Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.08.2005, Az. 3 StR 260/05

3. Strafsenat | REWIS RS 2005, 2056

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[X.] vom 26. August 2005 in der Strafsache gegen

wegen Vergewaltigung u. a.
- 2 - Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des [X.] - zu 2. auf dessen Antrag - am 26. August 2005 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 2. März 2005

a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte we-gen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in [X.] mit sexuellem Missbrauch von [X.] in 12 Fällen und wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von [X.] in 49 Fällen verurteilt ist;
b) im gesamten Strafausspruch mit den zugehörigen [X.] aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Strafkammer des [X.].
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
- 3 - Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tatein-heit mit schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern und sexuellem Miss-brauch von [X.] in sieben Fällen ([X.] 48 bis 52, 60, 61), "beson-ders schwerer" sexueller Nötigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern und sexuellem Missbrauchen von [X.] in drei Fällen ([X.] 45, 47 und 59), schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von [X.] in fünf Fällen ([X.] 54 bis 58), sexueller Nötigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern und sexuellem Missbrauch von [X.] in 44 Fällen ([X.] 1 bis 43, 46) [X.] wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von [X.] in zwei Fällen ([X.] 44 und 53) zu einer Ge-samtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf die allgemeine Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
1. Der Angeklagte hat seine zu [X.] dreieinhalb Jahre lang sexuell missbraucht. Das [X.] hat 61 Taten [X.] und 54 der Missbrauchsfälle - weil es die Entscheidung des Senats vom 14. Februar 2005 (3 [X.]) noch nicht kennen konnte - auch als [X.] Nötigung bzw. Vergewaltigung unter Ausnutzen einer schutzlosen Lage (§ 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB) abgeurteilt. Diese Würdigung hält auf der Grundlage der Feststellungen rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Es bestehen bereits Bedenken, ob sich die Adoptivtochter - wie von § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB vorausgesetzt - jeweils objektiv in einer Lage befand, - 4 - in der sie der Einwirkung des Angeklagten schutzlos ausgeliefert war. Eine schutzlose Lage ist gegeben, wenn die Schutz- und Verteidigungsmöglichkei-ten des Opfers in einem solchen Maß verringert sind, dass es dem ungehemm-ten Einfluss des [X.] preisgegeben ist (vgl. [X.], 30; NStZ-RR 2003, 42, 44). Das ist durch die Feststellungen nicht belegt. Nach deren Zusammenhang geschahen die Taten im Wesentlichen in der im Obergeschoss eines Zweifamilienhauses gelegenen Familienwohnung, während die Ehefrau des Angeklagten abwesend war (Fälle [X.] 1 bis 43, 45, 48 bis 52, 59 bis 61). Eine schutzlose Lage ergibt sich aber nicht schon daraus, dass sich der Täter mit dem Opfer allein in einer Wohnung befindet. Vielmehr müssen weitere Umstände hinzutreten, wie die Einsamkeit der Wohnung, das Fehlen von Fluchtmöglichkeiten o. ä. (vgl. [X.]R StGB § 177 Abs. 1 Schutzlo-se Lage 7 m. w. N.; Tröndle/[X.], StGB 52. Aufl. § 177 Rdn. 29). Solche Umstände sind nicht festgestellt. Vielmehr hat sich während dieser Taten der [X.] des Angeklagten - drei Jahre jünger als die Adoptivtochter - in einem an-deren Raum der Wohnung aufgehalten. Soweit das [X.] ausführt, dass in den Fällen, in denen der Missbrauch im elterlichen Schlafzimmer stattfand, die Tür des Schlafzimmers stets "geschlossen (so im festgestellten Sachver-halt, [X.], 10) oder "verschlossen" (so in der rechtlichen Würdigung, [X.]) war, lässt dies die Möglichkeit offen, dass der Angeklagte lediglich die Zimmertüre ins Schloss gezogen hat, ohne dadurch für das Kind ein Hindernis zum Verlassen des Raumes zu errichten.
Ausreichende Feststellungen zur schutzlosen Lage fehlen auch im Fall [X.] 46. Hier fand der Missbrauch anlässlich eines Urlaubs des Angeklagten mit - 5 - beiden Kindern im gemeinsam benutzten Schlafraum einer Ferienwohnung statt.
b) Es ist zudem nicht belegt, dass der Angeklagte sein Tatopfer unter Ausnutzung der schutzlosen Lage - deren Vorliegen unterstellt - zur Duldung oder Vornahme sexueller Handlungen genötigt hat.
Nach Auffassung des Senats muss die auf die sexuelle Handlung bezo-gene Beugung des [X.] objektiv gerade durch die schutzlose Lage ge-fördert werden. Das Tatopfer muss dem Täter gegenüber von [X.], weil es diesen aufgrund des Ausgeliefertseins für sinnlos erachtet ([X.], [X.]. vom 14. Februar 2005 - 3 [X.]). Nach den Feststellungen hatte sich die Adoptivtochter gegen die Übergriffe "aus Angst" nicht gewehrt, "weil sie nicht wusste, wie der Angeklagte dann reagieren würde, also ob er insbesondere zornig reagieren würde" ([X.]). Danach war nicht die jeweili-ge Tatsituation sondern die Unsicherheit des Mädchens über die Reaktion des Angeklagten im Falle seiner Zurückweisung entscheidend dafür, dass es ent-gegen dem eigenen Willen dem sexuellen Verlangen des Angeklagten nach-kam. Nachdem sich der Angeklagte seit der Geburt um das Mädchen "wie ein Vater" gekümmert und es adoptiert hatte und in der Familie ein gutes Verhält-nis herrschte ([X.]), liegt es fern, dass die Adoptivtochter damit Körperver-letzungshandlungen oder gar Tötungshandlungen seitens des Angeklagten befürchtet hat (vgl. [X.]R StGB § 177 I Schutzlose Lage 5). Auch zur subjektiven Seite fehlen die erforderlichen Feststellungen. Das [X.] führt dazu (in der rechtlichen Würdigung) lediglich aus, dass der Angeklagte die Taten "jeweils mit Vorbedacht zu Zeiten begangen hat, zu de-- 6 - nen seine Ehefrau in der Wohnung nicht anwesend gewesen ist" ([X.]). Diese [X.] gehört zum regelmäßigen Erscheinungsbild des [X.] in familiären Nähesituationen und ersetzt nicht die Feststellung, dass der Angeklagte die Beugung des [X.] durch die schutzlose Lage erkannt und in seinen Vorsatz aufgenommen hat (vgl. [X.], [X.]. vom 9. August 2005 - 3 [X.]).
c) Nachdem die Feststellungen auf dem "glaubhaften Geständnis" ([X.]) des Angeklagten beruhen, schließt der Senat aus, dass in einer erneu-ten tatrichterlichen Verhandlung solche Feststellungen getroffen werden [X.], die eine Verurteilung nach § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB rechtfertigen, und [X.] deshalb den Schuldspruch. Dies führt - auch in den Fällen [X.] 60 und 61, in denen durch die Verwirklichung von § 176a Abs. 2 StGB ebenfalls ein Straf-rahmen von zwei bis fünfzehn Jahren zur Verfügung stand, die fehlerhafte An-nahme von § 177 StGB also nicht die [X.] beeinflusst hat - zur Aufhebung der Einzelstrafen.
2. In den übrigen Fällen ([X.] 44, 53 bis 58) ist der Schuldspruch ohne Rechtsfehler. Die Einzelstrafen können gleichwohl nicht bestehen bleiben, da sich in ihnen erkennbar die Beurteilung des Gesamtgeschehens - [X.] die Einordnung der anderen Taten als Verbrechen nach § 177 StGB - aus-gewirkt hat.
3. Der neue Tatrichter wird die Bedenken zu berücksichtigen haben, die der [X.] in seiner Antragsschrift gegenüber den bisherigen Strafzumessungserwägungen geäußert hat. Außerdem wird er bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 46 a StGB nicht nur die im Vergleichswege erfolgte - 7 - Selbstverpflichtung des Angeklagten zur Zahlung eines erheblichen Schmer-zensgelds ([X.]), sondern auch die - auch auf Initiative der Nebenklägerin zustande gekommenen - Kontakte zwischen Täter und Opfer zu würdigen ha-ben.
4. Die Fassung des Schuldspruchs in den Fällen [X.] 45, 47 und 59 der Urteilsgründe gibt Anlass zu folgendem Hinweis: Wenn der Tatrichter eine [X.] Nötigung (§ 177 Abs. 1 StGB) wegen sonstiger, nicht im Katalog des § 177 Abs. 2 Satz 2 StGB aufgeführter, Umstände als besonders schweren Fall beurteilt, kommt dies im Schuldspruch nicht zum Ausdruck. Der Grundsatz, dass [X.] nicht in den [X.] aufzunehmen sind ([X.] NStZ 1984, 262, 263; vgl. auch [X.] 1984, 988 f. jeweils m.w.N.; [X.]R StGB § 243 I 2 Nr. 3 - [X.] 1), findet nur für das schon durch die gesetzliche Überschrift besonders hervorgehobene Regelbei-spiel der Vergewaltigung nach § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB eine Durchbre-chung (vgl. [X.]R StGB § 177 Abs. 2 [X.] 10). [X.]

von [X.]

Hubert

Meta

3 StR 260/05

26.08.2005

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.08.2005, Az. 3 StR 260/05 (REWIS RS 2005, 2056)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 2056

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