Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.03.2004, Az. IX ZR 255/00

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 4036

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/00
Verkündet am: 18. März 2004 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja [X.]: nein

BGB § 675; ZPO § 287 Abs. 1

Wird das [X.] wegen eines [X.]s verfehlt, besteht der [X.] des Mandanten, wenn er den erstrebten Titel nicht hätte durchsetzen wollen, nicht im Verlust der klageweise geltend gemachten Forderung.

[X.], Urteil vom 18. März 2004 - [X.]/00 - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. März 2004 durch den Vorsitzenden [X.] [X.] und die [X.] Dr. [X.], [X.], [X.] und [X.]

für Recht erkannt:
Auf die Revision des [X.]n wird das Urteil des 26. Zivilsenats des [X.] vom 31. Mai 2000 im Kostenpunkt und inso-weit aufgehoben, als zu seinem Nachteil erkannt worden ist.
In diesem Umfang wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an den 6. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die chronisch asthmakranke, in [X.] wohnhafte Klägerin hielt sich am 7. Oktober 1990 zu Besuch bei ihrer Tochter in [X.] auf. Diese lebte in nichtehelicher Lebensgemeinschaft mit dem Zahnarzt [X.]

zusammen, dem das [X.] der Klägerin bekannt war. Als die Klägerin Kopfschmer-zen befielen, erbat ihre Tochter von [X.]für ihre Mutter ein Schmerzmittel, welches frei von [X.] sei. [X.] verwies auf das in seiner [X.] vorrätig gehaltene Medikament Novalgin, wobei er übersah, daß es für Asthmatiker kontraindiziert ist, was sich auch aus dem Beipackzettel des Her-- 3 - stellers ergab. Nach Einnahme der [X.] fiel die Klägerin ins Koma und war bis zum 22. Oktober 1990 ohne Bewußtsein. Bis zum 12. Januar 1991 wurde sie stationär behandelt. Ihre Gesundheit ist bislang nicht vollständig wiederhergestellt.

Spätestens im März 1992 nahm die Klägerin [X.] auf [X.] in Anspruch. Mit Schreiben vom 20. März 1992 meldete sich dessen [X.] und erbat eine nähere Darlegung der Anspruchsvorausset-zungen. Dazu kam es zunächst nicht.

Im Mai 1992 wandte sich die Klägerin über ihre [X.] [X.] an den [X.]n und beauftragte ihn mit der Durchsetzung der Schadens-ersatzansprüche. Der genaue Gegenstand des Mandats ist zwischen den [X.] streitig. Mit zwei Schreiben vom 11. Januar 1993 und vom 10. Mai 1993 machte die Klägerin gegen [X.]- gestützt auf eine fehlerhafte zahnärztliche Behandlung - Ersatz eines zunächst nicht bezifferten Vermögensschadens so-wie Schmerzensgeld geltend. Unter Bezugnahme hierauf und die mit den eng-lischen Anwälten geführte Vorkorrespondenz wiederholte der Versicherer mit Schreiben vom 25. Mai 1993 seine Bitte um Vervollständigung des [X.] und Übersendung entsprechender Unterlagen. Dem kam der [X.] mit Schreiben vom 4. April 1995 nach, in welchem er die Ansprüche der Klägerin einschließlich einer Schmerzensgeldforderung von 165.000 DM auf insgesamt 674.718,12 DM bezifferte. Weitere Aktivitäten, insbesondere solche zur [X.], entfaltete er nicht.

Mit Schreiben vom 31. Juli 1996 an [X.] zeigte Rechtsanwalt [X.]an, daß das Mandat des [X.]n beendet sei und nunmehr er die - 4 - Klägerin vertrete. Unter dem 30. August 1996 teilte der Versicherer diesem mit, daß er den Anspruch der Klägerin "unter Berücksichtigung der Bestimmungen des § 852 BGB" für verjährt halte und den Ausgleich der geltend gemachten Forderungen ablehne.

Eine am 19. Juni 1997 auf Veranlassung von Rechtsanwalt [X.]ein gereichte Klage gegen [X.]wies das [X.] [X.] mit Urteil vom 18. Juni 1998 ab. Vertragliche Ansprüche seien nicht gegeben, weil die Her-ausgabe der [X.] nicht im Zusammenhang mit einer zahnärztli-chen Behandlung gestanden habe. Etwaige Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung seien jedenfalls verjährt (§ 852 BGB). In jenem [X.] hatte die Klägerin dem [X.]n den Streit verkündet; dieser war dem Rechtsstreit auf seiten des verklagten [X.] beigetreten.

Nach dem [X.] hat die Klägerin den [X.]n auf Schadens-ersatz in Anspruch genommen, weil er die begründeten Forderungen habe ver-jähren lassen. Das [X.] hat den Zahlungsanträgen teilweise, nämlich in Höhe von 103.721,20 DM, davon 100.000 DM Schmerzensgeld, sowie der be-gehrten Feststellung der Schadensersatzpflicht für alle weiteren materiellen und immateriellen Schäden stattgegeben. Mit der Berufung hat die Klägerin die Zuerkennung eines weiteren materiellen Schadensersatzes von 60.109,83 DM erreicht. Die Berufung des [X.]n, mit der er die Abweisung der Klage er-strebte, blieb erfolglos. Mit der vom Senat angenommenen Revision verfolgt der [X.] seinen Klageabweisungsantrag weiter.

- 5 - Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit es zum Nachteil des [X.]n erkannt hat, und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

[X.]

Das Berufungsgericht hat auf das Vertragsverhältnis der Parteien ge-mäß Art. 28 Abs. 1 und 2 EGBGB [X.] Recht angewandt, weil die Tätig-keit des [X.]n in [X.] die charakteristische Leistung darstelle, die [X.] gegen [X.] somit nach [X.] Recht zu beurteilen und in [X.] durchzusetzen gewesen seien. Diese Begründung trifft zu und wird von der Revision auch nicht in Zweifel gezogen.

I[X.]

Ohne Erfolg rügt die Revision, die Vorinstanz habe zu Unrecht eine schuldhaft begangene Pflichtverletzung des [X.]n angenommen.

1. Nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand ist davon auszugehen, daß der Klägerin gegen [X.] ein deliktischer Schadensersatzanspruch zustand, weil er in Kenntnis der Asthmaerkrankung der Klägerin dieser - ohne ärztliche Verordnung - ein rezeptpflichtiges Kopfschmerzmittel aus seiner priva-- 6 - ten Hausapotheke empfahl, welches für Asthmakranke kontraindiziert ist. Hiergegen wendet sich die Revision auch nicht.

2. Das Berufungsgericht meint, der dem [X.]n zeitlich mit der Ertei-lung der schriftlichen Vollmacht in Sachen "[X.]

" vom 5. Januar 1993 erteilte Auftrag, die Interessen der Klägerin gegen [X.] bis hin zur Klageerhebung wahrzunehmen, sei nicht darauf beschränkt gewesen, nur den Versicherer in Anspruch zu nehmen. Mangels eines Direktanspruchs entspre-chend § 3 Abs. 3 [X.] habe nur [X.] selbst Anspruchsgegner sein [X.]. Dies habe der [X.] auch erkannt. Folgerichtig habe er schon mit Schreiben vom 12. Oktober 1992 bei den [X.] Rechtsanwälten der Klä-gerin nachgefragt, ob das Einverständnis bestehe, gegen [X.] selbst vor-zugehen. Die (zustimmende) Antwort der Klägerin habe in der übersandten [X.] gelegen.

Diese - weitgehend tatrichterliche - Beurteilung des Geschehens ist rechtlich zutreffend. Auch sie nimmt die Revision hin.

3. Der Revision kann nicht zugestimmt werden, soweit sie meint, gleich-wohl fehle es an einer schuldhaften Pflichtverletzung des [X.]n.

a) Diese liegt nach Auffassung des Berufungsgerichts darin, daß der [X.] entgegen seiner eigenen Klageandrohung im Schreiben vom 10. Mai 1993 nichts unternommen habe, um den aus seiner Sicht allein [X.] deliktischen Anspruch rechtzeitig vor dem Eintritt der Verjährung im Oktober 1993 zu unterbrechen. Angesichts der kurzen Verjährungsfrist des § 852 Abs. 1 BGB a.F. habe der [X.] nicht bis zum 4. April 1995 untätig - 7 - bleiben dürfen. Dies gelte gerade im Hinblick auf den Vortrag des [X.]n im Regreßverfahren, die Unterbreitung eines Sachverhalts im [X.], der auf einen vertraglichen Anspruch hinauslaufe, sei in wesentlichen Teilen frei er-funden gewesen. Selbst wenn der [X.] angenommen hätte, daß der Lauf der Verjährung ab Zugang des ersten Schreibens der A.

vom 20. März 1992, jedenfalls jedoch ab Zugang des Fragebogens an ihn selbst im Mai 1993, nach § 852 Abs. 2 BGB a.F. gehemmt gewesen wäre, hätte er das [X.] erkennen und den für die Klägerin risikolosesten Weg [X.] müssen.

b) Gegen diese Begründung bestehen keine durchgreifenden Bedenken. Der [X.] hat pflichtwidrig gehandelt, indem er die Klägerin nicht in die [X.] versetzte, der von [X.] später erhobenen Verjährungseinrede erfolg-reich entgegenzutreten. Nach dem festgestellten Sachverhalt war der [X.] beauftragt, die Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen [X.] geltend zu machen. Da er vertraglich verpflichtet war, vermeidbare Nachteile für seine Auftraggeberin zu verhindern, hatte er deren Ansprüche vor deren Verjährung zu sichern (vgl. [X.], Urt. v. 17. Juni 1993 - [X.] ZR 206/92, [X.], 2797 f). Wann die Ansprüche auf Ersatz des materiellen und des immateriellen Scha-dens verjährten, war bei objektiver Betrachtung unklar. In dem für die Klägerin ungünstigsten Fall war diese jedenfalls Ende September 1993 noch nicht ein-getreten (vgl. § 852 Abs. 1 BGB a.F.). Der [X.] hätte deshalb vor diesem [X.]punkt Maßnahmen treffen müssen, die auch in diesem Fall verhinderten, daß seine Auftraggeberin einen Nachteil erlitt.

[X.]) Aufgrund der [X.] des im [X.] ergangenen Urteils des [X.]s [X.] vom 18. Juni 1998 steht nach § 74 Abs. 3 i.V.m. - 8 - § 68 ZPO im Verhältnis zum [X.]n fest, daß jener Rechtsstreit, wie er dem [X.] vorgelegen hat, richtig entschieden ist und deshalb der regelmäßigen 30-jährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB a.F. unterliegende vertragliche Ansprüche nicht bestanden.

(1) Die [X.] kommt nicht nur dem [X.], sondern auch den tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen zu, auf denen das Urteil im [X.] beruht ([X.] 85, 252, 255; ständig, zuletzt [X.]. v. 27. November 2003 - [X.], zur Veröffentlichung in [X.] vor-gesehen). Dies gilt indes nicht für Feststellungen des Erstgerichts, auf denen sein Urteil nicht beruht (sogenannte überschießende Feststellungen, vgl. [X.], [X.]. v. 27. November 2003, [X.]O; [X.]/[X.], 2. Aufl., § 68 Rn. 15; Musielak/[X.], ZPO 3. Aufl. § 68 Rn. 4; [X.]/Vollkommer, ZPO 24. Aufl. § 68 Rn. 9). Die [X.] treffen auch den nicht [X.], weil er die Möglichkeit hat, auf den Rechtsstreit Einfluß zu nehmen. Einer [X.] steht schließlich nicht entgegen, daß der Streitverkündete - wie hier - nicht dem Streitverkünder beigetreten ist. Bei einem Beitritt des Streitverkündeten auf seiten des Prozeß-gegners des Streitverkünders tritt die [X.] in gleicher Weise ein wie bei unterlassenem Beitritt ([X.] 85, 252, 255; 103, 275, 278; [X.]/[X.], [X.]O § 74 Rn. 3).

(2) Hier ist die [X.] zum einen insoweit eingetreten, als das [X.] im [X.] Ansprüche der Klägerin aus Verletzung eines zahnärztlichen Behandlungsvertrages verneint hat, weil die Parteien einen [X.] nicht geschlossen hätten und die Herausgabe des [X.] ihrem privaten Bereich zuzurechnen sei. Sie erstreckt sich auch auf die - 9 - hierzu festgestellten tatsächlichen Grundlagen, also auch den Geschehensab-lauf, wie er in der damaligen mündlichen Verhandlung vor dem [X.] [X.] unstreitig geworden ist.

Darüber hinaus ergreift die [X.] als aus objektiver Sicht tragendes Entscheidungselement die Annahme der Verjährung etwaiger Scha-densersatzansprüche der Klägerin aus unerlaubter Handlung. Hierzu gehören als tragende tatsächliche und rechtliche Grundlagen die für die Berechnung der dreijährigen Verjährungsfrist maßgeblichen Umstände, wie der Fristbeginn am 22. Oktober 1990, der Fristablauf am 22. Oktober 1993 und das Fehlen von verjährungshemmenden oder verjährungsunterbrechenden Tatsachen.

[X.]) Ob der [X.] seine anwaltlichen Pflichten schuldhaft verletzte, weil er die Verjährung vor dem 22. Oktober 1993 nicht unterbrach, hat das [X.] im [X.] dagegen nicht entschieden. Dies kann jedoch im vorliegenden Regreßprozeß nicht mit Erfolg in Frage gestellt werden, weil der [X.] schon mit Schreiben an die [X.] Rechtsanwälte vom 12. Oktober 1992 und vom 16. Oktober 1992 zumindest erhebliche Zweifel [X.] hat, ob aufgrund des ihm geschilderten Geschehensablaufs von einer zahnärztlichen Behandlung ausgegangen werden könne. Wegen seiner Pflicht, vermeidbare Risiken für seine Auftraggeberin auszuschließen, hätte er deshalb von vornherein in Betracht ziehen müssen, daß sich das zur Entscheidung be-rufene Gericht der seiner Mandantin ungünstigen Beurteilung anschloß und vertragliche Ansprüche verneinte. Er hätte daher verhindern müssen, daß die Klägerin für diesen Fall einen Nachteil erlitt (vgl. [X.], Urt. v. 17. Juni 1993, [X.]O S. 2798). Dies galt im übrigen auch im Hinblick auf die verfolgten [X.]. - 10 -

Der Annahme einer schuldhaften Pflichtverletzung durch das [X.] steht auch nicht entgegen, daß nach objektiver Rechtslage die Verjährung des Schadensersatzanspruchs der Klägerin gegen [X.] mögli-cherweise in der [X.] zwischen der Übersendung des Fragebogens durch den Versicherer bis zur Zurückweisung der Ansprüche nach § 852 Abs. 2 BGB a.F. gehemmt gewesen ist. Da im [X.] Verhandlungen über den zu leisten-den Schadensersatz nicht festgestellt wurden, muß sich der [X.] im [X.] hieran festhalten lassen. Er kann nicht mit der Behauptung gehört werden, daß die Klägerin im [X.] die tatsächlichen Voraussetzungen der Hemmung der Verjährung nicht hinreichend vorgetragen habe (vgl. § 74 Abs. 2 i.V.m. § 68 ZPO). Die Auffassung der Revision, tragendes Entscheidungsele-ment der Vorentscheidung sei nur der Eintritt der Verjährung, dem [X.]n sei deshalb nur der Einwand abgeschnitten, der Klägerin sei kein Schaden ent-standen, während die Pflichtverletzung des [X.]n aufgrund der objektiven Rechtslage zu beurteilen sei, verkennt die Reichweite der Interventionswir-kung. Sie beschränkt sich nicht auf den Streitgegenstand des [X.], sondern umfaßt alle (dort entscheidungserheblichen) tatsächlichen und rechtli-chen Grundlagen (vgl. [X.], [X.]. v. 27. November 2003, [X.]O; [X.]/[X.], [X.]O § 68 Rn. 4).

Schließlich ist unerheblich, daß sich die [X.] bei einem anderen Begründungsansatz des Erstgerichts möglicherweise nicht gestellt hätten. Da der Empfänger einer Streitverkündung auch damit rechnen muß, daß sich das Erstgericht für einen Begründungsansatz entscheidet, den er nicht für richtig hält, war die für die Berechnung der Verjährung maßgebliche tatsächliche Grundlage - einschließlich der Abwesenheit von [X.] 11 - ständen - entscheidungserheblich und nimmt deshalb an der Bindungswirkung des § 68 ZPO teil (vgl. [X.], [X.]. v. 27. November 2003, [X.]O). - 12 - II[X.]

Dagegen ist der Revision Recht zu geben, soweit sie die Ursächlichkeit des Eintritts der Verjährung der gegen [X.] gerichteten Ansprüche für ei-nen dadurch der Klägerin entstandenen Schaden in Zweifel zieht.

1. Der Ersatzpflichtige hat nach § 249 Satz 1 BGB den Zustand [X.], der ohne seine Pflichtverletzung bestünde. Deshalb ist zu prüfen, wel-chen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem (vertragsgemäßem) Verhalten des anwaltlichen Beraters genommen hätten, insbesondere wie der Mandant darauf reagiert hätte, und wie dessen Vermögenslage dann wäre. Die Ursächlichkeit einer von dem anwaltlichen Berater begangenen Pflichtverletzung für einen dadurch angeblich entstandenen Schaden gehört zur haftungsausfüllenden Kausalität, für deren Nachweis die in § 287 ZPO vorgesehenen [X.] gelten ([X.], Urt. v. 30. März 2000 - [X.] ZR 59/99, [X.], 1351, 1352; v. 23. Oktober 2003 - [X.] ZR 249/02, NJW 2004, 444 f). Deshalb reicht eine deutlich überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahr-scheinlichkeit, daß ein Schaden entstanden sei, für die richterliche Überzeu-gungsbildung aus (vgl. [X.], Urt. v. 8. November 2001 - [X.] ZR 64/01, [X.], 2455, 2458; v. 23. Oktober 2003, [X.]O [X.]).

2. Das Berufungsgericht hat den Schaden der Klägerin und die haf-tungsausfüllende Kausalität allein damit begründet, die Klägerin könne ihre Ansprüche wegen des Fehlverhaltens des [X.]n nicht durchsetzen; einer erneuten Inanspruchnahme des Schädigers stehe - falls bei objektiver Betrach-tung keine Verjährung eingetreten sei - die Rechtskraft des im [X.] er-gangenen Urteils entgegen. Diese Erwägungen tragen nicht. - 13 -

a) Das Berufungsgericht hat bei seiner Würdigung gemäß § 287 ZPO übersehen, daß ein Mandant, der infolge eines Anwaltsversehens eine Forde-rung verliert, einen Schaden im Rechtssinn nur erleidet, wenn er bei sachge-rechtem Vorgehen des Rechtsanwalts Leistungen erhalten hätte. Trifft dies nicht zu, ist die verlorene Forderung wertlos. In einem solchen Fall kommt die Verurteilung des Rechtsanwalts auf Zahlung von Schadensersatz ebensowenig in Betracht (vgl. [X.], Urt. v. 30. Oktober 1984 - [X.] ZR 6/84, [X.], 83, 85; v. 19. September 1985 - [X.] ZR 138/84, [X.] 1985, 1503, 1506; v. 5. [X.] - [X.] ZR 12/92, [X.], 382, 383; Zugehör/[X.], Handbuch der Anwaltshaftung Rn. 1092) wie der Ausspruch einer umfassenden Feststellung. Ein Verfehlen des [X.]s löst nicht nur dann keinen Vermögensschaden aus, wenn die Forderung wegen Vermögenslosigkeit des in Anspruch [X.] nicht hätte durchgesetzt werden können. Der Uneinbringlichkeit wegen Zahlungsunfähigkeit ist der Fall gleichzustellen, daß der Mandant den erfolglos erstrebten Titel von vornherein nicht durchsetzen wollte, sondern für andere Zwecke erstrebte (vgl. [X.], Urt. v. 30. Oktober 1984, [X.]O [X.]). In einem solchen Fall besteht der durch den [X.] verursachte Schaden [X.] nicht in dem Verlust der im Ausgangsprozeß klageweise geltend gemach-ten Forderung.

b) Obwohl der Sach- und Streitstand Veranlassung bietet, hat der [X.] hierzu im Rahmen der ihm nach § 287 ZPO obliegenden Schadenser-mittlung Überlegungen nicht angestellt, was die Revision mit Recht rügt.

[X.]) Der [X.] hatte in den Tatsacheninstanzen wiederholt vortragen lassen, die Klägerin habe das private Vermögen des [X.]

wegen der per-- 14 - sönlichen Beziehungen nicht gefährden und daher nur gegen ihn vorgehen wollen, falls er Deckungsschutz durch den [X.] erhalte. Er hat seine Behauptung durch die Vorlage der Kopie eines Besprechungs-vermerks vom 5. Januar 1993 belegt. Die Klägerin ist dem zwar entgegengetre-ten und hat geltend gemacht, es sei keinesfalls so, daß sie von vornherein ihre Schadensersatzansprüche ausschließlich gegen den [X.] habe durchsetzen wollen. Schon in der Klageschrift hat sie zudem auf ihre Schriftsätze im [X.] verwiesen. Dort hatte sie vortragen lassen, sie sei, wenn der Haftpflichtversicherer nicht zahle, in jedem Fall gezwungen, die [X.] des [X.]n gegen dessen Versicherer zu pfänden und sich über-weisen zu lassen (S. 4 des Schriftsatzes vom 5. Februar 1998). Beweis für ihre Behauptungen hat sie indes nicht angeboten.

Das Berufungsgericht hat sogar selbst ausdrücklich offengelassen, ob die Klägerin die Absicht verfolgt habe, sich aus dem privaten Vermögen des Lebensgefährten ihrer Tochter schadlos zu halten, oder ob sie sich mit dem Erwerb des Titels nur eine "Vollstreckungsoption" habe sichern wollen. [X.] allein hierin das [X.], liegt der Schaden nicht in dem [X.], von dem der überwiegende Teil zu-dem auf den Ersatz eines immateriellen Schadens entfällt.

[X.]) Im Hinblick auf die festgestellten persönlichen Beziehungen zwi-schen den Parteien des [X.] besteht auch kein Erfahrungssatz dahin, daß aus dem Verfehlen des [X.]s ein Vermögensschaden in Höhe des im [X.] eingeklagten Betrages folgt (vgl. [X.], Urt. v. 30. Oktober 1984, [X.]O [X.]). - 15 - IV.

1. Das Berufungsurteil kann deshalb, soweit der [X.] verurteilt [X.] ist, keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.). In diesem Umfang ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO a.F.). [X.] Feststellungen zur haftungsausfüllenden Kausalität fehlen.

2. Für die neue Verhandlung weist der Senat auf folgendes hin:

a) Das Berufungsgericht wird feststellen müssen, ob der Anspruch der Klägerin gegen [X.] durch dessen Haftpflichtversicherung gedeckt war, wie in der Revisionserwiderung ausgeführt wird. Der Deckungsschutz ist nach § 287 ZPO von der Klägerin zu beweisen. Sollte die Versicherung eintritts-pflichtig gewesen sein, spricht schon der Beweis des ersten Anscheins dafür, daß die Klägerin auf diese Ansprüche zugegriffen hätte.

Bestand keine eintrittspflichtige Haftpflichtversicherung, so gibt die [X.] der Klägerin Gelegenheit, ihren Vortrag, sie hätte [X.] auch dann gerichtlich in Anspruch genommen und aus seinem Vermögen Be-friedigung gesucht, zu ergänzen und unter Beweis zu stellen.

b) Sollte es bei einer Haftung des [X.]n verbleiben, gibt die [X.] dem Berufungsgericht auch Gelegenheit, die Höhe des durch den [X.] abgeschnittenen Schmerzensgeldanspruchs - soweit dieser noch Gegenstand des wiederholten Berufungsverfahrens ist - neu zu [X.]. In diesem Zusammenhang weist die Revision zutreffend darauf hin, daß - 16 - zu Lasten des [X.]n nur unstreitige oder - gegebenenfalls auch durch Ein-holung eines Sachverständigengutachtens - bewiesene Umstände Berücksich-tigung finden können.

3. Der Senat macht von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO a.F. Gebrauch.

Kreft [X.] Ganter
[X.] [X.]

Meta

IX ZR 255/00

18.03.2004

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.03.2004, Az. IX ZR 255/00 (REWIS RS 2004, 4036)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 4036

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