Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 03.09.2020, Az. III ZR 56/19

3. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 1205

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Gegenstand

Auslegung einer Zahlungszusage des Geschäftsführers einer zahlungsunfähigen GmbH als Schuldbeitritt


Leitsatz

Zur Auslegung der gegenüber einem Gesellschaftsgläubiger erklärten Zahlungszusage des Geschäftsführers einer zahlungsunfähigen GmbH als Schuldbeitritt (Anschluss an BGH, Urteil vom 19. September 1985 - VII ZR 338/84, NJW 1986, 580).

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 9. Zivilsenats des [X.] vom 21. März 2019 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Vollstreckungsbescheid des [X.] vom 4. Juni 2012 in Höhe einer Hauptforderung von 39.066,56 € (nebst Zinsen) aufgehoben und die Klage abgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt den [X.]n als ehemaligen Geschäftsführer der insolventen [X.] (im Folgenden auch: Schuldnerin) persönlich auf Zahlung von [X.] in Anspruch.

2

Unternehmensgegenstand der im [X.] gegründeten Schuldnerin waren Projektierung, Konstruktion, Fertigung, Umbau und Modernisierung von Schienenfahrzeugen. Der [X.] war Mitgesellschafter und Geschäftsführer. Unter dem 26./28. Juli 2011 schlossen die Klägerin und die Schuldnerin einen Beratungsvertrag mit dem Ziel, die Unternehmensleistung, betriebliche Organisation und wirtschaftliche Situation deutlich zu verbessern. Für die Vergangenheit (Juni und Juli 2011) wurde ein Pauschalhonorar von 5.500 € zuzüglich Umsatzsteuer vereinbart. Im Übrigen wurde - zunächst bis Oktober 2011 - ein monatlicher Honorarsatz von 12.500 € zuzüglich Übernachtungskosten und Umsatzsteuer festgelegt. In der Folgezeit berechnete die Klägerin ihre Beratungsleistungen unter dem 30. Juli, 7. September, 1. Oktober, 31. Oktober und 21. November 2011 in Höhe von insgesamt 59.093,27 €.

3

Die Schuldnerin leistete von Anfang an keine Zahlungen. Aus diesem Grund fand am 22. Oktober 2011 eine Besprechung statt, an der der damalige Geschäftsführer der Klägerin und spätere Zeuge       G.    , der [X.] sowie - da mit diesem eine Verständigung nur auf [X.] möglich war - die Mitarbeiterin [X.]der Schuldnerin als Dolmetscherin teilnahmen. Thema war die Bezahlung der Honorarrechnungen der Klägerin. Streitig ist, ob der [X.] hierbei Zahlungen an die Klägerin durch ihn persönlich zusagte. Am 15. November 2011 stellte diese ihre Beratungsleistungen endgültig ein, nachdem weiterhin kein Zahlungseingang zu verzeichnen war.

4

Die Klägerin erwirkte beim [X.]        einen Mahnbescheid gegen den [X.]n in Höhe von 61.078,77 € nebst Zinsen (Summe der offenen Rechnungsbeträge in Höhe von 59.093,27 € und Kosten des erfolglosen Mahnverfahrens gegen die Schuldnerin). Auf dieser Grundlage erging am 4. Juni 2012 ein [X.]. Den dagegen eingelegten Einspruch des [X.]n verwarf das [X.] D.    -[X.]  durch Urteil vom 27. Dezember 2013 als unzulässig. Auf die Berufung des [X.]n hob das [X.]      dieses Urteil am 19. November 2015 auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung über den Einspruch gegen den [X.] an das [X.] zurück.

5

Am 30. April 2012 wurde über das Vermögen der [X.] das Insolvenzverfahren eröffnet. Dieses ergab eine Quote von 33,89 % zugunsten der Insolvenzgläubiger. Insoweit wurden die Forderungen der Klägerin befriedigt.

6

Im Zusammenhang mit der Nichtzahlung der vorgenannten Rechnungen verurteilte das Amtsgericht D.    -[X.] den [X.]n durch Strafbefehl vom 11. Juli 2018, rechtskräftig seit 8. August 2018, wegen Betrugs zum Nachteil der Klägerin zu einer Geldstrafe, wobei zur Begründung ausgeführt wurde, der [X.] habe auf Grund der schlechten wirtschaftlichen Lage der [X.] von Anfang an mit der Möglichkeit gerechnet, die monatlich fällig werdenden Honorare nicht zahlen zu können.

7

Die Klägerin hat geltend gemacht, sie habe die vereinbarten Beratungsleistungen ordnungsgemäß erbracht. Nach dem Ausbleiben von Zahlungen habe der Geschäftsführer der Klägerin den [X.]n Ende Oktober 2011 konkret auf die Vergütungssituation angesprochen. Dieser habe daraufhin erklärt, dass von Zahlungen aus dem Auftrag "G.     " (Fertigung von Schüttgutwaggons für die [X.]) nicht auszugehen sei, die Klägerin aber weiterhin ihre Dienstleistungen vertragsgemäß erbringen solle. Da die Klägerin ohne sofortigen Zahlungsausgleich zu einer weiteren Leistungserbringung nicht bereit gewesen sei, habe der [X.] erklärt, er persönlich stehe für die Zahlung der offenen und auch der zukünftigen Rechnungen ein. Im Vertrauen auf diese Zusage habe sie sodann die unter dem 21. November 2011 berechneten Leistungen erbracht.

8

Der [X.] ist dem entgegengetreten. Die Klägerin habe keine Leistungen beziehungsweise Leistungsnachweise erbracht. Er habe sich auch nicht dahin geäußert, dass er die "persönliche Haftung" für die bereits gestellten und die zukünftigen Rechnungen übernehme. Zudem hat der [X.] die Verjährungseinrede erhoben.

9

Das [X.] hat in dem zweiten erstinstanzlichen Verfahren den [X.] vom 4. Juni 2012 aufrechterhalten. Auf die Berufung des [X.]n hat das [X.] den [X.] aufgehoben und die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom erkennenden Senat hinsichtlich einer Hauptforderung von 39.066,56 € nebst Zinsen zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin insoweit die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Klägerin hat Erfolg. Sie führt im Umfang der Zulassung zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Hierbei war über das Rechtsmittel antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Das Urteil beruht aber inhaltlich nicht auf der Säumnis des [X.]n, sondern auf der Berücksichtigung des gesamten Sach- und Streitstands (vgl. nur [X.], [X.] vom 10. November 2016 - [X.], [X.], 280 Rn. 18 mwN und vom 23. März 2017 - [X.], [X.], 2187 Rn. 4).

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Der [X.] müsse schon deshalb aufgehoben werden, weil es an einer ordnungsgemäßen Zustellung des Mahnbescheids fehle. Es lasse sich darüber hinaus nicht feststellen, dass der [X.] gegenüber dem Geschäftsführer der Klägerin am 22. Oktober 2011 erklärt habe, persönlich für die streitgegenständlichen Verbindlichkeiten der [X.] einzustehen. Es liege ein unternehmensbezogenes Geschäft vor, bei dem der Wille der Beteiligten im Zweifel dahin gehe, dass der Inhaber des Unternehmens Vertragspartner werden solle. Die Dolmetscherin [X.]sei Erklärungsbotin des [X.]n gewesen. Trotz erneuter Vernehmung der Zeugin [X.]habe sich der [X.] nicht davon überzeugen können, dass der [X.] ihr gegenüber erklärt habe, er persönlich werde für die Verpflichtungen der GmbH einstehen beziehungsweise er persönlich werde die Leistungen der Klägerin bezahlen. Dementsprechend habe sich der [X.] auch nicht davon überzeugen können, dass die Zeugin den Inhalt der Äußerung des [X.]n in der Weise an den Zeugen [X.]weitergegeben habe, dass dieser die übersetzte Erklärung des [X.]n als persönliche Übernahme der Haftung für die Verpflichtungen der GmbH habe verstehen dürfen. Die Annahme einer persönlichen Haftungsübernahme beruhe auf einer Schlussfolgerung der Zeugin, die bei dem [X.]n in der Vergangenheit viel Bargeld gesehen habe, das er aus [X.] mitgebracht und der Buchhalterin der [X.] übergeben habe, um das Personal zu bezahlen. Soweit der [X.] nach der Aussage der Zeugin [X.]angekündigt habe, er werde die Rechnungsbeträge entweder überweisen, wenn die Einnahmen aus dem "[X.]  "-Auftrag eingegangen seien, oder er werde in bar bezahlen, lasse sich daraus die Begründung einer Verbindlichkeit des [X.]n gegenüber der Klägerin nicht entnehmen. Zwar habe auch der Zeuge [X.] erst- und zweitinstanzlich bekundet, der [X.] habe erklärt, persönlich zu zahlen. Es spreche jedoch viel dafür, dass der Zeuge [X.] die "persönliche" Haftungsübernahme des [X.]n aus denselben Begleitumständen geschlussfolgert habe wie die Zeugin [X.]  . Die Aussagen der beiden Zeugen unterschieden sich durch die Verwendung des Wortes "persönlich". Bei objektiver Betrachtung habe der Zeuge [X.] den ihm von der Dolmetscherin mitgeteilten Inhalt der Erklärung des [X.]n, er bezahle die Forderungen der Klägerin, nicht als persönliche Haftungsübernahme verstehen dürfen. Die von der Klägerin beantragte [X.]vernehmung des [X.]n zur Frage des Schuldbeitritts sei schon deshalb nicht durchzuführen, weil der [X.] seiner Vernehmung widersprochen habe.

Ein selbständiges Garantieversprechen des [X.]n liege nicht vor. Aus den Angaben der Zeugen [X.]und [X.]ergebe sich nicht, dass er sich verpflichtet habe, bei Zahlungsschwierigkeiten der [X.] die erforderlichen Beträge in das [X.]svermögen nachzulegen (Hinweis auf [X.], Urteil vom 18. Juni 2001 - II ZR 248/99, NJW-RR 2001, 1611). Ein Schadensersatzanspruch gegen den [X.]n gemäß § 311 Abs. 3 [X.] nach den Grundsätzen der Sachwalterhaftung bestehe nicht. Zwar habe er bei dem Gespräch am 22. Oktober 2011 durch die erklärte [X.] persönliches Vertrauen hinsichtlich seiner finanziellen Seriosität in Anspruch genommen. Insoweit könne die Klägerin jedoch nur Ersatz ihres [X.] (Fahrt- und Hotelkosten) verlangen. Darauf müsse sie sich im Wege der Vorteilsausgleichung anrechnen lassen, dass ihre Honorarforderungen im Insolvenzverfahren zu 33,89 % befriedigt worden seien. Eine Haftung des [X.]n aus § 823 Abs. 2 [X.] i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB scheide ebenfalls aus.

II.

Diese Ausführungen sind in mehrfacher Hinsicht von Rechtsfehlern beeinflusst.

1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts muss der [X.] nicht bereits deshalb aufgehoben werden, weil die Zustellung des Mahnbescheids fehlerhaft war. Maßgebend ist allein die inhaltliche Richtigkeit des [X.]s. Bei der Entscheidung nach einem Einspruch gegen ein Versäumnisurteil kommt es nicht darauf an, ob dieses zulässig war und prozessordnungsgemäß erging, sondern darauf, ob es inhaltlich richtig ist (Musielak/[X.]/[X.], ZPO, 17. Aufl., § 343 Rn. 2; [X.]/[X.]/[X.], ZPO, 41. Aufl., § 343 Rn. 2; [X.]/[X.], ZPO, 33. Aufl., § 343 Rn. 2). Dies gilt für einen [X.] ebenfalls, denn er steht einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Versäumnisurteil gemäß § 700 Abs. 1 ZPO gleich, auch wenn er zu Unrecht ergangen ist ([X.], Urteil vom 11. Juli 1983 - [X.], NJW 1984, 57; [X.], ZPO, 23. Aufl., § 700 Rn. 1; [X.]/[X.] aaO § 700 Rn. 2). Daran vermag auch eine fehlerhafte Zustellung des [X.]s selbst (hier: ebenfalls an die nicht mehr aktuelle Anschrift, [X.], D.    -[X.] ) nichts zu ändern. Dieser wird als Vollstreckungstitel existent, sobald er vom Rechtspfleger erlassen und von der Geschäftsstelle zum Zwecke der Zustellung in den Geschäftsgang gegeben wird. Schlägt die Zustellung fehl, berührt dies nicht seine Wirksamkeit ([X.], Urteil vom 3. November 2015 - [X.], [X.], 220 Rn. 19). Insoweit die Entscheidung, die nach Einspruchseinlegung auf Grund der neuen Verhandlung zu erlassen ist, mit dem [X.] inhaltlich übereinstimmt, ist deshalb auszusprechen, dass er aufrechtzuerhalten ist (§ 700 Abs. 1 i.V.m. § 343 Satz 1 ZPO). Nur soweit dies nicht zutrifft, ist er aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 700 Abs. 1 i.V.m. § 343 Satz 2 ZPO).

2. Die Annahme des Berufungsgerichts, der [X.] habe in dem Gespräch am 22. Oktober 2011 keine eigene Verpflichtung gegenüber der Klägerin übernommen, hält im entscheidenden Punkt den Angriffen der Revision nicht stand. Sie beruht auf einem Rechtsfehler, nämlich auf einer lückenhaften und die beiderseitigen Interessen nur unzureichend in den Blick nehmenden Auslegung der maßgeblichen Erklärungen des [X.]n.

a) Unstreitig ist unter dem 26./28. Juli 2011 ein Beratungsvertrag (§ 675 [X.]) zustande gekommen, der die Schuldnerin verpflichtete, an die Klägerin für die Monate Juni und Juli 2011 rückwirkend ein Pauschalhonorar von 5.500 € netto und zunächst für die Monate August bis Oktober 2011 ein solches von jeweils 12.500 € netto zuzüglich Hotelübernachtungskosten zu zahlen. Es wurde sodann am 22. Oktober 2011 die Fortsetzung der Zusammenarbeit über den Oktober 2011 hinaus vereinbart.

b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der [X.] durch seine am 22. Oktober 2011 erklärte [X.], die der Geschäftsführer der Klägerin angenommen hat, als Gesamtschuldner (§§ 421 ff [X.]) in das bestehende Schuldverhältnis eingetreten, so dass die Klägerin Bezahlung berechtigter Rechnungsbeträge von ihm verlangen kann.

aa) Nach §§ 133, 157 [X.] ist bei Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen der wirkliche Wille der Erklärenden zu erforschen. Dabei ist vom Wortlaut der Erklärung auszugehen und demgemäß in erster Linie dieser und der ihm zu entnehmende objektiv erklärte [X.] zu berücksichtigen. Bei der Willenserforschung sind aber auch der mit der Absprache verfolgte Zweck, die Interessenlage der [X.]en und die sonstigen Begleitumstände zu berücksichtigen, die den Sinngehalt der gewechselten Erklärungen erhellen können. Dabei sind empfangsbedürftige Willenserklärungen so auszulegen, wie sie der Empfänger nach [X.] und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste (Empfängerhorizont). Entscheidend ist der objektive Erklärungswert des Gesamtverhaltens des Erklärenden. Es ist dem Empfänger verwehrt, der Erklärung einfach den für ihn günstigsten Sinn beizulegen (st. Rspr., vgl. nur [X.], Urteile vom 8. Dezember 2011 - [X.], NVwZ 2012, 581 Rn. 18 und vom 31. März 2016 - [X.]/15, NJW 2016, 2656 Rn. 26; [X.], Urteil vom 27. Januar 2010 - [X.], [X.], 2422 Rn. 33; siehe auch [X.]/[X.], [X.], 79. Aufl., § 133 Rn. 9, 14 ff; jeweils mwN).

bb) Bei der Prüfung, ob eine [X.] als Schuldbeitritt, das heißt als Begründung einer eigenen (selbständigen) Verbindlichkeit des [X.], zu werten ist, kommt bei mehrdeutigen Erklärungen der Interessenlage eine indizielle Wirkung zu. Das eigene wirtschaftliche (oder auch rechtliche) Interesse des sich verpflichtenden Vertragspartners daran, dass die Verbindlichkeit des Schuldners getilgt wird, kann einen wichtigen Anhaltspunkt für das Vorliegen eines Schuldbeitritts geben ([X.], Urteile vom 25. September 1980 - [X.], NJW 1981, 47 und vom 19. September 1985 - [X.], NJW 1986, 580; [X.]/[X.] aaO Überbl. vor § 414 Rn. 4).

cc) Die Auslegung von Willenserklärungen obliegt grundsätzlich dem Tatrichter, der seine Entscheidung unter Berücksichtigung der §§ 133, 157 [X.] auf Grund einer umfassenden Gesamtwürdigung aller Umstände zu treffen hat. Sie kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob Verstöße gegen gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, sonstige Erfahrungssätze oder Denkgesetze vorliegen, sich der Tatrichter mit dem Verfahrensstoff umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat und ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht (st. Rspr.; z.B. [X.], Urteile vom 10. November 2016 - [X.], [X.], 432 Rn. 21; vom 20. Juli 2017 - [X.], NJW-RR 2017, 1527 Rn. 18 und vom 20. Februar 2020 - [X.]/19, NJW-RR 2020, 623 Rn. 23; [X.], Urteile vom 26. Oktober 2009 - [X.], [X.], 64 Rn. 16 und vom 23. Juni 2010 - [X.], [X.], 2648 Rn. 15; jeweils mwN).

dd) Nach diesen Maßgaben hält die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung der Erklärungen des [X.]n, bei objektiver Betrachtung habe der Geschäftsführer der Klägerin nicht von einer persönlichen Haftungsübernahme ausgehen dürfen, der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat bei seiner Auslegung der [X.] des [X.]n wesentliche Gesichtspunkte, insbesondere den Wortlaut der Erklärungen des [X.]n, die Begleitumstände und die Interessenlage der [X.]en unzureichend gewürdigt. Wie bereits das [X.] zutreffend angenommen hat, ist die von den Vorinstanzen übereinstimmend festgestellte [X.] des [X.]n als Schuldbeitritt zu werten. Der [X.] kann, weil weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind, die gebotene Auslegung selbst vornehmen.

(1) Die Zeugen [X.]und [X.]haben sowohl erst- als auch zweitinstanzlich übereinstimmend bekundet, dass der [X.] bei dem "Krisengespräch" am 22. Oktober 2011 erklärt hat, er werde die Rechnungen der Klägerin bezahlen. Dies hat auch das Berufungsgericht seiner Würdigung zugrunde gelegt. Eine Überweisung der Rechnungsbeträge aus den Einnahmen aus dem "[X.]   "-Auftrag, die der [X.] als Alternative zunächst in den Raum gestellt hatte, schied von vornherein als realistische Möglichkeit aus. Zu diesem [X.]punkt stand dem [X.]n das endgültige Scheitern des Großauftrags vor Augen ([X.] 18 Abs. 3, 4). Es war ihm klar, dass die Schuldnerin nicht in der Lage war, die offenen und künftigen Rechnungen der Klägerin aus [X.]smitteln zu begleichen. Das Berufungsgericht hat ferner festgestellt, dass die Klägerin auf die Zahlungsfähigkeit der Schuldnerin ohnehin nicht (mehr) vertraut hat. Auf die Frage des Geschäftsführers der Klägerin, welche Sicherheit für die Bezahlung der Rechnungen bestehe, antwortete der [X.] "Ich zahle das" (Sitzungsprotokoll vom 20. März 2018, S. 5 = [X.]). [X.] somit sowohl die Klägerin als auch der [X.] davon aus, dass mit einer Schuldtilgung durch die [X.] nicht zu rechnen sei, kann die Erklärung des [X.]n, er bezahle die Forderungen der Klägerin, aus [X.] vernünftigerweise nur als persönliche Haftungsübernahme verstanden werden, zumal er - wie das Berufungsgericht im Rahmen der Prüfung eines etwaigen Schadensersatzanspruchs aus § 311 Abs. 3 [X.] festgestellt hat – durch die gegebene [X.] besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen und den Eindruck persönlicher und finanzieller Seriosität erweckt hat. Anders als das Berufungsgericht meint, ist es daher unerheblich, ob der [X.] im Zusammenhang mit seiner [X.] das Wort "persönlich" ausdrücklich gebraucht hat. Aus diesem Grund kommt es auch auf die von der Revision geltend gemachte [X.]vernehmung des [X.]n nicht an. Dieser hat es zudem abgelehnt, sich als [X.] vernehmen zu lassen (vgl. [X.]/[X.]/[X.] aaO § 446 Rn. 1).

(2) Dafür, dass der [X.] durch seine Erklärungen eine eigene Verbindlichkeit begründen wollte, sprechen zudem die Begleitumstände im Vorfeld des "[X.]" vom 22. Oktober 2011 sowie die beiderseitige Interessenlage. Denn der [X.] hatte bereits in der Vergangenheit finanzielle Engpässe der Schuldnerin dadurch überbrückt, dass er persönlich Bargeld in großen Mengen aus [X.] heranschaffte, um zum Beispiel die Mitarbeitergehälter zu bezahlen (Sitzungsprotokolle vom 26. April 2017, S. 4 = [X.] und vom 20. März 2018, [X.] = [X.] 17 Abs. 3, 5). Darüber hinaus hat er angegeben, der Schuldnerin aus seinem Vermögen mindestens 4.636.000 € als [X.]erdarlehen zur Verfügung gestellt zu haben. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts verfolgte er im Oktober 2011 das Ziel, die [X.] (und damit auch seine Darlehensrückzahlungsansprüche) zu retten ([X.] 22 Abs. 2). Dieses Ziel konnte er aber nur erreichen, wenn die Klägerin ihre Beratungstätigkeit zur Verbesserung der Unternehmensorganisation und der wirtschaftlichen Situation fortsetzte, was wiederum die zeitnahe Bezahlung ihrer Rechnungen voraussetzte. Dazu verfügte nach Sachlage allein der [X.] persönlich über die erforderlichen finanziellen Mittel. Nach alledem kann kein Zweifel daran bestehen, dass er ein eigenes Interesse an der Tilgung der Verbindlichkeiten der Schuldnerin hatte.

c) Soweit das Berufungsgericht ein selbständiges Garantieversprechen des [X.]n dahingehend, er werde der Schuldnerin als [X.]er das erforderliche Kapital gegebenenfalls nachschießen, verneint hat (siehe [X.], Urteil vom 18. Juni 2001 - II ZR 248/99, NJW-RR 2001, 1611 zum selbständigen Garantieversprechen durch [X.] des [X.]er-Geschäftsführers), ist dies nicht zu beanstanden. Wie ausgeführt, musste die Klägerin als Empfängerin die Erklärung des [X.]n, er werde die Rechnungsbeträge bezahlen, angesichts des klaren Wortlauts, der Begleitumstände sowie der beiderseitigen Interessenlage als gesamtschuldnerische Begründung einer eigenen Verbindlichkeit durch einen zahlungskräftigen Schuldner verstehen. Es ging nicht lediglich darum, der wirtschaftlich angeschlagenen Schuldnerin weiteres Kapital zuzuführen.

3. Die vom [X.]n erhobene Einrede der Verjährung steht der Durchsetzung des [X.] nicht entgegen. Die maßgebliche dreijährige Verjährungsfrist des § 195 [X.] wurde durch die Zustellung des Mahnbescheids am 16. Mai 2012, mag diese auch unter einer nicht mehr zutreffenden Anschrift ([X.], D.   -[X.] ) erfolgt sein, gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3 [X.] gehemmt. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung hindert die unwirksame Zustellung des Mahnbescheids den Eintritt der [X.] nicht, wenn der Anspruchsinhaber für die wirksame Zustellung alles aus seiner Sicht Erforderliche getan hat, der Anspruchsgegner in unverjährter [X.] von dem Erlass des Mahnbescheids und seinem Inhalt Kenntnis erlangt und die Wirksamkeit der Zustellung ebenfalls in unverjährter [X.] in einem Rechtsstreit geprüft wird ([X.], Urteil vom 26. Februar 2010 - [X.], NJW-RR 2010, 1438 Rn. 14 ff; siehe auch [X.]/[X.], [X.], § 204 Rn. 129 [Stand: 1. Juni 2020]; [X.]/[X.] aaO § 204 Rn. 18 a.E.). Dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind, hat das [X.] zutreffend festgestellt. Der [X.] nimmt darauf Bezug ([X.]). Insbesondere hat der [X.] die fehlerhafte Zustellung dadurch veranlasst, dass er weder das Namensschild am Briefkasten entfernte noch eine Abmeldung bei der zuständigen Behörde vornahm.

4. Hinsichtlich eines Hauptsachebetrags von 22.012,21 € (nebst Zinsen) ist die Klage allerdings zu Recht abgewiesen worden. Insoweit bleibt es bei der Aufhebung des [X.]s vom 4. Juni 2012.

a) Soweit mit diesem auch die Kosten der erfolglosen Rechtsverfolgung gegenüber der Schuldnerin in Höhe von 1.985,50 € geltend gemacht wurden, scheidet ein Erstattungsanspruch gegen den [X.]n von vornherein aus. Dessen Schuldbeitritt bezog sich allein auf die Bezahlung der Rechnungen der Klägerin und nicht auf etwaige einen anderen Gesamtschuldner betreffende Rechtsverfolgungskosten (vgl. § 425 [X.]).

b) Ferner muss berücksichtigt werden, dass die Klägerin nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, die auf ihrem im [X.] gehaltenen Sachvortrag beruhen (Schriftsatz vom 22. Juni 2018), entsprechend der Insolvenzquote von 33,89 % befriedigt worden ist. Bei einem Gesamtrechnungsbetrag von 59.093,27 € sind dies 20.026,71 €. Insoweit ist die Klage in jedem Fall unbegründet (§ 362 Abs. 1, § 422 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig hat das Berufungsgericht keine Feststellungen dazu getroffen, ob und in welcher Höhe der Klägerin darüber hinaus aus den streitigen Rechnungen noch offene Zahlungsansprüche zustehen. Dies ist nachzuholen.

III.

Das angefochtene Urteil ist demnach teilweise aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der [X.] kann in der Sache nicht selbst entscheiden, da der Sachverhalt hinsichtlich der Frage, in welcher Höhe Rechnungsbeträge noch offenstehen, nicht hinreichend geklärt ist und ergänzende tatsächliche Feststellungen zu treffen sind.

Für das weitere Verfahren weist der [X.] auf Folgendes hin:

1. Mit dem Einwand, die Klägerin habe keine Leistungen beziehungsweise Nachweise über diese erbracht, kann der [X.] nicht durchdringen, soweit die Leistungserbringung bis zum 22. Oktober 2011 umstritten ist. Die Arbeiten der Klägerin bis zu diesem [X.]punkt waren Gegenstand des "[X.]", das dazu führte, dass der [X.] die Bezahlung sämtlicher - auch künftiger - Rechnungen zusagte, um einen Abbruch der klägerischen Beratungstätigkeit zu vermeiden. Darin liegt zugleich ein (deklaratorisches) Anerkenntnis, das alle Einwendungen tatsächlicher und rechtlicher Natur für die Zukunft ausschließt, die der [X.] bei Abgabe der [X.] kannte oder mit denen er mindestens rechnete (vgl. [X.], Urteil vom 7. Februar 2019 - [X.]/18, NJW-RR 2019, 644 Rn. 39; [X.]/[X.] aaO § 781 Rn. 4). Insoweit kann er im Prozess nicht mehr einwenden, die Klägerin habe keine Leistungen erbracht.

2. Für den [X.]raum nach dem 22. Oktober 2011 bis zur endgültigen Leistungseinstellung der Klägerin am 15. November 2011 muss die Frage der Leistungserbringung - gegebenenfalls durch nochmalige Vernehmung der Zeugen [X.]und [X.]    - geklärt werden. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass der geschuldete Beratungsumfang und das zu zahlende Honorar pauschaliert waren und die Klägerin keine Leistungsnachweise im Einzelnen vorlegen musste. Erbrachte Beratungsleistungen sind einer Nichtleistung nur dann gleichzustellen, wenn sie für den Gläubiger wertlos sind (vgl. [X.], Urteil vom 8. Oktober 2015 - [X.], [X.], 1281 Rn. 21).

Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen dieses Versäumnisurteil steht der säumigen [X.] der Einspruch zu. Dieser ist beim [X.] in [X.] von einem an diesem Gericht zugelassenen Rechtsanwalt binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab der Zustellung des Versäumnisurteils durch Einreichung einer Einspruchsschrift einzulegen.

Die Einspruchsschrift muss das Urteil, gegen das der Einspruch gerichtet wird, bezeichnen und die Erklärung enthalten, dass und, wenn der Rechtsbehelf nur teilweise eingelegt werden soll, in welchem Umfang gegen dieses Urteil Einspruch eingelegt werde.

In der Einspruchsschrift sind die Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie [X.], die die Zulässigkeit der Klage betreffen, vorzubringen. Auf Antrag kann der Vorsitzende des erkennenden [X.]s die Frist für die Begründung verlängern. Bei Versäumung der Frist für die Begründung ist damit zu rechnen, dass das nachträgliche Vorbringen nicht mehr zugelassen wird.

Im Einzelnen wird auf die Verfahrensvorschriften in § 78, § 296 Abs. 1, 3, 4, § 338, § 339 und § 340 ZPO verwiesen.

[X.]     

      

[X.]     

      

Reiter

      

Böttcher     

      

Kessen     

      

Hinweis: Gegen das vorstehende Versäumnisurteil wurde Einspruch eingelegt.

Meta

III ZR 56/19

03.09.2020

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Versäumnisurteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 21. März 2019, Az: 9 U 57/17

§ 133 BGB, § 157 BGB, § 311 Abs 3 BGB, § 414 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 03.09.2020, Az. III ZR 56/19 (REWIS RS 2020, 1205)

Papier­fundstellen: MDR 2021, 432-433 WM2021,249 REWIS RS 2020, 1205

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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