Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.06.2017, Az. III ZR 487/16

3. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 9555

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Gegenstand

Partnerschaftsvermittlungsvertrag: Sittenwidrigkeit des Entgelts für die in der Übersendung von drei Partnervorschlägen bestehenden Hauptleistungspflicht des Vermittlers


Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Revision der Beklagten gegen das Urteil der 12. Zivilkammer des [X.] vom 29. August 2016 durch einstimmigen Beschluss gemäß § 552a Satz 1 ZPO auf ihre Kosten zurückzuweisen.

Die Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

I.

1

Die Klägerin ist Erbin der [X.]     , die im Alter von 77 Jahren in ihrer Wohnung einen [X.] mit der [X.]n schloss. Darin war vereinbart, dass die [X.] ihr drei Partnervorschläge übermitteln und dafür eine Vergütung von 2.975 € erhalten sollte. Die Erblasserin zahlte am Tag des Vertragsschlusses 1.000 € per [X.], überwies kurze [X.] danach weitere 2.975 € an die [X.] und erhielt daraufhin drei Partnervorschläge. Zu einer erfolgreichen Vermittlung kam es nicht. Nach dem Ableben der Erblasserin ließ die Klägerin die [X.] mit anwaltlichem Schreiben auffordern, an sie 4.975 € zurückzuzahlen, weil der [X.] wegen Sittenwidrigkeit nichtig sei und sie überdies 2.000 € zu viel erhalten habe. Die [X.] zahlte vorgerichtlich lediglich 1.000 € an die Klägerin.

2

Die daraufhin erhobene Klage auf Zahlung von 3.975 € nebst Zinsen und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten hat das Amtsgericht abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das [X.] diese Entscheidung teilweise abgeändert und die [X.] unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen verurteilt, an die Klägerin 2.975 € nebst Zinsen zu zahlen. Es hat die Auffassung vertreten, der zwischen der Erblasserin und der [X.]n geschlossene [X.] sei gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig, weil ein Entgelt von etwa 1.000 € pro übersandtem [X.] völlig außer Verhältnis zu dem Wert der vereinbarten Gegenleistung stehe; unabhängig von einer etwaigen [X.] einer derartigen Vergütung begründe dies die Sittenwidrigkeit der getroffenen Vereinbarung. Die aufgrund des besonders groben Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung bestehende tatsächliche Vermutung, wonach die [X.] in verwerflicher Gesinnung gehandelt habe, sei nicht erschüttert; darüber hinaus sei davon auszugehen, dass sie die Einsamkeit eines älteren Menschen ausgenutzt habe, um daran zu verdienen. Ob die Klägerin den [X.] daneben auch wirksam widerrufen habe, könne dahinstehen.

3

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die [X.] ihren Antrag auf Zurückweisung der Berufung der Klägerin weiter.

II.

4

Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vorliegen und das Rechtsmittel auch in der Sache keine Aussicht auf Erfolg hat.

5

1. Ein Zulassungsgrund besteht nicht. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Maßgeblich ist insoweit der [X.]punkt der Entscheidung des Revisionsgerichts (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 24. September 2015 - [X.], BeckRS 2015, 17165 Rn. 8 [X.]).

6

Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein [X.] als sittenwidrig anzusehen sei, im Hinblick auf aus seiner Sicht unterschiedliche Rechtsprechung der Oberlandesgerichte grundsätzliche Bedeutung zukomme und eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich erscheine.

7

Davon kann indes nicht ausgegangen werden. Die vom Berufungsgericht herausgestellte Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig; vor allem kann sie nicht allgemein beantwortet werden. Vielmehr ist es maßgeblich von der jeweiligen tatrichterlichen Würdigung abhängig, ob die Voraussetzungen des § 138 BGB gegeben sind. Dies muss anhand einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls festgestellt werden.

8

Zur Frage der Sittenwidrigkeit von Vergütungen für Partnerschaftsvorschläge sind unterschiedliche abstrakte Bewertungsansätze von Berufungsgerichten nicht ersichtlich und werden vom [X.], das insoweit keine Fundstellen anzugeben vermochte, auch nicht aufgezeigt. Vielmehr werden in der Judikatur der Berufungsgerichte regelmäßig die allgemeinen, in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärten Grundsätze zur Beurteilung der Sittenwidrigkeit zugrunde gelegt und auf die Umstände des Einzelfalles angewandt. Dass diese Grundsätze vom jeweils zur Entscheidung berufenen Gericht auf die jeweilige Fallgestaltung anzuwenden sind, verleiht dieser keine die Zulassung der Revision rechtfertigende grundsätzliche Bedeutung. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung wäre zudem nur bei offensichtlich widersprechenden Entscheidungen erforderlich, die jedoch hier nicht ersichtlich sind.

9

2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsgericht hat die [X.] zu Recht zur Zahlung von 2.975 € an die Klägerin verurteilt und den [X.] zwischen den Parteien als nach § 138 BGB sittenwidrig angesehen. Die dabei vorgenommene tatrichterliche Würdigung, wonach unter den Umständen des Streitfalls objektiv ein auffälliges und darüber hinaus ein besonders grobes Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung sowie die erforderlichen subjektiven Voraussetzungen vorliegen, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

a) Ein wucherähnliches Geschäft nach § 138 Abs. 1 BGB ist nach ständiger Rechtsprechung dann anzunehmen, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung ein objektiv besonders grobes oder zumindest auffälliges Missverhältnis besteht und außerdem ein weiterer Umstand hinzu tritt, der den [X.] als sittenwidrig erscheinen lässt. Ein besonders grobes Missverhältnis lässt sich in der Regel annehmen, wenn der Wert der Leistung knapp beziehungsweise annähernd doppelt so hoch ist wie derjenige der Gegenleistung (vgl. etwa [X.], Urteile vom 14. Juli 2004 - [X.], NJW 2004, 3553, 3554; vom 25. Februar 2011 - [X.], NJW-RR 2011, 880, Rn. 16; vom 15. Januar 2016 - [X.], NJW-RR 2016, 692, Rn. 7 und vom 25. Oktober 2016 - [X.], BeckRS 2016, 110296, Rn. 34 jew. [X.]). Ein auffälliges Missverhältnis kann sich zudem im Zusammenspiel mit weiteren Umständen, wie beispielsweise nachteiligen Vertragsbedingungen, ergeben. Dabei ist nicht das subjektive Interesse der Vertragsparteien, sondern der objektive Wert der beiderseitigen Hauptleistungspflichten bei Vertragsschluss zu vergleichen (vgl. etwa [X.], Urteil vom 25. Februar 2011 aaO, Rn. 15 [X.]).

b) Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht diese Grundsätze beachtet und bei Anwendung auf die Umstände des vorliegenden Falles auch die notwendige Gesamtbetrachtung angestellt.

(1) [X.] des zwischen der Erblasserin und der [X.]n geschlossenen Vertrags bestand in der Übersendung von drei Partnervorschlägen, die aus der Kartei der [X.]n entnommen werden sollten. Darin lag ihre Hauptleistungspflicht, während der Umstand, dass die Erblasserin ebenfalls in die Partnerkartei aufgenommen wurde, keine maßgebliche Gegenleistung darstellte. Denn die [X.] war nach dem Inhalt der vertraglichen Vereinbarung nicht verpflichtet, die Erblasserin etwa zusätzlich anderen Interessenten vorzuschlagen, um auch auf diese Weise das Zustandekommen einer Partnerschaft zu ermöglichen.

Bestand danach die Hauptleistungspflicht der [X.]n allein in der Übersendung von drei Partnervorschlägen an die Erblasserin, ist für den objektiven Wert dieser Leistung zu berücksichtigen, dass derartige Informationen über vermittlungsbereite Partner nur im Erfolgsfall ihren vollen Wert entfalten, während sie bei Nichtgefallen eigentlich ohne Wert sind; daher haben sie für sich genommen einen kaum oder nur unter großen Schwierigkeiten zu ermittelnden Marktwert (Senatsurteil vom 15. April 2010 - [X.], NJW 2010, 2868, Rn. 30).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat sich das Berufungsgericht für die Bewertung der Leistung der [X.]n und die Beurteilung der Sittenwidrigkeit auch an vergleichbaren Entscheidungen des [X.] orientiert (NJW-RR 2009, 1645, 1646 f und BeckRS 2007, 19904). Entsprechend hat es vorliegend den Inhalt des Vertrags und seine Durchführung umfassend gewürdigt und ebenso wie das [X.] im Rahmen der Gesamtwürdigung auch die Risiken für die Parteien einbezogen (vgl. hierzu [X.], Urteil vom 19. Juni 1990 - [X.], NJW-RR 1990, 1199, 1200).

Dabei hat es den Wert der Vorschläge der [X.]n, die jeweils neun bis zehn Zeilen mit Namen, Kontaktdaten und jeweils ähnlichen, mehr oder weniger aussagekräftigen Adjektiven enthalten, an den ähnlich gestalteten Vorschlägen in den genannten Entscheidungen gemessen. Es hat dabei nicht, wie die Revision meint, lediglich eine "in der Luft hängende" Bewertung der Gegenleistung der [X.]n vorgenommen, sondern diese anhand vergleichbarer Umstände gewürdigt und ein Entgelt von knapp 1.000 € für jeden Vorschlag als völlig außer Verhältnis zum Wert der festgestellten, nur geringen Gegenleistung der [X.]n angesehen. Dies ist frei von Rechtsfehlern.

(2) Entgegen der Auffassung der Revision besteht im Streitfall kein Anlass, die Frage einer ortsüblichen Vergütung oder eines korrekten Berechnungsmaßstabs zu vertiefen. Abgesehen davon, dass dem Vortrag der [X.]n nichts ausreichend Verwertbares zur Rechtfertigung eines derart hohen objektiven Werts ihrer Partnervorschläge zu entnehmen ist, hat das Berufungsgericht zusätzlich mit Recht darauf abgestellt, dass die Erblasserin angesichts der nur vagen Beschreibung der geschuldeten Dienstleistung der [X.]n, die weder zeitlich noch qualitativ Vorgaben enthielt, gerade auch im Hinblick auf ihr fortgeschrittenes Alter und die Zusendung von nur drei Partnervorschlägen ein "relativ hohes" Risiko eingegangen ist, den Betrag von 2.975 € letztlich umsonst gezahlt zu haben. Zwar besteht bei einem derartigen Vermittlungsvertrag stets das - erkennbare - Risiko, ob es tatsächlich zu einer erfolgreichen Partnerschaftsvermittlung kommen wird. Vorliegend war dieses jedoch aus den genannten Gründen für die Erblasserin sogar besonders hoch, so dass gerade auch deshalb die Leistung der [X.]n in einem auffälligen Missverhältnis zu dem daraus erlangten Vermögensvorteil steht.

Das Berufungsgericht hat insoweit mit Recht von der Einholung eines Sachverständigengutachtens abgesehen. Denn selbst wenn die von der [X.]n verlangte Vergütung pro [X.] als ortsüblich anzusehen wäre, könnte dies die Sittenwidrigkeit nicht ausschließen. [X.] und Angemessenheit sind unterschiedliche Maßstäbe für die Bewertung einer Leistung. Auch eine ortsübliche Vergütung ist dann als sittenwidrig zu beurteilen, wenn sie - wie hier - außer Verhältnis zu der erbrachten Gegenleistung steht.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht unter Einbeziehung von angeblichen Kosten der [X.]n. Die Revision hat keinen hinreichenden Sachvortrag in den Vorinstanzen aufgezeigt, dass und in welcher Höhe durch die Mitteilung der drei Partnervorschläge maßgebliche Kosten entstanden sein sollen. Dessen ungeachtet könnten die erstmals in der Revisionsbegründung erwähnten Kosten für Abschluss, Beratung, Einrichten der persönlichen Kundenstammdaten, Erstellung einer Partneranalyse und Aufnahme in die Partnerkartei die vereinbarte Vergütung in dieser Höhe ohnehin nicht rechtfertigen.

(3) Dieser Bewertung kann auch nicht die Entscheidung des [X.] vom 17. Oktober 2003 (NJW-RR 2004, 268 f) entgegen gehalten werden. Das Berufungsgericht hat zu Recht darauf verwiesen, dass es in dem diesem Urteil zugrunde liegenden Fall anders als vorliegend um eine Agentur mit hochkarätiger Klientel ging und selbst für deren Vorschläge jeweils nur etwa ein Drittel des von der [X.]n veranschlagten Entgelts in Rechnung gestellt worden ist. Demgegenüber sind in der Revisionsbegründung maßgebliche Gesichtspunkte aus dieser Entscheidung, die eine andere Beurteilung im Streitfall nahe legen könnten, weder dargestellt noch sonst ersichtlich.

c) Die Revision wendet sich zu Unrecht auch gegen die Annahme des Vorliegens der subjektiven Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 BGB.

(1) Soweit das Berufungsgericht dabei zunächst von einem groben Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ausgeht, ist dies aus Rechtsgründen ebenso wenig zu beanstanden wie die Annahme, dass die dann bestehende tatsächliche Vermutung für die verwerfliche Gesinnung des Begünstigten, hier der [X.]n, nicht erschüttert worden ist (vgl. hierzu etwa [X.], Urteil vom 25. Februar 2011 aaO, Rn. 13, 18 [X.]). Dass sich der Begünstigte des objektiv besonders groben Missverhältnisses nicht bewusst ist, steht dieser tatsächlichen Vermutung nicht entgegen, es reicht aus, wenn die Tatsachen, aus denen sich das objektive Missverhältnis ergibt, für ihn erkennbar sind (vgl. [X.], Urteil vom 14. Juli 2004 aaO, S. 3555).

Davon ist vorliegend auszugehen. Die Revision wendet sich gegen die auch insoweit nicht zu beanstandende tatrichterliche Würdigung letztlich nur damit, dass sie ihre abweichende Bewertung an die Stelle der des Berufungsgerichts setzen möchte. Dies ist revisionsrechtlich jedoch unbeachtlich. Die zur Widerlegung der Vermutung von der [X.]n vorgebrachten Gesichtspunkte sind zudem vollständig in die tatrichterliche Würdigung eingeflossen; dagegen kann sich die [X.] nicht auf ein in einem Parallelverfahren eingeholtes Gutachten zur Frage der [X.] berufen - ganz unabhängig von dessen Maßgeblichkeit überhaupt -; denn dieses Gutachten lag erst erhebliche [X.] nach dem Vertragsschluss mit der Erblasserin vor, so dass die [X.] sich darauf bei Festlegung der Vergütung ohnehin nicht hat verlassen können.

(2) Daneben hat das Berufungsgericht weitere Gesichtspunkte angeführt, die unabhängig von dieser Vermutung zur Annahme einer verwerflichen Gesinnung der [X.]n führen. Auch diese tatrichterliche Würdigung ist nicht zu beanstanden.

Herrmann     

       

Hucke     

       

Seiters

       

Reiter     

       

Arend     

       

Meta

III ZR 487/16

14.06.2017

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Hannover, 29. August 2016, Az: 12 S 84/15

§ 138 Abs 1 BGB, § 656 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.06.2017, Az. III ZR 487/16 (REWIS RS 2017, 9555)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 9555

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