Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.04.2005, Az. IX ZR 132/01

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 4187

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

[X.]/01
Verkündet am: 7. April 2005 [X.] als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

BGB §§ 675, 249 Bb

Verursacht der Rechtsanwalt durch pflichtwidrige Untätigkeit, daß ein Anspruch des Mandanten verjährt, den er durchzusetzen beauftragt war, wird der [X.] nicht dadurch unterbrochen, daß der Mandant später einen anderen Anwalt beauftragt, der es fahrlässig versäumt, noch rechtzeitig den Eintritt der [X.] zu vermeiden.

[X.], Urteil vom 7. April 2005 - [X.]/01 - OLG Frankfurt am Main
LG Gießen - 2 -

- 3 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 7. April 2005 durch [X.] [X.], [X.] Ganter, [X.], [X.] und die Richterin [X.]
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 2. Zivilsenats des [X.] vom 15. Dezember 2000 im Kostenpunkt mit Ausnahme des die außergerichtlichen Kosten der [X.] zu 2 betreffenden Teils und insoweit aufge-hoben, als die Klage gegen den [X.] zu 1 abgewiesen [X.] ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten [X.] und Entscheidung - auch über die Kosten des [X.] - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von dem beklagten Rechtsanwalt Schadensersatz, weil er ihren Anspruch auf Zugewinnausgleich habe verjähren lassen. - 4 - Die Klägerin war mit Urteil vom 18. Mai 1992 geschieden worden. Am 10. Februar 1993 wurde die Zustellung des mit [X.] versehenen Scheidungsurteils an sie verfügt. Am 11. Juni 1993 reichte die Klägerin Stufen-klage auf Auskunft und Ausgleich des Zugewinns ein und beantragte zugleich Prozeßkostenhilfe. Sie wurde dabei - wie zuvor im Scheidungsverfahren - von dem [X.] zu 1 (im folgenden: Beklagter) als Prozeßanwalt vertreten, der mit der früheren [X.] zu 2 zeitweilig in einer "Scheinsozietät" verbunden war; als Verkehrsanwalt hatte die Klägerin den gesondert verklagten Rechts-anwalt [X.] aus [X.]beauftragt. Das Familiengericht wies den Antrag auf Prozeßkostenhilfe mit Beschluß vom 29. Juli 1993 zurück, nachdem der frühere Ehemann der Klägerin eine privatschriftliche "Abfindungsvereinbarung" vorgelegt hatte. Der Beklagte bestreitet, diesen Beschluß erhalten zu haben. In der Folgezeit blieb er völlig untätig und reichte weder einen von Rechtsanwalt [X.]entworfenen Schriftsatz vom 12. August 1993 bei Gericht ein, noch erkundigte er sich nach dem Fortgang des Verfahrens.

Am 24. November 1995 legte Rechtsanwalt [X.] für die Klägerin [X.] gegen die Versagung der Prozeßkostenhilfe ein. Der frühere [X.] der Klägerin erhob nunmehr die Einrede der Verjährung. Das Familien-gericht half der Beschwerde deshalb nicht ab. Mit Beschluß vom 5. Juni 1996 wies das [X.] die Beschwerde "aus den zutreffenden Gründen des [X.]" zurück. Mit Schriftsatz vom 5. Juli 1996 teilte Rechtsanwalt [X.] dem Familiengericht mit, der Rechtsstreit solle jedenfalls zunächst nicht fortgesetzt werden. Am 20. März 1998 erhob er Gegenvorstel-lung gegen den Beschluß des [X.]s. Diese wurde mit Beschluß vom 30. April 1998 zurückgewiesen.
- 5 - Die Klägerin hat den [X.] auf Zahlung des Wertes ihres verjährten Anspruchs auf Zugewinnausgleich in Anspruch genommen, den sie mit 130.000 DM beziffert hat. Im Anschluß an einen Prozeßkostenhilfebeschluß des [X.]s hat sie sich ein hälftiges Mitverschulden des [X.]anrechnen lassen und Klage in Höhe von 65.000 DM nebst Zinsen erhoben. Landgericht und [X.] haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin diese gegen den [X.] weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Ur-teils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

[X.]

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Verjährung des Anspruchs auf Zugewinnausgleich sei dem [X.] nicht zuzurechnen, weil dessen Mandat im Zeitpunkt des [X.] längst beendet gewesen sei. Als Rechts-anwalt [X.] für die Klägerin mit Schriftsatz vom 21. November 1995 [X.] gegen die Zurückweisung des Antrags auf Prozeßkostenhilfe eingelegt ha-be, müsse das Mandat des [X.] erloschen gewesen sein; denn die Klä-gerin habe Rechtsanwalt [X.] nicht allein für das Prozeßkostenhilfeverfahren, sondern auch für das Hauptsacheverfahren mandatiert. Der dem [X.] - 6 - erteilte [X.] sei damit erledigt gewesen. Der Anspruch der Klägerin auf Zugewinnausgleich sei jedoch erst am 19. April 1996 verjährt.

I[X.]
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. 1. Nach der Rechtsprechung des [X.] ist die Pflicht des Rechtsanwalts zur Unterbrechung der Verjährung zwar erst dann verletzt, wenn die Verjährung entweder bereits eingetreten ist oder so nahe bevorsteht, daß sie aus zeitlichen Gründen nicht mehr unterbrochen werden kann (Urt. v. 18. März 1993 - [X.] ZR 12/92, [X.], 1376, 1377). Diese Rechtsprechung bezieht sich jedoch auf einen Anwalt, der das ihm übertragene Mandat im An-satz ordnungsgemäß wahrgenommen und dabei lediglich der Frage der Verjäh-rung nicht die notwendige Beachtung geschenkt hat. Den [X.] trifft dage-gen im Streitfall der Vorwurf einer wesentlich weitergehenden Pflichtverletzung.

Der Beklagte hat sich seit Einreichung des Antrags auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe am 11. Juni 1993 nicht mehr um den Fortgang des Verfah-rens gekümmert. Er hat den von Rechtsanwalt [X.]vorbereiteten Schrift-satz vom 12. August 1993 zur Frage der Formnichtigkeit der Abfindungsverein-barung nicht bei Gericht eingereicht, nicht nach dem Stand der Sache gefragt, keine Beschwerde gegen den Beschluß vom 29. Juli 1993 eingelegt und später jegliche Auskunft zum Stand des Verfahrens verweigert. Er hat daher über [X.] hinweg beständig versäumt, die im Interesse der Klägerin gebotenen [X.] zu treffen.
- 7 - 2. Diese Untätigkeit hat die Verjährung der Ansprüche der Klägerin ge-gen deren Ehemann mitverursacht.

a) Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe hatte hinreichende Aussicht auf Erfolg. Grundlage des Anspruchs der Klägerin war § 1378 BGB. Die "Abfindungsvereinbarung", die der Ehemann der Klägerin zunächst vorgelegt hatte, war gemäß §§ 125, 1378 Abs. 3 Satz 2 BGB mangels notarieller oder gerichtlicher Beurkundung formnichtig. Sie hätte der [X.] beabsichtigten Klage nicht entgegengestanden.

b) Der Beklagte hätte im August 1993 den von Rechtsanwalt [X.] vorbereiteten Schriftsatz bei Gericht einreichen müssen. Er wäre dann auf den Beschluß des Familiengerichts vom 29. Juli 1993 hingewiesen worden und [X.] ihn auf Anforderung auch erhalten. Weil die Begründung des Beschlusses rechtlich nicht vertretbar war, hätte der Beklagte sodann der [X.] müssen, Beschwerde einzulegen. Die Klägerin wäre dieser Empfehlung nach der Vermutung beratungsgerechten Verhaltens (vgl. dazu [X.] 123, 311, 314 ff) auch gefolgt. Die Beschwerde hätte Erfolg gehabt. Im [X.] kommt es nicht darauf an, wie der [X.] tatsächlich entschie-den worden wäre, sondern darauf, wie der [X.] nach Ansicht des über den Schadensersatzanspruch erkennenden Gerichts richtigerweise hätte ent-schieden werden müssen ([X.] 36, 144, 154 f, 72, 328, 330; 79, 223, 225 f; 124, 86, 95 f; 133, 110). Im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung wäre der Anspruch auf Zugewinnausgleich aus der am 18. Mai 1992 geschiedenen Ehe dann, wenn der Beklagte seinen Pflichten nachgekommen wäre, auch noch nicht verjährt gewesen.
- 8 - 3. Etwaige Fehler des Rechtsanwalts [X.] unterbrechen den Zurech-nungszusammenhang nicht.

a) Der Anspruch der Klägerin auf Ausgleich des Zugewinns war am 24. November 1995, als Rechtsanwalt [X.] für die Klägerin Beschwerde gegen den ablehnenden Beschluß vom 29. Juli 1993 einlegte, noch nicht verjährt. Die Verjährungsfrist des § 1378 Abs. 4 BGB beginnt in dem Zeitpunkt, in dem der Ehegatte erfährt, daß der Güterstand beendet ist. Der Güterstand der [X.] endet im Falle der Scheidung mit der formellen (äußeren) Rechtskraft des Scheidungsurteils. Kenntnis davon bedeutet das positive Wis-sen von den die Beendigung begründenden Tatsachen und ihrer rechtlichen Bedeutung ([X.] 100, 203, 206). Nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hatte die Klägerin Kenntnis vom Ende des Güterstandes erst mit Zugang des mit [X.] versehenen Scheidungsurteils am 11. Februar 1993 erhalten. Rechtsanwalt [X.] hätte das Gericht auf diesen Umstand hinweisen müssen, als der Ehemann der Klägerin mit Schriftsatz vom 18. Januar 1996 die Einrede der Verjährung erhob. Ein solcher Hinweis ist [X.] nicht erfolgt. Im [X.] ist nichts dazu vorgetragen worden, wann die Klägerin von der Rechtskraft des Scheidungsurteils erfahren hatte. Der Be-schluß des [X.]s vom 5. Juni 1996, welcher die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage wegen der vom Ehemann der Klägerin erhobenen Verjährungseinrede verneinte, war also objektiv unrichtig, entsprach jedoch dem damaligen Streitstand.

b) Fehler des von der Klägerin später beauftragten Anwalts schließen nicht aus, die [X.] dem [X.] als demjenigen zuzurechnen, der die Kausalkette in Gang gesetzt hat. Greifen weitere Personen in ein scha-- 9 - densträchtiges Geschehen ein, entlasten sie damit regelmäßig nicht den Erstschädiger, sondern begründen - zum Schutz des Geschädigten - allenfalls eine eigene, zusätzliche Haftung. Das Verhalten Dritter beseitigt allgemein die Schadenszurechnung im Verhältnis zu früheren Verursachern nur, sofern es als gänzlich ungewöhnliche Beeinflussung des [X.] zu werten ist. Dementsprechend wird der von einer früheren Vertragsverletzung eines Rechtsanwalts ausgehende Zurechnungszusammenhang grundsätzlich nicht dadurch unterbrochen, daß nach dem pflichtwidrig handelnden Anwalt eine andere rechtskundige Person mit der Angelegenheit befaßt worden ist, die noch in der Lage gewesen wäre, den Schadenseintritt zu verhindern, die ihr obliegende Sorgfaltspflicht jedoch nicht beachtet hat ([X.], Urt. v. 18. März 1993 - [X.] ZR 120/92, aaO; Zugehör/[X.], Handbuch der Anwaltshaftung Rn. 1067).

c) Im vorliegenden Fall wiegt der Verursachungsbeitrag des Rechtsan-walts [X.] , der vollständig zur Zustellung des mit [X.] versehe-nen Scheidungsurteils hätte vortragen müssen, nicht schwerer als die mehr als zwei Jahre währende Untätigkeit des [X.], die den Anspruchsgegner erst in die Lage versetzte, die Einrede der Verjährung mit Aussicht auf Erfolg zu erheben. Der unvollständige Vortrag zur Frage der Kenntnis vom Ende des Güterstandes kann auch nicht als gänzlich ungewöhnliche Beeinflussung des [X.] gewertet werden; denn er beruht lediglich auf einem die-sem Rechtsanwalt aus Fahrlässigkeit unterlaufenen Rechtsfehler.

4. Das mögliche Verschulden des Rechtsanwalts [X.] kann der Klägerin schließlich auch nicht als Mitverschulden nach § 254 BGB angerechnet wer-den. - 10 -

a) Rechtsanwälte, die nacheinander demselben Auftraggeber Schaden zugefügt haben, haften diesem grundsätzlich als Gesamtschuldner, ohne daß sich der Geschädigte bei der Inanspruchnahme eines haftpflichtigen Anwalts den [X.] des anderen Anwalts als Mitverschulden entgegenhalten lassen muß. Die Anrechnung eines Mitverschuldens des Mandanten setzt [X.], daß dieser sich des [X.] bedient hat, um eine im eigenen [X.] gebotene Obliegenheit zur Abwehr oder Minderung des Schadens zu er-füllen, der durch den in Anspruch genommenen Erstanwalt herbeigeführt wurde ([X.], Urt. v. 18. März 1993 - [X.] ZR 120/92, aaO S. 1378; v. 14. Juli 1994 - [X.] ZR 204/93, [X.], 2162, 2165; v. 29. November 2001 - [X.], 505, 509).

b) Die Klägerin hat Rechtsanwalt [X.] vor Eintritt der Verjährung nicht damit beauftragt, Fehler des [X.] zu beheben. Rechtsanwalt [X.] wurde tätig, nachdem das Mandat des bisherigen [X.], des Rechts-anwalts [X.] , gekündigt worden war. Später, im September 1995, hat Rechtsanwalt [X.] sich auch gegenüber dem Familiengericht legitimiert. Auch zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin jedoch noch keinen Anlaß zu der Annahme, durch die Untätigkeit des [X.] sei ein Schaden eingetreten oder stehe der Eintritt eines Schadens unmittelbar bevor. [X.] gegenüber dem [X.] sind erstmals mit Schreiben vom 28. April 1997 angemeldet worden. - 11 - II[X.]

Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Der Erfolg der Klage hängt davon ab, ob und in welcher Höhe die Klägerin einen Anspruch auf Ausgleich des Zugewinns gegen ihren früheren Ehemann hatte. Das wird das Berufungsge-richt zu prüfen haben.

[X.] Ganter [X.]

[X.] [X.]

Meta

IX ZR 132/01

07.04.2005

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.04.2005, Az. IX ZR 132/01 (REWIS RS 2005, 4187)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 4187

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