Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 01.09.2017, Az. 3 B 50/16

3. Senat | REWIS RS 2017, 5859

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Gegenstand

Anordnung einer Tempo 30-Zone für ein Teilstück einer Straße


Leitsatz

1. Für die Einordnung als Straße des überörtlichen Verkehrs im Sinne von § 45 Abs. 1c Satz 2 Alt. 1 StVO ist die Klassifizierung als Bundes-, Landes- oder Kreisstraße maßgeblich. Auf das tatsächliche Verhältnis von Durchgangs- und Anliegerverkehr kommt es insoweit nicht an.

2. Jedenfalls seit der Neufassung von § 45 Abs. 9 StVO durch die Erste Verordnung zur Änderung der Straßenverkehrs-Ordnung vom 30. November 2016 (BGBl. I S. 2848) ist § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO auch bei der Anordnung einer Tempo 30-Zone nach § 45 Abs. 1c StVO anzuwenden.

3. Die Anordnung einer Tempo 30-Zone ist aufgrund der besonderen Umstände zwingend erforderlich im Sinne von § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO, wenn die allgemeinen und besonderen Verhaltensregeln der Verordnung nicht ausreichen, um die mit der Anordnung bezweckten Wirkungen zu erreichen.

Gründe

1

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Der Rechtssache kommt nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu.

2

Der Kläger wendet sich gegen die Anordnung einer [X.] 30-Zone für ein Teilstück der [X.] auf der Gemarkung der [X.]. Die [X.] zweigt in Ortslage von einer [X.] in südwestlicher Richtung ab, quert nach ca. 150 m eine Bahnlinie und mündet an einem Thermalbad in eine Landesstraße ein. Die [X.] hat eine Fahrbahnbreite von etwa 5,5 m; entlang ihrer Südostseite verläuft ein von der Fahrbahn nur durch ein Niederbord abgetrennter Gehweg von etwa 1,5 m Breite. Zwischen der [X.] und dem Bahnübergang befindet sich beidseits der [X.] auch Wohnbebauung. Nach Hinweisen von Anwohnern auf die Gefährdung von Fußgängern durch Kraftfahrzeuge, die bei [X.] auf den Gehweg auswichen, traf die Beklagte am 2. September 2011 die straßenverkehrsrechtliche Anordnung, in Verbindung mit der bereits bestehenden [X.] 30-Zone im angrenzenden Wohngebiet auch in der [X.] zwischen der Bahnlinie und der [X.] wieder eine [X.] 30-Zone einzurichten (Zeichen 274.1/274.2 zu Beginn der [X.] rund 10 m nach der Abzweigung von der [X.] und in Gegenrichtung rund 10 m vor der Eisenbahnlinie). Die [X.] 30-Zone wurde am 13. Oktober 2011 eingerichtet. Den Widerspruch des [X.], der die [X.] regelmäßig befährt, um das Thermalbad zu besuchen, wies das Regierungspräsidium Tübingen zurück.

3

Die Klage hiergegen ist in den Vorinstanzen jeweils ohne Erfolg geblieben; beide Gerichte hatten zuvor einen Augenschein des von der [X.] 30-Zone betroffenen Teilstücks der [X.] und der näheren Umgebung eingenommen. Zur Begründung führt der Verwaltungsgerichtshof [X.] im Wesentlichen aus: Aufgrund der geringen Fahrbahnbreite, des stadteinwärts bestehenden deutlichen Gefälles und der nur mäßigen Sicht sei zu besorgen, dass den Gehweg nutzende und die [X.] querende Fußgänger bei [X.] von Kraftfahrzeugen konkret gefährdet würden. Auf dem in Rede stehenden Teilstück komme nach § 45 Abs. 1c [X.] eine [X.] 30-Zone in Betracht. Es sei von einer geschlossenen Ortschaft auszugehen. Darauf, ob das Gebiet beidseits der [X.] durchweg noch als Wohngebiet im Sinne der Baunutzungsverordnung oder als Gebiet mit hoher Fußgänger- und Fahrradverkehrsdichte sowie hohem Querungsbedarf im Sinne von § 45 Abs. 1c Satz 1 [X.] anzusehen sei, komme es dabei nicht entscheidend an. Mit schutzbedürftigem Verkehr sei ohne Weiteres zu rechnen. Die [X.] sei als Gemeindestraße keine [X.] des überörtlichen Verkehrs, auf die sich gemäß § 45 Abs. 1c Satz 2 [X.] eine Zonenanordnung nicht erstrecken dürfe. Zwar kämen nach der [X.] (VwV-[X.]) Zonengeschwindigkeitsbegrenzungen nur dort in Betracht, wo der Durchgangsverkehr von geringer Bedeutung sei. Damit sei aber nicht das Verhältnis des Durchgangsverkehrs zum Anliegerverkehr, sondern die der [X.] nach ihrer Klassifizierung zukommende objektive Verkehrsbedeutung gemeint. Aus § 45 Abs. 9 [X.] ergäben sich keine weiteren Einschränkungen. Von der Anforderung des § 45 Abs. 9 Satz 2 [X.], wonach aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage bestehen müsse, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung u.a. der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs erheblich übersteige, seien [X.] 30-Zonen ausgenommen. § 45 Abs. 9 Satz 2 [X.] sperre als speziellere Regelung in Bezug auf Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs in seinem Anwendungsbereich den Rückgriff auf die allgemeine Regelung des § 45 Abs. 9 Satz 1 [X.], wonach Verkehrszeichen nur dort anzuordnen seien, wo dies aufgrund der besonderen Umstände zwingend geboten sei. Es könne nur darauf ankommen, ob der Anwendungsbereich des Satzes 2 grundsätzlich eröffnet sei, weil der fließende Verkehr geregelt werde, nicht aber darauf, ob Satz 2 deswegen nicht zur Anwendung komme, weil eine der in Satz 2 vorgesehenen Ausnahmen - hier die Anordnung einer [X.] 30-Zone - greife. Schließlich sei auch die Ausübung des der [X.] eröffneten Ermessens mit Blick auf die geringe Betroffenheit des [X.] nicht zu beanstanden.

4

1. Die vom Kläger angeführte Frage,

"Ist Voraussetzung für die Anordnung einer [X.] 30-Zone im Sinne von § 45 Abs. 1c [X.] das Vorliegen von besonderen Umständen, die diese Einrichtung einer [X.] 30-Zone zwingend gebieten im Sinne von § 45 Abs. 9 Satz 1 [X.]?"

rechtfertigt die von ihm begehrte Revisionszulassung auf der Grundlage von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht.

5

Ihr kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, da revisionsgerichtlicher Klärungsbedarf insoweit nicht mehr besteht. § 45 Abs. 9 [X.] ist nach der Verkündung des Berufungsurteils durch die Erste Verordnung zur Änderung der [X.]nverkehrs-Ordnung vom 30. November 2016 ([X.] I S. 2848) mit Wirkung vom 23. Dezember 2016 neu gefasst worden. Aus dieser Neufassung in Verbindung mit der [X.] ergibt sich, dass § 45 Abs. 9 Satz 1 [X.] jedenfalls seit dem In-Kraft-Treten der Änderungsverordnung auch in den Fällen der Anordnung einer [X.] 30-Zone nach § 45 Abs. 1c [X.] anzuwenden ist.

6

Nach § 45 Abs. 9 Satz 1 [X.] in der dem Berufungsurteil zugrunde liegenden und insoweit im Wesentlichen unverändert gebliebenen Fassung vom 15. September 2015 (im Folgenden: [X.] a.F.) sind Verkehrszeichen nur dort anzuordnen, wo dies aufgrund der besonderen Umstände zwingend geboten ist (neue Fassung: "zwingend erforderlich"). Nach der Begründung zu dieser Vorschrift sollen die zuständigen Behörden bei der Anordnung von Verkehrszeichen restriktiv verfahren und stets nach pflichtgemäßem Ermessen prüfen, ob die vorgesehene Regelung durch Verkehrszeichen deshalb zwingend erforderlich ist, weil die allgemeinen und besonderen Verhaltensregeln der Verordnung für einen sicheren und geordneten Verkehrsablauf nicht ausreichen ([X.]. 374/97 S. 8). Nach § 45 Abs. 9 Satz 2 [X.] a.F. durften abgesehen von der Anordnung u.a. von [X.] 30-Zonen insbesondere Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs nur angeordnet werden, wenn aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt. Ob [X.] 30-Zonen ungeachtet der Freistellung von den Anforderungen des Satzes 2 nur angeordnet werden durften, wenn dies im Sinne des § 45 Abs. 9 Satz 1 [X.] a.F. aufgrund der besonderen Umstände zwingend geboten war, war umstritten. Der Verwaltungsgerichtshof [X.] hat diese Frage verneint: Als speziellere Regelung in Bezug auf Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs sperre § 45 Abs. 9 Satz 2 [X.] a.F. den Rückgriff auf die allgemeine Regelung des Satzes 1 auch dann, wenn eine von der speziellen Regelung ausgenommene Beschränkung des fließenden Verkehrs in Rede stehe. Satz 2 enthalte keine weitere, zusätzliche, sondern nur eine speziellere Regelung für Beschränkungen des fließenden Verkehrs ([X.]; im Ergebnis wie das Berufungsgericht [X.], Urteil vom 18. Juli 2006 - 12 [X.]/04 - NJW 2007, 1609 = juris Rn. 42 sowie [X.], in: [X.] Kommentar [X.]nverkehrsrecht, 2016, § 45 [X.] Rn. 75; für die Anwendung von Satz 1 dagegen [X.], in: [X.]/[X.]/Dauer, [X.]nverkehrsrecht, 44. Aufl. 2017, § 45 [X.] Rn. 37 sowie [X.], [X.], 27 <29>). In der Rechtsprechung des Senats war geklärt, dass § 45 Abs. 9 Satz 2 [X.] a.F. als in Bezug auf Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs speziellere Regelung in seinem Anwendungsbereich die allgemeine Regelung in § 39 Abs. 1 und § 45 Abs. 9 Satz 1 [X.] verdrängt (BVerwG, Urteile vom 23. September 2010 - 3 C 37.09 - BVerwGE 138, 21 Rn. 25 und vom 18. November 2010 - 3 C 42.09 - BVerwGE 138, 159 Rn. 23). Diesen Entscheidungen lagen allerdings Beschränkungen des fließenden Verkehrs durch Lkw-Überholverbote bzw. durch die Anordnung einer Radwegebenutzungspflicht zugrunde und nicht - wie hier bei der Anordnung einer [X.] 30-Zone - ein Fall, für den die Anwendbarkeit des Satzes 2 von vornherein ausdrücklich ausgeschlossen war.

7

Ein insoweit möglicherweise bestehender Klärungsbedarf ist durch die Erste Verordnung zur Änderung der [X.]nverkehrs-Ordnung vom 30. November 2016 ([X.] I S. 2848) ausgeräumt worden. Eines der Ziele dieser Verordnung war es, die streckenbezogene Anordnung von [X.] 30 auch an innerörtlich klassifizierten [X.]n sowie auf weiteren Vorfahrtstraßen zu erleichtern ([X.]. 332/16 S. 1). Dabei wurde § 45 Abs. 9 [X.] im Interesse einer besseren Lesbarkeit insgesamt neu strukturiert ([X.]. 332/16 S. 10). Der bisherige Satz 2 wurde in den Sätzen 3 und 4 neu gefasst (im Folgenden: n.F.). Gemäß § 45 Abs. 9 Satz 3 [X.] n.F. dürfen Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs - weiterhin - nur angeordnet werden, wenn aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt. § 45 Abs. 9 Satz 4 Nr. 4 [X.] n.F. bestimmt, dass Satz 3 nicht für die Anordnung von [X.] 30-Zonen nach § 45 Abs. 1c [X.] gilt. Eine entsprechende Ausnahme in Bezug auf die Anforderungen des § 45 Abs. 9 Satz 1 [X.] sieht § 45 Abs. 9 Satz 4 [X.] n.F. dagegen nicht vor. Für die neu eingeführte streckenbezogene Geschwindigkeitsbegrenzung nach § 45 Abs. 9 Satz 4 Nr. 6 [X.] heißt es in der Begründung ausdrücklich, dass die Änderung § 45 Abs. 9 Satz 1 [X.] unberührt lasse ([X.]. 332/16 S. 14). Aufgrund des umfassenden Anwendungsbereichs des Satzes 4 kann für [X.] 30-Zonen seitdem nichts anderes gelten. Auch sie dürfen jedenfalls seit dem In-Kraft-Treten der Ersten Verordnung zur Änderung der [X.]nverkehrs-Ordnung vom 30. November 2016 nur angeordnet werden, wenn dies im Sinne des § 45 Abs. 9 Satz 1 [X.] aufgrund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist. Das ist, wie der Begründung bei der Einführung von § 45 Abs. 9 Satz 1 [X.] durch die Vierundzwanzigste Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 7. August 1997 ([X.] I S. 2028) zu entnehmen ist, dann der Fall, wenn die allgemeinen und besonderen Verhaltensregeln der Verordnung für einen sicheren und geordneten Verkehrsablauf nicht ausreichen (vgl. [X.]. 374/97 S. 8). Dass der Normgeber mit der nun erfolgten Ersetzung des in § 45 Abs. 9 Satz 1 [X.] bisher verwendeten Begriffs "geboten" durch "erforderlich" andere Anforderungen stellen wollte, lässt sich den Materialien nicht entnehmen. Hiergegen spricht zudem, dass § 39 Abs. 1 [X.] unverändert geblieben ist. Dass bei diesem Verständnis der Regelung das vom Verordnungsgeber mit der Einfügung von § 45 Abs. 1c [X.] (Anordnung von [X.] 30-Zonen) und der Neufassung von § 45 Abs. 9 Satz 2 [X.] a.F. (Freistellung solcher Anordnungen von den Anforderungen des Satzes 2) verfolgte Ziel, die Einrichtung von [X.] 30-Zonen wesentlich zu erleichtern (vgl. Begründung zur Dreiunddreißigsten Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 11. Dezember 2000 <[X.] I S. 1690> in [X.]. 2001 S. 6 und 11), nicht (mehr) erreichbar sein könnte, ist nicht zu erkennen. [X.] 30-Zonen können gemäß § 45 Abs. 9 Satz 4 Nr. 4 [X.] weiterhin angeordnet werden, ohne dass die sonst erforderliche besondere Gefahrenlage des § 45 Abs. 9 Satz 3 [X.] vorliegt. Mangels Erforderlichkeit im Sinne von § 45 Abs. 9 Satz 1 [X.] scheidet ihre Anordnung nur dort aus, wo die mit der Anordnung bezweckten Wirkungen aufgrund der allgemeinen und besonderen Verhaltensregeln der Verordnung ohnehin erreicht werden.

8

Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt der vom Kläger aufgeworfenen Frage auch nicht deshalb zu, weil die Voraussetzungen für die Anordnung von [X.] 30-Zonen nach § 45 Abs. 9 [X.] a.F. noch für eine erhebliche Zahl von Altfällen der Klärung bedürften. Verkehrsbezogene Ge- und Verbote in Form von Verkehrszeichen sind regelmäßig den Dauerverwaltungsakten zuzurechnen. Maßgeblich für den Erfolg einer Anfechtungsklage ist daher regelmäßig die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten tatsachengerichtlichen Verhandlung (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. November 2010 - 3 C 42.09 - BVerwGE 138, 159 Rn. 14 m.w.N.). Deshalb wird auch in Klageverfahren gegen die Anordnung von [X.] 30-Zonen, die vor dem In-Kraft-Treten der Ersten Verordnung zur Änderung der [X.]nverkehrs-Ordnung vom 30. November 2016 anhängig geworden sind, § 45 Abs. 9 [X.] in der geänderten neuen Fassung anzuwenden sein.

9

2. Ebenso wenig führen die vom Kläger aufgeworfenen weiteren Fragen,

"Kommen [X.]en ([X.] 30-Zone) nur dort in Betracht, wo der Durchgangsverkehr im Verhältnis zum Anliegerverkehr von geringer Bedeutung ist? Kommt eine [X.] demnach nicht in Betracht, wenn der Durchgangsverkehr den Anliegerverkehr deutlich übersteigt?"

auf eine Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Es ergibt sich, auch ohne dass es dafür erst der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf, bei Anwendung der allgemeinen Auslegungsgrundsätze unmittelbar aus § 45 Abs. 1c Satz 2 [X.], dass diese Fragen zu verneinen sind.

§ 45 Abs. 1c Satz 1 [X.] bestimmt, dass die [X.]nverkehrsbehörden innerhalb geschlossener Ortschaften, insbesondere in Wohngebieten und Gebieten mit hoher Fußgänger- und Fahrradverkehrsdichte sowie hohem Querungsbedarf, [X.] 30-Zonen im Einvernehmen mit der Gemeinde anordnen. Gemäß Satz 2 darf sich die [X.] weder auf [X.]n des überörtlichen Verkehrs (Bundes-, Landes- und Kreisstraßen) noch auf weitere Vorfahrtstraßen (Zeichen 306) erstrecken. Weitere straßenbezogene Voraussetzungen für die Anordnung einer [X.] 30-Zone, die hier indes nicht von Belang sind, regeln die Sätze 3 und 4.

Die Formulierung des Satzes 2 lässt nur den Schluss zu, dass durch den ersten Klammerzusatz näher bestimmt wird, was unter einem überörtlichen Verkehr im Sinne dieser Vorschrift zu verstehen ist. Gemeint ist demzufolge ein Verkehr, der auf Bundes-, Landes- und Kreisstraßen abgewickelt wird. Das erhellt zusätzlich die [X.]. Dort heißt es zu Absatz 1c, in der [X.]nverkehrs-Ordnung selbst werde durch negative Abgrenzung klargestellt, dass eine [X.] 30-[X.] innerhalb geschlossener Ortschaften nur für nicht klassifizierte [X.]n in Betracht komme, da Bundes-, Landes- und Kreisstraßen wegen ihrer Bestimmung für den überörtlichen Verkehr nicht Gegenstand gemeindlicher Verkehrsberuhigungsmaßnahmen sein könnten ([X.]. 2001 S. 11). Dass es in § 45 Abs. 1c Satz 2 [X.] allein um eine solche formale Anknüpfung geht, findet seine Bestätigung außerdem in der in dieser Bestimmung aufgeführten zweiten Fallgruppe, den "weiteren Vorfahrtstraßen (Zeichen 306)". Auch für die weiteren Vorfahrtstraßen im Sinne dieser Regelung wird nicht auf das konkrete Verhältnis des Durchgangs- zum Anliegerverkehr abgestellt, sondern allein darauf, dass es sich um keine mit dem Zeichen 306 versehene Vorfahrtstraße handelt. Schließlich ist auch der Begründung für die Neufassung von § 45 Abs. 9 [X.] durch die Erste Verordnung zur Änderung der [X.]nverkehrs-Ordnung zu entnehmen, dass für den Begriff "[X.]n des überörtlichen Verkehrs" auf die Klassifizierung als Bundes-, Landes- oder Kreisstraße abzustellen ist (vgl. [X.]. 332/16 S. 10).

Demgegenüber kann sich der Kläger für seine Annahme, dass es auf das jeweilige Verhältnis des Durchgangs- zum Anliegerverkehr ankomme, nicht mit Erfolg auf die [X.] (VwV-[X.]) berufen. Zwar heißt es dort unter Nummer XI. ([X.] 30-Zonen) zu § 45 Abs. 1 bis 1e, [X.]en könnten nur dort in Betracht kommen, wo der Durchgangsverkehr von geringer Bedeutung sei (a.a.[X.] Rn. 38). Im Hinblick auf das normenhierarchische Verhältnis der im Range einer Rechtsverordnung stehenden [X.]nverkehrs-Ordnung zu der Verwaltungsvorschrift, die die verordnungsrechtlichen Regelungen - ohne selbst Rechtsnormqualität zu besitzen - lediglich erläutert und ausfüllt, ist es fernliegend, dass dem in der Verwaltungsvorschrift verwendeten Begriff des Durchgangsverkehrs ein anderer Inhalt beizumessen ist, als dem in § 45 Abs. 1c Satz 2 [X.] verwendeten Begriff des überörtlichen Verkehrs.

Das Berufungsgericht geht somit zu Recht davon aus, dass mit der Formulierung "[X.]n des überörtlichen Verkehrs" in § 45 Abs. 1c Satz 2 [X.] nicht das konkrete Verhältnis des überörtlichen Verkehrs zum Anliegerverkehr bezeichnet wird, sondern damit die objektive Verkehrsbedeutung der [X.] gemeint ist, wie sie sich aus ihrer Klassifizierung als Bundes-, Landes- oder Kreisstraße ergibt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 2 GKG.

Meta

3 B 50/16

01.09.2017

Bundesverwaltungsgericht 3. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 22. Juni 2016, Az: 5 S 515/14, Urteil

§ 39 Abs 1 StVO 2013, § 45 Abs 1c StVO 2013, § 45 Abs 9 StVO 2013

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 01.09.2017, Az. 3 B 50/16 (REWIS RS 2017, 5859)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 5859

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Referenzen
Wird zitiert von

W 6 K 23.17

W 6 K 19.1174

8 K 3119/18

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