Bundessozialgericht, Urteil vom 30.01.2013, Az. B 4 AS 54/12 R

4. Senat | REWIS RS 2013, 8537

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Erwerbsfähigkeit einer bulgarischen Staatsangehörigen - gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland - kein Leistungsausschluss wegen Aufenthalts zur Arbeitsuche für schwangere Unionsbürgerin - anderes Aufenthaltsrecht - zeitnah bevorstehende Geburt eines gemeinsamen Kindes - Vorwirkung der Familiengründung - verfassungskonforme Auslegung


Leitsatz

Eine schwangere Unionsbürgerin, die sich bei zeitnaher Geburt des Kindes auch auf ein Aufenthaltsrecht wegen einer bevorstehenden Familiengründung im Bundesgebiet berufen kann, ist nicht von SGB 2-Leistungen ausgeschlossen.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des [X.] vom 16. Mai 2012 und das Urteil des [X.] vom 3. März 2011 sowie der Bescheid der Beklagten vom 28. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2010 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für die [X.] vom 6. Juli 2010 bis 4. Oktober 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] zu zahlen.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] für die [X.] vom [X.] bis 4.10.2010.

2

Die 1988 geborene Klägerin [X.] Staatsangehörigkeit reiste am 28.7.2009 mit einem [X.] Reisepass über den Grenzübergang [X.] ([X.]) aus und zu einem späteren, nicht exakt bekannten [X.]punkt in die [X.] ein. [X.] wurde sie erstmals am [X.] "aus [X.] kommend" in [X.] erfasst. In der [X.] vor dem [X.] verfügte sie nicht über eine Arbeitserlaubnis und war nicht als Beschäftigte (bei einer Einzugsstelle oder der Minijobzentrale) gemeldet. Die Klägerin war seit Januar 2010 schwanger und wurde am 27.10.2010 von einem Mädchen entbunden. Am [X.] beantragte sie bei dem Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.]. Bei Antragstellung gab sie an, Vater des erwarteten Kindes sei ihr Lebensgefährte. Zu diesem [X.]punkt hatte dieser als [X.] Staatsangehöriger einen mehr als achtjährigen rechtmäßigen Aufenthalt in [X.] zurückgelegt. Die Klägerin wies durch eine Urkunde des [X.] vom 20.7.2010 die Anerkennung der Vaterschaft nach. Über eine von ihr am [X.] bei der [X.] beantragte Erteilung einer [X.] ohne Bezug zu einer konkreten Beschäftigung wurde zunächst nicht entschieden.

3

Der Beklagte lehnte den Antrag auf Leistungen nach dem [X.] ab (Bescheid vom [X.]; Widerspruchsbescheid vom [X.]). Das [X.] hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 3.3.2011). Das L[X.] hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 16.5.2012). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, die Klägerin verfüge über einen gewöhnlichen Aufenthalt im [X.]. Nach allen Erkenntnissen des Verfahrens habe sie bereits im Streitzeitraum beabsichtigt, in [X.] zu bleiben. Ihr Aufenthalt sei auch in einer Weise verfestigt gewesen, dass von seiner Dauerhaftigkeit auszugehen sei. Die Anmietung einer Wohnung mit dem Lebensgefährten sei geplant gewesen. Das erwartete Kind habe von seiner Geburt an die [X.] Staatsangehörigkeit erwerben dürfen, weil sein Vater einen mehr als achtjährigen rechtmäßigen Aufenthalt in [X.] zurückgelegt habe. Die Klägerin sei nicht aus Rechtsgründen iS von § 8 Abs 2 [X.] als erwerbsunfähig einzustufen gewesen. Auch ein Unionsbürger, der noch nicht die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit genieße, sondern einer Arbeitserlaubnis bedürfe, sei zumindest dann erwerbsfähig iS von § 8 [X.], wenn der Erlaubnisvorbehalt allein aus [X.] bestehe und daher zumindest eine [X.] erteilt werden könne. Dies sei bei der Klägerin der Fall.

4

Der Leistungsanspruch sei jedoch nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 [X.] ausgeschlossen, weil die Klägerin im streitigen [X.]raum allenfalls aus Gründen der Arbeitsuche aufenthaltsberechtigt gewesen sei. Andere Aufenthaltsgründe lägen nicht vor. Insbesondere sei die Klägerin in [X.] nicht als oder wie eine Arbeitnehmerin beschäftigt gewesen. Im Hinblick auf ihr Kind habe die Klägerin kein Aufenthaltsrecht als Familienangehörige erwerben können, weil sie erst ab Geburt des Kindes "Verwandte" iS von § 3 Abs 2 [X.] [X.]/[X.] gewesen sei. Ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot aus Art 4 iVm Art 70 der Verordnung ([X.]) [X.] liege nicht vor. Dieses trete hinter die Regelung in Art 24 Abs 2 der Freizügigkeitsrichtlinie ([X.] 2004/38/[X.]) zurück. Zur Sozialhilfe iS des Art 24 Abs 2 [X.] 2004/38/[X.] zählten auch die Regelleistung und die Leistungen für Unterkunft und Heizung nach den §§ 20, 22 [X.] sowie - im Fall der Klägerin - die [X.] für Schwangere. Diesen Leistungen fehle der spezifische Bezug zum Arbeitsmarkt, der einen Vorrang der [X.] ([X.]) [X.] gegenüber der Freizüg[X.] begründe. § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 [X.] iVm Art 24 Abs 2 [X.] 2004/38/[X.] sei als speziellere Regelung anwendbar. Auch ein Verstoß des § 7 Abs 1 S 2 [X.] gegen die Regelungen des [X.] sei nicht ersichtlich, weil [X.] nicht Signatarstaat sei.

5

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin, das Berufungsurteil trage dem Schutz des ungeborenen Lebens nicht ausreichend Rechnung. Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zu den aufenthaltsrechtlichen Vorwirkungen der bevorstehenden Vaterschaft eines bereits im [X.] lebenden Ausländers hinsichtlich seines ungeborenen Kindes sei übertragbar. Dies folge aus dem Schutz der Familie nach Art 6 Abs 1 GG und der aus Art 2 Abs 2 S 1 und Art 1 Abs 1 GG abzuleitenden Schutzpflicht für die Gesundheit der werdenden Mutter und des ungeborenen Kindes. Es sei dem Vater zu ermöglichen, den in § 1615f BGB festgelegten Unterhalt als Naturalunterhalt zu erbringen. Dass der [X.] eine solche Situation nicht vorhergesehen habe, führe allenfalls dazu, dass sich das Aufenthaltsrecht nicht aus dem Sekundär- sondern dem Primärrecht ergebe. Die werdende Mutter habe in der [X.] der Schwangerschaft einen aufenthaltsrechtlich geschützten Anspruch auf Beistand durch den "werdenden" Vater. Leistungsansprüche im Rahmen der [X.] Koordinierung seien durch die [X.] nicht ausgeschlossen, weil der [X.] [X.] Ansprüche aus dem [X.] und aus den Regelungen über die sozialrechtliche Koordinierung als konkurrierende behandele.

6

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Sozialgerichts [X.] vom 3. März 2011 und des [X.] vom 16. Mai 2012 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 28. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. August 2010 zu verurteilen, ihr Leistungen nach dem [X.] für die [X.] vom 6. Juli 2010 bis 4. Oktober 2010 zu gewähren.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

8

Die Klägerin könne über die Schwangerschaft keine Eigenschaft als Familienangehörige konstruieren. Zwar stünden sich - vor Erklärung des Vorbehalts der Bundesregierung - aus [X.] und [X.] stammende [X.]-Bürger bei Leistungen nach dem [X.] schlechter als Ausländer, die gleichzeitig [X.]-Staatsangehörige seien. Dieses unterschiedliche Ergebnis verstoße jedoch nicht gegen Unionsrecht, weil es durch die (befristet) eingeschränkte Freizügigkeit [X.] Staatsangehöriger gerechtfertigt sei, die insoweit auch das ansonsten unionsrechtlich geltende Diskriminierungsverbot einschränke.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Die Vorinstanzen und der Beklagte haben einen Anspruch der Klägerin auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] zu Unrecht verneint.

1. Streitgegenstand sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.], die der Beklagte mit Bescheid vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] abgelehnt hat. Die Klägerin hat den streitigen [X.]raum ausdrücklich auf die [X.] vom [X.] bis 4.10.2010 beschränkt.

2. Die Klägerin erfüllte im streitigen [X.]raum sämtliche Anspruchsvoraussetzungen nach § 7 Abs 1 S 1 [X.] 1 bis 4 [X.] und war auch nicht nach § 7 Abs 1 S 2 [X.] von den [X.]-Leistungen ausgeschlossen.

Leistungen nach dem [X.] erhalten nach § 7 Abs 1 S 1 [X.] Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a [X.] noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der [X.] haben. Die Klägerin bewegte sich innerhalb der Altersgrenzen des § 7 Abs 1 [X.] 1 [X.] und war nach den für den Senat bindenden Feststellungen des [X.] (§ 163 [X.]G) hilfebedürftig nach § 7 Abs 1 S 1 [X.] 3 [X.].

3. Die Klägerin war auch erwerbsfähig iS von § 7 Abs 1 S 1 [X.] 2 [X.] iVm § 8 [X.]. Nach § 8 Abs 1 [X.] ist erwerbsfähig, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf (nicht) absehbare [X.] außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. [X.] von § 8 Abs 1 [X.] können Ausländerinnen und Ausländer nur erwerbstätig sein, wenn ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte (§ 8 Abs 2 [X.]) .

Nach den Feststellungen des [X.] standen körperliche Gründe iS von § 8 Abs 1 [X.] einer Erwerbsfähigkeit nicht entgegen. Das Berufungsgericht ist weiter zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin nicht iS von § 8 Abs 2 [X.] als erwerbsunfähig anzusehen war. Zwar bleibt für [X.] der zum 1.1.2007 beigetretenen [X.] [X.] und [X.] (vgl Vertrag über den Beitritt der Republik [X.] und [X.] zur [X.] vom 25.4.2005 <[X.]I 2006 S 1146>) die Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art 45 A[X.]V) für eine Übergangsfrist von sieben Jahren bis zum 31.12.2013 in der Weise beschränkt, dass die bestehenden nationalen Regelungen für den Zugang zum [X.] Arbeitsmarkt für ausländische Staatsangehörige auch für diese neuen [X.] beibehalten wurden. Staatsangehörige dieser Länder können sich nach dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern ([X.]/[X.] als Art 2 des [X.] vom 30.7.2004 <[X.] 1950>; vgl § 1 Abs 2 [X.]) grundsätzlich frei innerhalb der [X.] bewegen, benötigen zur Beschäftigungsaufnahme in [X.] in der Übergangszeit aber weiterhin eine Arbeitsgenehmigung-[X.] (§ 284 Abs 1 S 2 [X.]I idF des [X.], [X.] 2814).

Die Klägerin war nicht im Besitz einer Arbeitsgenehmigung. Es ist jedoch ausreichend, dass ihr vorbehaltlich der Vorlage eines konkreten, überprüfbaren Stellenangebots eines künftigen Arbeitgebers im streitigen [X.]raum die Aufnahme einer Beschäftigung hätte erlaubt werden können. Soweit das [X.] eine Erwerbsfähigkeit ohne weitere Ermittlungen mit der Begründung verneint hat, dass keine konkrete und realisierbare Möglichkeit zur Erteilung einer Arbeitsgenehmigung/[X.] bestanden habe, unterstellt es zu Unrecht, dass in jedem Einzelfall eine [X.] Möglichkeit der Beschäftigungsaufnahme geprüft werden muss. Für die Annahme, dass eine Beschäftigung iS des § 8 Abs 2 [X.] erlaubt ist oder erlaubt werden könnte, reicht es jedoch aus, wenn die Aufnahme einer Tätigkeit im Sinne einer rechtlich-theoretischen Möglichkeit mit einer Zustimmung zur Beschäftigungsaufnahme durch die [X.] erlaubt sein könnte, auch wenn dies bezogen auf einen konkreten Arbeitsplatz durch die Verfügbarkeit geeigneter bevorrechtigter Bewerber (§ 39 Abs 2 [X.]) verhindert wird. Unabhängig hiervon ist Unionsbürgern, also auch [X.] und [X.], Vorrang gegenüber Drittstaatsangehörigen einzuräumen ("[X.]" HK-AuslR/[X.], 1. Aufl 2008, Anhang zum [X.]/§ 284 [X.]I Rd[X.] 19). Dass auf eine abstrakt-rechtliche Möglichkeit der Erteilung einer Arbeitsgenehmigung abzustellen ist, ergibt sich nunmehr auch aus dem mit Wirkung zum 1.4.2011 ([X.] 453) eingefügten § 8 Abs 2 S 2 [X.]. Dieser bestimmt, dass die rechtliche Möglichkeit, eine Beschäftigung vorbehaltlich einer Zustimmung nach § 39 [X.] aufzunehmen, ausreichend ist (BT-Drucks 15/1749 S 31 "Klarstellung"; BT-Drucks 15/1516 [X.]2).

Einen solchen - gegenüber [X.] Staatsangehörigen und uneingeschränkt freizügigkeitsberechtigten [X.]n - nachrangigen Zugang zum Arbeitsmarkt hatte die Klägerin im streitigen [X.]raum, weil ihr eine Arbeitsgenehmigung/[X.] nach § 284 Abs 3 [X.]I iVm § 39 Abs 2 [X.], etwa für eine Tätigkeit als Hilfskraft (vgl hierzu auch Dienelt in [X.], Ausländerrecht, 9. Aufl 2011, § 13 Rd[X.] 44), hätte erteilt werden können. Staatsangehörige aus den neuen [X.]-Beitrittsländern, die - wie die Klägerin - seit längerer [X.] in [X.] wohnen, sind nicht als "[X.]" iS von § 284 Abs 4 [X.]I (mit "Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland") anzusehen, für die weitergehende Beschränkungen gelten (Dienelt aaO).

4. Die Klägerin verfügte im streitigen [X.]raum auch über einen gewöhnlichen Aufenthalt im [X.] iS von § 7 Abs 1 S 1 [X.] 4 [X.].

Nach § 7 Abs 1 S 1 [X.] 4 [X.] iVm § 30 Abs 3 S 2 [X.] I hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Diese Definition gilt für alle Sozialleistungsbereiche des Sozialgesetzbuchs, soweit sich nicht aus seinen besonderen Teilen etwas anderes ergibt (§ 37 [X.] I). Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts ist in erster Linie nach den objektiv gegebenen tatsächlichen Verhältnissen im streitigen [X.]raum zu beurteilen (B[X.] [X.] 3-1200 § 30 [X.] 5 S 8). Entscheidend ist, ob der örtliche Schwerpunkt der Lebensverhältnisse faktisch dauerhaft im Inland ist. Dauerhaft ist ein solcher Aufenthalt, wenn und solange er nicht auf Beendigung angelegt, also [X.] ist. Mit einem Abstellen auf den Schwerpunkt der Lebensverhältnisse im Gebiet der [X.] soll - auch im Sinne einer Missbrauchsabwehr - ausgeschlossen werden, dass ein Wohnsitz zur Erlangung von Sozialleistungen im Wesentlichen nur formal begründet, dieser jedoch tatsächlich weder genutzt noch beibehalten werden soll ([X.] in jurisPK-[X.] I, 2. Aufl 2012, § 30 Rd[X.] 24 mit Verweis auf BT-Drucks 7/3786 [X.] zu § 30; zur Begründung eines Wohnsitzes "nach den faktischen Verhältnissen" iS von Art 1 lit j [X.] ([X.]) 883/2004 unter Einbeziehung der Definition in Art 11 [X.] ([X.]) [X.] 987/2009 und Abgrenzung zur "legal residence in Directive 2004/38" [X.], Grundsicherungsleistungen für Unionsbürger unter dem Einfluss der [X.] ([X.]) [X.] 883/2004 in [X.], 2012, 317 ff, 322).

Jedenfalls für den Bereich des [X.] läuft es der Vereinheitlichung des Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts zuwider, wenn unter Berufung auf eine sog Einfärbungslehre vor allem des früheren 4. Senats des B[X.] (vgl hierzu B[X.] [X.] 3-1200 § 30 [X.] 21 S 45 ff; ähnlich B[X.] [X.] 3-2600 § 56 [X.] 7 S 31 ff; anders für die Familienversicherung nach § 10 [X.] V: B[X.]E 80, 209 ff, 211 f = B[X.] [X.] 3-2500 § 10 [X.] 12 [X.]2 f) dem Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmende Tatbestandsmerkmale im Sinne von rechtlichen Erfordernissen zum Aufenthaltsstatus aufgestellt werden (vgl [X.] in jurisPK-[X.] I, 2. Aufl 2012, § 30 Rd[X.] 26, 50 ff) und damit einzelnen Personengruppen der Zugang zu existenzsichernden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts versperrt wird. Zudem hat der Gesetzgeber diese Rechtsprechung nur in Teilbereichen, etwa beim Kinder-, Erziehungs- und Elterngeld, aufgegriffen und einen Anspruch von einem definierten Aufenthaltsstatus abhängig gemacht (vgl zB § 1 Abs 7 BE[X.]; § 1 Abs 6 BErzGG idF bis zum 31.12.2006; zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Differenzierungskriterien: [X.] 111, 176 ff = [X.] 4-7833 § 1 [X.] 4). Ein diesen Regelungen entsprechendes, also zu dem gewöhnlichen Aufenthalt hinzutretendes Anspruchsmerkmal im Sinne des Innehabens einer bestimmten Freizügigkeitsberechtigung nach dem [X.]/[X.] bzw eines bestimmten Aufenthaltstitels nach dem [X.] fehlt im [X.]. Vielmehr hat der Gesetzgeber mit § 7 Abs 1 S 2 [X.] 2 [X.] in einer anderen Regelungssystematik ein Ausschlusskriterium von [X.]-Leistungen nur für diejenigen Ausländer vorgesehen, deren "Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt".

Unabhängig hiervon liegt eine fehlende Dauerhaftigkeit des Aufenthalts im Sinne einer nicht vorhandenen Zukunftsoffenheit bei Unionsbürgern regelmäßig nicht vor, weil ihr Aufenthalt nicht nach einer bereits vorliegenden Entscheidung der dafür allein zuständigen Ausländerbehörde auflösend befristet oder auflösend bedingt ist. Zwar verfügte die Klägerin - anders als in den vom 14. Senat des B[X.] entschiedenen Fallgestaltungen (B[X.]E 107, 66 ff = [X.] 4-4200 § 7 [X.] 21 Rd[X.] 13; B[X.] [X.] 4-4200 § 7 [X.] 28 Rd[X.] 17) - offenbar (Feststellungen des [X.] hierzu fehlen) nicht über eine Freizügigkeitsbescheinigung (§ 5 [X.]/[X.]; entfallen durch Art 1 des Gesetzes zur Änderung des [X.]/[X.] und weitere aufenthaltsrechtlicher Vorschriften vom [X.] <[X.] 86>). Einer solchen Bescheinigung kommt aber lediglich deklaratorische Bedeutung zu, weil sich das Freizügigkeitsrecht unmittelbar aus Gemeinschaftsrecht ergibt (BT-Drucks 15/420 S 101; B[X.] [X.] 4-4200 § 7 [X.] 28 Rd[X.] 17; BVerwGE 110, 40, 53: subjektiv-öffentliches Unionsbürgerrecht unabhängig vom Zweck seiner Inanspruchnahme). Auch bei Staatsangehörigen aus den neuen Mitgliedstaaten kann der Aufenthalt während der Übergangsphase nur unter den Voraussetzungen der §§ 5 Abs 5, 6 und 7 [X.]/[X.] wegen des Wegfalls, des Verlustes oder des Nichtbestehens des Freizügigkeitsrechts, also nach Durchführung eines Verwaltungsverfahren, beendet werden (Dienelt in [X.], Ausländerrecht, 2. Aufl 2011, § 13 Rd[X.] 57, 61; OVG Bremen Beschluss vom 21.1.2011 - 1 B 242/10, juris-Rd[X.] 4). Das Aufenthaltsrecht besteht, solange der Aufnahmemitgliedstaat nicht durch einen nationalen Rechtsakt festgestellt hat, dass der Unionsbürger bestimmte vorbehaltene Bedingungen iS des Art 21 A[X.]V nicht erfüllt ([X.] in Kommentar zum Zuwanderungsrecht, 1. Aufl 2008, § 2 [X.] Rd[X.] 4 mwN).

Auch § 13 [X.]/[X.] steht der Vermutung einer Freizügigkeit nicht entgegen. Danach findet, soweit ua nach Maßgabe des [X.] über den Beitritt der Republik [X.] und [X.]s zur [X.] ([X.]I 1146) abweichende Regelungen anwendbar sind, das [X.]/[X.] Anwendung, wenn die Beschäftigung durch die [X.] gemäß § 284 Abs 1 [X.]I genehmigt wurde. Trotz des unklaren Wortlauts des § 13 [X.]/[X.] schränkt der Umstand, dass die [X.] nationale Übergangsmaßnahmen im Hinblick auf den Zugang zum [X.] Arbeitsmarkt innerhalb eines längstens sieben Jahre dauernden [X.]raums durch die Mitgliedstaaten zulassen, nicht grundsätzlich das Freizügigkeitsrecht der neuen Unionsbürger ein ([X.] Beschluss vom 21.1.2011 - 1 B 242/10, juris-Rd[X.] 4; HK-AuslR/[X.], 1. Aufl 2008, § 13 [X.] Rd[X.] 2).

5. Der Anspruch auf [X.]-Leistungen ist auch nicht nach § 7 Abs 1 S 2 [X.] 1 [X.] ausgeschlossen. Ausgenommen von Leistungen nach dem [X.] sind danach ua Ausländer, die weder in der [X.] Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Abs 3 [X.]/[X.] freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts ([X.] 1) und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen ([X.] 2). Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des [X.] (§ 163 [X.]G) greift der Anspruchsausschluss nach § 7 Abs 1 S 2 [X.] 1 [X.] schon deshalb nicht, weil die Klägerin unmittelbar nach Verlassen [X.]s Ende Juli 2009 nach [X.] eingereist ist und sich seitdem im [X.] aufgehalten hat, bevor sie im April 2010 einwohnermelderechtlich erfasst wurde.

6. a) Auch § 7 Abs 1 S 2 [X.] 2 [X.] schließt einen Anspruch der Klägerin nicht aus, weil sich ihr Aufenthaltsrecht im streitigen [X.]raum nicht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergab. Die Ausschlussregelung erfordert - zur Umsetzung des Willens des Gesetzgebers bei Unionsbürgern regelmäßig eine "fiktive Prüfung" des Grundes bzw der Gründe ihrer Aufenthaltsberechtigung. Bereits das Vorhandensein der Voraussetzungen eines Aufenthaltsrechts aus einem anderen Grund als dem Zweck der Arbeitsuche hindert die von der Rechtsprechung des B[X.] geforderte positive Feststellung eines Aufenthaltsrechts "allein aus dem Zweck der Arbeitsuche" iS von § 7 Abs 1 S 2 [X.] 2 [X.]. Ein solcher Fall liegt hier vor, weil sich aus der bevorstehenden Geburt des Kindes der Klägerin ein anderes Aufenthaltsrecht ergeben konnte.

b) Unbesehen des [X.] nach der [X.] 2004/38/[X.] und dem [X.] [X.]/[X.] erfordert eine dem Willen des Gesetzgebers entsprechende Anwendung des [X.] [X.] 2 [X.] eine "fiktive Prüfung", ob - im Falle von Unionsbürgern - ein Aufenthaltsrecht allein zum Zweck der Arbeitsuche bestand oder daneben auch andere [X.] den Aufenthalt des Unionsbürgers im Inland rechtfertigen konnten. Dies ergibt sich aus der für die Auslegung der Vorschrift wesentlichen Entstehungsgeschichte der Ausschlussregelung.

Den Gesetzesmaterialien zu § 7 Abs 1 S 2 [X.] ist zu entnehmen, dass von der "Option" des [X.] 2 iVm Art 14 Abs 4 der [X.] 2004/38/[X.] auch im Bereich des [X.] Gebrauch gemacht werden sollte (BT-Drucks 16/5065 [X.]; siehe auch BT-Drucks 16/688 S 13). Trotz des Kontextes, in welchem die Regelung des § 7 Abs 1 S 2 [X.] 2 [X.] erlassen wurde, nämlich der Erweiterung der Freizügigkeit von Arbeitnehmern zu einer allgemeinen Freizügigkeit für alle Unionsbürger durch die [X.] 2004/38/[X.], wollte der bundesdeutsche Gesetzgeber neben den von [X.] 2 [X.] 2004/38/[X.] unstreitig erfassten Sozialhilfeleistungen auch [X.]-Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausschließen. Deren Einordnung als Sozialhilfeleistungen iS von [X.] 2 [X.] 2004/38/[X.] ist allerdings fraglich. Die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des B[X.] haben die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts entsprechend ihrer Aufnahme in den Anhang der [X.] ([X.]) [X.] 883/2004 als "besondere beitragsunabhängige Geldleistungen" nach Art 4 iVm Art 70 [X.] ([X.]) [X.] 883/2004, nicht jedoch als Leistungen der "[X.] Fürsorge" iS von Art 3 Abs 5a) [X.] ([X.]) [X.] 883/2004 angesehen. Sie haben darauf hingewiesen, dass durch das Erfordernis der Erwerbsfähigkeit ein Bezug zu den Leistungen bei Arbeitslosigkeit bestehe (B[X.]E 107, 66 ff = [X.] 4-4200 § 7 [X.] 21 Rd[X.] 29; B[X.]E 107, 206 ff = [X.] 4-4200 § 7 [X.] 22 Rd[X.] 20 f; vgl auch [X.] Urteil vom [X.] - [X.]/08 - [X.] 4-6035 Art 39 [X.] 5, Rd[X.] 43; siehe aber auch BVerwG Urteil vom 31.5.2012 - 10 C 8/12 juris Rd[X.] 25 mwN, zur Einordnung von [X.]-Leistungen als aufenthaltsrechtlich schädliche Sozialhilfeleistungen iS des Art 7 Abs 1 Buchst b der [X.] 2004/38/[X.], wobei dies "nicht zwingend deckungsgleich" mit dem in [X.] 2 [X.] 2004/38/[X.] genannten Begriff der Sozialhilfe sein müsse; kritisch hierzu [X.] in [X.] 2011, 235 ff).

Ungeachtet der insofern bestehenden Zweifel an der europarechtlichen Zulässigkeit des nicht nach dem Grad der Verbindung des [X.] Unionsbürgers zum Arbeitsmarkt des [X.] und seinem beruflich möglichen Zugang zum Arbeitsmarkt differenzierenden sowie zeitlich unbefristeten Ausschlusses der [X.] Unionsbürger von [X.]-Leistungen ist § 7 Abs 1 S 2 [X.] 2 [X.] als Ausschlussregelung von existenzsichernden Sozialleistungen jedenfalls eng auszulegen. Auch aus dem Aufbau der Norm ist abzuleiten, dass positiv feststellt werden muss, dass dem Ausländer ein Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitsuche in der [X.] zusteht (B[X.] [X.] 4-4200 § 7 [X.] 28).

c) Jedenfalls nicht erfasst von § 7 Abs 1 S 2 [X.] 2 [X.] werden Unionsbürger, bei denen die Voraussetzungen für ein Aufenthaltsrecht nach dem [X.]/[X.] oder ggf dem begrenzt subsidiär anwendbaren [X.] (siehe hierzu unten) aus anderen Gründen als dem Zweck der Arbeitsuche vorliegen. Insofern ist der Regelung des § 7 Abs 1 S 2 [X.] 2 [X.] immanent, dass der Ausschluss nur Unionsbürger trifft, die sich ausschließlich und ggf schon vor einer Meldung beim [X.] auch eigeninitiativ um eine Beschäftigung bemüht haben, nicht jedoch diejenigen erfasst, die sich auch auf ein anderes Aufenthaltsrecht berufen können.

Da Unionsbürger für die Einreise keines Visums und für den Aufenthalt keines Aufenthaltstitels (§ 2 Abs 4 S 1 [X.]/[X.]) bedürfen, kann bei ihnen der ausländerrechtlich anerkannte Aufenthaltszweck nicht unmittelbar einem entsprechenden Dokument mit möglicher Tatbestandswirkung für das [X.] entnommen werden. Vor dem Hintergrund einer - bis zur Feststellung des Nichtbestehens oder des Verlusts einer Freizügigkeitsberechtigung - bestehenden Freizügigkeitsvermutung von Unionsbürgern und der bereits damit verbundenen Vermutung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts (vgl Dienelt in [X.], Ausländerrecht, 9. Aufl 2011, § 12 Rd[X.] 34) kann bei dieser Personengruppe nicht darauf abgestellt werden, ob das Aufenthaltsrecht in einem Aufenthaltstitel dokumentiert ist. Zwar kann ein in einer ggf bis zum 28.1.2013 deklaratorisch erteilten Bescheinigung gemäß § 5 Abs 1 [X.]/[X.] (aF) angegebener Aufenthaltszweck ein wesentliches Indiz für den [X.] sein. Unionsbürger sind jedoch nicht verpflichtet, die Rechtmäßigkeit ihres Aufenthalts durch eine entsprechende Bescheinigung nachzuweisen (BVerwG Urteil vom 16.11.2010 - 1 C 17/09, [X.], 122 ff). Entscheidend ist das Vorliegen der Voraussetzungen für ein weiteres Aufenthaltsrecht. Auch soweit der Aufenthalt aus einem anderen materiell bestehenden Aufenthaltsrecht als dem Zweck der Arbeitsuche nicht beendet werden könnte, hindert dies sozialrechtlich die positive Feststellung eines "Aufenthaltsrechts allein aus dem Zweck der Arbeitsuche" iS von § 7 Abs 1 S 2 [X.] 2 [X.].

Seine Feststellung, die Klägerin sei im streitigen [X.]raum "ab dem [X.] in [X.] allenfalls aus Gründen der Arbeitsuche aufenthaltsberechtigt", hat das Berufungsgericht vorrangig damit begründet, dass ein Aufenthaltsrecht wegen einer fortwirkenden Arbeitnehmereigenschaft nicht bestanden habe (vgl zu dem hierfür regelmäßig angenommen [X.]raum von sechs Monaten: § 2 Abs 3 S 1 [X.] 2 iVm § 2 Abs 3 S 2 [X.]/[X.]; [X.] Urteil vom 4.6.2009 - [X.]/08, [X.]/08 - [X.] 4-6035 Art 39 [X.] 5, Rd[X.] 32; B[X.] Urteil vom 19.10.2010 - [X.] AS 23/10 R - B[X.]E 107, 66 = [X.] 4-4200 § 7 [X.] 21, Rd[X.] 18). Ob sich die Klägerin bis zum Beginn des streitigen [X.]raums auf ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zum Zweck der Arbeitsuche berufen konnte, hat das [X.] nicht erörtert. Nach der Rechtsprechung des [X.] ist ein arbeitsuchender [X.] solange freizügigkeitsberechtigt, wie er mit begründeter Aussicht auf Erfolg Arbeit sucht, wobei das Gemeinschaftsrecht die Länge des angemessenen [X.]raums nicht regelt. Allerdings ist es einem Mitgliedstaat nicht verwehrt, dem Angehörigen eines anderen Mitgliedstaats, der zum Zweck der Stellensuche in sein Gebiet eingereist ist, auszuweisen, wenn dieser nach sechs Monaten keine Stelle gefunden hat, sofern der Betroffene nicht nachweist, dass er weiterhin und mit begründeter Aussicht auf Erfolg Arbeit sucht ([X.] Urteil vom 26.2.1991 - [X.]/89 ; so auch Dienelt in [X.], Ausländerrecht, 9. Aufl 2011, § 2 [X.]/[X.] Rd[X.] 56).

Auch wenn die Klägerin wegen des im streitigen [X.]raum hinzutretenden [X.]-Antrags und der damit verbundenen Verpflichtung, alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit ausschöpfen und aktiv an allen Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit mitwirken (§ 2 Abs 1 S 1 und 2 [X.]), als Arbeitsuchende anzusehen ist, hindert dies nicht die Annahme eines Aufenthaltsrechts auch aus einem anderen [X.] (vgl zum zulässigen Wechsel der [X.] während des Aufenthalts: HK-AuslR/[X.], 2008, § 5 [X.]/[X.] Rd[X.] 3). Auch der Verlust des Freizügigkeitsrechts kann erst festgestellt werden, wenn die Freizügigkeitsberechtigung nicht aus anderen Gründen besteht ([X.], [X.], 2010, § 5 [X.]/[X.] Rd[X.] 15). Ein solches bereits vor [X.]-Antragstellung hinzugetretenes weiteres Aufenthaltsrecht der Klägerin im [X.] liegt hier vor.

d) Die Klägerin konnte sich nach den besonderen Einzelfallumständen in dem hier streitigen [X.]raum wegen der zu erwartenden Geburt des Kindes auch auf ein anderes Aufenthaltsrecht iS des § 7 Abs 1 S 2 [X.] 2 [X.] berufen.

§ 11 Abs 1 [X.] [X.]/[X.] in der bis zum [X.] geltenden Fassung vom [X.] ([X.] 1970) bestimmt, dass das - grundsätzlich nur noch für Drittstaatsangehörige geltende - [X.] weiterhin auch auf Unionsbürger Anwendung findet, wenn es eine günstigere Regelung vermittelt als das [X.]/[X.]. Bei dem [X.] ist keine abstrakt wertende Betrachtung in Bezug auf die gesamte Rechtsstellung anzustellen. Vielmehr knüpft der Vergleich iS einer den konkreten Einzelfall in den Blick nehmenden Betrachtung an einzelne Merkmale an (Dienelt in [X.], Ausländerrecht, 9. Aufl 2011, § 11 Rd[X.] 28).

Nach dem insoweit anwendbaren § 7 Abs 1 S 3 [X.] kann - unabhängig von der ansonsten geforderten Bindung der Aufenthaltserlaubnis an konkrete, im [X.] genannte [X.] (§ 7 Abs 1 S 2 [X.]) - in begründeten Fällen im Wege einer Ermessensentscheidung eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen von diesem Gesetz nicht genannten Aufenthaltszweck erteilt werden. Allerdings ist das [X.] zu Recht davon ausgegangen, dass eheähnlich zusammenlebende heterosexuelle Paare weder aus dem Auffangtatbestand des § 7 Abs 1 S 3 [X.] noch aus dem [X.] Recht ein Aufenthaltsrecht zur Familienzusammenführung ableiten können, weil der Familiennachzug in § 3 [X.]/[X.] und den §§ 27 ff [X.] abschließend geregelt ist. Da nichteheliche Lebensgemeinschaften von den ausdrücklichen Regelungen gerade nicht erfasst sind, ist die Anwendung von § 7 Abs 1 S 3 [X.] grundsätzlich gesperrt (vgl BVerwG Urteil vom [X.] - BVerwGE 100, 287 ff; Dienelt in [X.], Ausländerrecht, 9. Aufl 2011, § 7 [X.] Rd[X.] 20).

Die - hier im Rahmen der Ausschlussklausel des § 7 Abs 1 S 2 [X.] 2 [X.] - bei Unionsbürgern nur zu prüfenden Voraussetzungen eines anderen Aufenthaltsrechts sind aber wegen der bevorstehenden Geburt des Kindes gegeben. Insofern handelt es sich um ein Aufenthaltsrecht aus familiären Gründen, das aus dem Zusammenleben der Partner mit einem gemeinsamen Kind oder dem Kind eines Partners folgt. Diese Personengruppen bilden jeweils eine Familie iS des Art 6 GG und der §§ 27 Abs 1, 28 Abs 1, 29 und 32 [X.] und können sich auch auf den Schutz aus Art 8 der Konvention des Europarates zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten ([X.]) berufen (vgl auch Dienelt in [X.], Ausländerrecht, 9. Aufl 2011, § 7 [X.] Rd[X.] 20).

Eine solche Konstellation, die einen anderen Aufenthaltszweck als denjenigen der Arbeitsuche vermitteln kann, kann auch in einer bevorstehenden Familiengründung liegen. Insofern wird in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zum [X.] angenommen, dass der bevorstehenden Geburt eines Kindes aufenthaltsrechtliche Vorwirkungen für den Aufenthaltsstatus eines Elternteils zukommen können. Die anstehende Vaterschaft eines bereits im [X.] lebenden Ausländers hinsichtlich des ungeborenen Kindes einer [X.], aber auch ausländischen Staatsangehörigen kann aufenthaltsrechtliche Vorwirkungen im Sinne eines Abschiebungshindernisses begründen, wenn entweder der Schutz der Familie nach Art 6 Abs 1 GG und die aus Art 2 Abs 2 S 1 und Art 1 Abs 1 GG abzuleitende Schutzpflicht für die Gesundheit der werdenden Mutter und des Kindes dies gebieten, oder wenn beide Elternteile bereits in Verhältnissen leben, welche eine gemeinsame Übernahme der elterlichen Verantwortung sicher erwarten lassen und eine (vorübergehende) Ausreise zur Durchführung eines Sichtvermerkverfahrens nicht zumutbar ist. Dies gilt zumindest mit der Vaterschaftsanerkennung und der Zustimmung der Mutter (§§ 1592 [X.] 2, 1595 Abs 1 BGB) sowie einer gemeinsamen Sorgerechtserklärung ([X.] Beschluss vom 23.2.2012 - 2 S 94.11, 2 M 70.11 - Rd[X.] 3 ff; [X.] Beschluss vom 2.10.2009 - 3 B 482/09 - [X.] 2010, 27 ff: vgl auch [X.] Beschluss vom 11.6.2008 - 3 L 279/08 - Rd[X.] 10 zum Abschiebungsschutz für eine werdende ausländische Mutter). Insofern tritt die staatliche Verpflichtung aus Art 6 Abs 1 GG iVm Abs 2 GG ein ([X.] Beschluss vom 14.8.2008 - 4 Bs 84/08 - [X.] 2009, 16 ff). Von der Schutzpflicht des Staates aus Art 6 GG ist insbesondere die Rechtsposition des Kindes sowie dessen Anspruch auf Ermöglichung bzw Aufrechterhaltung eines familiären Bezugs zu beiden Elternteilen von Geburt an betroffen ([X.] FamRZ 2006, 187 ff; [X.] NVwZ 2006, 682, 683 zum Familienschutz; [X.] 80, 81 ff).

Diese aufenthaltsrechtlichen Vorwirkungen einer bevorstehenden Familiengründung bestanden auch im Falle der Klägerin. Es wäre ihr weniger als vier Monate vor dem errechneten Geburtstermin nicht mehr zumutbar gewesen, sich von dem Vater des Kindes unter zumindest vorübergehender Aufgabe des familiären Zusammenhalts und mit dem Risiko einer zeitgerechten Rückkehr zur Geburt zu trennen. Auch in der hier vorliegenden Fallgestaltung soll verhindert werden, dass ein Kind in dem [X.] nach seiner Geburt entgegen Art 6 Abs 1 GG von der Erziehungsleistung eines seiner Elternteile ausgeschlossen wird. Für die aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen aus Art 6 GG und damit auch ihre Vorwirkungen ist dabei nicht vorrangig auf [X.] familiäre Bindungen, sondern auf die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern im Wege einer Einzelfallbetrachtung abzustellen ([X.] FamRZ 2006, 187 ff, Rd[X.] 18 mwN). Nach den Feststellungen des [X.] hat die Klägerin bereits bei Antragstellung angegeben, dass ihr Kind von dem Lebensgefährten sei, mit dem die Anmietung einer gemeinsamen Wohnung geplant sei. Es ergab sich daher schon für die [X.] vor der Anerkennung der Vaterschaft eine vorwirkende Schutzwirkung, die ein Aufenthaltsrecht der Klägerin wegen des bevorstehenden familiären Zusammenlebens begründen konnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 [X.]G.

Meta

B 4 AS 54/12 R

30.01.2013

Bundessozialgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Stuttgart, 3. März 2011, Az: S 11 AS 4985/10, Urteil

§ 7 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB 2, § 30 Abs 3 S 2 SGB 1, § 8 Abs 2 S 1 SGB 2, § 8 Abs 2 S 2 SGB 2 vom 24.03.2011, § 284 Abs 1 SGB 3, § 284 Abs 3 SGB 3, § 284 Abs 4 SGB 3, § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 2, § 2 FreizügG/EU 2004, § 5 FreizügG/EU 2004, § 6 FreizügG/EU 2004, § 7 FreizügG/EU 2004, § 11 Abs 1 S 5 FreizügG/EU 2004, § 13 FreizügG/EU 2004, AufenthG 2004, Art 14 Abs 4 EGRL 38/2004, Art 24 Abs 2 EGRL 38/2004, Art 4 EGV 883/2004, Art 70 EGV 883/2004, Art 8 MRK, Art 2 GG, Art 6 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 30.01.2013, Az. B 4 AS 54/12 R (REWIS RS 2013, 8537)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8537

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1 C 17/09

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