Bundesfinanzhof, Zwischenbeschluss vom 11.01.2012, Az. VII B 171/11

7. Senat | REWIS RS 2012, 10231

GESETZGEBUNG STEUERRECHT BUNDESFINANZHOF (BFH)

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Gegenstand

Aufhebungsbeschluss des FG gilt grundsätzlich für die Dauer des erstinstanzlichen Verfahrens


Leitsatz

1. NV: Über die Zulässigkeit einer Beschwerde kann der BFH vorab durch einen Zwischenbeschluss entscheiden .

2. NV: Enthält der Beschluss des FG, mit dem die Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheids aufgehoben wird, keinen Hinweis auf eine zeitliche Befristung, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Aufhebung der Vollziehung bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens gewährt wird .

3. NV: Dies gilt auch für den Fall, dass der Steuerpflichtige gleichzeitig mit einer Sprungklage einen Antrag auf Aufhebung der Vollziehung gestellt hat und die Finanzbehörde, statt der Sprungklage zuzustimmen, durch Einspruchsentscheidung entscheidet .

Tatbestand

1

I. Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) betreibt ein Kraftwerk. Im Juni 2011 setzte sie in den Kernreaktor Brennelemente ein und löste anschließend eine selbsttragende Kettenreaktion aus, was zur Steuerentstehung nach § 5 Abs. 1 des Kernbrennstoffsteuergesetzes führte. Die verwendeten Brennelemente enthielten … Gramm Uran 235. In ihrer für den Monat Juni 2011 abgegebenen Steueranmeldung vom 8. Juli 2011 berechnete die Antragstellerin eine Steuer von [X.], die zunächst bezahlt worden ist. Die Antragstellerin hat jedoch Sprungklage erhoben und Aufhebung der Vollziehung beantragt. Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Hauptzollamt --[X.]--) hat der Sprungklage nicht zugestimmt, sondern stattdessen am 16. November 2011 eine Einspruchsentscheidung erlassen. Gegen die vom [X.] ([X.]) angeordnete Aufhebung der Vollziehung hat das [X.] die zugelassene Beschwerde eingelegt.

2

Das [X.] ist der Ansicht, eine vom [X.] gewährte Aufhebung der Vollziehung könne regelmäßig nur bis zum Ergehen der Einspruchsentscheidung Geltung beanspruchen. Infolgedessen sei im Streitfall --vorbehaltlich der Entscheidung des [X.] ([X.] von einer Fälligkeit der geschuldeten Kernbrennstoffsteuer und vom Eintritt der Säumnisfolgen auszugehen. Deshalb begehrt die Antragstellerin eine Vorabentscheidung über die Zulässigkeit der Beschwerde. Ihrer Ansicht nach hat sich die Beschwerde durch die vom [X.] getroffene Einspruchsentscheidung nicht erledigt. Zwar habe das [X.] die Aufhebung der Vollziehung ohne jegliche Befristung angeordnet, doch ergebe sich aus der Antragsbegründung und den Ausführungen des [X.], dass dieses die Aufhebung der Vollziehung bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens angeordnet habe. Somit wirke die Aufhebung der Vollziehung fort mit der Folge, dass eine Zahlungspflicht nicht bestehe und Säumniszuschläge nicht entstehen könnten. Gehe man von einem anderen Verständnis der Entscheidung aus, müsste die zurückgewährte Steuer erneut an das [X.] gezahlt werden, um Säumniszuschläge zu vermeiden.

3

In seiner Stellungnahme geht das [X.] von einer weiterhin bestehenden Zulässigkeit seiner Beschwerde aus, auch wenn das [X.] sein Ermessen in Bezug auf die Dauer der zu gewährenden Aufhebung der Vollziehung nicht ausgeübt habe. Ungewiss sei, ob der Beschluss aufgrund seiner unklaren Tenorierung seine Wirkung inzwischen verloren habe.

Entscheidungsgründe

4

II. Die Beschwerde des [X.] ist zulässig.

5

1. Schrifttum und höchstrichterliche Rechtsprechung stimmen darin überein, dass die Beschwerde in der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) unvollständig geregelt ist. Deshalb ist die Anwendung weiterer Verfahrensvorschriften der [X.]O auf das Beschwerdeverfahren --über eine sinngemäße Anwendung des § 121 [X.]O-- geboten ([X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 132 [X.]O Rz 7; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 132 Rz 4, und [X.] vom 18. Mai 2006 III R 47/05, [X.], 2082, und vom 30. April 1987 [X.]/86, [X.], 437, [X.] 1987, 502). Zu diesen Vorschriften gehört auch § 97 [X.]O. Folglich ist der [X.] nicht daran gehindert, über die Zulässigkeit der Beschwerde durch einen Zwischenbeschluss vorab zu entscheiden.

6

Da Zweifel in Bezug auf die zeitliche Begrenzung der vom [X.] gewährten Aufhebung der Vollziehung bestehen und damit auch Ungewissheit in Bezug auf die Zulässigkeit der Beschwerde besteht, hält es der Senat aus Gründen der Rechtssicherheit --insbesondere im Hinblick auf das Entstehen von [X.] im Streitfall für zweckmäßig, die Frage der Zulässigkeit der Beschwerde vorab zu klären.

7

2. Das [X.] hat die Aufhebung der Vollziehung angeordnet, ohne im Tenor oder in den Gründen des Beschlusses eine Befristung vorzunehmen. Grundsätzlich muss davon ausgegangen werden, dass nach der Regelung des § 69 [X.]O die Aussetzung der Vollziehung für jeden Verfahrensabschnitt gesondert zu prüfen ist ([X.]-Beschlüsse vom 26. Januar 1973 III S 2/72, [X.]E 108, 152, [X.] 1973, 456, und vom 3. Januar 1978 [X.], [X.]E 124, 22, [X.] 1978, 157). Enthält der Beschluss keinen ausdrücklichen Hinweis zur Dauer seiner Gültigkeit, so ist vom Normalfall, also davon auszugehen, dass das [X.] die Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung bis zum Ergehen seiner eigenen Hauptsacheentscheidung angeordnet hat (Senatsbeschluss in [X.]E 124, 22, [X.] 1978, 157).

8

Nach der Rechtsprechung des [X.] gilt ein Aussetzungsbeschluss auch dann für die Dauer des finanzgerichtlichen Verfahrens, wenn ein Steuerpflichtiger gleichzeitig mit der Sprungklage einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt hat, das [X.] dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ohne zeitliche Begrenzung statt gibt und die Finanzbehörde, statt der Sprungklage zuzustimmen, durch Einspruchsentscheidung entscheidet ([X.]-Beschluss vom 24. Februar 1987 [X.]/86, [X.]E 148, 533, [X.] 1987, 344).

9

Diese Grundsätze gelten auch für eine Aufhebung der Vollziehung. Im Streitfall lassen sich weder aus dem Tenor der angefochtenen Entscheidung noch der Begründung des Beschlusses Anhaltspunkte dafür gewinnen, dass das [X.] die Aufhebung der Vollziehung lediglich bis zum Erlass einer Einspruchsentscheidung gewähren wollte. Vielmehr gilt sie bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens in der Hauptsache. Eine Erledigung des Antrags auf Aufhebung der Vollziehung ist somit noch nicht eingetreten. Die Beschwerde des [X.] ist daher weiterhin zulässig.

Meta

VII B 171/11

11.01.2012

Bundesfinanzhof 7. Senat

Zwischenbeschluss

vorgehend FG Hamburg, 16. September 2011, Az: 4 V 133/11, Beschluss

§ 69 FGO, § 97 FGO, § 121 FGO, KernbrStG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Zwischenbeschluss vom 11.01.2012, Az. VII B 171/11 (REWIS RS 2012, 10231)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 10231

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