Bundessozialgericht, Beschluss vom 19.02.2024, Az. B 3 P 9/23 B

3. Senat | REWIS RS 2024, 1139

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Begründung der Unvereinbarkeit mit dem GG unter Darlegung der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG - Bezeichnung einer Divergenz - Begründung eines grundsätzlichen Widerspruchs zwischen LSG und BSG


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 9. Februar 2023 - L 5 P 92/19 - wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 6604,91 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Das [X.] hat den von der Klägerin verfolgten Anspruch auf Zustimmung des beklagten [X.] zur gesonderten Berechnung von höheren betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen gegenüber den Bewohnern einer von ihr betriebenen vollstationären Pflegeeinrichtung für den Zeitraum vom 1.10.2014 bis [X.] weit überwiegend abgelehnt.

2

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.]. Sie macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, eine Divergenz und einen Verfahrensmangel geltend.

3

II. Die Beschwerde der Klägerin ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 S[X.]).

4

Nach § 160 Abs 2 S[X.] ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat ([X.]), die Entscheidung des [X.] von einer Entscheidung des [X.], des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des [X.] oder des [X.] abweicht und auf dieser Abweichung beruht ([X.]) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann ([X.]). Keinen der in § 160 Abs 2 S[X.] geltend gemachten Zulassungsgründe hat die Klägerin in der Begründung der Beschwerde schlüssig dargelegt oder bezeichnet (§ 160a Abs 2 Satz 3 S[X.]; vgl auch bereits den zwischen den Beteiligten ergangenen Beschluss [X.] vom 14.12.2020 - [X.] P 11/20 B - juris).

5

1. Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache erfordert die Formulierung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage, der in dem Rechtsstreit eine grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung beigemessen wird (vgl [X.] vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - [X.]E 40, 158 = [X.] 1500 § 160a [X.]1). Die abstrakte Rechtsfrage ist klar zu formulieren, um an ihr die weiteren Voraussetzungen für die Revisionszulassung nach § 160 Abs 2 [X.] S[X.] prüfen zu können (vgl Meßling in [X.]/[X.]/[X.]/Meßling, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 8. Aufl 2022, IX. [X.] Rd[X.]84 mwN). Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn zu erwarten ist, dass die Revisionsentscheidung die Rechtseinheit in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird. Daher ist aufzuzeigen, ob und inwieweit zu der aufgeworfenen Frage bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet worden sind und in welchem Rahmen noch eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits erforderlich erscheint (vgl Meßling, aaO, Rd[X.]86 f). Es ist aufzuzeigen, dass die Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und die Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (vgl [X.] vom 16.12.1993 - 7 [X.]/93 - [X.] 3-1500 § 160a [X.]6). Hierfür ist eine substantielle Auseinandersetzung mit den einschlägigen oberstgerichtlichen Entscheidungen ebenso erforderlich wie die Darlegung, dass sich aus diesen keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage ergeben (vgl [X.] vom [X.] - [X.] 3-1500 § 160 [X.] 8).

6

Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Als grundsätzlich klärungsbedürftig erachtet sie folgende Fragen:

        
        

"1. Ist eine landesrechtliche, ausschließliche Bezugnahme auf den Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank 'zur näheren Ausgestaltung' der Umlage nach § 82 Abs. 3, [X.] 'im Hinblick auf Art, Höhe und Laufzeit sowie die Verteilung der gesondert berechenbaren Aufwendungen auf die Pflegebedürftigen' rechtmäßig, nachdem der Gesetzgeber § 82 Abs. 1 [X.]. 1 [X.] in der ab dem 28.12.2012 geltenden Fassung um die Formulierung 'einschließlich [X.]italkosten' ergänzt hat?

                 
        

2. Ist eine landesrechtliche Verwaltungspraxis, zur Ermittlung der Umlagefähigkeit einer Eigenkapitalverzinsung auf den Basiszinssatz der [X.] abzustellen mit den Vorgaben der Art. 2, 3, 12, 14 des Grundgesetzes vereinbar?

                 
        

3. Ist es iS § 82 Absatz 3 [X.] rechtmäßig, ausschließlich auf Zins- und Tilgungspläne abzustellen, die Leistungen aus Eigenkapital einschließen ohne diese per Eigenkapitalverzinsung zu berücksichtigen?

                 
        

4. Sind iS § 82 Absatz 3 [X.] die sich aus der Differenz von Restbuchwert und [X.] ergebenden Beträge als Eigenkapitalverzinsung zustimmungsfähig?"

7

Mit den zu 1. und 2. aufgeworfenen Fragen werden schon keine abstrakt-generellen Rechtsfragen zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des [X.]rechts (vgl § 162 S[X.]) mit höherrangigem Recht formuliert, weil sich die Klägerin auf landesrechtliche Regelungen bzw eine landesrechtliche Verwaltungspraxis bezieht. Zwar können landesrechtliche Vorschriften auch dann vom Revisionsgericht eigenständig ausgelegt werden, wenn es sich um Normen handelt, die inhaltsgleich in den Bezirken verschiedener [X.] gelten, soweit die Übereinstimmung im Interesse der Rechtsvereinheitlichung bewusst und gewollt ist. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen muss aber vom Beschwerdeführer dargelegt werden (vgl nur [X.] vom [X.] - B 6 [X.]/21 B - juris Rd[X.] 9 mwN), was hier nicht erfolgt ist. Soweit die Klägerin mit den Fragestellungen zu 3. und 4. formal das [X.]recht (§ 82 Abs 3 [X.]) betreffende Fragen formuliert hat, fehlt es an Darlegungen, wieso die Antworten hierauf aus § 82 Abs 3 [X.] abgeleitet werden können, obgleich die Regelung auf [X.]recht verweist. Zudem enthält die Beschwerdebegründung keine hinreichenden Darlegungen zur Klärungsbedürftigkeit unter Berücksichtigung von einschlägiger Rechtsprechung und ggf Literatur. Nur hinzu kommt, dass es bei den die Vereinbarkeit mit dem [X.] betreffenden Fragen an einer Aufbereitung der Rechtsprechung des [X.] fehlt. Wer sich auf die Verfassungswidrigkeit einer Regelung beruft, darf sich nicht auf die Benennung angeblich verletzter Rechtsgrundsätze beschränken, sondern muss unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des [X.] und des [X.] darlegen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (vgl nur [X.] vom 7.10.2020 - B 14 [X.]/19 B - juris Rd[X.] 6 mwN).

8

2. Für die Bezeichnung einer Abweichung (Divergenz) ist aufzuzeigen, mit welchem genau bezeichneten entscheidungserheblichen abstrakten Rechtssatz die angefochtene Entscheidung des [X.] von welchem ebenfalls genau bezeichneten entscheidungserheblichen abstrakten Rechtssatz des [X.] im Grundsätzlichen abweicht. Eine Abweichung liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das [X.] aufgestellt hat, weil die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall nicht die Zulassung einer Revision wegen Abweichung rechtfertigt. Erforderlich ist vielmehr, dass das [X.] diesen Kriterien widersprochen und über den Einzelfall hinausgehende andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die - behauptete - Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen vermag die Zulassung der Revision wegen Abweichung zu begründen. Die Beschwerdebegründung muss deshalb erkennen lassen, dass das [X.] dem [X.] im Grundsätzlichen widersprochen und von den bezeichneten rechtlichen Aussagen des [X.] abweichende, dh mit diesen unvereinbare eigene rechtliche Maßstäbe entwickelt hat (vgl zB [X.] vom [X.] - B 7 [X.] 142/02 B - [X.] 3-1500 § 160a [X.]4; Meßling in [X.]/[X.]/[X.]/Meßling, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 8. Aufl 2022, IX. [X.] Rd[X.]00 ff mwN).

9

Auch diese Voraussetzungen liegen nicht vor, weil die Klägerin keine Rechtssätze bezeichnet, sondern nur vorträgt, dass vom [X.] getroffene Rechtssätze die in den Urteilen des [X.] vom 8.9.2011 ([X.] P 4/10 R, [X.] P 2/11 R, [X.] P 3/11 R und [X.] P 6/10 R), [X.] ([X.] P 7/17 B) sowie vom 13.7.2017 (B 8 [X.] 11/15 R) aufgestellten Grundsätze zu Art und Umfang der Refinanzierung geförderter Einrichtungen im Rahmen von Investitionskosten unterliefen. Sie kritisiert die "Lesart" dieser Entscheidungen durch die Vorinstanzen, ohne jedoch das [X.]recht betreffende Rechtssätze des [X.] oder des [X.] herauszuarbeiten und gegenüberzustellen. Dem Vortrag der Klägerin lässt sich jedenfalls ein Widerspruch des [X.] zum [X.] im Grundsätzlichen nicht entnehmen. Ob das [X.] die Rechtsprechung des [X.] in ihrem Einzelfall zutreffend berücksichtigt hat, ist im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde vom [X.] nicht zu überprüfen.

3. Die Bezeichnung eines Verfahrensmangels erfordert, dass ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem iS des § 160 Abs 2 [X.] Halbsatz 1 S[X.] die angefochtene Entscheidung des [X.] beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der § 109 S[X.] (Anhörung eines bestimmten Arztes) und § 128 Abs 1 Satz 1 S[X.] (freie richterliche Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 S[X.] (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das [X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 [X.] Halbsatz 2 S[X.]).

Dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Soweit die Klägerin als Verletzung des [X.] nach § 103 S[X.] rügt, das [X.] habe die notwendige Sachaufklärung insbesondere zur Ermittlung des zutreffenden Zinssatzes unterlassen, fehlt es an der Bezeichnung eines bis zuletzt aufrechterhaltenen [X.], dem das [X.] nicht gefolgt sein soll.

Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 S[X.] ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 S[X.] iVm § 154 Abs 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 S[X.] iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 47 Abs 1 und 3, § 52 Abs 1 und 3 Satz 1 GKG und bemisst sich nach dem geringfügig stattgebenden Berufungsurteil nach dem noch streitigen Differenzbetrag.

        

Flint 

[X.] 

Behrend

Meta

B 3 P 9/23 B

19.02.2024

Bundessozialgericht 3. Senat

Beschluss

Sachgebiet: P

vorgehend SG Dortmund, 28. Mai 2019, Az: S 54 P 378/15

§ 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 2 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 19.02.2024, Az. B 3 P 9/23 B (REWIS RS 2024, 1139)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 1139

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 3 P 12/23 B (Bundessozialgericht)


B 3 P 14/23 B (Bundessozialgericht)


B 1 KR 41/16 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache


B 12 KR 75/20 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache - kein Anspruch eines …


B 12 KR 60/14 B (Bundessozialgericht)

Nichtzulassungsbeschwerde - Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache - Unverzichtbarkeit der Bezeichnung einer abstrakten, aus …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.