Bundesfinanzhof, Beschluss vom 19.04.2021, Az. VI R 43/18

6. Senat | REWIS RS 2021, 6826

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Gegenstand

Kein lohnsteuerbarer Vorteil bei Überlassung eines Feuerwehreinsatzfahrzeugs


Leitsatz

Die Überlassung eines Einsatzfahrzeugs an den Leiter der Freiwilligen Feuerwehr während seiner --wenn auch "ständigen"-- Bereitschaftszeiten führt nicht zu Arbeitslohn.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 29.08.2018 - 3 K 1205/18 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob die Überlassung eines [[[[X.].].].] zu steuerbarem Arbeitslohn führt.

2

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Gemeinde in [[[[X.].].].], die nach Maßgabe des [[[[X.].].].], die Hilfeleistung und den Katastrophenschutz ([[[[X.].].].]) vom 17.12.2015 (zuvor: [[[[X.].].].] und die Hilfeleistung --[[[[X.].].].]-- vom 10.02.1998) eine Freiwillige Feuerwehr unterhält. Eine Berufsfeuerwehr gibt es in der Gemeinde sowie dem Landkreis, in welchem die Gemeinde belegen ist, nicht.

3

Die Freiwillige Feuerwehr wird von [[[[X.].].].], der bei der Klägerin vollzeitig angestellt ist, ehrenamtlich geleitet. Er wurde hierzu gemäß § 11 Abs. 1 [[[[X.].].].] (zuvor: § 11 Abs. 1 [[[[X.].].].]) in ein Ehrenbeamtenverhältnis auf Zeit berufen.

4

Als Leiter der Freiwilligen Feuerwehr stellte ihm die Klägerin ein Einsatzfahrzeug ("Kommandowagen") zur Verfügung. Dabei handelte es sich um einen in weiß und rot gehaltenen PKW, an dem über Fahrer- und Beifahrerseite hinweg der Schriftzug "[[[[X.].].].]" sowie die Notrufnummer 112 angebracht ist. Das Fahrzeug ist mit einem fest verbauten Digitalfunkgerät, einem fest verbauten Navigationsgerät --gekoppelt mit einem Meldeempfänger-- sowie mit einer fest verbauten Sondersignalanlage ausgestattet. Daneben befinden sich in dem PKW die persönliche Schutzausrüstung des [[[X.].].], eine Rolle Flatterband, vier Faltleitkegel, Werkzeuge zur Türöffnung, ein Erste-Hilfe-Rucksack sowie [[[X.].].] und Feuerwehrpläne für verschiedene Objekte in der Gemeinde.

5

Das Einsatzfahrzeug stand [[[X.].].] im Streitzeitraum (01.01.2013 bis 30.09.2016) rund um die Uhr zur Verfügung, damit er in Notfällen jederzeit und unverzüglich zum jeweiligen Einsatzort gelangen und seinen Aufgaben als Wehrführer nachkommen konnte.

6

Demgemäß nutzte [[[X.].].] das Fahrzeug nicht nur für Einsatzfahrten oder zur Erfüllung anderer Aufgaben als Leiter der Freiwilligen Feuerwehr (z.B. Beschaffung von persönlicher und sachlicher Ausrüstung, Beratung von in der Gemeinde ansässigen Firmen im Bereich des vorbeugenden Brandschutzes, Besuch mehrtägiger auswärtiger Seminare) sowie im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit für die Klägerin, sondern auch für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte (ab dem Veranlagungszeitraum 2014 erste Tätigkeitsstätte), für Mittagsheimfahrten (Zwischenheimfahrten) und andere Privatfahrten. War er wegen Urlaubs oder Krankheit an der Leitung der Freiwilligen Feuerwehr gehindert, gab er den PKW an den stellvertretenden Leiter der Freiwilligen Feuerwehr ab.

7

Im Rahmen einer bei der Klägerin für den Streitzeitraum durchgeführten [X.] vertrat die Prüferin die Ansicht, dass die Klägerin durch die dauerhafte Gestellung des Einsatzfahrzeugs [[[X.].].] einen geldwerten Vorteil zugewandt habe, der als Arbeitslohn nach der 1 %-Regelung zu versteuern sei. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) folgte der Auffassung der Prüferin und erließ einen Haftungs- und Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer, [X.] und Kirchensteuer über insgesamt 2.223,86 €. Den dagegen eingelegten Einspruch wies das [X.] mit Einspruchsentscheidung vom 20.04.2018 zurück.

8

Das Finanzgericht ([X.]) gab der daraufhin erhobenen Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2019, 32 veröffentlichten Gründen statt. Der Nachforderungsbescheid sei aufzuheben, da die Klägerin ihr Wahlrecht auf Pauschalierung gemäß § 40 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht ausgeübt habe. Auch der Haftungsbescheid sei aufzuheben, da die dauerhafte Überlassung des Einsatzwagens an [[[X.].].] nicht als Arbeitslohn zu beurteilen sei. Denn die Klägerin habe ihm dieses Fahrzeug im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse überlassen.

9

Mit der Revision rügt das [X.] die Verletzung materiellen Rechts.

Es beantragt,
das Urteil des [X.] Köln vom 29.08.2018 - 3 K 1205/18 bezüglich des Haftungsbescheids vom 27.01.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.04.2018 aufzuheben und die Klage insoweit als unbegründet abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung ([[[[[[[[X.].].].].].].].]O). Der [[[[[[[[X.].].].].].].].] hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Das [[[[[[[[X.].].].].].].].] hat den im Revisionsverfahren noch allein streitigen Haftungsbescheid im Ergebnis zu Recht aufgehoben.

1. Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er nach § 38 Abs. 1 Sätze 1 und 3, Abs. 3 Satz 1 EStG bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn für Rechnung des Arbeitnehmers einzubehalten und nach § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG abzuführen hat.

Nach ständiger Rechtsprechung des [[[[[[[[X.].].].].].].].] ([[[[[[[[X.].].].].].].].]) führt die Überlassung eines betrieblichen PKW durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer für dessen Privatnutzung zu einer Bereicherung des Arbeitnehmers und damit in aller Regel zum Zufluss von Arbeitslohn i.S. von § 19 EStG (z.B. [[[[[[[[X.].].].].].].].]surteile vom 15.02.2017 - VI R 50/15, Rz 11; vom 20.03.2014 - VI R 35/12, [[[[[[[[X.].].].].].].].]E 245, 192, [[[[[[[[X.].].].].].].].], 643, Rz 10, und vom 13.12.2012 - VI R 51/11, [[[[[[[[X.].].].].].].].]E 240, 69, [[[[[[[[X.].].].].].].].], 385, Rz 11). Denn der Arbeitnehmer ist um den Betrag bereichert, den er für eine vergleichbare Nutzung aufwenden müsste und den er sich durch die Überlassung des Fahrzeugs durch den Arbeitgeber erspart (z.B. [[[[[[[[X.].].].].].].].]surteile in [[[[[[[[X.].].].].].].].]E 245, 192, [[[[[[[[X.].].].].].].].], 643, Rz 10, und vom 21.03.2013 - VI R 31/10, [[[[[[[[X.].].].].].].].]E 241, 167, [[[[[[[[X.].].].].].].].], 700, Rz 11).

2. Nach diesen Maßstäben ist die Überlassung des Einsatzwagens an [[[[[[[X.].].].].].].] nicht als Arbeitslohn anzusehen.

a) Ausweislich der vom [[[[[[[[X.].].].].].].].] getroffenen und den [[[[[[[[X.].].].].].].].] bindenden Feststellungen (§ 118 Abs. 2 [[[[[[[[X.].].].].].].].]O) stellte die [[[[[[[[X.].].].].].].].] das Einsatzfahrzeug als Leiter der Freiwilligen Feuerwehr nicht personen-, sondern funktionsbezogen und nur während seiner --wenn auch "[[[[[[[[X.].].].].].].].] Bereitschaftszeiten zur Verfügung. Damit sollte sichergestellt werden, dass sich [[[[[[[X.].].].].].].] als Leiter der Freiwilligen Feuerwehr von seinem aktuellen Aufenthaltsort unverzüglich und entsprechend ausgestattet zum jeweiligen Einsatzort begeben und dort seine Funktion als Einsatzleiter ausüben konnte, statt regelmäßig zeitaufwändig zunächst die Feuerwache aufzusuchen, um dort das Einsatzfahrzeug zu übernehmen. Die (unbeschränkte) Überlassung des [[[[X.].].].] an [[[[[[[X.].].].].].].] war damit dem effektiven Brandschutz, d.h. der durchgreifenden Gefahrenabwehr, geschuldet. Denn eine leistungsfähige Feuerwehr bedarf eines ständig einsatzbereiten Wehrführers. Dies gilt insbesondere dann, wenn --wie im [[[[[[[X.].].].].].].] vor Ort keine Berufsfeuerwehr vorhanden ist und der Leiter der Freiwilligen Feuerwehr jederzeit mit einem Einsatz --vorliegend ca. 160 Einsätze im [[[[[[[X.].].].].].].] und dementsprechend allzeit mit einer Einsatzfahrt rechnen muss. Zudem war [[[[[[[X.].].].].].].] die Inanspruchnahme des [[[[[[X.].].].].].] nach § 38 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung nur mit dem zur Verfügung gestellten, mit einer Sondersignalanlage ausgestatteten Einsatzwagen, regelmäßig aber nicht mit (s)einem privaten Fahrzeug möglich.

b) Angesichts dessen kann im Streitfall keine Rede davon sein, dass die Klägerin das Einsatzfahrzeug [[[[[[[X.].].].].].].] "zur Privatnutzung zur Verfügung gestellt" hat. Dem steht nicht entgegen, dass [[[[[[[X.].].].].].].] den Einsatzwagen tatsächlich aufgrund der Vorgaben der Klägerin bei privaten Verrichtungen und Wegen mit sich führte. Denn dies stellt --entgegen der Auffassung des [[[[X.].].].]-- keine private, sondern eine auf der ständigen Einsatzbereitschaft gründende, (feuerwehr-)funktionale Verwendung des Fahrzeugs dar. [[[[X.].].].], für eine Überlassung des [[[[X.].].].] zu privaten Zwecken Sprechendes ist vom [[[[X.].].].] weder vorgetragen noch ersichtlich. Der Umstand, dass [[[[[[[X.].].].].].].] den Einsatzwagen während Urlaubs- und Krankheitszeiten an seinen Stellvertreter abgab, zeigt vielmehr, dass [[[[[[[X.].].].].].].] das Einsatzfahrzeug nicht zur privaten Nutzung überlassen wurde.

c) Etwaige Vorteile, die [[[[[[[X.].].].].].].] dadurch entstanden, dass er während seiner Bereitschaftszeiten das Einsatzfahrzeug ausweislich der --vom [[[[[[[[X.].].].].].].].] nach § 118 Abs. 2 [[[[[[[[X.].].].].].].].]O ebenfalls bindend festgestellten-- Vorgaben der Klägerin als Feuerschutzträgerin bei privaten Verrichtungen und Wegen stets mit sich zu führen hatte, statt hierbei (s)einen privaten PKW zu nutzen, stellen sich damit als bloße Reflexwirkung aus dem Unterhalten einer den örtlichen Verhältnissen entsprechenden leistungsfähigen gemeindlichen Feuerwehr (§ 3 Abs. 1 [X.], § 1 Abs. 1 [X.]) dar. Sie erweisen sich insbesondere nicht im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft.

Meta

VI R 43/18

19.04.2021

Bundesfinanzhof 6. Senat

Beschluss

vorgehend FG Köln, 29. August 2018, Az: 3 K 1205/18, Urteil

§ 42d Abs 1 Nr 1 EStG 2009, § 41a Abs 1 S 1 Nr 2 EStG 2009, § 38 Abs 1 S 1 EStG 2009, § 38 Abs 1 S 3 EStG 2009, § 38 Abs 3 S 1 EStG 2009, § 19 EStG 2009, EStG VZ 2013, EStG VZ 2014, EStG VZ 2015, EStG VZ 2016

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 19.04.2021, Az. VI R 43/18 (REWIS RS 2021, 6826)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 6826

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