Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.02.2010, Az. 10 AZR 1035/08

10. Senat | REWIS RS 2010, 9009

ARBEITSRECHT BUNDESARBEITSGERICHT (BAG) GLEICHSTELLUNG ARBEITSVERTRAG INDIVIDUAL-ARBEITSRECHT GEHALT

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Gegenstand

Anspruch einer Arzthelferin in der Funktionsdiagnostik auf Zahlung der Zulage nach § 43 Nr 8 TV-L - Tarifauslegung


Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 11. November 2008 - 8 Sa 509/08 - aufgehoben, soweit es über die Kosten entschieden und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 23. April 2008 - 7 [X.]/07 - im Umfang von 575,04 Euro brutto nebst Zinsen zurückgewiesen hat.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Zahlung einer Zulage nach § 43 Nr. 8 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) vom 12. Oktober 2006 idF des [X.] Nr. 1 vom 13. März 2008.

2

Die Klägerin ist bei dem beklagten [X.], einer Anstalt des öffentlichen Rechts, seit 2001 als Arzthelferin im Bereich der neurophysiologischen Funktionsdiagnostik beschäftigt. In den Jahren 2006 und 2008 war sie teilzeitbeschäftigt mit der Hälfte der Arbeitszeit einer Vollzeitbeschäftigten (19,25 Stunden); im Jahr 2007 betrug die wöchentliche Arbeitszeit 21,75 Stunden.

3

Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung die Tarifverträge für den öffentlichen Dienst der Länder Anwendung.Die Klägerin ist aus der Vergütungsgruppe [X.] Teil II Abschn. [X.](Angestellte in medizinischen Hilfsberufen und in medizinisch-technischen Berufen) der Anlage 1a zum [X.]/[X.]-O übergeleitet worden.

4

§ 43 TV-L lautet auszugsweise:

        

„Sonderregelungen für die nichtärztlichen Beschäftigen in Universitätskliniken und [X.]ankenhäusern

        

Nr. 1  

        

Zu § 1 - Geltungsbereich -

        

Diese Sonderregelungen gelten für Beschäftigte (mit Ausnahme der Ärztinnen und Ärzte, Zahnärztinnen und Zahnärzte, die unter § 41 oder § 42 fallen), wenn sie in Universitätskliniken, [X.]ankenhäusern oder sonstigen Einrichtungen und Heimen, in denen die betreuten Personen in ärztlicher Behandlung stehen, beschäftigt werden.

        

         

        

Nr. 8  

        

Regelungen zur Anwendung der Anlage 1b zum [X.]/[X.]-O

        

(1)

Der Betrag nach der Protokollerklärung Nr. 1 Absatz 1 und Absatz 1a zu Abschnitt A der Anlage 1b zum [X.]/[X.]-O wird von 46,02 Euro auf 90,00 Euro erhöht. Die Zulage steht auch bei Erfüllung mehrerer Tatbestände nur einmal zu.

        

(2)

Pflegepersonen im Sinne des Abschnitts A der Anlage 1b zum [X.]/[X.]-O, denen die Leitung einer Station übertragen ist, erhalten für die Dauer dieser Tätigkeit eine monatliche Zulage von 45,00 Euro, soweit diesen Beschäftigten in demselben Zeitraum keine Zulage nach der Protokollerklärung Nr. 1 Absatz 1 oder Absatz 1a zu Abschnitt A der Anlage 1b zum [X.]/[X.]-O gezahlt wird. Dasselbe gilt für Beschäftigte in der Funktionsdiagnostik, in der Endoskopie, im Operationsdienst und im Anästhesiedienst.“

5

Die Anlage 1b zum [X.]/[X.]-O enthält die Vergütungsordnung für Angestellte im Pflegedienst.

6

Die Protokollerklärung Nr. 1 zu Abschn. A der Anlage 1b zum [X.]/[X.]-O lautet auszugsweise:

        

„(1) Pflegepersonen der Vergütungsgruppen [X.]. I bis [X.]. VII, die die Grund- und Behandlungspflege zeitlich überwiegend bei

                 

a)   

an schweren Infektionskrankheiten erkrankten Patienten (z. B. Tuberkulose-Patienten), die wegen der Ansteckungsgefahr in besonderen Infektionsabteilungen oder Infektionsstationen untergebracht sind,

                 

b)   

[X.]anken in geschlossenen oder halbgeschlossenen (Open-door-System) psychiatrischen Abteilungen oder Stationen,

                 

c)   

[X.]anken in geriatrischen Abteilungen oder Stationen,

                 

d)   

gelähmten oder an multipler Sklerose erkrankten Patienten,

                 

e)   

Patienten nach Transplantationen innerer Organe oder von Knochenmark,

                 

f)   

an AIDS (Vollbild) erkrankten Patienten,

                 

g)   

Patienten, bei denen Chemotherapien durchgeführt oder die mit Strahlen oder mit inkorporierten radioaktiven Stoffen behandelt werden,

        

ausüben, erhalten für die Dauer dieser Tätigkeit eine monatliche Zulage von 90,00 DM (46,02 Euro).

        

(1a) Pflegepersonen der Vergütungsgruppen [X.]. I bis [X.]. VII, die zeitlich überwiegend in Einheiten für Intensivmedizin Patienten pflegen, erhalten für die Dauer dieser Tätigkeit eine monatliche Zulage von 90,00 DM (46,02 Euro).“

7

[X.] vom 7. März 2007 beantragte die Klägerin die Zahlung einer Zulage nach § 43 Nr. 8 Abs. 2 Satz 2 TV-L, was die Beklagte ablehnte.

8

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, eine solche Zulage stehe nicht nur Pflegepersonen, sondern allen Beschäftigten in den dort genannten Bereichen zu. Dies ergebe sich schon aus dem Wortlaut der Bestimmung. Im Rahmen der Redaktionsverhandlungen am 6. Oktober 2006 sei in § 43 Nr. 8 Abs. 2 Satz 2 TV-L das Wort „Pflegeperson“ durch „Beschäftigte“ ersetzt worden, was auf eine Forderung der [X.] [X.] zurückgegangen sei.

9

Die Klägerin hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.080,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der [X.] für jeweils 45,00 Euro nach bestimmter zeitlicher Staffelung zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang ergebe sich, dass bei § 43 Nr. 8 Abs. 2 Satz 2 TV-L wie bei Satz 1 dieser Vorschrift ein Anspruch nur den Pflegepersonen im Sinne des Abschn. A der Anlage 1b zum [X.]/[X.]-O eingeräumt werde. Bei den genannten Bereichen Funktionsdiagnostik, Endoskopie, Operationsdienst und Anästhesiedienst handle es sich um typische Tätigkeitsbereiche von Pflegepersonen.

Arbeitsgericht und [X.] haben die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche - beschränkt auf einen anteiligen Anspruch gem. § 24 Abs. 2 TV-L in Höhe von 575,04 Euro brutto nebst Zinsen - weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Mit der vom [X.] gegebenen Begründung kann die Berufung der Klägerin nicht in vollem Umfang zurückgewiesen werden. Der [X.] kann in der Sache mangels entsprechender Feststellungen nicht abschließend entscheiden. Die Revision führt daher zur teilweisen Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

I. § 43 [X.] gilt grundsätzlich für Beschäftigte, die in Universitätskliniken, [X.]ankenhäusern oder sonstigen Einrichtungen und Heimen, in denen die betreuten Personen in ärztlicher Behandlung stehen, beschäftigt werden, mit Ausnahme der unter § 41 oder § 42 fallenden Ärzte und Zahnärzte (§ 43 Nr. 1 [X.]). Dementsprechend ist die Vorschrift mit „Sonderregelungen für die nichtärztlichen Beschäftigten in Universitätskliniken und [X.]ankenhäusern“ bezeichnet. Zu diesem Personenkreis gehört die Klägerin als Arzthelferin. Sie ist darüber hinaus, wie § 43 Nr. 8 Abs. 2 Satz 2 [X.] verlangt, in der Funktionsdiagnostik beschäftigt.

II. Die Auslegung des § 43 Nr. 8 Abs. 2 Satz 2 [X.] nach Wortlaut, Systematik, Sinn und Zweck sowie Praktikabilität führt zu keinem eindeutigen Ergebnis, ob nichtärztliche Beschäftigte, die in der Funktionsdiagnostik, in der Endoskopie, im Operationsdienst und im Anästhesiedienst tätig sind, auch dann Anspruch auf eine monatliche Zulage von 45,00 Euro haben, wenn es sich nicht um Pflegepersonen im Sinne des Abschn. A der Anlage 1b zum [X.]/[X.]-O handelt. Auch wenn die Systematik des Tarifsystems eher für eine Beschränkung des Zulagenanspruchs auf Pflegepersonen iSd. Abschn. A der Anlage 1b zum [X.]/[X.]-O spricht, kann die Tarifgeschichte dem entgegenstehen.

1. Der Wortlaut der Tarifnorm, von dem vorrangig auszugehen ist ([X.]Rspr., zB [X.] 19. November 2008 - 10 [X.] - Rn. 17, [X.] § 67 Nr. 4), ist nicht eindeutig.

§ 43 Nr. 8 Abs. 2 Satz 1 [X.] gewährt Pflegepersonen iSd. Abschn. A der Anlage 1b zum [X.]/[X.]-O, denen die Leitung einer Station übertragen ist, einen Anspruch auf eine monatliche Zulage von 45,00 Euro, soweit diese nicht bereits die höhere Pflegezulage nach der Protokollerklärung Nr. 1 Abs. 1 oder Abs. 1a zu Abschn. A der Anlage 1b zum [X.]/[X.]-O erhalten. § 43 Nr. 8 Abs. 2 Satz 2 [X.] bestimmt sodann, dass „dasselbe“ für Beschäftigte in der Funktionsdiagnostik, in der Endoskopie, im Operationsdienst und im Anästhesiedienst gelte. „Dasselbe“ ist dabei der Anspruch auf die Gewährung der Zulage in Höhe von 45,00 Euro, soweit nicht bereits ein höherer Zulagenanspruch nach Abs. 1 besteht.

[X.] nennt - anders als Satz 1 - nicht den Begriff der Pflegeperson, sondern den des Beschäftigen. Beschäftigte im Sinne des [X.] sind gem. § 1 Abs. 1 [X.] alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, soweit sie unter den tariflichen Geltungsbereich fallen . Für § 43 [X.] wird die Bestimmung, wer Beschäftigter im Sinne der Norm ist, durch deren in Nr. 1 definierten Geltungsbereich auf die nichtärztlichen Beschäftigten in bestimmten Betriebsarten (insb. Universitätskliniken und [X.]ankenhäuser) beschränkt. Eine weitergehende Beschränkung des Beschäftigtenbegriffs enthält § 43 Nr. 8 Abs. 2 Satz 2 [X.] nicht. Verwenden Tarifvertragsparteien einen Begriff, den sie in anderer Stelle in demselben Tarifvertrag umschrieben haben, so ist in der Regel davon auszugehen, dass dieser Begriff gleichbedeutend Verwendung findet ([X.] 8. Juli 2009 - 10 [X.] - Rn. 26; [X.] 21. November 1991 - 6 [X.] - zu [X.] der Gründe, [X.]E 69, 85). Wollten die Tarifvertragsparteien - wie die [X.] meint - § 43 Nr. 8 Abs. 2 Satz 2 [X.] im Sinne einer teilweisen Rechtsgrundverweisung auf den Satz 1 verstanden wissen, hätte es nahe gelegen, dort den eindeutigen Begriff der Pflegeperson oder zumindest eine einschränkende Formulierung wie „entsprechende Beschäftigte“ oder „Beschäftigte im Sinne des Satzes 1“ zu verwenden (im Ergebnis ebenso: [X.]/Gussone Das Tarifrecht in [X.]ankenhäusern, Universitätskliniken, Heimen und [X.] Einrichtungen 8.16).

Allerdings wird in § 43 Nr. 8 Abs. 2 Satz 1 [X.] ebenfalls der Begriff des Beschäftigten verwendet. Zwar ist dort durch die Satzstellung und Verwendung des Demonstrativpronomens („diesen Beschäftigten“) eine Bezugnahme auf die vorher definierte Gruppe der Pflegepersonen hergestellt, aber die Begriffsverwendung in Satz 1 könnte darauf hindeuten, dass die Tarifvertragsparteien den Begriff des Beschäftigten in § 43 Nr. 8 [X.] als Synonym zu dem der Pflegeperson verwendet haben (im Ergebnis ebenso: [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.] [X.] Stand September 2009 § 43 Nr. 8 Rn. 10).

2. Der tarifliche Gesamtzusammenhang, insbesondere die Systematik der weitergeltenden [X.]en, spricht für eine bedeutungsgleiche Verwendung des Begriffs des Beschäftigten.

Während der Geltungsdauer des [X.]/[X.]-O bestand eine klare Unterscheidung zwischen der [X.] für das Pflegepersonal (Anlage 1b) und der [X.] für sonstige Angestellte (Anlage 1a). Rechtsgrundlage für die Gewährung der Pflegezulage war dementsprechend die Protokollerklärung Nr. 1 zur Anlage 1b; die Rechtsgrundlage für die Zulage war der [X.] zugeordnet. Diese Regelungssystematik ist durch die Schaffung des § 43 Nr. 8 [X.] in Teilen durchbrochen worden. Die Vorschrift regelt nicht nur die Erhöhung der Pflegezulage nach der Protokollerklärung Nr. 1 Abs. 1 und 1a zu Abschn. A der Anlage 1b zum [X.]/[X.]-O (§ 43 Nr. 8 Abs. 1 [X.]), sondern begründet in Abs. 2 einen neuen Anspruch mit eigenen Anspruchsvoraussetzungen. Allerdings gelten die beiden [X.]en hinsichtlich der Eingruppierung der Beschäftigten bis zu einer von den Tarifparteien angestrebten Neuregelung weiter (vgl. § 17 Abs. 1 und 7 [X.]; Protokollerklärung Nr. 1 zu § 4 Abs. 1 [X.] und Protokollerklärung zu § 17 Abs. 7).

Die Überschrift zu § 43 Nr. 8 [X.] spricht von „Regelungen zur Anwendung der Anlage 1b zum [X.]/[X.]-O“. Die Überschrift schränkt zwar den in Nr. 1 definierten Anwendungsbereich des § 43 [X.] nicht ein, ist aber bei der systematischen Auslegung von Bedeutung ([X.] 8. Juli 2009 - 10 [X.] - Rn. 23 mwN). Die Anlage 1b zum [X.]/[X.]-O findet nur auf Pflegepersonal Anwendung, nicht aber auf Angestellte in medizinischen Hilfsberufen und medizinisch-technischen Berufen oder auf sonstige Beschäftigte. Deren Eingruppierung bestimmt sich vielmehr weiterhin nach der Anlage 1a zum [X.]/[X.]-O. Dementsprechend spricht vieles dafür, dass die Tarifvertragsparteien durch die Überschrift einen deutlichen Hinweis gegeben haben, dass sich die Zulagengewährung nur auf den [X.]eis der Pflegepersonen iSd. Anlage 1b zum [X.]/[X.]-O beschränkt.

3. Aus dem Zweck der Zulagengewährung ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine eindeutige Auslegung des Norminhalts. Auch [X.] führen nicht dazu, dass einer Auslegung der Vorzug zu geben ist.

Durch die Absätze 1 und 1a der Protokollerklärung Nr. 1 zu Abschn. A der Anlage 1b zum [X.]/[X.]-O ist für Pflegepersonen bestimmter Vergütungsgruppen ein Anspruch auf die Gewährung von Zulagen eingeführt worden, die dem Ausgleich besonderer Belastungen dienen sollen. Abs. 1 knüpft dabei an die Pflege bestimmter Patientengruppen an, Abs. 1a an die Tätigkeit in einer speziellen organisatorischen Einheit, in der die Pflege geleistet wird. Dabei handelt es sich um zwei unterschiedliche Zulagentatbestände (vgl. [X.] 17. März 2004 - 10 [X.] - zu [X.] der Gründe, [X.], 364). Durch § 43 Nr. 8 Abs. 1 [X.] wurde diese Pflegezulage von 46,02 Euro auf 90,00 Euro erhöht. Gleichzeitig wurde - entgegen der früheren Rechtslage ([X.] 17. März 2004 - 10 [X.] - aaO) - klargestellt, dass diese Zulage bei Erfüllung mehrerer Tatbestände dem Beschäftigten nur einmal zusteht. Die Protokollerklärung Nr. 1 zu Abschn. A der Anlage 1b zum [X.]/[X.]-O wurde insoweit in doppelter Weise modifiziert.

§ 43 Nr. 8 Abs. 2 Satz 1 [X.] schafft einen neuen Zulagentatbestand und erweitert den [X.]eis der Berechtigten auf diejenigen Pflegepersonen, die eine Station leiten. Diesen wird aber nicht die Pflegezulage iSd. Protokollerklärung Nr. 1 Abs. 1 und 1a zu Abschn. A der Anlage 1b zum [X.]/[X.]-O gewährt, sondern es wird eine neue Zulage in anderer Höhe eingeführt. Die Tarifvertragsparteien machen damit deutlich, dass auch bei dieser Tätigkeit eine besondere, auszugleichende Belastung gesehen wird, die allerdings geringer anzusetzen ist als im Anwendungsbereich des § 43 Nr. 8 Abs. 1 [X.]. Darüber hinaus wird klargestellt, dass dieser Anspruch nur dann besteht, wenn die Pflegepersonen nicht bereits die Pflegezulage nach der Protokollerklärung Nr. 1 Abs. 1 oder 1a zu Abschn. A der Anlage 1b zum [X.]/[X.]-O erhalten.

§ 43 Nr. 8 Abs. 2 Satz 2 [X.] erweitert den [X.]eis der Anspruchsberechtigten dieser neuen Zulage auf vier weitere Tätigkeitsbereiche im [X.]ankenhausbetrieb, deren Beschäftigte bisher keinen Zulagenanspruch hatten. Damit machen die Tarifvertragsparteien deutlich, dass sie auch die Tätigkeit in diesen Bereichen als besonders belastend - wenn auch weniger belastend als die Tätigkeit, die einen Zulagenanspruch nach der Protokollerklärung Nr. 1 Abs. 1 oder 1a zu Abschn. A der Anlage 1b zum [X.]/[X.]-O auslöst - ansehen. In diesen Tätigkeitsbereichen ist, worauf die [X.] zu Recht hinweist, Pflegepersonal beschäftigt (vgl. zB für die Funktionsdiagnostik VergGr. [X.]. V Fallgr. 7 der Anlage 1b zum [X.]/[X.]-O). Damit könnte der Zweck der Zulagen darin liegen, besondere Belastungen des Pflegepersonals in diesen Bereichen auszugleichen.

Gerade im Bereich der Funktionsdiagnostik sind aber typischerweise auch Angestellte in medizinischen Hilfsberufen (zB Arzthelfer/innen) oder in medizinisch-technischen Berufen (zB medizinisch-technische Assistent/inn/en) beschäftigt und erledigen anfallende medizinische Tätigkeiten. So übt die Klägerin nach der von der Arbeitgeberin erstellten Tätigkeitsbeschreibung zu 75 % Tätigkeiten im Bereich der Anwendung von neurophysiologischen Untersuchungsmethoden ([X.], [X.], evozierte Potentiale) aus. Wenn die Tarifvertragsparteien ua. Tätigkeiten in der Funktionsdiagnostik als besonders belastend ansehen, könnte der Zweck der Zulage auch darin liegen, diese Belastung generell bei allen mit entsprechenden Tätigkeiten betrauten nichtärztlichen Beschäftigten auszugleichen.

[X.] spielen bei der Frage der Gewährung des Zulagenanspruchs keine Rolle. Ob Tätigkeiten in der Funktionsdiagnostik oder den anderen genannten Tätigkeiten ausgeübt werden, lässt sich für Pflegepersonal ebenso wie für sonstige Beschäftigte unschwer feststellen.

4. Die von der Klägerin behauptete Entstehungsgeschichte der streitgegenständlichen Tarifnorm ist demnach der entscheidende Anhaltspunkt für die Annahme, dass die Tarifvertragsparteien durch § 43 Nr. 8 Abs. 2 Satz 2 [X.] vergütungsordnungsübergreifend nicht nur Pflegepersonen eine Zulage gewähren wollten, sondern auch anderen Beschäftigten in den entsprechenden Tätigkeitsbereichen. Dies hat das [X.] nicht berücksichtigt.

a) Bleiben nach der Auslegung einer Tarifnorm nach Wortlaut, Wortsinn und tariflichem Gesamtzusammenhang Zweifel an deren Inhalt und dem wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien, so kann auf die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags zurückgegriffen werden ([X.] 19. November 2008 - 10 [X.] - Rn. 17, [X.] § 67 Nr. 4; 22. Juni 2005 - 10 [X.] - zu II 1 und II 2 [X.] der Gründe, [X.] § 1 Auslegung Nr. 41). Das trifft bei der Auslegung von § 43 Nr. 8 Abs. 2 [X.] zu.

b) Die Klägerin hat substantiiert vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass der Begriff der „Pflegeperson“ im Rahmen der Tarifverhandlungen vom 4. bis 6. Oktober 2006 im Entwurf des § 43 Nr. 8 Abs. 2 Satz 2 [X.] durch den Begriff „Beschäftigte“ ersetzt worden sei. Dies sei auf die Forderung der [X.] [X.] zurückzuführen gewesen, dass ausdrücklich auch Beschäftigtengruppen wie medizinisch-technischen Assistent/inn/en oder Arzthelfer/inne/n eine [X.] habe eröffnet werden sollen. Die [X.] ist diesem Vortrag ausdrücklich und unter Beweisantritt entgegengetreten.

Erweist sich die Behauptung der Klägerin als zutreffend, hätten die Tarifvertragsparteien einen zunächst eindeutigen Begriff („Pflegeperson“) durch einen anderen, deutlich weiter gefassten Begriff („Beschäftige“) ersetzt. Hätten sie den Begriff der „Pflegeperson“ verwendet, wäre der Wortlaut der Tarifnorm eindeutig und nur Pflegepersonen könnte die Zulage zustehen. Eine solche Vorgehensweise ließe deshalb nur den Schluss zu, dass die Tarifregelung den [X.]eis der Zulagenberechtigten vergütungsordnungsübergreifend ausweiten sollte. Auch die Klägerin fiele dann in den [X.]eis der Anspruchsberechtigten. Bestätigt sich die von der Klägerin behauptete Entstehungsgeschichte hingegen nicht oder bleibt sie unaufklärbar, so wäre aufgrund des nicht eindeutigen Wortlauts vorrangig der [X.] zu berücksichtigen. Damit wäre ein Zulagenanspruch auf Pflegepersonen iSd. Abschn. A der Anlage 1b zum [X.]/[X.]-O beschränkt. Der Vortrag der Klägerin ist damit geeignet, verbleibende Zweifel bei der Auslegung der Tarifnorm auszuräumen.

c) Das [X.] ist dem Vortrag der Klägerin zur Entstehungsgeschichte nicht nachgegangen und hat dabei darauf hingewiesen, dass ein solcher Wille in der Tarifnorm keinen Niederschlag gefunden habe. Dem folgt der [X.] nicht.

Der Wortlaut der Tarifnorm ist, wovon auch das [X.] ausgeht, nicht eindeutig. Er gibt aber - wie ausgeführt - durch die Verwendung des Begriffs des Beschäftigten hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass auch andere Beschäftigte als Pflegepersonen gemeint sein könnten. Der tarifliche Gesamtzusammenhang steht dem zwar entgegen, führt aber ebenso wenig zu einem zweifelsfreien Ergebnis. Das [X.] hätte daher dem Vortrag der Klägerin zur Entstehungsgeschichte nachgehen müssen, um alle für die Auslegung der Norm erforderlichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen (vgl. [X.] 13. Dezember 2005 - 3 [X.] 478/04 - Rn. 18, [X.] BetrAVG § 2 Nr. 49 ).

        

    Mikosch    

        

    W. Reinfelder    

        

    Mestwerdt    

        

        

        

    Mehnert    

        

    Maurer    

                 

Meta

10 AZR 1035/08

24.02.2010

Bundesarbeitsgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG München, 23. April 2008, Az: 7 Ca 11820/07, Urteil

§ 1 TVG, § 43 Nr 8 Abs 2 S 2 TV-L, § 43 Nr 8 Abs 2 S 1 TV-L, Anl 1b Abschn A ProtErkl 1 BAT

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.02.2010, Az. 10 AZR 1035/08 (REWIS RS 2010, 9009)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 9009

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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