Bundesgerichtshof, Urteil vom 02.07.2020, Az. 4 StR 678/19

4. Strafsenat | REWIS RS 2020, 942

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STRAFRECHT BUNDESGERICHTSHOF (BGH) SEXUELLER MISSBRAUCH SEXUALSTRAFRECHT SEXUELLE BELÄSTIGUNG

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Leitsatz

1. Der Begriff der schutzlosen Lage ist rein objektiv zu bestimmen; einer subjektiven Zwangswirkung der Schutzlosigkeit auf das Tatopfer bedarf es nicht.

2. Zum Begriff des „Ausnutzens“ im Sinne des § 177 Abs. 5 Nr. 3 StGB.

Tenor

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 3. September 2019 mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Auf die Revision der Nebenklägerin wird das vorbezeichnete Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben

a) im Fall [X.] der Urteilsgründe;

b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe sowie im Maßregelausspruch.

3. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden ist.

Die weiter gehende Revision wird verworfen.

4. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit sexuellem Übergriff und in einem Fall in Tateinheit mit sexueller Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Ferner hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet.

2

Mit ihren zuungunsten des Angeklagten eingelegten und auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen beanstanden die Staatsanwaltschaft sowie die Nebenklägerin die unterbliebene Verurteilung des Angeklagten wegen tateinheitlichen sexuellen Übergriffs unter Ausnutzung einer schutzlosen Lage im Sinne des § 177 Abs. 5 Nr. 3 StGB im Fall [X.] der Urteilsgründe; die Staatsanwaltschaft wendet sich darüber hinaus gegen einen zu geringen Schuldumfang im Fall [X.] der Urteilsgründe. Der Angeklagte wendet sich mit seinem auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten und auf die Sachrüge gestützten Rechtsmittel insbesondere gegen die Strafzumessung.

3

Das vom [X.] vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und die Revision der Nebenklägerin haben Erfolg. Die Revision des Angeklagten hat teilweise Erfolg und führt zur Aufhebung des [X.] (§ 64 StGB); im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet.

A.

4

Das [X.] hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

I.

5

1. An einem Nachmittag Mitte April 2018 begab sich der Angeklagte gemeinsam mit der ihm bekannten sechs Jahre alten [X.]    zu einem Einkaufsmarkt. Auf dem Weg dorthin lockte er das Kind unter dem Vorwand, seine Notdurft verrichten zu müssen, über eine steile, stark bewachsene Böschung hinweg auf ein im Abstand von wenigen Metern neben der Straße gelegenes, nicht einsehbares [X.] einer ehemaligen Molkerei. Er ging mit dem Mädchen in das leerstehende Gebäude hinein, zog [X.] und Unterhose des Kindes herab und rieb mit seinen Fingern an dessen nackter Scheide. Als [X.]    zu weinen begann und den Angeklagten bat, aufzuhören, forderte er sie zunächst auf, leise zu sein, und ließ schließlich von ihr ab. [X.]    zog sich an und beide verließen den [X.] (Fall [X.] der Urteilsgründe).

6

2. Das [X.] hat das Geschehen als Vergehen des sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Übergriff im Sinne der § 176 Abs. 1 und § 177 Abs. 1 StGB gewertet; die Verwirklichung des [X.] des § 177 Abs. 5 Nr. 3 StGB hat es mit der Begründung verneint, dass es an einer n Lage und auf Seiten des Opfers an der Kenntnis der n Lage fehle.

II.

7

1. Am 28. November 2018 gegen 13.30 Uhr beobachtete der Angeklagte, dass die ihm unbekannte acht Jahre alte [X.]vergeblich an ihrer Haustüre klingelte und sich, nachdem niemand öffnete, wartend auf die Treppenstufen vor dem [X.]ingang setzte. Er grüßte das Kind, stellte sich plötzlich hinter es, hob es hoch und hielt ihm mit einer Hand den Mund zu. Anschließend führte er das vor Schreck erstarrte Kind zu einer leerstehenden Ruine; dabei hielt er es an Schulter oder Rucksack fest und drohte dem Mädchen, dass er es töte, wenn es nicht leise sei und schreie oder sich wehre. Durch diese Drohung verängstigt leistete das Kind keinen Wi[X.]tand. Der Angeklagte hob das Kind durch eine Fensteröffnung in das Gebäudeinnere, stellte sich vor es und zog ihm [X.] und Unterhose herab; außerdem entblößte er sein eigenes Geschlechtsteil. Er zwang das Kind, sich auf den Boden zu legen und leckte an dessen Scheide. Anschließend „musste es aufstehen und sollte dem Angeklagten einen Kuss geben“. Das Mädchen weigerte sich; der Angeklagte gab ihm daraufhin einen Kuss, „wobei sie den Mund öffnen musste, damit er mit seiner Zunge ihre Zunge berühren konnte“. Auf Bitten des Kindes ließ der Angeklagte es schließlich gehen; dabei drohte er ihm erneut, es umzubringen, wenn es seinem Vater etwas erzähle. Das Kind kletterte aus der Fensteröffnung des Gebäudes und lief nach [X.] (Fall [X.] der Urteilsgründe).

8

2. Das [X.] hat die Tat des Angeklagten als sexuellen Missbrauch von Kindern in Tateinheit mit sexueller Nötigung im Sinne der § 176 Abs. 1, § 177 Abs. 1 und Abs. 5 Nr. 2 StGB (Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben) gewertet; die Verwirklichung der Begehungsvariante des § 177 Abs. 5 Nr. 3 StGB hat es abgelehnt, weil es an einer n Lage und einer darauf beruhenden Willensbeugung des Kindes fehle.

B.

9

Die unbeschränkt eingelegte und vom [X.] vertretene Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg und führt zuungunsten des Angeklagten zur Aufhebung beider Schuldsprüche; dies zieht die Aufhebung des gesamten Rechtsfolgenausspruchs nach sich.

I.

Das zuungunsten des Angeklagten eingelegte Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist zulässig erhoben. Zwar hat die Beschwerdeführerin nicht in der durch § 344 Abs. 1 StPO geforderten Weise ausdrücklich erklärt, inwieweit sie das Urteil anfechte und seine Aufhebung beantrage. Das Fehlen des [X.] ist jedoch unschädlich, weil der [X.] der [X.] das Anfechtungsziel im Wege der Auslegung zu entnehmen vermag. Die Staatsanwaltschaft beanstandet, dass das Tatgericht § 177 Abs. 5 StGB „auf die im Urteil festgestellten Sachverhalte unzutreffend angewandt“ und in beiden Fällen das Vorliegen einer schutzlosen Lage im Sinne des § 177 Abs. 5 Nr. 3 StGB ‒ im Fall [X.] zusätzlich die Anwendung von Gewalt im Sinne des § 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB – rechtsfehlerhaft verneint hat. Das Rechtsmittel richtet sich daher im Fall [X.] gegen den Schuldspruch und im Fall [X.] der Sache nach gegen den Strafausspruch. Die Rechtsmittelbeschränkung im Fall [X.] ist jedoch unwirksam, weil die den Schuldumfang betreffenden Umstände die Merkmale der Tat selbst betreffen und daher nicht losgelöst von ihr beurteilt werden können. Das Rechtsmittel ist daher als unbeschränkt eingelegt zu behandeln. Es hat Erfolg.

II.

Der Schuldspruch im Fall [X.] der Urteilsgründe unterliegt der Aufhebung, weil die Erwägungen, mit denen das [X.] die Verwirklichung des [X.] des § 177 Abs. 5 Nr. 3 StGB verneint hat, einer rechtlichen Überprüfung nicht standhalten. Das [X.] ist von einem zu engen Verständnis der durch das 50. Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 – [X.] I [X.]460 ff. – eingeführten Vorschrift des § 177 Abs. 5 Nr. 3 StGB ausgegangen.

Der Qualifikationstatbestand des § 177 Abs. 5 Nr. 3 StGB n.[X.] setzt voraus, dass der Täter bei einem sexuellen Übergriff im Sinne des § 177 Abs. 1 oder Abs. 2 StGB eine Lage ausnutzt, in der das Opfer seiner Einwirkung schutzlos ausgeliefert ist. Wie diese Begehungsalternative der mit einer Mindeststrafe von einem Jahr als Verbrechen konzipierten Qualifikation nach der Neufassung des § 177 StGB auszulegen ist, ist höchstrichterlich bislang nicht entschieden.

1. Die Qualifikation des § 177 Abs. 5 Nr. 3 StGB entspricht in objektiver Hinsicht inhaltlich der Begehungsalternative des Ausnutzens einer schutzlosen Lage in der durch das [X.] eingeführten Vorschrift des § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB a.[X.]

a) Die zur Auslegung dieser Tatalternative des § 177 Abs. 1 StGB a.[X.] ergangene Rechtsprechung des [X.] ging zunächst dahin, das Vorliegen einer schutzlosen Lage rein objektiv zu bestimmen und eine schutzlose Lage zu bejahen, wenn die Schutz- und Verteidigungsmöglichkeiten des [X.] in einem solchen Maße verringert sind, dass es dem „ungehemmten Einfluss des [X.] preisgegeben ist“. Diese Voraussetzungen hat die Rechtsprechung regelmäßig als gegeben angesehen, wenn sich das Opfer dem überlegenen Täter allein gegenübersieht und auf fremde Hilfe nicht rechnen kann (vgl. [X.], Urteil vom 3. November 1998 – 1 StR 521/98, [X.]St 44, 228, 232; [X.], Urteil vom 20. Oktober 1999 – 2 [X.], [X.]St 45, 253, 255). Von dieser rein objektiven Bestimmung der schutzlosen Lage ist der 2. Strafsenat des [X.] in einer späteren Entscheidung jedoch abgerückt und hat entschieden, dass der objektive Tatbestand des § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB a.[X.] erfordert, dass das [X.] selbst die Schutzlosigkeit seiner Lage erkennt und unter dem Eindruck seines schutzlosen Ausgeliefertseins aus Furcht vor möglichen Einwirkungen des [X.] auf einen ihm grundsätzlich möglichen Wi[X.]tand verzichtet ([X.], Urteil vom 25. Januar 2006 – 2 [X.], [X.]St 50, 359, 368). Dieses zusätzliche Erfordernis einer subjektiven Zwangswirkung der Schutzlosigkeit auf das [X.] war der früheren Gesetzeslage geschuldet. Zur Verwirklichung sämtlicher Tatbestandsalternativen des § 177 Abs. 1 StGB a.[X.] war tatbestandlich eine nötigende Einwirkung des [X.] vorausgesetzt, die bei einem Ausnutzen der Schutzlosigkeit nur denkbar war, wenn das Opfer die tatsächlichen Umstände seiner spezifischen Zwangslage – die Schutzlosigkeit – erkennt und gerade deshalb von Wi[X.]tand absieht ([X.], Urteil vom 25. Januar 2006 – 2 [X.], [X.]St 50, 359, 368).

b) Nach der neuen Gesetzeslage bedarf es dieser einschränkenden Auslegung auf der objektiven Tatbestandsebene nicht mehr, weil § 177 Abs. 5 StGB eine Nötigung des [X.] nicht mehr voraussetzt. Sowohl nach dem Wortlaut der Norm als auch nach der Intention des Gesetzgebers und der Gesetzessystematik ist deshalb für die Verwirklichung des objektiven Tatbestands des § 177 Abs. 5 Nr. 3 StGB allein die objektive Schutzlosigkeit des [X.] ausreichend. Objektiv liegt – entsprechend der anfänglichen Rechtsprechung des [X.] zu § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB a.[X.] - eine schutzlose Lage daher in der Regel vor, wenn sich das Opfer dem überlegenen Täter allein gegenübersieht und auf fremde Hilfe nicht rechnen kann. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn nach zusammenfassender Bewertung die Möglichkeiten des [X.], mit Gewalt auf das Opfer einzuwirken, größer sind als die Möglichkeiten des [X.], sich solchen Einwirkungen des [X.] mit Erfolg zu entziehen, ihnen erfolgreich körperlichen Wi[X.]tand entgegenzusetzen oder die Hilfe Dritter zu erlangen (zu § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB a.[X.] vgl. [X.], Urteil vom 21. Dezember 2005 – 2 StR 245/05, [X.]R StGB § 177 Abs. 1 Schutzlose Lage 10; Beschluss vom 20. Oktober 2011 – 4 StR 396/11, [X.], 209, 210). Eine gänzliche Beseitigung jeglicher Verteidigungsmöglichkeiten ist nicht vorausgesetzt (vgl. [X.], Urteil vom 3. November 1998 – 1 StR 521/98, [X.]St 44, 228, 232; Urteil vom 20. Oktober 1999 – 2 [X.], [X.]St 45, 253, 255). Erforderlich ist schließlich auch nicht, dass der Täter die schutzlose Lage des Opfers herbeigeführt hat (st. Rspr.; vgl. nur [X.], aaO, [X.]St 45, 253, 257).

Zur Ausfüllung des objektiven Tatbestands kann daher insoweit auf die frühere Rechtsprechung des [X.] zurückgegriffen werden. Es bedarf zur Feststellung einer schutzlosen Lage weiterhin insbesondere einer Gesamtwürdigung aller tatbestandsspezifischen äußeren Umstände und persönlichen Voraussetzungen von Täter und Opfer im Einzelfall. Weder einzelne äußere Umstände als solche (wie etwa die Abgeschiedenheit des [X.] oder die Tatzeit) noch einzelne Gegebenheiten in der Person des [X.] oder des [X.] (wie etwa die körperliche Verfassung, Leistungsfähigkeit oder das Alter) erlauben für sich genommen die abschließende Beurteilung, ob die Lage des Opfers sich als schutzlos gegenüber möglichen Gewalteinwirkungen des [X.] darstellt.

c) Dieses Tatbestandsverständnis ergibt sich aus Folgendem:

aa) Im Zentrum des durch das 50. Strafrechtsänderungsgesetz reformierten Sexualstrafrechts steht die sexuelle Selbstbestimmung. Sie soll nach dem Willen des Gesetzgebers umfassend mit den Mitteln des Strafrechts geschützt werden (vgl. BT-Drucks. 18/9097 [X.]). Zentrales Element der sexuellen Selbstbestimmung ist der Wille des Opfers, selbst über das „ob“, „wann“ und „wie“ eines sexuellen Kontakts zu bestimmen. Bezugspunkt des strafrechtlichen Vorwurfs ist deshalb nicht mehr die Beugung des [X.] im Sinne einer Nötigung (so ausdrücklich BT-Drucks 18/9097, [X.]), sondern die Missachtung des erkennbar entgegenstehenden Willens des Opfers durch den Täter (vgl. [X.]/[X.], [X.], 155, 156, 158). Zur Erreichung des beabsichtigten „Paradigmenwechsels“ im Sexualstrafrecht ist gemäß § 177 Abs. 1 StGB n.[X.] die bloße Verletzung des Willens des [X.] nunmehr strafbewehrt (vgl. [X.], Beschluss vom 20. Februar 2020 – 5 [X.] Rn. 5). Eine Nötigung ist daher – entgegen der früheren Rechtslage (vgl. § 177 Abs. 1 StGB a.[X.]) ‒ grundsätzlich nicht mehr vorausgesetzt. Dieser gesetzgeberische Wille hat im Gesetzeswortlaut eindeutigen Nie[X.]chlag gefunden. Lediglich der Grundtatbestand des § 177 Abs. 2 Nr. 5 StGB, der eine Nötigung des Opfers durch Drohung mit einem empfindlichen Übel voraussetzt, erfordert noch eine „Nötigung“ des [X.] im Sinne einer Willensbeugung. In allen anderen Varianten der [X.] des § 177 Abs. 1 und Abs. 2 StGB genügt ein Handeln gegen den erkennbaren Willen des Opfers oder ein Handeln unter Ausnutzung bestimmter Umstände, die einer (freien) Willensbildung oder Willensäußerung des Opfers entgegenstehen. Auch im Rahmen des [X.] des § 177 Abs. 5 StGB ist bei allen Begehungsalternativen eine Nötigung des [X.] – an[X.] als nach § 177 Abs. 1 StGB a.[X.] – auch nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nicht mehr erforderlich. Eine einschränkende Auslegung des objektiven Tatbestandes des § 177 Abs. 5 Nr. 3 StGB kann daher nicht mehr aus dem Erfordernis einer nötigenden Einwirkung des [X.] auf das [X.] hergeleitet werden.

bb) Der [X.] vermag auch anderweitige Gründe nicht zu erkennen, die einer rein objektiven Bestimmung der Lage schutzlosen Ausgeliefertseins iSd § 177 Abs. 5 Nr. 3 StGB entgegenstehen und eine einschränkende Auslegung dahin erfordern könnten, dass es weiterhin eines Nötigungszusammenhangs zwischen Schutzlosigkeit und Vornahme bzw. Duldung einer sexuellen Handlung bedarf oder sich das [X.] jedenfalls des Umstandes seiner Schutzlosigkeit gegenüber gewalttätigen Einwirkungen des [X.] bewusst sein muss und diese Lage deshalb als Zwangswirkung wahrnimmt. Der in der Literatur vertretenen abweichenden Meinung folgt der [X.] nicht.

(1) Zwar ist auch nach überwiegender Ansicht in der Literatur für § 177 Abs. 5 StGB eine Nötigung des [X.] nicht mehr erforderlich (vgl. Fischer, StGB, 67. Aufl., Rn. 61, 74, 82; [X.]/[X.] StGB, 2. Aufl., § 177 Rn. 84; [X.], in [X.]/[X.] StGB, 30. Aufl., Rn. 85, 93; [X.]. in [X.] 2017, 7, 22; [X.] in von [X.] StGB, 3. Aufl., § 177 Rn. 32, 36; [X.]/Heger, StGB, 29. Aufl., § 177 Rn. 16; BeckOK-StGB/[X.], 46. Edition, § 177 Rn. 42; [X.] in Dölling/[X.]/[X.]/[X.], Gesamtes Strafrecht, 4. Aufl., § 177 Rn. 9, 11; [X.], [X.], 157, 160; wohl auch [X.] StGB/[X.], 5. Aufl., § 177 Rn. 119; [X.] StGB/[X.], 3. Aufl., § 177 Rn. 58); eine Verwirklichung der qualifizierenden Merkmale „gelegentlich“ einer Tat im Sinne des § 177 Abs. 1 oder 2 StGB genügt vielmehr (vgl. Fischer, StGB, 67. Aufl., § 177 Rn. 61, 74, 82). Im Rahmen des § 177 Abs. 5 Nr. 3 StGB wird dennoch eine subjektive Zwangswirkung der schutzlosen Lage auf das [X.] für erforderlich erachtet (vgl. Fischer, StGB, 67. Aufl., § 177 Rn. 88, 99, 102; [X.]. in: [X.]/Dessecker, Sexuelle Gewalt als Herausforderung für Gesellschaft und Recht, 2017, [X.], 63 zu § 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB; [X.]/[X.], StGB, 2. Aufl., § 177 Rn. 84; [X.] in [X.]/[X.] StGB, 30. Aufl., § 177 Rn. 89; [X.]. in [X.] 2017, 7, 22; [X.]/Heger StGB, 29. Aufl., § 177 Rn. 16; BeckOK StGB/[X.], 46. Edition, StGB § 177 Rn. 43; [X.] StGB/[X.], 3. Aufl. § 177 Rn. 58).

(2) Diese Auffassung findet weder im Wortlaut der Norm eine Stütze noch lässt sie sich aus den Gesetzesmaterialien herleiten.

Zwar verweisen die Gesetzesmaterialien – ohne nähere Begründung – im Rahmen des § 177 Abs. 5 Nr. 3 StGB darauf, dass das „Opfer davon ausgehen“ müsse, „dass es mit [X.] oder Tötungsdelikten zu rechnen hat, wenn es sich gegen die sexuelle Handlung wendet“. Teile der Literatur greifen diesen Hinweis auf und fordern unter Berufung auf den gesetzgeberischen Willen für die Verwirklichung der Begehungsweise des § 177 Abs. 5 Nr. 3 StGB sogar – noch weiter gehend – eine Nötigung des [X.] bzw. einen Finalzusammenhang zwischen schutzloser Lage und sexuellem Übergriff (vgl. [X.]/[X.]/[X.], 9. Aufl., § 177 Rn. 68 [willensbeugende „Bedrohlichkeit“ der Tatumstände]; SSW/[X.], 4. Aufl., § 177 Rn. 65 [„nötigungsähnlich“]; MünchKomm-StGB/[X.], 3. Aufl., § 177 n.[X.] Rn. 129).

Diese unter strafrechtsdogmatischen Gesichtspunkten tatsächlich auf das Erfordernis einer Beugung des [X.] im Rahmen einer Nötigung hindeutende Erwägung des Gesetzgebers vermag aber die Annahme nicht zu rechtfertigen, dass der Gesetzgeber entgegen seinem erklärten Willen, das [X.] aufzugeben, für die Begehungsvariante des § 177 Abs. 5 Nr. 3 StGB am Erfordernis einer Nötigung festhalten wollte. Der Hinweis, das Opfer müsse davon ausgehen, dass es mit [X.] oder gar Tötungsdelikten zu rechnen habe, wenn es sich gegen die sexuelle Handlung wende, und die erläuternd aufgeführten Beispiele sind ersichtlich den Gesetzesmaterialien zu der durch das [X.] eingeführten Vorschrift des § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB a.[X.] entlehnt. Nach dem Willen des Gesetzgebers des [X.]es sollte die zur Schließung von Schutzlücken in § 177 Abs. 1 StGB a.[X.] konzipierte Begehungsvariante insbesondere Fälle erfassen, in denen das [X.] „starr vor Schreck oder aus Angst vor der Anwendung von Gewalt durch den Täter“ dessen sexuelle Handlungen über sich ergehen lässt und „nur deshalb auf Wi[X.]tand verzichtet, weil es sich in einer hilflosen Lage befindet und Wi[X.]tand gegen den überlegenen Täter aussichtslos erscheint“ (vgl. BT-Drucks. 13/7324 [X.]). Diese in das damalige [X.] stimmig eingebetteten Erläuterungen fügen sich in das neue gesetzliche Schutzkonzept nicht wi[X.]pruchsfrei ein. Der Gesetzgeber des 50. Strafrechtsänderungsgesetzes hat bewusst darauf verzichtet, die Strafbarkeit an einen etwaigen Wi[X.]tand des [X.] anzuknüpfen (vgl. BT-Drucks. 18/8210 S. 1, 8; BT-Drucks. 18/9097 [X.], 26; siehe auch [X.]/[X.], [X.], 155, 156). Der aus den Materialien ersichtliche Hinweis, der im Gesetzestext keinen Nie[X.]chlag gefunden hat, vermag daher keine Einschränkung des objektiven Tatbestands dahin zu rechtfertigen, dass zur Verwirklichung des § 177 Abs. 5 Nr. 3 StGB weiterhin eine subjektive Zwangswirkung der schutzlosen Lage auf das [X.] erforderlich ist.

cc) Auch systematische Erwägungen streiten gegen das Erfordernis einer subjektiven Zwangswirkung der schutzlosen Lage auf das [X.] als Voraussetzung des objektiven Tatbestands des § 177 Abs. 5 Nr. 3 StGB:

(1) Der [X.] hat bereits entschieden, dass für die Verwirklichung des [X.] des § 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB – dem gesetzlichen Schutzkonzept entsprechend, jede Missachtung des entgegenstehenden erkennbaren Willens des [X.] zu pönalisieren – der nötigende Einsatz von Gewalt nicht erforderlich ist; es genügt, dass der Täter zwischen [X.] und Beendigung des sexuellen Übergriffs Gewalt gegen das [X.] anwendet [X.] zwischen Gewaltanwendung und Vornahme bzw. Duldung der sexuellen Handlung bedarf es nicht (vgl. [X.], Beschluss vom 10. Oktober 2018 – 4 [X.], [X.]St 63, 220, 225). Da die Begehungsvarianten des § 177 Abs. 5 StGB nach dem Gesetzeswortlaut und dem Willen des Gesetzgebers ersichtlich weiterhin als gleichwertig konzipiert sind, erscheint es aus systematischen Gründen folgerichtig, auch im Anwendungsbereich des § 177 Abs. 5 Nr. 3 StGB auf das Erfordernis einer subjektiven Zwangswirkung der schutzlosen Lage auf das Opfer zu verzichten.

(2) Darüber hinaus würde eine einschränkende Auslegung dahin, dass der Tatbestand über seinen Wortlaut hinaus eine subjektive Zwangswirkung auf das [X.] erfordert, dazu führen, dass die vom Gesetzgeber ersichtlich für alle sexuellen Übergriffe des § 177 Abs. 1 und Abs. 2 StGB konzipierte Qualifikation (so ausdrücklich BT-Drucks. 18/9097 [X.]8 unter Bezugnahme auf § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB n.[X.]; siehe auch [X.] StGB/Lederle, 3. Aufl., § 177 Rn. 16) auf die [X.] des § 177 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 StGB, in denen das Opfer aus unterschiedlichen Gründen nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden, keine Anwendung fände.

dd) Einer rein objektiven Bestimmung der schutzlosen Lage im Sinne des § 177 Abs. 5 Nr. 3 StGB kann auch nicht entgegengehalten werden, dass der Verzicht auf das Erfordernis einer subjektiven Zwangswirkung in Fällen, in denen [X.] ein Kind ist, regelmäßig dazu führen würde, dass auch eine schutzlose Lage im Sinne des § 177 Abs. 5 Nr. 3 StGB zu bejahen wäre und die Grenzen zu den Missbrauchstatbeständen der §§ 176, 176a StGB fließend würden.

Die Straftatbestände der §§ 176, 176a StGB einerseits und der Straftatbestand des § 177 StGB andererseits schützen unterschiedliche Rechtsgüter. Während die §§ 176 ff. StGB dem Schutz der ungestörten sexuellen Entwicklung von Kindern dienen (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 24. September 1991 – 5 StR 364/91, [X.]St 38, 68, 69), bezweckt § 177 StGB demgegenüber den Schutz der sexuellen Selbstbestimmung; der Einzelne soll frei über das „ob“, „wann“ und „wie“ eines sexuellen Kontakts entscheiden können (vgl. [X.]/Weigend, [X.], 182, 183). Schon diese unterschiedliche Schutzrichtung steht der Auffassung, es handele sich bei beiden Normenkomplexen um „Missbrauchstatbestände“, deren Anwendungsfelder sich voneinander abgrenzen lassen müssten, entgegen.

Darüber hinaus galt auch nach der bisherigen Rechtsprechung, an der festzuhalten ist, dass die grundsätzlich bestehende körperliche Unterlegenheit eines Kindes gegenüber einem erwachsenen Täter für sich genommen zur Annahme einer schutzlosen Lage nicht genügt, es vielmehr einer Gesamtwürdigung aller Umstände bedarf (vgl. [X.], Urteil vom 30. März 2016 – 2 [X.], [X.], 202, 203 zu § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB a.[X.]). Nichts anderes gilt für die Abgrenzung des § 177 Abs. 5 Nr. 3 StGB von den [X.] des § 177 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 StGB. Auch die in diesen Tatbeständen vorausgesetzten, zu einer Einschränkung der Willensbildung oder Willensäußerung führenden Umstände sind allein nicht geeignet, eine schutzlose Lage in objektiver Hinsicht zu begründen.

ee) Schließlich spricht auch der Sinn und Zweck der Qualifikation des § 177 Abs. 5 Nr. 3 StGB dafür, das schutzlose Ausgeliefertsein des [X.] objektiv zu bestimmen. Der umfassende Schutz der sexuellen Selbstbestimmung wird ausweislich des gesetzlichen Schutzkonzepts durch den Verzicht auf ein nötigendes Element verwirklicht. Der in der Strafdrohung mit einer Mindeststrafe von einem Jahr zum Ausdruck kommende erhöhte Unrechtsgehalt gegenüber den [X.]n findet seine Rechtfertigung in dem unrechtserhöhenden Umstand, dass sich der Täter die schutzlose Lage seines [X.] bewusst zunutze macht, und gerät weder in Konflikt mit dem verfassungsrechtlichen Schuldprinzip noch dem Übermaßverbot. Nach der gesetzgeberischen Wertentscheidung, die sich innerhalb des weiten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums im Bereich des Strafrechts bewegt, wiegt dieser Eingriff in das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung schwer und rechtfertigt (auch) die erhöhte Strafdrohung des § 177 Abs. 5 StGB.

2. Der Täter nutzt die schutzlose Lage im Sinne des § 177 Abs. 5 Nr. 3 StGB aus, wenn er diese erkennt und sich zur Begehung des sexuellen Übergriffs zunutze macht (vgl. [X.], Urteil vom 13. Februar 2019 – 2 StR 301/18, [X.]St 64, 55 Rn. 28 zu § 177 Abs. 2 Nr. 3; Beschlussempfehlung und Bericht des [X.] vom 6. Juli 2016, BT-Drucks. 18/9097, [X.]3 zu § 177 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 StGB). Dabei genügt, dass der Täter die schutzlose Lage in dem Sinne zur Bedingung seines Handelns macht, dass er die (objektive) Schutzlosigkeit des [X.] in ihrer Bedeutung für sein Vorhaben erkennt, ihm also bewusst ist, dass die schutzlose Lage den sexuellen Übergriff ermöglicht oder jedenfalls erleichtert, und er sich dies bewusst zunutze macht. In subjektiver Hinsicht genügt insoweit bedingter Vorsatz (vgl. [X.], aaO, [X.]St 64, 55, Rn. 28; siehe auch [X.], Beschluss vom 18. November 2015 – 4 [X.], [X.], 78, 79 zu § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB a.[X.]).

3. Gemessen hieran halten die Erwägungen, mit denen das [X.] im Fall [X.] den Qualifikationstatbestand des § 177 Abs. 5 Nr. 3 StGB abgelehnt hat, rechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Entgegen der Auffassung des [X.]s bedarf es keiner nötigenden Einwirkung oder einer subjektiven Zwangswirkung der schutzlosen Lage auf das [X.].

b) Soweit das [X.] zudem das objektive Bestehen einer schutzlosen Lage mit dem Hinweis darauf verneint hat, dass „keine Anhaltspunkte“ dafür bestünden, dass der Angeklagte das abgelegene [X.] aussuchte, „um die dadurch geschaffene […] schutzlose Lage bewusst zur Begehung der Tat auszunutzen“, hat es zudem verkannt, dass der objektive Tatbestand des § 177 Abs. 5 Nr. 3 StGB nicht voraussetzt, dass der Täter die Lage schutzlosen Ausgeliefertseins geschaffen hat. Die Qualifikation ist nicht auf Fälle der „Entführung“ des [X.] durch den Täter beschränkt. Darüber hinaus steht die im Rahmen der rechtlichen Würdigung angestellte Erwägung nicht in Einklang mit den Feststellungen; danach „lockte“ der Angeklagte das Kind unter dem – ersichtlich wahrheitswidrigen – Vorwand, seine Notdurft verrichten zu müssen, über eine Böschung hinweg, die es nicht ohne seine Hilfe zu überwinden vermochte, in das abgelegene Gebäude.

c) Soweit das [X.] trotz der Abgelegenheit des Orts und des Umstands, dass das Opfer den Weg dorthin nicht ohne Hilfe des Angeklagten bewältigen konnte, auch deshalb Zweifel am Vorliegen einer schutzlosen Lage angemeldet hat, weil nicht habe festgestellt werden können, „ob jemand Rufe oder Schreie hätte hören und eingreifen können“, fehlt es an tragfähigen Feststellungen, dass Hilfe durch schutzbereite Dritte tatsächlich erreichbar gewesen wäre (vgl. [X.], Urteil vom 2. Oktober 2002 – 2 [X.], [X.], 42, 44).

III.

Zwar hält der Schuldspruch im Fall [X.] der Urteilsgründe rechtlicher Überprüfung stand, soweit das [X.] angenommen hat, dass der Angeklagte das Opfer zur Duldung der sexuellen Handlungen nötigte, indem er ihm drohte, es zu töten, wenn es sich wehre (§ 177 Abs. 5 Nr. 2 StGB). Die Feststellungen hätten jedoch zur Prüfung der Frage drängen müssen, ob der Angeklagte auch die Tatvarianten der § 177 Abs. 5 Nr. 1 und Nr. 3 StGB verwirklicht hat.

a) Soweit das [X.] die Voraussetzungen des § 177 Abs. 5 Nr. 3 StGB verneint hat, beruhen seine Erwägungen ebenfalls auf einem zu engen Verständnis des [X.]. Das [X.] hat auch hier lediglich darauf verwiesen, dass nicht habe festgestellt werden können, „ob zur Tatzeit am helllichten Tag jemand in Rufweite gewesen wäre“. Insoweit hat es ebenfalls verkannt, dass die bloße – hier nicht festgestellte - Anwesenheit eines [X.] die Schutzlosigkeit der Lage nicht beseitigt; erforderlich ist vielmehr, dass der Dritte auch schutzbereit ist.

b) Darüber hinaus hat das [X.] nicht geprüft, ob der Angeklagte während der sexuellen Übergriffe auf das Kind Gewalt im Sinne des § 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB anwandte, obwohl hierzu nach den Feststellungen Anlass bestand.

Der Angeklagte bemächtigte sich des [X.], indem er es in die Höhe hob, ihm den Mund zuhielt und das Kind – an Schulter oder Rucksack festhaltend – zum [X.] führte. Dort „zwang“ er es, sich auf den Boden zu legen. Diese Feststellungen hätten zur Prüfung der Frage drängen müssen, ob hierin (auch) eine Gewaltanwendung im Sinne des § 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB liegt (vgl. [X.], Beschluss vom 10. Oktober 2018 – 4 [X.], [X.]St 63, 220).

c) Das Urteil beruht auf diesen [X.]. § 177 Abs. 5 Nr. 1 und Nr. 3 StGB treten nicht im Wege der [X.] hinter § 177 Abs. 5 Nr. 2 StGB zurück, sondern stehen gleichrangig nebeneinander ([X.], Urteil vom 9. Januar 2020 – 5 [X.], Rn. 45; Beschlüsse vom 10. Oktober 2018 – 4 [X.], [X.], 516, 518; vom 12. Januar 2011 – 1 [X.], [X.], 274; Urteil vom 3. November 1998 – 1 StR 521/98, [X.]St 44, 228, 230).]

[X.]

Die zulässige Revision der Nebenklägerin, die den Schuldspruch im Fall [X.] der Urteilsgründe angreift und die unterlassene Verurteilung des Angeklagten wegen sexuellen Übergriffs unter Ausnutzung einer schutzlosen Lage beanstandet, hat Erfolg. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die obigen Ausführungen verwiesen. Dies führt zur Aufhebung des Schuldspruchs im Fall [X.] der Urteilsgründe, sowie zur Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe und zieht die Aufhebung des [X.] nach sich.

D.

Die wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision des Angeklagten hat teilweise Erfolg und führt zur Aufhebung des Urteils, soweit die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) angeordnet worden ist. Im Übrigen ist das Rechtsmittel aus den Gründen der Antragsschrift des [X.]s unbegründet.

Der [X.] hat keinen Bestand. Die Anordnungsvoraussetzungen sind nicht tragfähig belegt.

I.

Nach den Feststellungen konsumierte der 1995 geborene Angeklagte seit etwa drei Jahren in unregelmäßigen Abständen Cannabis und Crystal Meth; für den Erwerb der Drogen wandte er einen Teil seines [X.] auf. Seit Beginn der Untersuchungshaft besteht Abstinenz. Das [X.] hat unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Sachverständigen, wonach der Drogenkonsum des Angeklagten im Tatzeitraum „alltagsbestimmend“ und die Drogenabhängigkeit „ursächlich für die Begehung der Taten gewesen“ sei, weil der Drogenkonsum „enthemmend und katalysierend auf den Angeklagten eingewirkt“ habe, die Anordnungsvoraussetzungen eines Hangs sowie eines symptomatischen Zusammenhangs zwischen Hang und den [X.] bejaht.

II.

Auf der Grundlage dieser Urteilsausführungen ist weder ein Hang im Sinne des § 64 StGB noch ein symptomatischer Zusammenhang tragfähig belegt.

Das Tatgericht hat sich dem Gutachten des Sachverständigen angeschlossen, ohne die wesentlichen Anknüpfungstatsachen des Gutachtens wiederzugeben, auf denen die sachverständige Wertung beruht, dass der Drogenkonsum im Tatzeitraum „alltagsbestimmend“ gewesen sei. Angesichts der Feststellungen, der Angeklagte habe „in unregelmäßigen Abständen“ Drogen konsumiert, versteht sich diese sachverständige Wertung nicht von selbst und hätte daher näherer Erläuterung bedurft. Gleiches gilt für die in den Urteilsgründen mitgeteilte sachverständige Wertung, der Drogenkonsum sei mitursächlich für die jeweilige Tatbegehung gewesen, weil der [X.] „enthemmend und katalysierend“ auf den Angeklagten gewirkt habe. Auch diese Wertung ist ohne Mitteilung der für die sachverständige Wertung maßgeblichen Anknüpfungstatsachen, die der [X.] den Urteilsgründen auch unter Berücksichtigung ihres Gesamtzusammenhangs nicht zu entnehmen vermag, nicht nachvollziehbar.

Sost-Scheible     

      

Quentin     

      

Bartel

      

Sturm     

      

[X.]     

      

Meta

4 StR 678/19

02.07.2020

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Halle (Saale), 3. September 2019, Az: 4 KLs 4/19

§ 177 Abs 5 Nr 3 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 02.07.2020, Az. 4 StR 678/19 (REWIS RS 2020, 942)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 942

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