Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 15.03.2017, Az. 6 C 28/16

6. Senat | REWIS RS 2017, 14078

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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

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Gegenstand

Anspruch auf Veröffentlichung von Petitionen auf der Internetseite des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestags


Tatbestand

1

Die Klägerin will erreichen, dass der Petitionsausschuss des [X.] ihre Petitionen auf seiner [X.]seite "epetitionen" veröffentlicht. Der Petitionsausschuss betreibt diese Seite auf der Grundlage der von ihm erlassenen Richtlinie für die Behandlung von öffentlichen Petitionen ([X.]/8370 S. 138 f.). Diese Richtlinie legt im Wesentlichen Folgendes fest: Petitionen können unter Verwendung des dafür vorgesehenen Formblatts elektronisch eingereicht werden. Voraussetzung für die [X.] einer solchen Petition auf der [X.]seite für regelmäßig vier Wochen, d.h. für die Behandlung als öffentliche Petition, ist, dass sie ein Anliegen von allgemeinem Interesse zum Gegenstand hat und für eine öffentliche Diskussion geeignet ist. Darüber hinaus führt die Richtlinie Gesichtspunkte auf, aus denen eine [X.] unterbleiben kann oder muss. Ein Rechtsanspruch auf die [X.] besteht nicht. Die Entscheidung über die [X.] soll dem Petenten, im Falle der Ablehnung unter Angabe der Gründe, mitgeteilt werden. Solange die öffentliche Petition auf der [X.]seite steht, können Dritte sie elektronisch mitzeichnen oder einen Diskussionsbeitrag leisten. Danach nimmt das allgemeine Petitionsverfahren nach den das [X.] betreffenden Regelungen der Geschäftsordnung des [X.] und den Behandlungsgrundsätzen des Petitionsausschusses seinen Lauf. Dies gilt auch für Petitionen, deren [X.] der Petitionsausschuss abgelehnt hat.

2

Die Klägerin reichte 2011 und 2012 elektronisch zwei Petitionen zur [X.] auf der [X.]seite "epetitionen" ein. Zum einen regte sie an, der [X.] solle Maßnahmen ergreifen, um Arbeitsplätze denjenigen Personen vorzubehalten, die das dafür vorgesehene Studium absolviert hätten. Zum anderen machte sie geltend, der [X.] solle die Forschung auf dem Gebiet der Herstellung künstlicher menschlicher Organe fördern. Der Petitionsausschuss lehnte die [X.]en jeweils ab und teilte dies der Klägerin mit. In der Folgezeit beschloss der [X.] auf die Empfehlungen des Petitionsausschusses, die Petitionen abzuschließen, d.h. nichts zu veranlassen. In den Empfehlungen, die der Mitteilung an die Klägerin beigefügt waren, heißt es, das erste Anliegen habe keine Erfolgsaussichten, weil es nicht mit der Berufsfreiheit vereinbar sei, das zweite Anliegen sei wegen des kürzlich erlassenen Transplantationsgesetzes nicht erfolgversprechend.

3

Die Klage, mit der die Klägerin Ansprüche auf [X.] ihrer Petitionen auf der [X.]seite des Petitionsausschusses geltend macht, hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. In dem Berufungsurteil hat das Oberverwaltungsgericht ausgeführt, derartige Ansprüche folgten weder aus dem Petitionsgrundrecht nach Art. 17 GG noch aus dem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG oder dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG. Die Petition der Klägerin genüge dem Schriftlichkeitserfordernis des Art. 17 GG, weil die Urheberin und deren Postanschrift ersichtlich seien und die Klägerin das im [X.] zur Verfügung gestellte Formular verwendet habe. Die Ablehnung der [X.] greife nicht in den Schutzbereich des Art. 17 GG ein, weil sie die dadurch gewährleisteten Ansprüche auf ungehinderte Vorbereitung und Einreichung der Petition sowie auf deren inhaltliche Prüfung unberührt lasse. Der Gleichheitssatz sei gewahrt, weil der Petitionsausschuss seine [X.]skriterien sachgerecht auf die Petitionen der Klägerin angewandt habe. Es bedürfe keiner Entscheidung, ob die Behandlung der zur [X.] auf der [X.]seite eingereichten Petitionen dem Gesetzesvorbehalt unterliegen. In diesem Fall schieden [X.]en aus, weil der Petitionsausschuss die [X.]seite rechtswidrig betreiben würde.

4

Mit der Revision trägt die Klägerin vor, es sei aus Gründen des effektiven Grundrechtsschutzes geboten, den Zugang zu der [X.]seite des Petitionsausschusses als Teil des durch Art. 17 GG geschützten Petitionierens zu behandeln. Es liege auf der Hand, dass die [X.] einer Petition auf dieser Seite deren Erfolgsaussichten erheblich steigern könne. Aufgrund der vorbehaltlosen Gewährleistung des Petitionsgrundrechts könne der Zugang zu der [X.]seite nur auf gesetzlicher Grundlage verweigert werden; das Gesetz dürfe nur die Knappheit der für den Betrieb bereitstehenden Ressourcen als Ablehnungsgrund vorsehen. Dies folge auch aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG: Der Petitionsausschuss habe die [X.]seite als öffentliche Einrichtung in Form eines Meinungsforums ausgestaltet. Daher sei für den Zugang das Gleichbehandlungsgebot zu beachten. [X.], die eine Bewertung des Inhalts des Petitionsanliegens oder seiner Erfolgsaussichten vorsähen, seien unvereinbar mit dem Grundrecht der freien Meinungsäußerung.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision der Klägerin ist zulässig. Die Klägerin ist bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung über die Revision [X.] vertreten gewesen (§ 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO). Während der Prozessbevollmächtigte der Klägerin seinen Antrag, seine Beiordnung aufzuheben, vor der Verhandlung zurückgenommen hat, hat der Senat den unmittelbar vor der Verhandlung eingegangenen Aufhebungsantrag der Klägerin durch Beschluss in der mündlichen Verhandlung abgelehnt. Im Falle der Aufhebung der Beiordnung wäre die Revision unzulässig geworden, weil die Klägerin nicht hätte verlangen können, dass ihr ein neuer Prozessbevollmächtigter beigeordnet wird. Denn die Aufhebung hätte ihren Grund ausschließlich in ihrem sachlich nicht mehr zu rechtfertigenden Verhalten, insbesondere in der nach der Wortwahl nicht mehr hinnehmbaren Kritik an ihrem Prozessbevollmächtigten, gehabt (BVerwG, Beschluss vom 29. November 2010 - 6 [X.] - [X.] 310 § 154 VwGO Nr. 15 Rn. 9).

6

Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das angefochtene Berufungsurteil beruht nicht auf der Verletzung von [X.]recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass es an einer bundesrechtlichen Grundlage für die geltend gemachten Ansprüche auf [X.] der Petitionen auf der Internetseite des [X.] fehlt. Diese Ansprüche können nicht aus dem Petitionsrecht nach Art. 17 GG hergeleitet werden, weil die Internetseite nicht dazu bestimmt ist, Petenten die Werbung für ihr Anliegen zu ermöglichen, sondern der nicht justiziablen Behandlung von Petitionen durch den [X.] dient (1. und 2.). Daher kommt auch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht als Anspruchsgrundlage in Betracht (3.). Schließlich ergeben sich aus dem Gleichbehandlungsgebot nach Art. 3 Abs. 1 GG keine anspruchsbegründenden Kriterien für die [X.] (4.). Die Frage nach der Geltung des Gesetzesvorbehalts für den Betrieb der Internetseite muss nicht abschließend beantwortet werden, weil sie nicht entscheidungserheblich ist (5.).

7

1. a) Nach Art. 17 GG hat jedermann das Recht, sich einzeln oder in [X.] mit mehreren schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden. Unter Bitten sind Forderungen und Vorschläge zu verstehen, die auf ein Handeln oder Unterlassen von staatlichen Organen, Behörden und sonstigen Einrichtungen, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen, gerichtet sind. Hierzu gehören insbesondere Vorschläge zur Gesetzgebung. Beschwerden sind Beanstandungen, die sich gegen ein Handeln oder Unterlassen dieser Stellen wenden. Das Petitionsgrundrecht nach Art. 17 GG ist inhaltlich nicht begrenzt; Gegenstand einer Petition kann eine Eingabe in eigener Sache, für andere oder im allgemeinen Interesse sein (vgl. auch Nr. 2.1 der Grundsätze des [X.]es über die Behandlung von Bitten und Beschwerden - Grundsätze - [X.]. 18/8370 S. 128 ff.). Es steht jedermann frei, sich durch eine Petition für die Förderung welchen Anliegens auch immer einzusetzen.

8

b) Art. 17 GG vermittelt Petenten einen Anspruch darauf, dass die angerufene Stelle die Petition entgegennimmt. Der dadurch gewährleistete vorbehaltlose Zugang zu den zuständigen Stellen und den Volksvertretungen darf nicht eingeschränkt werden ([X.], Beschluss vom 22. April 1953 - 1 BvR 162/51 - [X.]E 2, 225 <230>; Urteil vom 11. Juli 1961 - 2 [X.]/58, 2 [X.] - [X.]E 13, 55 <90>; [X.] vom 15. Mai 1992 - 1 BvR 1553/90 - NJW 1992, 3033). Darüber hinaus genießen die Vorbereitung einer Petition und die Werbung für sie vor und nach der Einreichung den Schutz des Art. 17 GG (Petitionieren). Im Rahmen der allgemeinen Gesetze darf ein Petent alle Mittel einsetzen, die er für geeignet hält, um die Attraktivität und Durchschlagskraft seines Anliegens zu stärken. Es ist allein seine Sache, ob und auf welche Weise er dafür wirbt, das Anliegen etwa in der Öffentlichkeit bekannt zu machen versucht. Der Petent darf sich nach seinen Vorstellungen darum bemühen, dass andere Personen sich der Petition anschließen und seine Aktivitäten zur Förderung des Anliegens durch tatkräftige Hilfe oder finanziell unterstützen. Dementsprechend bietet Art. 17 GG Petenten Schutz davor, dass Vorbereitungs- und Werbemaßnahmen für Petitionen, die sich im Rahmen der allgemeinen Gesetze halten, behindert werden [X.], in: [X.]/[X.], Grundgesetz, Band III, Art. 17 Rn. 113; [X.], in: Dreier, Grundgesetz, Band I, 3. Auflage 2013, Art. 17 Rn. 49).

9

c) Weiterhin folgt aus Art. 17 GG die Pflicht der angerufenen Stelle, den Inhalt der Petition zur Kenntnis zu nehmen und im Rahmen ihrer Zuständigkeiten zu prüfen. Die Zuständigkeit der Volksvertretungen besteht für alle Petitionen, die in den Kompetenzbereich des [X.] oder der Länder fallen ([X.], [X.] vom 15. Mai 1992 - 1 BvR 1553/90 - NJW 1992, 3033). Nach Art. 45c Abs. 1 GG obliegt es dem [X.] des [X.]tags, die dort eingereichten Petitionen zu prüfen und zu erledigen. Ihm ist die [X.] übertragen; er muss entscheiden, wie mit einer Petition umgegangen werden soll (Nr. 7.12 bis Nr. 8.4 der Grundsätze). Der [X.] schließt die Bearbeitung der Petition mit einer Empfehlung ab, auf deren Grundlage der [X.]tag entscheidet, auf welche Weise die Petition zu erledigen ist (§ 112 Abs. 1 Satz 1 der Geschäftsordnung des Deutschen [X.]tags - GO BT - in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juli 1980, [X.] 1237, zuletzt geändert durch die Bekanntmachung vom 24. November 2011, [X.] 2454).

Zu der nach Art. 17 GG erforderlichen Prüfung einer Petition gehört, dass die angerufene Volksvertretung bzw. der nach Art. 45c Abs. 1 GG zuständige [X.] Inhalt und Zielrichtung der Petition ermitteln, und sich nachvollziehbar und diskriminierungsfrei, d.h. unter Beachtung der Verbote des Art. 3 Abs. 3 GG, mit dem Anliegen befassen. Sie müssen sich darüber klar werden, ob und welche Schritte sie in Bezug auf das Anliegen unternehmen, und die Petition nach Abschluss der Prüfung auf nachvollziehbare Weise erledigen [X.], in: [X.]/[X.], GG, Band III, Art. 17 Rn. 88; [X.], in: von [X.]/[X.], Grundgesetz, Band I, 6. Auflage 2010, Art. 17 Rn. 41). Darüber hinaus lassen sich aus Art. 17 GG keine inhaltlichen Vorgaben herleiten, an denen sich die Behandlung von Petitionen zu orientieren hat. Vielmehr sind die Volksvertretung bzw. der [X.] gerade in Bezug auf eine Petition mit allgemeinem Anliegen nach der Feststellung des Inhalts und der Zielrichtung berechtigt, autonom nach Gesichtspunkten der politischen Zweckmäßigkeit zu entscheiden, ob und inwieweit sie die Petition näher untersuchen oder fördern wollen. Sie können weitere Informationen über das Anliegen sammeln, etwa Sachaufklärung betreiben oder sachverständige Stellen um eine Bewertung ersuchen, und das Interesse der Öffentlichkeit erkunden. Davon können sie aber auch absehen. Über die nachvollziehbare und diskriminierungsfreie Prüfung und Erledigung hinaus ist die Behandlung einer Petition nicht justiziabel.

Dementsprechend entscheidet die Volksvertretung bzw. der [X.] autonom darüber, welchen Gebrauch sie von ihrem in Art. 17 GG verankerten [X.] gegenüber staatlichen Stellen machen, das für die Wahrnehmung der [X.] unerlässlich ist ([X.], Entscheidung vom 12. November 1999 - [X.]. 35-VI-99 - NVwZ 2000, 548; [X.], in: [X.] Kommentar, Grundgesetz, Art. 17 Rn. 82 f.; [X.]/März, [X.] 1985, 809 <814 f.>). Diese Befugnis umfasst Auskunfts-, Akteneinsichts- und Befragungsrechte sowie Amtshilfeersuchen (vgl. Gesetz über die Befugnisse des [X.]es vom 19. Juli 1975 i.d.[X.] vom 5. Mai 2004, [X.] 718).

Der grundrechtliche Anspruch des Petenten ist auf die Erfüllung der Prüfungs- und Erledigungspflicht gerichtet. Er erfasst die Wahrnehmung der [X.] nur insoweit, als sie justiziabel ist. Mehr als die Feststellung des Inhalts und der Zielrichtung der Petition und einen nachvollziehbaren und diskriminierungsfreien Umgang mit ihr kann der Petent nach Art. 17 GG nicht verlangen. Das Petitionsgrundrecht gewährt kein durchsetzbares Mitspracherecht des Petenten in Bezug auf die Art und Weise der Behandlung und Erledigung seiner Petition. Er hat keine rechtliche Handhabe, um darauf hinzuwirken, dass die Volksvertretung bzw. der [X.] sein Anliegen näher untersuchen oder fördern ([X.], [X.] vom 15. Mai 1992 - 1 BvR 1553/90 - NJW 1992, 3033; [X.], in: [X.]/[X.], Grundgesetz, Band III, Art. 17 Rn. 88). Demzufolge ist der Petent darauf beschränkt, die Bedeutung seines Anliegens und die Gründe, die seinen Erfolg aus seiner Sicht erforderlich oder wünschenswert machen, darzulegen und Anregungen für eine bestimmte Behandlung zu geben. Auch kann er versuchen, auf Volksvertretung bzw. [X.] dadurch einzuwirken, dass er seinem Anliegen breite Unterstützung und öffentliche Aufmerksamkeit verschafft sowie eine große Anzahl von [X.] gewinnt. Letztlich kann er jedoch nur Anstöße geben und darauf hoffen, dass sie von der Volksvertretung bzw. dem [X.] aufgegriffen werden. Ungeachtet aller Bemühungen um den Erfolg der Petition erfüllt die Volksvertretung den durch Art. 17 GG gewährleisteten Prüfungsanspruch des Petenten auch dann, wenn sie es nach Abschluss der Prüfung des Anliegens schlicht ablehnt, etwas zu tun ([X.], Beschluss vom 22. April 1953 - 1 BvR 162/51 - [X.]E 2, 225 <231>).

d) Dem entspricht, dass der Petent nach Art. 17 GG die Mitteilung verlangen kann, auf welche Weise seine Petition erledigt worden ist. Die Volksvertretung muss nicht darlegen, aus welchen Gründen sie eine bestimmte Art der Erledigung gewählt und davon abgesehen hat, bestimmte in Betracht kommende Maßnahmen zu ergreifen ([X.], Beschluss vom 22. April 1953 - 1 BvR 162/51 - [X.]E 2, 225 <230>; [X.] vom 15. Mai 1992 - 1 BvR 1553/90 - NJW 1992, 3033; BVerwG, Beschluss vom 13. November 1990 - 7 B 85.90 - [X.] 11 Art. 17 GG Nr. 6 S. 5; a.[X.], in: Dreier, Grundgesetz, Band I, 3. Auflage 2013, Art. 17 Rn. 43 f.). Im Übrigen statuiert § 112 Abs. 3 Satz 2 GO BT die Verpflichtung, dem Petenten im Regelfall die Gründe für die Art der Erledigung mitzuteilen.

2. a) Es kann dahingestellt bleiben, ob die elektronische Einreichung von Petitionen, die der [X.] nach Nr. 1 Satz 1 seiner Richtlinie für die Behandlung öffentlicher Petitionen - [X.] - ([X.]. 18/8370 S. 138 f.) als Voraussetzung für die [X.] auf seiner Internetseite vorschreibt, dem [X.] des Art. 17 GG genügt (vgl. Guckelberger, Aktuelle Entwicklungen des parlamentarischen Petitionswesens, 1. Aufl. 2011, [X.] ff.). Denn aus Art. 17 GG folgt kein Anspruch auf eine solche [X.], weil die Internetseite keine zusätzlichen Möglichkeiten für das grundrechtlich geschützte Petitionieren eröffnet. Sie stellt kein Angebot für Petenten dar, um Werbung für ihr Anliegen zu betreiben. Wäre die Internetseite hierfür bestimmt, könnte jeder Petent wegen des aus Art. 17 GG folgenden Behinderungsverbots für das Petitionieren verlangen, dass seine Petition nach Maßgabe der technischen Kapazitäten ohne inhaltliche Prüfung des Anliegens veröffentlicht wird (vgl. unter 1.b)).

Einen derartigen Zugang hat der [X.] den Petenten nicht eingeräumt. Vielmehr hat er sich die uneingeschränkte Entscheidungsbefugnis für [X.]en auf der Internetseite vorbehalten. Daraus ist zu schließen, dass diese Entscheidungen Bestandteil der dem [X.] obliegenden Prüfung von Petitionen sind. [X.]en sollen dem [X.] Informationen über das mit der Petition verfolgte Anliegen verschaffen. Sie kommen dem Petenten tatsächlich zugute, weil sie die Aufmerksamkeit auf sein Anliegen lenken und dessen Erfolgsaussichten verbessern können. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine Petition aufgrund der [X.] das für eine Anhörung in öffentlicher Ausschusssitzung erforderliche Quorum von 50 000 mitzeichnenden Unterstützern findet (Nr. 8.4 Abs. 4 der Grundsätze; vgl. [X.], in: Der grundrechtsgeprägte Verfassungsstaat , S. 1211 <1225 ff.>). Dabei handelt es sich jedoch um tatsächliche Auswirkungen, die außerhalb der durch Art. 17 GG geschützten Rechtsstellung des Petenten liegen. Ablehnende Entscheidungen über die [X.] dürfen den Petenten nicht diskriminieren und müssen nachvollziehbar sein. Darüber hinaus entziehen sie sich einer inhaltlichen Nachprüfung und Bewertung anhand rechtlicher Maßstäbe. Sie sind ebenso wenig justiziabel wie andere Entscheidungen des [X.]es, die die Art und Weise der Behandlung einer Petition betreffen (vgl. unter 1.c)).

Die Zweckbestimmung der Internetseite als Mittel der [X.] des [X.]es ergibt sich aus dessen Richtlinie für die Behandlung von öffentlichen Petitionen, deren unstreitigen Inhalt der Senat selbst feststellen kann (vgl. BVerwG, Urteile vom 27. März 1980 - 3 C 42.79 - [X.] 427.6 § 4 [X.] Nr. 31 S. 96 f. und vom 17. April 2002 - 9 CN 1.01 - BVerwGE 116, 188 <195>). Aus den Bestimmungen der Richtlinie über die Voraussetzungen und die Durchführung einer [X.] sowie über die weitere Behandlung der veröffentlichten Petition ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der [X.] die Internetseite Petenten als Werbeplattform überlassen oder in einen Meinungsaustausch eintreten will.

Dies wird bereits in den einleitenden Bemerkungen der Richtlinie für die Behandlung von öffentlichen Petitionen deutlich. Nach Satz 3 bietet die Seite dem [X.] als öffentliches Forum die Möglichkeit, das Anliegen einer Petition aus unterschiedlichen Sichtweisen kennen zu lernen und in die eigene Meinungsbildung einzubeziehen. Ausschlaggebende Bedeutung für die Zweckbestimmung der Internetseite kommt dem Umstand zu, dass der [X.] über die [X.] ausschließlich nach seinen Vorstellungen ohne Mitwirkung des Petenten entscheidet: Zum einen hat er einen Rechtsanspruch auf Behandlung als öffentliche Petition, d.h. auf [X.], ausdrücklich ausgeschlossen (Nr. 1 Satz 3 [X.]). Zum anderen sind die Voraussetzungen für die [X.], nämlich das allgemeine Interesse an dem [X.] und dessen Eignung für eine sachliche öffentliche Diskussion, zu unbestimmt gehalten, um die [X.]spraxis nach fallübergreifenden Kriterien steuern zu können (Nr. 2.1 Satz 1, Nr. 3 Buchst. a [X.]). Die Voraussetzungen sind ersichtlich darauf zugeschnitten, dass der [X.] nach seiner Einschätzung der einzelnen Petition autonom entscheiden kann, ob er eine [X.] für zweckmäßig hält. Dem entspricht, dass der Petent nicht in die Entscheidungsfindung einbezogen wird. Er ist darauf verwiesen abzuwarten, bis ihm die Entscheidung mitgeteilt wird (Nr. 5 Satz 5 [X.]).

Auch im Falle der [X.] liegt das weitere Vorgehen allein in der Hand des [X.]es; dem Petenten sind keine Mitsprachemöglichkeiten eröffnet. So kann der [X.] gleichgerichtete Petitionen zusammenfassen, ohne die Petenten dazu anzuhören (Nr. 2.2 Satz 1 [X.]). Er entscheidet ohne Bindung, ob Mitzeichnungen wirksam sind, ob Diskussionsbeiträge entfernt werden und ob die [X.] vorzeitig beendet wird (Nr. 9.1 Satz 2, Nr. 9.2 und Nr. 9.3 [X.]). Ein Meinungsaustausch zwischen [X.], Petenten, Mitzeichnern und Diskussionsteilnehmern ist nicht vorgesehen. Nach Ende der [X.] wird die Petition entsprechend den allgemeinen Verfahrensgrundsätzen behandelt (Nr. 10 Satz 2 [X.]). Demnach führt die [X.] nicht zu rechtlichen Bindungen, die die Kompetenz des [X.]es zur weiteren Behandlung der Petition einschränken. Er entscheidet nach seinen Vorstellungen, ob er weitere Schritte unternimmt, etwa öffentlich über die Petition berät oder den Petenten anhört (Nr. 11 [X.]), oder den Mitzeichnungen und Diskussionsbeiträgen Bedeutung für seine [X.] an den [X.]tag beimisst.

b) Der [X.] hat die sich aus Art. 17 GG ergebenden Anforderungen an die inhaltliche Prüfung der Petitionen der Klägerin erfüllt. Er hat seine Entscheidungen, die Petitionen nicht zu veröffentlichen, darauf gestützt, die erste Petition habe wegen durchgreifender verfassungsrechtlicher Bedenken, die zweite Petition habe wegen eines kürzlich erlassenen Gesetzes zu ihrem Themenbereich keine Erfolgsaussichten. Diese Einschätzungen sind ohne weiteres nachvollziehbar; sie sind durch die Erledigungen der Petitionen durch den [X.]tag bestätigt worden.

3. Die Entscheidung, die [X.] einer Petition abzulehnen, stellt auch keinen Eingriff in das Grundrecht des Petenten auf freie Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG dar. Dieses Grundrecht vermittelt Petenten in Bezug auf die Behandlung ihrer Petition durch die Volksvertretung bzw. den [X.] jedenfalls keine weitergehende Rechtsstellung als Art. 17 GG. Staatliche Stellen sind nicht grundgesetzlich verpflichtet, Privaten bei der Verbreitung ihrer Meinungen behilflich zu sein. Wie unter 2. dargestellt, verfolgt der [X.] mit der Internetseite auch nicht den Zweck, Petenten ein Forum für das Petitionieren und damit für die Verbreitung ihrer Petition als Ausdruck einer bestimmten Meinung zu bieten. Davon zu unterscheiden ist, dass Diskussionsbeiträge Dritter, die aufgrund der [X.] eingehen, den Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG genießen.

4. Das Gebot der Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG scheidet als Prüfungsmaßstab für Entscheidungen des [X.]es über [X.]en auf seiner Internetseite aus. Über die bereits aus Art. 17 GG folgende Pflicht zu einer nachvollziehbaren und diskriminierungsfreien Prüfung der Petition hinaus fehlt es an justiziablen Kriterien für die [X.], deren fallübergreifend gleichmäßige Anwendung sichergestellt werden könnte.

5. Nach alledem kommt es für den Erfolg der Klage und damit der Revision der Klägerin nicht darauf an, ob und unter welchen Voraussetzungen die Kriterien für die [X.] von Petitionen auf einer Internetseite und das sich daran anschließende Verfahren gesetzlich geregelt werden müssen. Wäre eine gesetzliche Grundlage erforderlich, würde der [X.] seine Internetseite derzeit ohne tragfähige Rechtsgrundlage betreiben. [X.]en wären dann ausgeschlossen, weil die Seite bis zu einer "Wiedereröffnung" durch den Gesetzgeber geschlossen werden müsste. Im Übrigen handelt es sich bei der Befugnis der Volksvertretung bzw. des [X.]es, die bei ihnen eingehenden Petitionen zu prüfen und zu erledigen, um eine unmittelbar durch Art. 17 GG, Art. 45c Abs. 1 GG verliehene Befugnis, deren Wahrnehmung sich generell gültigen Anforderungen entzieht. Dementsprechend darf der [X.] Tätigkeiten entfalten, die sich im Rahmen seiner [X.] halten. Darüber hinausgehende Tätigkeiten sind von seinem grundgesetzlichen Auftrag nicht gedeckt; sie können allenfalls aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung ausgeübt werden. Hierzu gehört die Bereitstellung einer Internetseite als Werbeplattform für Petenten oder als Forum für die wechselseitige Kommunikation zwischen [X.] und der Öffentlichkeit. Wie unter 2. dargelegt, hat der [X.] die Internetseite bislang nicht für derartige Zwecke gewidmet (vgl. aber [X.], in: [X.]/[X.], Grundgesetz, Band IV, Art. 45c Rn. 69 f.; [X.], in: Der grundrechtsprägende Verfassungsstaat , S. 1211 <1225 f.> Guckelberger, Aktuelle Entwicklungen des parlamentarischen Petitionswesens, 1. Aufl. 2011, S. 79 ff.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Meta

6 C 28/16

15.03.2017

Bundesverwaltungsgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, 16. Dezember 2015, Az: OVG 3 B 9.14, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 15.03.2017, Az. 6 C 28/16 (REWIS RS 2017, 14078)

Papier­fundstellen: NJW 2017, 1497 REWIS RS 2017, 14078

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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2 WF 71/23

RO 13 K 16.33035

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