von Datenbanken; Erstellen von Computerprogrammen und Grafiken;

Widerspruch eingelegt.

Die Markenstelle für Klasse 16 des [X.] hat mit Beschlüssen vom 5. August 2010 und - im Erinnerungsverfahren - vom 14. November 2011 den Widerspruch zurückgewiesen. Zwischen den Vergleichsmarken bestehe keine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.]. Der Widerspruchsmarke komme durchschnittliche Kennzeichnungskraft zu. Für eine gesteigerte oder verminderte Kennzeichnungskraft sei nichts ersichtlich. Es stünden sich nach der maßgeblichen [X.] teilweise identische bzw. hochgradig ähnliche Dienstleistungen gegenüber. Ob und mit welchem Grad darüber hinaus eine Ähnlichkeit der Vergleichswaren und -dienstleistungen vorliege, könne dahingestellt bleiben, weil selbst im Bereich der Identität mangels hinreichender Markenähnlichkeit eine Verwechslungsgefahr nicht zu befürchten sei.

Die Vergleichsmarken "[X.]" und "[X.]" wiesen schon aufgrund des zusätzlichen Bestandteils "[X.]" in der angegriffenen Marke ausreichende Unterschiede auf. Auch eine begriffliche Ähnlichkeit der Vergleichsmarken liege nicht vor. Denn "[X.]" kürze "Betriebswirtschaftslehre/Rechnungswesen" ab, "[X.]" hingegen "Bayrische Rundfunkwerbung". Zwar sei der Zusatz "[X.]" ein Hinweis auf eine Übermittlung von allgemeinen Medien. Trotzdem werde die angegriffene Marke nicht allein durch die Buchstabenfolge geprägt, weil auch kennzeichnungsschwache Bestandteile nicht von vornherein außer Betracht gelassen werden dürften; zudem erscheine die angegriffene Marke als zusammengehöriger Begriff. Selbst bei unterstellter Prägung seien die Buchstabenfolgen "[X.]" und "[X.]" aber klanglich nicht zu verwechseln, weil es sich um im Ganzen unaussprechbare und nur buchstabierbare Zeichenfolgen handle, deren jeweils eigenständige Klangbilder der Verkehr auseinanderhalten könne. Schriftbildliche Verwechslungsgefahr bestehe in diesem Falle aufgrund der unterschiedlichen Umrisscharakteristik von "-[X.]" versus "[X.]" ebenfalls nicht. Für andere Arten von Verwechslungsgefahr bestehe kein Anhaltspunkt.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden.

Sie ist der Auffassung, dass die angegriffene Marke wegen des beschreibenden Charakters des Bestandteils "[X.]" nur von der Buchstabenfolge "[X.]" geprägt werde. "[X.]" werde als Hinweis auf "mediale Vermittlungs- und Übermittlungsdienstleistungen mittels [X.], Rundfunk etc." aufgefasst und trage daher nicht zum Gesamteindruck der angegriffenen Marke bei. Die Deutung der Abkürzung "[X.]" sei nicht auf das [X.] Betriebswirtschaftslehre/ Rechnungswesen beschränkt, vielmehr würden auch andere Begriffe durch "[X.]" abgekürzt. So verwende die Inhaberin der angegriffenen Marke die Abkürzung für "Beratung in Wirtschaft und Recht". Der Verbraucher werde daher unter der Dreibuchstabenkombination "[X.]" keine konkrete Bedeutung, sondern eine Phantasiebezeichnung und keine beschreibende Angabe vermuten. Der Bestandteil "[X.]" in der angegriffenen Marke sei beschreibend und jedenfalls weitaus kennzeichnungsschwächer als der Bestandteil "[X.]", der mithin die angegriffene Marke präge. Dafür spreche auch die weitere Marke "[X.] Verlag" der Beschwerdegegnerin, die mit der angegriffenen Marke "[X.]" durch den gemeinsamen Bestandteil "[X.]" eine Markenserie ergebe. Zu vergleichen seien daher die [X.] "[X.]" und "[X.]". Die Buchstabenfolge bleibe als Wort unaussprechbar; daher werde dem Verkehr die Reihenfolge der Buchstaben auch nicht in Erinnerung bleiben, allenfalls die einzelnen Buchstaben. Angesichts der Identität der Dienstleistungen und der zumindest durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke reiche der Abstand der Vergleichsmarken nicht aus, um eine Verwechslungsgefahr auszuräumen.

Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,

die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 16 vom 5. August 2010 und 14. November 2011 des [X.] aufzuheben und auf den Widerspruch aus der Marke 303 63 254 die angegriffene Marke 307 37 272 zu löschen.

Die Beschwerdegegnerin beantragt,

1. die Beschwerde zurückzuweisen

2. der Beschwerdeführerin die Kosten aufzuerlegen.

Bayerischer Rundfunkwerbung". Irgendwelche Berührungspunkte der Beschwerdegegnerin zu dem Bereich "Rundfunkwerbung" bestünden nicht; vielmehr handle es sich bei ihr um ein Verlagsunternehmen, das Fachpublikationen zu Themengebieten verschiedenster Art, insbesondere zu Wirtschaftsfragen herausgebe. Die Parteien seien also auf vollkommen unterschiedlichen Märkten tätig, so dass aus ihrer Sicht bereits keine Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit vorliege.

Die Beschwerdeführerin ist zu der mündlichen Verhandlung am 8. Oktober 2014, zu der sie am 9. September ordnungsgemäß geladen worden ist, wie vorab angekündigt, nicht erschienen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat in der Sache teilweise Erfolg.

Zwischen den Vergleichsmarken besteht im Umfang der identischen und hochgradig ähnlichen Dienstleistungen eine Verwechslungsgefahr im Sinne von §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.]. Im Übrigen ist jedoch eine markenrechtlich relevante Verwechslungsgefahr nicht zu besorgen und insoweit die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Frage der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der zueinander in Wechselbeziehung stehenden Faktoren der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke zu beurteilen, wobei insbesondere ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt ([X.] [X.], 1098 Rn. 44 – [X.]/ [X.]; [X.], 933 Rn. 32 – [X.]; [X.], 237 Rn. 18 – PICARO/[X.]; [X.], 1040 Rn. 25 – [X.]/pure

; [X.], 235 Rn. 15 – [X.]/[X.]; [X.], 484 Rn. 23 – [X.]; [X.], 905 Rn. 12 – [X.]; [X.], 258 Rn. 20 – INTERCONNECT/T-InterConnect; [X.], 859 Rn. 16 – [X.]; [X.], 60 Rn. 12 – [X.] m. w. N.).

1. Hinsichtlich der Prüfung der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit ist von der [X.] auszugehen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke nicht bestritten. Im Rahmen der allgemeinen Ausführungen zur Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen, für die die gegenüberstehenden Marken eingetragen sind, hat sie vorgetragen, dass sich schon danach die Parteien tatsächlich gar nicht im Markt begegneten bzw. dass sie sich in unterschiedlichen Branchen bewegen würden. Hierin kann nicht die Erhebung einer Nichtbenutzungseinrede nach § 43 Abs. 1 [X.] gesehen werden. Denn damit kommt der Wille, die Benutzung der Widerspruchsmarke im Rahmen des [X.] bestreiten zu wollen, nicht hinreichend eindeutig zum Ausdruck, was aber notwendig wäre (vgl. [X.] in [X.]/[X.], [X.], 11. Auflage, § 43 Rn. 31).

Es ist daher allein die [X.] maßgeblich. Danach beanspruchen die Vergleichsmarken Schutz für teilweise identische und zum Teil hochgradig ähnliche Waren und Dienstleistungen, im Übrigen ist eine mittlere bis entferntere Ähnlichkeit gegeben.

Zwischen den Waren der Klasse 16 "

Die Dienstleistungen der angegriffenen Marke aus der Klasse 35 "

Die Dienstleistungen der [X.] "

Die teils sehr weit gefassten Dienstleistungsbegriffe der angegriffenen Marke aus der Kasse 41 "

Die Dienstleistungen der angegriffenen Marke "

2. Die Widerspruchsmarke verfügt über durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Anhaltspunkte für eine Schwächung oder Steigerung sind nicht erkennbar. So kann – anders als die Beschwerdegegnerin meint - bei nicht aussprechbaren Buchstabenkombinationen nicht mehr (wie früher) davon ausgegangen werden, dass diesen von Haus aus eine geschwächte Kennzeichnungskraft zukommt ([X.] 2002, 332 - [X.]/[X.]; vgl. auch [X.] in [X.]/[X.], 11. Auflage, § 9 Rn. 145 m. w. N.). Dass die Widerspruchsmarke etwa als geläufige allgemeine oder spezielle Abkürzung auf dem beanspruchten Waren- und Produktgebiet - beschreibend - verwendet wird und damit markenrechtlich geschwächt wäre, kann nicht festgestellt werden. Vielmehr ist vereinzelt in Abkürzungsverzeichnissen [X.] sogar als (betrieblicher) Hinweis auf die frühere Firmenbezeichnung der Widersprechenden zu finden.

3. Angesprochene Verkehrskreise sind hier neben dem jeweiligen Fachverkehr die Allgemeinheit der Verbraucher, so dass von durchschnittlicher Aufmerksamkeit auszugehen ist. Die Dienstleistungen der Klasse 35 und 42 richten sich eher an Unternehmer und Angehörige der unternehmerischen Führungsebene. Diese Verkehrskreise wie im Übrigen auch das Fachpublikum begegnen den Dienstleistungen mit einer erhöhten Sorgfalt.

4. Ausgehend von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und unter Zugrundelegung einer erhöhten Aufmerksamkeit hat die angegriffene Marke zum sicheren Ausschluss einer markenrechtlich relevanten Verwechslungsgefahr im Bereich der identischen und hochgradig ähnlichen Dienstleistungen einen deutlichen Abstand zur Widerspruchsmarke einzuhalten. Die Abweichungen der Vergleichsmarken sind jedoch nicht ausreichend, um insoweit eine markenrechtlich relevante Verwechslungsgefahr mit der erforderlichen Sicherheit auszuschließen. Anders ist es hinsichtlich der im mittleren oder entfernten Ähnlichkeitsbereich liegenden Waren und Dienstleistungen; den insoweit erforderlichen weniger strengen Anforderungen an den [X.] wird die angegriffene Marke gerecht.

Maßgebend für die Beurteilung der Markenähnlichkeit ist der Gesamteindruck der Vergleichsmarken unter Berücksichtigung der unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente ([X.], 833 Rn. 30 – Culinaria/[X.]; [X.], 1040 Rn. 25 – [X.]/pure; [X.], 909 Rn. 13 – Pantogast; [X.], 905 Rn. 12 – [X.]). Abzustellen ist dabei auf die Wahrnehmung des angesprochenen Durchschnittsverbrauchers, der eine Marke regelmäßig in ihrer Gesamtheit erfasst und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (vgl. [X.] [X.]. 2014, 459 Rn. 42 – [X.]; [X.]. 2012, 754 Rn. 63 – [X.] Marken GmbH/[X.] [Linea Natura Natur hat immer Stil]; [X.]. 2010, 129., Rn. 60 – [[X.]/[X.]]; [X.] 2004, 779, 781 - Zwilling/ [X.]). Das schließt nicht aus, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile einer komplexen Marke für den durch die Marke im Gedächtnis der angesprochenen Verkehrskreise hervorgerufenen Gesamteindruck prägend sein können ([X.] GRUR 2005, 1042 Rn. 28 f. - [X.]; [X.], 64 Rn. 14 - Maalox/[X.]; [X.], 487 Rn. 32 - Metrobus; [X.], 60 Rn. 17 - [X.]). Der Grad der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen ist im Klang, im (Schrift)Bild und im [X.] zu ermitteln. Für die Annahme einer Verwechslungsgefahr reicht dabei regelmäßig bereits die hinreichende Übereinstimmung in einer Hinsicht aus (BGH [X.], 1055 Rn. 26 – airdsl; [X.], 340, 347 - Lions; [X.] 2008, 393, Rn. 21 - HEITEC).

a) Die [X.] in ihrer Gesamtheit zeigen schriftbildlich, klanglich und begrifflich im Hinblick auf den in der angegriffenen Marke zusätzlich enthaltenen Wortbestandteil "[X.]" ausreichende Unterschiede.

b) Eine unmittelbare klangliche Verwechslungsgefahr ist aber deshalb anzunehmen, weil die in der angegriffenen Marke enthaltene Buchstabenkombination "[X.]" eine kollisionsbegründende Stellung einnimmt, indem sie eine die Gesamtmarke prägende Funktion aufweist, und demzufolge der weitere Markenbestandteil "[X.]" für die angesprochenen Verkehrskreise in einer Weise zurücktritt, dass er für den Gesamteindruck vernachlässigt werden kann. Bei der Buchstabenfolge "[X.]" handelt es sich um einen durchschnittlich kennzeichnungskräftigen und damit zur Prägung geeigneten Bestandteil. Zwar ist die Buchstabenfolge als Abkürzung mit verschiedenen Bedeutungen erfasst, so steht [X.] beispielweise für "[X.] [X.]", "[X.]" (beim Drucken von Strichcodes), "[X.] oder [X.]", "Betriebswirtschaftslehre/ Rechnungswesen" (gemeinsames Lehrfach an der Berufsoberschule, [X.]), "[X.]" (eine andere Bezeichnung für den Vorführraum in Kinos), "[X.]" (englisch für Siedewasserreaktor). Eine Abkürzung ist aber nur dann nicht schutzfähig, wenn sie im Verkehr als solche gebräuchlich oder aus sich heraus verständlich ist sowie von den beteiligten Verkehrskreisen ohne weiteres der betreffenden Beschaffenheitsangabe gleichgesetzt und insoweit verstanden werden kann; dies kann für die Buchstabenfolge [X.] nicht festgestellt werden. Insbesondere ist [X.] als Abkürzung für das in [X.] angebotene [X.] an der Berufsoberschule "Betriebswirtschaftslehre/Rechnungswesen" nicht allgemein bekannt und auch nicht schon aus sich heraus verständlich, weil - wie die Widersprechende zutreffend ausführt - als Abkürzungen für Betriebswirtschaftslehre "BWL" und für Rechnungswesen "[X.]" üblich und gängig sind.

Demgegenüber handelt es sich bei dem nachgestellten Wort "[X.]" um einen schutzunfähigen Markenbestandteil. Das aus dem [X.] stammende Wort "[X.]" ist mit der Bedeutung "Medien, Kommunikationsmittel" in die [X.] eingegangen (vgl. [X.] online, www.duden.de unter den Stichworten [X.], Medien, Medium) und ist vielfach als spezifizierendes Attribut beschreibend in Gebrauch, wie [X.] die gängigen Begriffe [X.]abteilung, [X.]agentur, [X.]analyse, [X.]fachfrau, [X.]forschung, Social [X.], New [X.] zeigen. Auch in der angegriffenen Marke kommt dem Begriff "[X.]" ausschließlich ein beschreibender Sinngehalt zu, weil er je nach Ware oder Dienstleistung nur auf die Medienbranche, das konkrete Kommunikationsmittel, die Erbringung durch oder unter Verwendung von (digitalen) Medien bzw. allgemein auf einen Mediendienstleister hinweist.

Zwar können auch kennzeichnungsschwache bzw. schutzunfähige Bestandteile zum Gesamteindruck einer Marke beitragen; ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Denn bei "[X.]" handelt es sich nicht um einen geschlossenen Begriff. Auch ansonsten finden sich keine Anhaltspunkte dafür, (wie beispielsweise eine besondere Gestaltung), dass der Verkehr von einem einheitlichen Zeichen ausginge. Vielmehr sprechen auch die Kennzeichnungsgewohnheiten im hier maßgeblichen Waren- und Dienstleistungssektor dafür, dass der Verkehr den eigentlichen betrieblichen Herkunftshinweis in der angegriffenen Marke nur in "[X.]" sehen und die Marke auch nur damit benennen wird. Denn das Publikum ist durch andere Anbieternamen gerade aus dem Medienbereich daran gewöhnt, den schlagwortartigen, nachgestellten [X.] "[X.]" (oder auch "[X.] Group") - als Hinweis auf Mediendienste oder -produkte eines Anbieters - im Interesse vereinfachter Wiedergabe unter Verkürzung auf das an sich kennzeichnende vorangestellte Namensschlagwort zu vernachlässigen ([X.] "HR/[X.]" statt "HR [X.]"; "[X.]" statt "[X.] [X.]"; "[X.]" statt "Hubert [X.] [X.]", [X.]" statt "[X.]" etc.).

c) Stehen sich demnach "[X.]" und "[X.]" - ausgesprochen "[X.]" und "[X.]" - gegenüber, ist im Umfang der im Tenor genannten Dienstleistungen - entgegen der Auffassung der Markenstelle und der Inhaberin der angegriffenen Marke - in klanglicher Hinsicht mit Verwechslungen zu rechnen.

Die Markenwörter stimmen im in der Regel stärker beachteten Wortanfang, in der [X.], in der Gliederung sowie im Sprech- und Betonungsrhythmus überein; sie weisen darüber hinaus einen identischen Lautbestand auf. Gegenüber diesen doch recht weitreichenden Annäherungen bzw. Übereinstimmungen stellt die Abweichung zwischen den Marken, die allein darin besteht, dass die beiden letzten Silben vertauscht positioniert sind, im Bereich der identischen und hochgradig ähnlichen Dienstleistungen wegen der insoweit zu fordernden strengen Anforderungen an den [X.] kein ausreichendes Gegengewicht mehr dar (vgl. auch [X.], Beschluss vom 02.11.2004, 33 W (pat) 62/03 - [X.] [X.]/[X.]; Beschluss vom 29.10.2003, 33 W (pat) 269/02 – [X.]/[X.]; Beschluss vom 24.11.2004, 28 W (pat) 137/03 - [X.]/[X.]). Da es sich bei diesen Silben um identische Laute handelt, deren bloße Umstellung keine großen Abstand schafft und eine Wirkung erzeugt, die häufig als Klangrotation bezeichnet wird, wirkt dies der Verwechslungsgefahr nicht ausreichend entgegen. Dies gilt insbesondere deshalb, weil zu berücksichtigen ist, dass die Marken im Verkehr nicht nebeneinander aufzutreten pflegen und dann ein Vergleich aufgrund eines undeutlichen Erinnerungsbildes erfolgt ([X.] in [X.]/[X.], a. a. O., § 9 Rn. 249 f.). Für die im Identitäts- und hohen Ähnlichkeitsbereich liegenden Dienstleistungen kann in klanglicher Hinsicht eine unmittelbare Verwechslungsgefahr daher nicht verneint werden, was bereits für die Löschung der angegriffenen Marke ausreicht (BGH [X.], 714 Rn. 37 – idw).

Die Beschwerde hat insoweit daher Erfolg.

Im Übrigen aber - also hinsichtlich der im durchschnittlichen oder entfernteren Ähnlichkeitsbereich liegenden Waren und Dienstleistungen - reicht die Silbenvertauschung der zweiten und dritten Silbe noch aus, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen, weil hier geringere Anforderungen an den [X.] zu stellen sind. In diesem Umfang war die Beschwerde mithin zurückzuweisen.

Für die von Seiten der Inhaberin der angegriffenen Marke beantragte Auferlegung der Kosten auf die Widersprechende besteht bei dem dargestellten Ergebnis des Beschwerdeverfahrens kein Raum. Auch im Übrigen besteht keine Veranlassung, von dem in § 71 Abs. 1 S. 2 [X.] für das markenrechtliche Widerspruchsverfahren normierten Grundsatz, wonach jeder Beteiligte die ihm erwachsenen Kosten selbst trägt, abzuweichen.

Meta

29 W (pat) 3/12

08.10.2014

Bundespatentgericht 29. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 08.10.2014, Az. 29 W (pat) 3/12 (REWIS RS 2014, 2326)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 2326

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