Bundessozialgericht, Urteil vom 27.03.2020, Az. B 10 EG 5/18 R

10. Senat | REWIS RS 2020, 2326

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Elterngeldberechtigung von nicht erwerbstätigen EU-Ausländern - Unionsbürgerschaft - formelles Freizügigkeitsrecht - Gleichstellung mit deutschen Staatsangehörigen - Leistungsausschluss nur bei Aberkennung des Freizügigkeitsrechts durch die Ausländerbehörde - materielles Freizügigkeitsrecht - keine Prüfungskompetenz der Elterngeldbehörden - keine Beschränkung durch erforderliche Arbeitserlaubnis für Staatsangehörige von Beitrittsstaaten - sozialgerichtliches Verfahren - Sprungrevision - kein Vertretungszwang für Zustimmungserklärung


Leitsatz

1. Unionsbürger sind vom Elterngeldbezug nur ausgeschlossen, wenn die zuständige Ausländerbehörde förmlich festgestellt hat, dass sie nicht freizügigkeitsberechtigt sind.

2. Den Elterngeldbehörden steht keine eigenständige Kompetenz zur Prüfung der materiellen Freizügigkeitsberechtigung von Unionsbürgern zu.

Tenor

Die Revision des beklagten [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 7. März 2018 wird zurückgewiesen.

Das beklagte Land hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten für das Revisionsverfahren zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin als [X.] Staatsangehörige und Unionsbürgerin Elterngeld zusteht.

2

Die Klägerin lebt seit Dezember 2012 in [X.]. Sie ist Mutter zweier 2012 und 2013 geborener Kinder und ihrer am 4.4.2015 geborenen Tochter [X.]. (nachfolgend [X.]). Die Klägerin lebt mit ihren Kindern in einem gemeinsamen Haushalt und betreut und erzieht sie dauerhaft. Bis zur Geburt von [X.] war die Klägerin weder abhängig beschäftigt noch selbstständig tätig. Sie war nicht krankenversichert und bezog kein Mutterschaftsgeld. Zwischen Juli 2015 und Oktober 2015 war sie in einem Umfang von 6 bis 10 Wochenstunden geringfügig beschäftigt. Die [X.]usländerbehörde hat keine förmliche Feststellung des Nichtbestehens oder des Wegfalls ihrer Freizügigkeitsberechtigung als Unionsbürgerin nach dem Freizügigkeitsgesetz/[X.] ([X.]/[X.]) getroffen.

3

Der Beklagte lehnte den von der Klägerin am [X.] gestellten [X.]ntrag auf Elterngeld für die ersten 12 Lebensmonate der [X.] ab, weil sie als nicht erwerbstägige Unionsbürgerin nicht freizügigkeitsberechtigt nach dem [X.]/[X.] sei. Sie verfüge nicht über ausreichende [X.] und habe keinen ausreichenden Krankenversicherungsschutz. [X.]ls nicht freizügigkeitsberechtigte [X.]usländerin benötige sie für den Bezug des [X.] eine Niederlassungs- oder [X.]ufenthaltserlaubnis, die sie nicht habe (Bescheid vom 10.6.2015; Widerspruchsbescheid vom 19.8.2015).

4

Das [X.] hat den Beklagten verurteilt, der Klägerin Elterngeld für den 1. bis 12. Lebensmonat der [X.] zu zahlen. Sie sei als Unionsbürgerin mangels einer entgegenstehenden Entscheidung der zuständigen [X.]usländerbehörde über das Nichtbestehen oder den Wegfall des Freizügigkeitsrechts nach dem [X.]/[X.] freizügigkeitsberechtigt und deshalb [X.] Staatsangehörigen beim Bezug von Elterngeld gleichgestellt (Urteil vom 7.3.2018).

5

Mit der Sprungrevision rügt der Beklagte die Verletzung von § 1 [X.]bs 1 und [X.]bs 7 des Gesetzes zum Elterngeld und zur Elternzeit ([X.] und [X.] - [X.]). Zu Unrecht habe das [X.] den Begriff der Freizügigkeitsberechtigung in § 1 [X.]bs 7 [X.] als ein rein formelles Recht angesehen und der Elterngeldbehörde eine eigenständige Prüfungskompetenz abgesprochen. Die Norm setze aber voraus, dass die Voraussetzungen des § 2 [X.]/[X.] gegeben seien. Dies müsse bei gegebenen Zweifeln von der Elterngeldbehörde selbst geprüft und bei der Entscheidung über den [X.] berücksichtigt werden können. [X.]uch nach der Rechtsprechung des B[X.] zum [X.]B II müsse von den Grundsicherungsträgern und den Sozialgerichten im Rahmen der Leistungsgewährung das Vorliegen der materiellen Freizügigkeitsberechtigung nach dem [X.]/[X.] geprüft werden. Der gegenteiligen Rechtsprechung des [X.] zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) sei nicht zu folgen. Vorliegend sei die Vermutung der Freizügigkeit widerlegt, weil die Klägerin als nicht erwerbstätige Unionsbürgerin im streitbefangenen Zeitraum weder über einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz noch über ausreichende [X.] verfügt habe. Dass eine entsprechende Entscheidung der [X.]usländerbehörde über das Nichtbestehen des Freizügigkeitsrechts der Klägerin nicht vorliege, sei unerheblich.

6

Das beklagte Land beantragt,
das Urteil des [X.] vom 7. März 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Sprungrevision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] (§ 161 Abs 1 Satz 1 [X.]G) ist nicht begründet und zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 [X.]G). Der [X.] konnte im schriftlichen Verfahren nach Lage der Akten entscheiden, nachdem die Beteiligten in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind (§ 110 Abs 1 Satz 2 [X.]G) und im Termin zur mündlichen Verhandlung keiner der Beteiligten erschienen ist (§ 165 Satz 1, § 153 Abs 1, § 126 [X.]G).

9

Zu Recht hat das [X.] den Beklagten verurteilt, der Klägerin Elterngeld für die ersten 12 Lebensmonate ihrer 2015 geborenen [X.] zu zahlen. Der Bescheid des Beklagten vom [X.] (§ 95 [X.]G) ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat Anspruch auf Elterngeld nach § 1 Abs 1 Satz 1 [X.], weil sie nicht dem persönlichen Anwendungsbereich des § 1 Abs 7 [X.] unterfällt.

A. Die Sprungrevision des Beklagten ist zulässig.

Nach § 161 Abs 1 Satz 1 [X.]G steht den Beteiligten die Revision unter Übergehung der Berufungsinstanz zu, wenn der Gegner schriftlich zustimmt und sie vom [X.] im Urteil oder auf Antrag durch Beschluss zugelassen wird; nach § 161 Abs 1 Satz 3 [X.]G ist die Zustimmung des Gegners der Revisionsschrift beizufügen, wenn die Revision im Urteil zugelassen ist. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Zulässigkeit der Sprungrevision steht nicht entgegen, dass die Klägerin persönlich die Zustimmung zur Einlegung der Sprungrevision erklärt hat, da die Zustimmungserklärung nicht dem [X.] unterliegt (B[X.] Urteil vom 23.10.1985 - 9a RVs 5/84 - juris Rd[X.]1; B[X.] Urteil vom 18.5.1978 - 3 RK 13/77 - juris Rd[X.] 7; B[X.] Urteil vom 23.2.1977 - 12/11 Ra 88/75 - juris Rd[X.] 8).

[X.] Die Sprungrevision des Beklagten ist unbegründet.

1. Streitgegenständlich ist der Anspruch der Klägerin auf Elterngeld für den 1. bis 12. Lebensmonat ihrer am 4.4.2015 geborenen [X.], den der Beklagte ihr mit Bescheid vom 10.6.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.8.2015 versagt hat. Hiergegen wendet sich die Klägerin zulässigerweise mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4, § 56 [X.]G), gerichtet auf den Erlass eines Grundurteils (§ 130 Abs 1 [X.]G; vgl hierzu [X.]surteil vom [X.] - [X.] [X.] 1/18 R - [X.] 4-7837 § 2 [X.] Rd[X.] mwN, auch zur Veröffentlichung in B[X.]E vorgesehen).

2. Die Klägerin kann dem Grunde nach Elterngeld für die Betreuung und Erziehung ihrer [X.] in der [X.] vom 4.4.2015 bis 3.4.2016 (Bezugszeitraum) beanspruchen. Anspruch auf Elterngeld hat, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in [X.] hat, mit seinem Kind in einem Haushalt lebt, dieses Kind selbst betreut und erzieht und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt (§ 1 Abs 1 Satz 1 [X.] idF des [X.] mit Partnerschaftsbonus und einer flexibleren Elternzeit im [X.] und [X.] vom 18.12.2014, [X.] 2325). Nach den für den [X.] bindenden Feststellungen des L[X.] (§ 163 [X.]G) erfüllt die Klägerin die genannten Voraussetzungen. Sie hatte - auch - nach der Geburt ihrer im April 2015 geborenen Tochter ihren Wohnsitz in [X.], sie lebte in einem Haushalt mit der von ihr selbst erzogenen und betreuten Tochter und sie übte im Bezugszeitraum zumindest keine volle Erwerbstätigkeit im Sinne von § 1 Abs 6 [X.] aus.

3. Dem Anspruch der Klägerin aus § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] steht nicht die Regelung des § 1 Abs 7 [X.] (idF des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der [X.] vom 19.8.2007, [X.] 1970) entgegen. Diese Norm erfasst allein "nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländer und nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländerinnen". Hierzu gehört die Klägerin als Unionsbürgerin mangels gegenteiliger Entscheidung der zuständigen Ausländerbehörde nicht.

Die Klägerin zählt als [X.] Staatsbürgerin und Staatsangehörige eines Mitgliedstaats der [X.] - [X.] - (Unionsbürger - Art 20 Abs 1 Satz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der [X.] ) zu den Ausländern, die § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] nach dem Prinzip der Inländergleichbehandlung beim Bezug von Elterngeld mit [X.] Staatsbürgern grundsätzlich gleichgestellt hat ("wer") und die nicht dem persönlichen Anwendungsbereich des § 1 Abs 7 [X.] unterfallen (dazu unter a). Etwas anderes gilt nur, wenn - anders als hier - eine ausdrückliche Feststellung des Verlustes oder des Nichtbestehens der Freizügigkeit der dafür allein zuständigen Ausländerbehörde nach dem [X.]/[X.] vorliegt (dazu unter b). Weder die [X.] noch die Sozialgerichte sind im Rahmen des § 1 Abs 7 [X.] berechtigt, die materielle Freizügigkeitsberechtigung von Unionsbürgern nach dem [X.]/[X.] in eigener Zuständigkeit zu prüfen (dazu unter c). Diese Rechtslage unterscheidet sich insoweit maßgeblich vom Grundsicherungsrecht (§ 7 Abs 1 Satz 2 [X.]B II idF vor dem Inkrafttreten des [X.] ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem [X.]B II und in der Sozialhilfe nach dem [X.]B XII vom 22.12.2016, [X.] 3155). Dort eröffnet die generelle Freizügigkeitsvermutung nach dem [X.]/[X.] allein weder einen Zugang zu Leistungen nach dem [X.]B II noch steht sie dem Ausschluss von Leistungen nach dem [X.]B II entgegen (dazu unter d).

a) Das [X.] ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin als [X.] Staatsangehörige und damit als Unionsbürgerin im Bezugszeitraum grundsätzlich nicht dem persönlichen Anwendungsbereich des § 1 Abs 7 [X.] unterfällt.

aa) [X.] Ausländer sind (insbesondere) Staatsangehörige der Mitgliedstaaten der [X.] und der Vertragsstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums ([X.]). Für Angehörige eines Mitgliedstaats der [X.] gilt gemäß Art 21 Abs 1 A[X.]V ein von der Arbeitnehmer- oder Dienstleistungsfreizügigkeit unabhängiges Freizügigkeitsrecht, das allein aus der Unionsbürgerschaft folgt und aus dem sich ein Aufenthaltsrecht ergibt. Danach hat jeder Unionsbürger das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der in den Verträgen und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten. Dieses unmittelbar anwendbare subjektiv-öffentliche Recht steht den Unionsbürgern unabhängig vom Zweck seiner Inanspruchnahme zu. Es gilt auch für Angehörige der [X.], die hinsichtlich des Zugangs zum Arbeitsmarkt Beschränkungen unterliegen ([X.] Urteil vom 15.3.2017 - [X.]/15 - juris Rd[X.]3 f; [X.] Beschluss vom 27.4.2015 - [X.]/14 - juris Rd[X.]2 f). Das Freizügigkeitsrecht der Unionsbürger besteht unabhängig von der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis oder dergleichen seitens des [X.] und folgt unmittelbar aus primärem Unionsrecht oder aus zu dessen Umsetzung ergangenen Bestimmungen (BVerwG Urteil vom [X.] - 1 C 48/18 - juris Rd[X.]8; [X.] Urteil vom 15.3.2017 - [X.]/15 - juris Rd[X.]4; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 12. Aufl 2018, Vorb [X.]/[X.] Rd[X.]5; [X.] in [X.], [X.]V/[X.], 3. Aufl 2018, Art 21 A[X.]V Rd[X.] 9, 19, 24 ff). Hierzu zählt als sekundäres Unionsrecht die ([X.] 2004/38/[X.] ([X.] vom 30.4.2004, 77) und auf [X.] das [X.]/[X.], das sich auf sämtliche aus dem Unionsrecht ergebenden Freizügigkeitsrechte bezieht (BVerwG Urteil vom [X.] - 1 C 48/18 - juris Rd[X.] 30). Das Freizügigkeitsrecht der Unionsbürger unterliegt danach gegenüber dem Aufenthaltsrecht von Drittstaatsangehörigen einer eigenen rechtlichen Systematik ([X.] in [X.]/[X.], [X.], 12. Aufl 2018, Vorb [X.]/[X.] Rd[X.] 32). Die Rechtsregeln für nach [X.] zuziehende und hier lebende Unionsbürger bilden insoweit - nach wie vor - eine vom allgemeinen Ausländerrecht zu trennende eigene Rechtsmaterie mit weitreichenden Garantien für einen gesicherten Aufenthalt und eine Inländergleichbehandlung in allen Bereichen (vgl schon Begründung der Bundesregierung vom 7.2.2003 zum Entwurf eines Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern , BT-Drucks 15/420 S 65).

[X.]) Dem grundsätzlichen Freizügigkeitsrecht der Klägerin steht nicht entgegen, dass für [X.] in der [X.] vom am [X.] erfolgten [X.]-Beitritt bis zum 30.6.2015 eine Beschränkung der Arbeitnehmer- und Dienstleistungsfreizügigkeit bestand (vgl Art 18 iVm Anlage [X.] der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik [X.] und die Anpassungen des [X.] [X.], des [X.] Arbeitsweise der [X.] und des [X.] [X.], [X.] vom [X.], 25, 69 ff; Gesetz zu dem [X.] über den Beitritt der Republik [X.] zur [X.], [X.]I 586). In [X.] war insoweit für die Beschäftigung [X.]r Staatsangehöriger eine Arbeitsgenehmigung-[X.] gemäß § 284 [X.]B III erforderlich. Diese Einschränkung bewirkte indes nicht, dass ein Unionsbürger bei fehlender Genehmigung als nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer zu behandeln war ([X.] Urteil vom 15.3.2017 - [X.]/15 - juris Rd[X.]4; [X.] Beschluss vom 27.4.2015 - [X.]/14 - juris Rd[X.]5). Die auf den Arbeitsmarktzugang der Staatsangehörigen von [X.] bezogenen Beschränkungen des § 13 [X.]/[X.] iVm § 284 [X.]B III begrenzen weder das grundsätzliche Freizügigkeitsrecht noch die Freizügigkeitsvermutung (B[X.] Urteil vom [X.] [X.]/12 R - B[X.]E 113, 60 = [X.] 4-4200 § 7 [X.], Rd[X.]1; vgl auch [X.] in [X.]/[X.], [X.], 12. Aufl 2018, § 13 [X.]/[X.] Rd[X.]6 f; [X.] in [X.], [X.], 2. Aufl 2016, § 13 [X.]/[X.] Rd[X.], Online-Ausgabe; Kurzidem in [X.] [X.], 24. Edition Stand 1.11.2019, § 13 [X.]/[X.] Rd[X.] f).

b) Das Freizügigkeitsrecht der Klägerin wird vermutet, solange sein Fehlen oder Verlust nicht förmlich festgestellt ist (vgl § 2 Abs 7, § 5 Abs 4, § 6 [X.]/[X.]). Die förmliche Feststellung der fehlenden oder verlorenen Freizügigkeit von Unionsbürgern nach dem [X.]/[X.], welche die Rechtsfolge der Ausreisepflicht nach § 7 Abs 1 [X.]/[X.] nach sich zieht, obliegt allein den Ausländerbehörden (§ 71 Abs 1 [X.] - [X.]) und (im gerichtlichen Streitfall) den Verwaltungsgerichten ([X.] Urteil vom 15.3.2017 - [X.]/15 - juris Rd[X.]5 ; [X.] Beschluss vom 27.4.2015 - [X.]/14 - juris Rd[X.]4, jeweils zum Kindergeld nach dem EStG; L[X.] Baden-Württemberg Urteil vom 19.4.2016 - L 11 [X.] 4629/14 - juris Rd[X.]7 zum Elterngeld; vgl auch im Hinblick auf Titel nach dem [X.] [X.]surteile vom [X.] [X.] 5/14 R - [X.] 4-7837 § 1 [X.] Rd[X.]9 und vom [X.] [X.] 9/09 R - B[X.]E 107, 1 = [X.] 4-7837 § 1 [X.], Rd[X.] 32 zu § 1 Abs 7 [X.] sowie [X.]steilurteil vom 3.12.2009 - [X.] [X.] 6/08 R - B[X.]E 105, 70 = [X.] 4-7833 § 1 [X.], Rd[X.] 32 f und [X.]sbeschluss vom 28.11.2012 - [X.] [X.] 14/12 B - juris Rd[X.] 7 zu § 1 Abs 6 des Bundeserziehungsgeldgesetzes < BErzGG> in seiner im Jahr 2006 geltenden Fassung).

Erst nach einer Feststellung des Fehlens oder des Verlusts des Freizügigkeitsrechts nach § 2 Abs 1 [X.]/[X.] durch die Ausländerbehörde findet das [X.] Anwendung (§ 11 Abs 2 [X.]/[X.]). Erst dann benötigt ein Unionsbürger einen Aufenthaltstitel nach dem [X.], will er sich weiterhin legal in [X.] aufhalten und Elterngeld beanspruchen (vgl L[X.] Baden-Württemberg Urteil vom 19.4.2016 - L 11 [X.] 4629/14 - juris Rd[X.]7; [X.] in [X.]/[X.], [X.], [X.], 2. Aufl 2020, § 1 [X.] Rd[X.]6, 50; [X.]/[X.], [X.] und [X.], 8. Aufl 2008, § 1 [X.] Rd[X.]6; vgl [X.] Urteil vom 15.3.2017 - [X.]/15 - juris Rd[X.]5 für Kindergeld nach § 62 EStG in der im Jahr 2009 geltenden Fassung; vgl auch [X.] Beschluss vom 15.12.2017 - 2 [X.]61/17 - juris Rd[X.]9 ff für Unterhaltsvorschuss nach § 1 Abs 2a Unterhaltsvorschussgesetz).

An einer derartigen Entscheidung der Ausländerbehörde fehlt es hier. Bis dahin gilt deshalb eine generelle Freizügigkeitsvermutung (Begründung der Bundesregierung vom 22.9.2014 zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des [X.]/[X.] und weiterer Vorschriften, BT-Drucks 18/2581 [X.]6; BVerwG Urteil vom [X.] - 1 C 48/18 - juris Rd[X.]3; BVerwG Urteil vom 16.7.2015 - 1 C 22/14 - juris Rd[X.]2; ebenso B[X.] Urteil vom 9.8.2018 - [X.] AS 32/17 R - [X.] 4-4200 § 7 [X.] Rd[X.]0; B[X.] Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - B[X.]E 120, 149 = [X.] 4-4200 § 7 [X.], Rd[X.]; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 12. Aufl 2018, § 4a [X.]/[X.] Rd[X.]7, § 11 [X.]/[X.] Rd[X.]3). Diese reicht für den Bezug von Elterngeld aus, und zwar selbst dann, wenn die zuständige Ausländerbehörde eine entsprechende Feststellung zu Unrecht unterlassen haben sollte. Eine etwaige rechtswidrige Verwaltungspraxis der zuständigen Ausländerbehörde ist allein Sache der Aufsicht und der Verwaltungsgerichte.

c) Der Beklagte war nicht berechtigt, in eigener Zuständigkeit zu prüfen, ob die Klägerin die materiellen Voraussetzungen für die Freizügigkeitsberechtigung aus § 2 Abs 2 [X.] iVm § 4 [X.]/[X.] erfüllt. Den [X.] steht im Rahmen des § 1 Abs 7 [X.] keine eigene Prüfungskompetenz für das Bestehen oder Nichtbestehen eines materiellen Freizügigkeitsrechts von Unionsbürgern nach dem [X.]/[X.] zu. Bei Zweifeln an der Freizügigkeit muss sich die Elterngeldstelle im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht (§ 20 [X.]B X) an die Ausländerbehörde wenden (im Ergebnis ebenso für die [X.] die Richtlinien des [X.], Frauen und Jugend <[X.]> unter [X.] und aktuell ). § 1 Abs 1 Satz 1 iVm § 1 Abs 7 [X.] stellt Unionsbürger bei der Elterngeldgewährung [X.] Staatsangehörigen gleich, bis das Fehlen oder der Verlust ihrer materiellen Freizügigkeitsberechtigung durch die hierfür zuständigen Ausländerbehörden im dafür vorgesehenen Verfahren festgestellt ist (vgl L[X.] Baden-Württemberg Urteil vom 19.4.2016 - L 11 [X.] 4629/14 - juris Rd[X.]1 und 27; [X.] in [X.]/[X.], [X.], [X.], 2. Aufl 2020, § 1 [X.] Rd[X.]6). Das folgt aus der Entstehungsgeschichte (dazu unter aa), der Systematik (dazu unter [X.]) sowie aus dem Sinn und Zweck (dazu unter [X.]) der Vorschrift des § 1 Abs 7 [X.].

aa) Bereits die Entstehungsgeschichte des § 1 Abs 7 [X.] spricht dafür, dass Unionsbürger grundsätzlich nicht von dem Anwendungsbereich dieser Norm erfasst werden sollen. Das Elterngeld löste mit dem Inkrafttreten des [X.] zum 1.1.2007 das Erziehungsgeld ab (vgl Begründung der Fraktionen der [X.] und [X.] vom [X.] zum Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Elterngeldes, BT-Drucks 16/1889 [X.]). In § 1 Abs 7 [X.] übernahm das [X.] die Vorgängerregelung des § 1 Abs 6 BErzGG. § 1 Abs 7 [X.] muss daher im Lichte des § 1 Abs 6 BErzGG betrachtet werden (so bereits [X.]steilurteil vom [X.] [X.] 9/09 R - B[X.]E 107, 1 = [X.] 4-7837 § 1 [X.], Rd[X.]3 f).

§ 1 Abs 6 Satz 1 BErzGG (idF des [X.] zur Änderung des BErzGG vom [X.], [X.] 1426) regelte in der [X.] vom 1.1.2001 bis zum 31.12.2005, dass ein Ausländer mit der Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der [X.] oder eines der Vertragsstaaten des [X.] wie ein Inländer Erziehungsgeld erhielt. Satz 2 des § 1 Abs 6 BErzGG machte dagegen für "andere" Ausländer, die keine [X.]-/[X.]-Bürger waren, den Anspruch auf Erziehungsgeld von dem Besitz bestimmter Titel nach dem [X.] abhängig. Die Regelung verfolgte [X.] das Ziel "das BErzGG in einigen Vorschriften an das [X.]-Recht anzupassen" und zwar "zur Klarstellung und auch zur Vermeidung eines Vertragsverletzungsverfahrens der [X.] gegen [X.] vor dem [X.]" (Begründung der Fraktionen [X.] und [X.]/[X.] vom [X.] zum Entwurf eines [X.] zur Änderung des Bundeserziehungsgeldgesetzes, BT-Drucks 14/3118 [X.]). Der Gesetzgeber ging dabei ausweislich der Gesetzesmaterialien davon aus, dass "[X.]-/[X.]-Bürger" einen Anspruch auf Gleichbehandlung mit Inländern haben (BT-Drucks 14/3118 [X.]).

Zum [X.] wurde die Regelung des § 1 Abs 6 BErzGG durch das Gesetz zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss vom 13.12.2006 ([X.] 2915) entsprechend dem Wortlaut des späteren § 1 Abs 7 [X.] geändert und insbesondere auf die bis dahin ausdrücklich normierte [X.] von [X.]-Ausländern verzichtet (vgl Begründung der Fraktionen der [X.] und [X.] vom [X.] zum Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Elterngeldes, BT-Drucks 16/1889 [X.]8 f). Aus den Gesetzesmaterialien sowohl zur Änderung des § 1 Abs 6 BErzGG zum [X.] (vgl Begründung der Bundesregierung vom [X.] zum Entwurf eines Gesetzes zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss, BT-Drucks 16/1368) als auch zur wortgleichen Übernahme dieser Regelung in § 1 Abs 7 [X.] zum 1.1.2007 (vgl BT-Drucks 16/1889) ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Leistungen des BErzGG bzw des [X.] für Unionsbürger - anders als bisher - ausgeschlossen, begrenzt oder von dem Bestehen eines materiellen Freizügigkeitsrechts im Sinne der zum 1.1.2005 in [X.] getretenen Regelung des § 2 [X.]/[X.] ohne formelle Feststellung der dafür zuständigen Ausländerbehörden abhängig gemacht werden sollten. Im Gegenteil: Der Gesetzgeber ging davon aus, dass durch die Änderungen "der Prüfaufwand in [X.] nicht höher" sein werde "als bisher" (BT-Drucks 16/1368 [X.]). Ziel der Gesetzesänderungen war es lediglich - unter Beibehaltung des Grundsatzes, dass ausländische Staatsangehörige nur dann Kindergeld bzw Unterhaltsvorschuss oder Erziehungsgeld und ab 1.1.2007 Elterngeld erhalten sollen, wenn sie sich voraussichtlich dauerhaft in [X.] aufhalten - die Anspruchsvoraussetzungen unter Beachtung der differenzierten Vorgaben des [X.] in seinen Beschlüssen vom 6.7.2004 (1 BvL 4/97 und 1 BvR 2515/95) und "der neuen Systematik der Aufenthaltstitel nach dem [X.]" neu zu regeln (BT-Drucks 16/1368 [X.], 8; vgl auch BT-Drucks 16/1889 [X.]9).

[X.]) Die systematische Auslegung spricht ebenfalls dafür, dass von § 1 Abs 7 [X.] Unionsbürger nur dann erfasst werden, wenn für sie das Nichtbestehen oder der Verlust der Freizügigkeitsberechtigung nach dem [X.]/[X.] durch die zuständige Ausländerbehörde festgestellt wurde.

Nach der Binnensystematik des § 1 [X.] handelt es sich bei § 1 Abs 7 [X.] um eine Ausnahmevorschrift für die Gruppe der nicht freizügigkeitsberechtigten Ausländer (vgl [X.], [X.], [X.], Stand [X.], § 1 [X.]2; [X.] in Rancke, Mutterschutz/Elterngeld/Elternzeit/Betreuungsgeld, 5. Aufl 2018, § 1 [X.], Rd[X.]2). Hinsichtlich der von der Vorschrift erfassten Ausländer knüpft § 1 Abs 7 [X.] an die "Systematik der Aufenthaltstitel nach dem [X.]" an (vgl BT-Drucks 16/1368 [X.] zur [X.] des § 1 Abs 6 BErzGG) und fordert insbesondere den Besitz einer der genannten Aufenthaltstitel. In gesetzessystematischer Hinsicht passt sie deshalb bereits nicht auf Unionsbürger, weil diese - wie oben bereits ausgeführt - gerade nicht dem Erfordernis eines Aufenthaltstitels nach dem [X.] unterliegen (§ 1 Abs 2 [X.] [X.]). § 1 Abs 7 [X.] ist daher dahingehend auszulegen, dass die Vorschrift lediglich Ausländer erfasst, die einen Titel nach dem [X.] benötigen. Das [X.] findet auf Unionsbürger nach § 11 Abs 2 [X.]/[X.] erst dann Anwendung, wenn die Ausländerbehörde das Nichtbestehen oder den Verlust der Freizügigkeitsberechtigung nach dem [X.]/[X.] festgestellt hat (vgl BT-Drucks 15/420 [X.]6; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 12. Aufl 2018, § 4a [X.]/[X.] Rd[X.]6). Nur eine solche Feststellung der Ausländerbehörde rechtfertigt es daher, einen Unionsbürger dem Anwendungsbereich des § 1 Abs 7 [X.] zu unterwerfen (vgl insoweit auch zu den Entscheidungen der Ausländerbehörde zu Aufenthaltstiteln und der damit einhergehenden [X.] [X.]surteile vom [X.] [X.] 7/09 R - juris Rd[X.]9 und [X.] [X.] 6/09 R - juris Rd[X.] 30; [X.] in [X.] Arbeitsrecht, 55. Edition Stand 1.3.2020, § 1 [X.] Rd[X.]0; [X.] in [X.]/[X.], [X.], [X.], 2. Aufl 2020, § 1 [X.] Rd[X.]0; zur [X.] der förmlichen Feststellung des Nichtbestehens oder des Verlusts des Freizügigkeitsrechts durch die Ausländerbehörde für die Familienkasse im steuerrechtlichen Kindergeldrecht s auch [X.] Beschluss vom 10.6.2015 - V B 136/14 - juris Rd[X.] mwN; [X.] in Kirchhof, EStG, 19. Aufl 2020, § 62 Rd[X.]). Das [X.] vermittelt deshalb im Elterngeldrecht auch keine günstigere Rechtsstellung (sog "[X.]", § 11 Abs 1 Satz 11 [X.]/[X.]), solange die Freizügigkeitsberechtigung vermutet wird.

Spiegelbildlich entspricht das gefundene Auslegungsergebnis der Rechtsprechung des [X.]s zum Erfordernis eines Aufenthaltstitels als Anknüpfungsvoraussetzung im [X.]. Die Klärung von sich im [X.] stellenden weitergehenden Fragen des Ausländerrechts ist Sache der zuständigen Ausländerbehörden (vgl [X.]surteil vom [X.] [X.] 5/14 R - [X.] 4-7837 § 1 [X.] Rd[X.]9; [X.]steilurteil vom [X.] [X.] 9/09 R - B[X.]E 107, 1 = [X.] 4-7837 § 1 [X.], Rd[X.] 32 § 1 Abs 7 [X.]>, [X.]steilurteil vom 3.12.2009 - [X.] [X.] 6/08 R - B[X.]E 105, 70 = [X.] 4-7833 § 1 [X.], Rd[X.] 32 ; [X.]sbeschluss vom 28.11.2012 - [X.] [X.] 14/12 B - juris Rd[X.] 7 ; [X.] in [X.] Arbeitsrecht, 55. Edition Stand 1.3.2020, § 1 [X.] Rd[X.]0; [X.] in [X.]/[X.], [X.], [X.], 2. Aufl 2020, § 1 [X.] Rd[X.]0; [X.] Beschluss vom 10.6.2015 - V B 136/14 - juris Rd[X.] mwN § 62 EStG>).

Nur für das steuerrechtliche Kindergeld hat der Gesetzgeber seit dem 18.7.2019 eine Prüfungskompetenz der Familienkassen zur Freizügigkeitsberechtigung in Abs 1a Satz 4 der kindergeldrechtlichen Parallelvorschrift des § 62 EStG normiert (idF vom [X.], eingeführt durch das Gesetz gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch vom [X.], [X.] 1066) Die Neuregelung erfolgte [X.] auch als Reaktion auf die Rechtsprechung des [X.] (Urteil vom 15.3.2017 - [X.]/15 - juris Rd[X.]5; Beschluss vom 27.4.2015 - [X.]/14 - juris Rd[X.]4), wonach den Familienkassen die Berufung auf die fehlende Freizügigkeitsberechtigung im Rahmen der Entscheidung über den Kindergeldanspruch verwehrt ist, wenn die fehlende Freizügigkeitsberechtigung nicht durch die Ausländerbehörden oder die Verwaltungsgerichte förmlich festgestellt worden ist (vgl zu den Motiven für die Einführung: Begründung der Bundesregierung vom [X.] zum Entwurf des Gesetzes gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch, BT-Drucks 19/8691 [X.] ff und [X.] in Kirchhof, EStG, 19. Aufl 2020, § 62 Rd[X.]; zur Kritik an dieser Regelung: [X.]/[X.], NZ[X.]019, 651, 654; [X.], [X.] 2019, 288, 290 ff; [X.], [X.] 2019, 384, 387, 389). § 62 Abs 1a EStG in der vorgenannten Fassung lautet wie folgt:

"Begründet ein Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaates der [X.] oder eines Staates, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, im Inland einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt, so hat er für die ersten drei Monate ab Begründung des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts keinen Anspruch auf Kindergeld. Dies gilt nicht, wenn er nachweist, dass er inländische Einkünfte im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 4 mit Ausnahme von Einkünften nach § 19 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 erzielt. Nach Ablauf des in Satz 1 genannten [X.]raums hat er Anspruch auf Kindergeld, es sei denn, die Voraussetzungen des § 2 Absatz 2 oder Absatz 3 des [X.]/[X.] liegen nicht vor oder es sind nur die Voraussetzungen des § 2 Absatz 2 Nummer 1a des [X.]/[X.] erfüllt, ohne dass vorher eine andere der in § 2 Absatz 2 des [X.]/[X.] genannten Voraussetzungen erfüllt war. Die Prüfung, ob die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Kindergeld gemäß Satz 2 vorliegen oder gemäß Satz 3 nicht gegeben sind, führt die Familienkasse in eigener Zuständigkeit durch. Lehnt die Familienkasse eine Kindergeldfestsetzung in diesem Fall ab, hat sie ihre Entscheidung der zuständigen Ausländerbehörde mitzuteilen. Wurde das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen durch die Verwendung gefälschter oder verfälschter Dokumente oder durch Vorspiegelung falscher Tatsachen vorgetäuscht, hat die Familienkasse die zuständige Ausländerbehörde unverzüglich zu unterrichten."

In das [X.] wurde eine vergleichbare Regelung zur Prüfungskompetenz von [X.] über das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines materiellen Freizügigkeitsrechts von Unionsbürgern nach dem [X.]/[X.] im Rahmen der Prüfung eines geltend gemachten Elterngeldanspruchs bisher jedoch nicht eingefügt. Werden der Elterngeldstelle im Einzelfall konkrete Umstände bekannt, aufgrund derer Zweifel an der Freizügigkeitsberechtigung bestehen, kann sie sich daher lediglich an die zuständige Ausländerbehörde wenden (vgl auch § 11 Abs 1 Satz 9 [X.]/[X.] iVm § 87 Abs 2 [X.]) und dort nachfragen, ob eine Entscheidung der Ausländerbehörde über den Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt nach § 2 Abs 7, § 5 Abs 4 oder § 6 Abs 1 [X.]/[X.] bereits ergangen ist oder ergehen soll (vgl auch Richtlinien des [X.] unter [X.] und aktuell ). Bei noch nicht abgeschlossenen Prüfverfahren der Ausländerbehörde kann die Elterngeldbehörde ggf prüfen, ob sie im Einzelfall einem solchen Umstand im Rahmen und unter den Voraussetzungen des § 26 Abs 1 [X.] iVm § 32 Abs 1 Alt 2 [X.]B X Rechnung tragen kann.

[X.]) Sinn und Zweck des § 1 Abs 7 [X.] stützen die Auslegung des [X.]s. Die Anknüpfung an die Freizügigkeitsvermutung trägt bei Unionsbürgern der Zielsetzung des [X.], solchen ausländischen Staatsangehörigen den Bezug von Elterngeld zu eröffnen, die sich voraussichtlich dauerhaft in [X.] aufhalten (vgl dazu Begründung der Fraktionen der [X.] und [X.] vom [X.] zum Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Elterngeldes, BT-Drucks 16/1889 [X.]9 iVm der Begründung der Bundesregierung vom [X.] zum Entwurf eines Gesetzes zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss, BT-Drucks 16/1368 [X.] zur [X.] des § 1 Abs 6 BErzGG in seiner im Jahr 2006 geltenden Fassung). Eine positive Aufenthaltsprognose kann sich nämlich auch aus den tatsächlichen Umständen des Aufenthalts ergeben ([X.] Beschluss vom 4.12.2012 - 1 BvL 4/12 - [X.]E 132, 360 Rd[X.]7; vgl zur einschränkenden Auslegung von § 1 Abs 3 [X.] und § 1 BErzGG: [X.]surteil vom 5.5.2015 - [X.] KG 1/14 R - B[X.]E 119, 33 = [X.] 4-5870 § 1 [X.] und [X.]surteil vom [X.] - [X.] [X.] 2/04 R - B[X.]E 93, 189 = [X.] 4-7833 § 1 [X.]). Hätte der Gesetzgeber Unionsbürger nicht wie Inländer behandeln wollen, hätte eine differenzierende Regelung nahe gelegen (vgl zu der oben zitierten ab 18.7.2019 geltenden kindergeldrechtlichen Vorschrift des § 62 Abs 1a EStG die Begründung der Bundesregierung vom [X.] zum Entwurf des Gesetzes gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch, BT-Drucks 19/8691 [X.], wonach nicht "jeder Grund für die Inanspruchnahme des Freizügigkeitsrechts <…> für die Inanspruchnahme von Kindergeld" ausreicht). Das [X.] hat jedenfalls zutreffend darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit einer "Bleibeperspektive" in [X.] bis zur Feststellung der Ausländerbehörde über das Fehlen oder den Verlust der Freizügigkeitsberechtigung nach dem [X.]/[X.] aus tatsächlichen Gründen bestehen kann. Denn das Vorliegen einer der unterschiedlichen Freizügigkeitstatbestände kann während eines Aufenthalts in [X.] ohne die Voraussetzung der Erteilung eines förmlichen Aufenthaltstitels kurzfristig wechseln, neu entstehen, wegfallen oder das Freizügigkeitsrecht kann ggf sogar zu einem Daueraufenthaltsrecht erstarken (BVerwG Urteil vom [X.] - 1 C 48/18 - juris Rd[X.]3; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 12. Aufl 2018, § 7 [X.]/[X.] Rd[X.]5). Im Übrigen steht diese Entscheidung im Ermessen der Ausländerbehörde, die im Rahmen der Abwägung etwa die Dauer des Aufenthalts im [X.], den Grad der Aufenthaltsverfestigung sowie eine erwartbare Einkommensverbesserung bei dem Unionsbürger berücksichtigen muss (BVerwG Urteil vom 25.10.2017 - 1 C 34/16 - juris Rd[X.] 31; VGH Hessen vom 24.10.2016 - 3 B 2352/16 - juris Rd[X.] 7; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 12. Aufl 2018, § 5 [X.]/[X.] Rd[X.]0; [X.] in [X.], [X.], 2. Aufl 2016, § 5 [X.]/[X.] Rd[X.]3, Online-Ausgabe; Kurzidem in [X.] [X.], 24. Edition Stand 1.11.2019, § 5 [X.]/[X.] Rd[X.]6; vgl auch L[X.] Baden-Württemberg Urteil vom 19.4.2016 - L 11 [X.] 4629/14 - juris Rd[X.]7).

d) Das Auslegungsergebnis zu § 1 Abs 7 [X.], wonach Unionsbürger nur dann vom Elterngeldbezug ausgeschlossen sind, wenn für sie das Nichtbestehen der Freizügigkeitsberechtigung nach dem [X.]/[X.] durch die zuständige Ausländerbehörde förmlich festgestellt wurde, steht nicht im Widerspruch zur Rechtslage des § 7 Abs 1 Satz 2 [X.]B II (in der hier maßgeblichen Fassung vor dem Inkrafttreten des [X.] ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem [X.]B II und in der Sozialhilfe nach dem [X.]B XII vom 22.12.2016, [X.] 3155) und der hierzu ergangenen Rechtsprechung der Grundsicherungssenate. Allerdings muss danach eine Prüfung der materiellen Freizügigkeitsberechtigung durch die Grundsicherungsträger bzw die Sozialgerichte erfolgen. Die generelle Freizügigkeitsvermutung nach dem [X.]/[X.] allein eröffnet weder einen Zugang zu Leistungen nach dem [X.]B II noch steht sie dem Ausschluss von Leistungen nach dem [X.]B II entgegen (vgl zB B[X.] Urteil vom 9.8.2018 - [X.] AS 32/17 R - [X.] 4-4200 § 7 [X.] Rd[X.]0; B[X.] Urteil vom 30.8.2017 - [X.] [X.]/16 R - B[X.]E 124, 81 = [X.] 4-4200 § 7 [X.]3, Rd[X.]3).

Eine Abweichung im Sinne des § 41 Abs 2 [X.]G liegt nicht vor. Eine Abweichung kommt nur dann in Betracht, wenn eine identische Rechtsfrage durch einen oder mehrere [X.]e unterschiedlich beantwortet wird (vgl B[X.] Urteil vom 16.12.2004 - [X.] V[X.]/04 R - B[X.]E 94, 133 = [X.] 4-3200 § 81 [X.], Rd[X.]1 mwN). Hier dagegen werden in unterschiedlichen Regelungsbereichen unterschiedliche Rechtsfragen aufgeworfen (vgl dazu B[X.] Urteil vom 16.12.2014 - [X.] V 6/13 R - [X.] 4-7945 § 3 [X.] Rd[X.]2; Voelzke in [X.]/Voelzke, jurisPK-[X.]G, 1. Aufl 2017, § 41 Rd[X.], Online-Ausgabe Stand [X.]). Die bereichsspezifische Abgrenzung des persönlichen Anwendungsbereichs ist im Elterngeldrecht nach Wertungen vorzunehmen, die sich von denjenigen des [X.]B II wesentlich unterscheiden. Denn anders als § 1 Abs 7 [X.] sieht § 7 Abs 1 Satz 2 [X.] bis 3 [X.]B II ein System von [X.] für Ausländerinnen und Ausländer vor, das in erster Linie auch Unionsbürger erfasst (vgl dazu Begründung der Bundesregierung vom [X.] zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der [X.], BT-Drucks 16/5065 [X.]34; Leopold in [X.]/Voelzke, jurisPK-[X.]B II, 5. Aufl 2020, § 7 Rd[X.] 89, Online-Ausgabe Stand 1.3.2020) und ausdrücklich an die materiellen Aufenthaltsrechte im Sinne des § 2 Abs 2 [X.]a und Abs 5 [X.]/[X.] anknüpft. Das Elterngeld unterliegt bereits im Ansatz anderen Wertungen und Strukturen als die bedürftigkeitsabhängige Grundsicherung für Arbeitsuchende, die zur Absicherung des Existenzminimums (§ 1 Abs 1 [X.]B II) einerseits und zur Überwindung der Hilfebedürftigkeit andererseits (§ 1 Abs 2 Satz 1 [X.]B II) gedacht ist.

4. [X.] beruht auf § 193 [X.]G.

Meta

B 10 EG 5/18 R

27.03.2020

Bundessozialgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: EG

vorgehend SG Berlin, 7. März 2018, Az: S 2 EG 57/15, Urteil

§ 1 Abs 7 BEEG, § 1 Abs 1 S 1 BEEG, § 1 Abs 6 BErzGG vom 13.12.2006, § 62 Abs 1a S 4 EStG, § 2 Abs 1 FreizügG/EU 2004, § 2 Abs 7 FreizügG/EU 2004, § 5 Abs 4 FreizügG/EU 2004, § 6 FreizügG/EU 2004, § 11 Abs 2 FreizügG/EU 2004, § 13 FreizügG/EU 2004, § 71 AufenthG 2004, § 7 Abs 1 S 2 SGB 2 vom 13.05.2011, § 284 SGB 3, Art 20 Abs 1 S 2 AEUV, Art 21 Abs 1 AEUV, EUBeitrVtrHRVG, § 161 Abs 1 S 1 SGG, § 161 Abs 1 S 3 SGG, § 73 Abs 4 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 27.03.2020, Az. B 10 EG 5/18 R (REWIS RS 2020, 2326)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 2326

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