Bundespatentgericht, Urteil vom 08.12.2022, Az. 7 Ni 26/20 (EP)

7. Senat | REWIS RS 2022, 9779

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Gegenstand

Patentnichtigkeitssache – „Steuersystem für ein persönliches Mobilitätsfahrzeug mit programmierbar auf Ausgabefunktionen abgebildeten Eingabefunktionen“ – mangelnde Patentfähigkeit – Bestimmung des Schutzbereichs – keine erfinderische Tätigkeit


Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent 1 687 711

([X.] 60 2004 028 398)

hat der 7. Senat (Nichtigkeitssenat) des [X.] auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 8. Dezember 2022 durch die Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin [X.] sowie [X.], Dipl. Phys. [X.] und Dipl.-Phys. Dr. Städele

für Recht erkannt:

[X.] Das [X.] Patent 1 687 711 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] für nichtig erklärt.

I[X.] Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

II[X.] [X.] ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Nichtigerklärung des auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] erteilten [X.] Patents 1 687 711 (im Folgenden: Streitpatent). Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des in [X.] Verfahrenssprache erteilten Streitpatents, das am 12. Oktober 2004 angemeldet worden ist und die Priorität aus der [X.] vom 22. Oktober 2003 beansprucht. Es trägt die Bezeichnung „Personal mobility vehicle control system with input functions programmably mapped to output functions“ (Steuersystem für ein persönliches Mobilitätsfahrzeug mit programmierbar auf Ausgabefunktionen abgebildeten Eingabefunktionen) und wird beim [X.] unter der Nummer 60 2004 028 398 geführt. Das Streitpatent umfasst in der erteilten Fassung 35 Patentansprüche, die sämtlich angegriffen sind. Patentanspruch 1 und die darauf rückbezogenen Ansprüche 2 bis 13 beziehen sich auf ein elektronisches Steuerungssystem für ein individuelles Mobilitätsfahrzeug, Patentanspruch 19 und die darauf rückbezogenen Ansprüche 20 bis 35 auf ein Verfahren zum Abbilden von [X.] eines individuellen [X.] auf Ausgaben. Der formal nebengeordnete, auf ein „Individuelles Mobilitätsfahrzeug“ gerichtete Patentanspruch 14 mit seinen [X.]n 15 bis 18 ist auf Anspruch 1 zurückbezogen („umfassend: ein Steuerungssystem nach Anspruch 1“).

2

Die unabhängigen Patentansprüche 1 und 19 lauten in der [X.] wie folgt:

3

1. An [X.] (10) for a personal mobility vehicle, [X.] (10) comprising:

4

a memory (38) in [X.] is embedded;

5

a programmable processor (36);

6

at least one input device (12,22, 24) in the form of a switched input or an analog input;

7

and

8

at least two outputs (14,16,18,20), characterized in that

9

the input device (12, 22, 24) is adapted to be programmably mapped to one of the at least two outputs (14, 16, 18, 20) according to a user’s preferences, such that

the software is configured so that instructions, which direct the operation of the [X.] (10) to perform each operation and accessory function that the vehicle is capable of performing, are associated with the desired input device (12,22 24) in [X.] (36) can change the mapping of the input device to control another output, wherein

an output is in the form of a desired control module of the vehicle.

19. A method for mapping personal mobility vehicle input devices to outputs, the method comprising the step of:

a) providing a personal mobility vehicle (60) having input devices, outputs, and a programmable processor (36) for performing operations or control functions of the outputs in [X.] (12,22,24) characterized in that the method further comprises the steps of

b) selecting a desired input device (62);

c) assigning an [X.] (64);

and

d) programmably mapping the assigned operation or control function (66) to an output according to a user’s preferences, such that the mapping of the desired input device to control the output can be changed to control another output, wherein an output is in the form of a desired control module of the vehicle.

Die [X.] Übersetzung der unabhängigen Ansprüche lautet gemäß der Streitpatentschrift wie folgt (mit Korrektur eines Schreibfehlers in Patentanspruch 1 und 19, s. Unterstreichung):

1. Elektronisches Steuerungssystem (10) für ein individuelles Mobilitätsfahrzeug, umfassend:

einen Speicher (38), in den eine Software eingebettet ist,

einen programmierbaren [X.] (36),

zumindest eine Eingabevorrichtung (12,22,24) in der Form einer Schaltereingabe oder einer Analogeingabe und

zumindest zwei Ausgaben (14, 16, 18, 20), dadurch gekennzeichnet, dass die Eingabevorrichtung (12, 22, 24) so gestaltet ist, dass sie programmierbar auf eine der mindestens zwei Ausgaben (14, 16, 18, 20) entsprechend den Prioritäten eines Benutzers abgebildet werden kann, sodass

die Software so konfiguriert ist, dass Anweisungen, die den Betrieb des elektronischen Steuerungssystems (10) regeln, um jeden Vorgang und jede Zusatzfunktionen auszuführen, die das Fahrzeug auszuführen in der Lage ist, der gewünschten Eingabevorrichtung (12, 22 24) zugeordnet werden, indem der [X.] (36) das Abbilden der Eingabevorrichtung ändern kann, um einen anderen Ausgang zu steuern, wobei eine Ausgabe die Form eines gewünschten Steuerungsmoduls des Fahrzeugs aufweist.

19. Verfahren zum Abbilden von [X.] eines individuellen [X.] auf Ausgaben, umfassend folgende Schritte:

a) Bereitstellen eines individuellen [X.] (60) mit [X.] und Ausgaben und eines programmierbaren [X.]s (36) zum Ausführen von Vorgängen bzw. Steuerungsfunktionen der Ausgaben in Reaktion auf Signale der [X.] (12, 22, 24), dadurch gekennzeichnet dass das Verfahren ferner folgende Schritte umfasst:

b) Auswählen einer gewünschten Eingabevorrichtung (62),

c) Zuweisen eines Vorgangs bzw. einer Steuerungsfunktion an die gewünschte Eingabevorrichtung (64),

und

d) programmierbares Abbilden des zugewiesenen Vorgangs bzw. der zugewiesenen Steuerungsfunktion (66) auf eine Ausgabe entsprechend den Präferenzen eines Benutzers, sodass das Abbilden der gewünschten Eingabevorrichtung zum Steuern der Ausgabe geändert werden kann, um eine andere Ausgabe zu steuern, wobei eine Ausgabe die Form eines gewünschten Steuerungsmoduls des Fahrzeugs aufweist.

Wegen des Wortlauts des formal nebengeordneten Anspruchs 14 sowie der [X.] 2 bis 13, 15 bis 18 und 20 bis 35 wird auf die [X.] Bezug genommen.

Die Klägerin macht die Nichtigkeitsgründe der mangelnden Patentfähigkeit und der mangelnden Ausführbarkeit geltend, letztere nur in Bezug auf den [X.] (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2 [X.] [X.] Art. 138 Abs. 1 Buchst. a und b, Art. 54, 56 EPÜ).

Sie reicht zur Stützung ihres Vorbringens u. a. folgende Druckschriften ein:

[X.] ([X.]) [X.] 93 / 22 151 A1

[X.] ([X.]) [X.] 5 961 561 A

[X.] ([X.]) EP 0 345 785 A2

[X.] ([X.]) [X.] 93 / 07 726 A1

NK17 [X.] 5 016 003

[X.] Wikipedia-Artikel „Bildungsorientierte Programmiersprachen“

NK19 Lewis, [X.]: „[X.]“. In: [X.], 2003, 10. Jg., [X.], Seiten 73f.

NK20 Willyard, [X.]: „[X.] in Every Practice?“. In: [X.], 2000, 7. Jg., Nr. 7(8), Seiten 59f.

NK21 Webster, [X.]: „Building a windows-based bilingual functional semantic processor“. In: [X.] 1994 Volume 2: [X.], 1994, Seiten 701ff.

NK22 Design [X.]-0001, angemeldet am 17. März 1993

[X.] Design 49811286-0001, angemeldet am 9. November 1998

[X.] Design 40110681-0001, angemeldet am 11. Dezember 2001

[X.] [X.] 33 29 417 A1

Die Klägerin macht geltend, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents sei nicht neu gegenüber einer der Druckschriften [X.] ([X.]), [X.] ([X.]), [X.] ([X.]) oder [X.] ([X.]). Dies gelte ebenso für die nebengeordneten Ansprüche 14 und 19 sowie die Unteransprüche. In der [X.] würden sowohl ein Verfahren als auch eine Vorrichtung, mit dem ein elektronisches Steuerungssystem eines Rollstuhls gewartet, repariert und programmiert werden könne, offenbart. Auch [X.] in Form von Schaltereingaben und [X.] seien dort vorgesehen, die programmierbar und nach nutzerspezifischen Anforderungen auf Ausgaben in Form von Steuermodulen abgebildet werden könnten. Soweit die [X.] den Gegenstand des Streitpatents nicht schon neuheitsschädlich vorwegnehme, [X.] sie ihn in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen nahe, insbesondere die Unteransprüche 2 bis 5 und 11. Die Unteransprüche 23 bis 28 und 33 seien zudem auch deshalb nicht patentfähig, weil sie keine technische Lehre zum Gegenstand hätten.

[X.] sei darüber hinaus nicht ausführbar, weil er ein Fahrzeug nach [X.] mit einer Software auf einem externen, angeschlossenen Gerät lehre, während [X.] hingegen verlange, dass die Software in dem Fahrzeug integriert sei.

Auch die Gegenstände der Hilfsanträge seien nicht patentfähig.

Hilfsantrag 0 sei unzulässig, da in der Streichung der [X.] 30 bis 32 keine Antragsbeschränkung gegeben sei. Im Übrigen gelte die Begründung mangelnder Patentfähigkeit des [X.] für den Hilfsantrag 0 unverändert fort.

Hilfsantrag 1 sei unzulässig aufgrund einer fehlenden Antragsbeschränkung und weil er unklar sei. Zudem liege eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung vor. Es sei weder verständlich, welcher konkrete Gegenstand mit dem [X.] „Vorgänge bzw. Steuerungsfunktionen“ beansprucht würde, noch sei dieses [X.] ursprungsoffenbart. Außerdem beruhe die Lehre gemäß Hilfsantrag 1 auch nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Die Darstellung des Menüs in den Figuren der [X.] stelle für den Fachmann eine ausreichende Anleitung dar, die Schritte der Lehre des Streitpatents nachzuvollziehen.

Hilfsantrag 2 enthalte eine weitere, über die gegenüber Hilfsantrag 1 geltend gemachten Einwände hinausgehende Zwischenverallgemeinerung. Der Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 sei nicht auf eine integrierte/feste Anbindung beschränkt, sondern erfasse auch lösbare Ausführungsformen, von denen sich das Ausführungsbeispiel jedoch ausdrücklich abgrenze („as opposed to being removably linked“). Eine weitere unzulässige Zwischenverallgemeinerung sei darin zu sehen, dass eine Steuerung durch den Benutzer in Absatz [0055] der erteilten Fassung des Streitpatents nur für die integrierte Variante offenbart sei. Im Hinblick auf die Patentfähigkeit würden die in Hilfsantrag 2 zusätzlich beanspruchten Merkmale in [X.] zumindest als Möglichkeit mitgelesen oder jedenfalls nahegelegt.

Hilfsantrag 3 sei verspätet, im Übrigen sei seine Lehre auch weder neu noch erfinderisch gegenüber dem, was der Fachmann der Druckschrift [X.] entnehmen könne. Insbesondere gebe eine Bereitstellung einer benutzerfreundlichen Oberfläche zur Bedienung keine technische Lehre, sondern beschränke sich auf die Lehre einer Methode, um bestimmte Informationen (was zu tun ist, um welches Ergebnis zu erreichen) in bestimmter Weise (grafisch und leicht verständlich) darzustellen. Die Wiedergabe von Informationen sei aber gerade nicht patentfähig.

Die Klägerin beantragt,

das [X.] Patent 1 687 711 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen das Streitpatent in der Fassung der in der Reihenfolge ihrer Nummerierung gestellten Hilfsanträge 0 bis 2, eingereicht mit Schriftsatz vom 22. September 2022, sowie Hilfsantrag 3, eingereicht mit Schriftsatz vom 24. November 2022, richtet.

Die Beklagte hat im Schriftsatz vom 22. September 2022 erklärt, dass für die Hilfsanträge die [X.] Sprachfassung der Patentansprüche maßgeblich sein soll.

Beim Hilfsantrag 0 bleiben die erteilten Patentansprüche 1 bis 29 unverändert. Die erteilten Unteransprüche 30, 31 und 32 werden gestrichen; die erteilten Unter-ansprüche 33 bis 35 bleiben bestehen, werden jedoch in der Nummerierung angepasst.

Gemäß Hilfsantrag 1 lautet der Patentanspruch 1 in der hierfür maßgeblichen [X.]n Fassung:

Abbildung

Zu den [X.]n 2 bis 6 wird auf die Anlage [X.] zum Schriftsatz der Beklagten vom 22. September 2022 Bezug genommen.

gemäß Hilfsantrag 2 lautet der Patentanspruch 1 in der hierfür maßgeblichen [X.]n Fassung:

Abbildung

Zu den [X.]n 2 bis 6 wird auf die Anlage [X.] zum Schriftsatz der Beklagten vom 22. September 2022 Bezug genommen.

Gemäß Hilfsantrag 3 lautet der Patentanspruch 1 in der hierfür maßgeblichen [X.]n Fassung:

Abbildung

Zu den [X.]n 2 bis 6 wird auf die Anlagen NB8A und 8B zum Schriftsatz der Beklagten vom 24. November 2022 Bezug genommen.

Die Beklagte tritt den Ausführungen der Klägerin in allen Punkten entgegen und erachtet das Streitpatent für patentfähig. Zur Auslegung sei anzumerken, das Streitpatent stelle klar, dass ein Unterschied zwischen einem Programmieren und einem Zuweisen hinsichtlich der diese Handlungen vornehmenden Personen zu machen sei. Es ziehe sich wie ein roter Faden durch das Streitpatent, dass die Programmierung so vorgenommen werden müsse, dass das Zuweisen von einem [X.], egal ob dies ein Betreuer, Verkäufer etc. sei, vorgenommen werden könne. Die [X.] ([X.]) sei weder neuheitsschädlich für die Lehre des Streitpatents noch könne von ihr ausgehend eine fehlende erfinderische Tätigkeit begründet werden. Sie weise bereits aufgrund ihres Titels in eine andere Richtung als das Streitpatent; die Druckschrift beschäftige sich nur mit sicherheitsrelevanten Maßnahmen. Die [X.] trenne zwischen einem motorisierten Rollstuhl, dem eine Steuerung zugeordnet sei einerseits und einem Datenkommunikationswerk andererseits, wobei aufgrund dieser Trennung ein Modem zum Einsatz kommen müsse. Diese Trennung zeige die Ungeeignetheit der Lehre für eine Übertragung auf ein Verfahren, welches eine spezielle Bedienung durch einen Rollstuhlnutzer ermöglichen wolle, nämlich in Form des Abbildens von [X.] eines individuellen Mobilitätsfahrzeugs auf Ausgaben durch den Benutzer. Die Parametereinstelloptionen der Lehre der [X.] für einzelne [X.], die bei der Fernwartung, Fehlerbehebung und/oder Reparatur unter Einsatz eines externen Computers zum Einsatz kämen, führten gerade weg von einer Abbildung einer Rollstuhl-Eingabe auf eine Rollstuhl-Ausgabe durch den [X.] gemäß Streitpatent. Die weiteren Entgegenhaltungen im [X.] ([X.], [X.] und [X.]) beschrieben ein „Umprogrammieren durch Techniker“ und seien daher noch weiter von der Lehre des Streitpatents entfernt. Eine mangelnde Technizität sei zu verneinen, da Patentanspruch 1 bzw. Patentanspruch 19 des Streitpatents nicht auf die Forderung einer benutzerfreundlichen Windows-Oberfläche an sich zu reduzieren sei. Der technische Effekt liege in der Abgeschlossenheit der Bedienung, da alles vom Rollstuhl selber bereitgestellt werde, und in der Flexibilität der Bedienung, bei gleichzeitiger Vorgabe fester Abläufe, wodurch gewährleistet werde, Fehler in der Bedienung zu vermeiden und somit Sicherheitsbedenken zu beheben; dies sei technisch. Der Gegenstand von Patentanspruch 30 des Streitpatents sei auch ausführbar. Mit diesem Anspruch werde das externe Speichern und lokale Aufspielen beschrieben, was ein regelmäßiges Update von Software ermögliche. Dieser Vorgang sei auch von Kraftfahrzeugen geläufig.

Anhand der von ihr vorgelegten Merkmalsanalyse (Anlage [X.]) und einer korrigierten Übersetzung des Merkmals „… providing a personal mobility vehicle (60) having input devices, outputs, and a programmable processor (36) …“, das zu übersetzen sei mit „…Bereitstellen eines virtuellen Mobilitätsfahrzeugs (60) mit [X.], Ausgaben und einem programmierbaren [X.] (36) …“, sei es als wesentlich festzustellen, dass das individuelle Mobilitätsfahrzeug selber den programmierbaren [X.] umfasse. Die Merkmale der Hilfsanträge beschäftigten sich dann mit der Art der Programmierung des [X.]s des individuellen Mobilitätsfahrzeugs. Der Gegenstand des Streitpatents beruhe auf der Erkenntnis, dass ein Unterschied zwischen einem Programmieren einerseits und einem Zuweisen andererseits, und zwar hinsichtlich der diese Handlungen vornehmenden Personen und der dabei genutzten Hilfsmittel zu machen sei. Die Bereitstellung der Zuweisungsmöglichkeit durch den [X.] werde durch den Einsatz eines Programmeditors sowie Schritt-für-Schritt-Anweisungen auf einem Anwendungsfenster mit Hilfsantrag 1 unterstrichen. Da nach Hilfsantrag 2 das Zuordnen durch Nutzung von Bordmitteln im Rollstuhl erfolge, also dem [X.] die Zuweisung ohne weitere Geräte außerhalb des Rollstuhls ermöglicht werde, liege ein deutlicher Unterschied zum üblichen Programmieren an einem vom Rollstuhl getrennten und mit diesem allenfalls über ein Modem oder eine Schnittstelle verbindbaren [X.] oder Programmiergerät vor. Diese Abgrenzung werde mit dem Hilfsantrag 3 weiter betont, und zwar dadurch, dass der Programmeditor in den Rollstuhl gemäß dem fakultativen Merkmal aus Absatz [0055] integriert sei, also das Zuordnen unter Verzicht auf ein Zusatzgerät zusätzlich zum Rollstuhl stattfinde. Damit liege bei allen Hilfsanträgen nicht nur Neuheit, sondern auch eine ausreichende Erfindungshöhe vor.

Der Senat hat den Parteien mit Schreiben vom 8. August 2022 einen qualifizierten gerichtlichen Hinweis gemäß § 83 Abs. 1 [X.] erteilt sowie in der mündlichen Verhandlung weitere Hinweise, insbesondere auch zu den von der Beklagten eingereichten [X.], gegeben.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 8. Dezember 2022 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Beklagte vermag das Streitpatent weder in seiner erteilten Fassung noch in einer der Fassungen gemäß den [X.] 0 bis 3 mit Erfolg zu verteidigen.

In seiner erteilten Fassung ist das Streitpatent nicht rechtsbeständig, weil ihm der [X.] der mangelnden Patentfähigkeit entgegensteht (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. a EPÜ i. V. m. Art. 54, 56 EPÜ). Dieser [X.] steht auch den Anspruchsfassungen der [X.] 0 bis 3 entgegen.

[X.]

1. Gemäß der Beschreibung in der [X.]chrift (im Folgenden abgekürzt: [X.]) betrifft die unter Schutz gestellte Lehre elektronische Steuerungssysteme für „individuelle Mobilitätsfahrzeuge“, wie insbesondere motorisierte Rollstühle oder Motorroller (siehe [X.] Abs. [0001], [0002], [0012]). Solche Systeme steuern die Funktion von Antriebsrädern und zusätzlich z.B. Funktionen des [X.], der Beleuchtung und von weiterem Zubehör, in Reaktion auf Eingaben des Benutzers.

Dabei war es z.B. bekannt (siehe [X.] Abs. [0003]), dass ein Benutzer [X.] durch [X.] Betätigen von Schaltern ausführt. Viele Rollstuhlfahrer seien aber nicht in der Lage, sequenzielle [X.] auszuführen. Generell lasse bei bekannten [X.] die Benutzerfreundlichkeit zu wünschen übrig. Die Lehre des [X.] soll hier eine Verbesserung schaffen (siehe Abs. [0004] – eine konkretere Aufgabenstellung ist im Streitpatent nicht angegeben).

Die Beklagte erläutert dazu, Aufgabe der Erfindung nach dem Streitpatent sei es, zur Vereinfachung der Bedienung eines individuellen Mobilitätsfahrzeuges durch seinen Benutzer die Anzahl der [X.] für erwünschte Ausgaben zu reduzieren.

2. Diese Aufgabe soll durch das beanspruchte „Verfahren zum Abbilden von [X.] eines individuellen Mobilitätsfahrzeugs auf Ausgaben“ nach Anspruch 19 bzw. das „Elektronische Steuerungssystem für ein individuelles Mobilitätsfahrzeug“ nach Anspruch 1 gelöst werden. Der formal nebengeordnete Anspruch 14 ist auf ein „Individuelles Mobilitätsfahrzeug“ gerichtet, jedoch auf Anspruch 1 zurückbezogen („umfassend: ein Steuerungssystem nach Anspruch 1“), er hat daher den Charakter eines [X.] und wird wie ein solcher beurteilt (s. Kapitel I[X.] Abschnitt 4.).

3. Als maßgeblicher [X.], auf dessen Wissen und Können es insbesondere für die Auslegung der Merkmale des [X.] und für die Interpretation des Standes der Technik ankommt, ist anzusehen, wer üblicherweise damit betraut wird, die Bedienung eines individuellen Mobilitätsfahrzeuges durch seinen Benutzer zu verbessern und die Benutzerfreundlichkeit zu erhöhen. Dies ist im vorliegenden Fall nach dem Verständnis des [X.]s ein Hochschulabsolvent mit einer abgeschlossenen Ingenieursausbildung im Bereich der Mechatronik oder Elektrotechnik, der eine mehrjährige Berufserfahrung in der Entwicklung von Steuerungssystemen für solche Mobilitätsfahrzeuge (wie insbesondere Rollstühle) und der Bedienung dieser Systeme besitzt.

4. Gemäß der Merkmalsanalyse der Beklagten (Anlage [X.]) lässt sich der erteilte unabhängige Patentanspruch 19 folgendermaßen gliedern ([X.] Fassung mit gegenüber der [X.]chrift verbesserter Übersetzung des Merkmals [X.].2 und der Korrektur eines offensichtlichen Fehlers in Merkmal [X.]):

 V1    

 19. A method for mapping personal mobility vehicle input devices to outputs, [X.]:

 19. Verfahren zum Abbilden von [X.] eines individuellen Mobilitätsfahrzeugs auf Ausgaben, umfassend folgende Schritte:

 [X.]    

 a) providing a personal mobility vehicle (60) having

 a) Bereitstellen eines individuellen Mobilitätsfahrzeugs (60) mit

 [X.].1 

 input devices, outputs,

 [X.] und Ausgaben

 [X.].2 

 and a programmable processor (36) for performing operations or control functions of the outputs in [X.] (12, 22, 24),

 und eines programmierbaren [X.]s [mit] einem programmierbaren [X.] (36) zum Ausführen von Vorgängen bzw. Steuerungsfunktionen der Ausgaben in Reaktion auf Signale der [X.] (12, 22, 24),

 [X.] 

 wherein an output is in the form of a desired control module of the vehicle,

 wobei eine Ausgabe die Form eines gewünschten Steuerungsmoduls des Fahrzeugs aufweist,

 [X.]    

 b) selecting a desired input device (62);

 b) Auswählen einer gewünschten Eingabevorrichtung (62),

 [X.]    

 c) [X.] an [X.] (64); and

 c) Zuweisen eines Vorgangs bzw. einer Steuerungsfunktion an die gewünschte Eingabevorrichtung (64), und

 [X.]    

 d) programmably mapping the assigned operation or control function (66) to an output

 d) programmierbares Abbilden des zugewiesenen Vorgangs bzw. der zugewiesenen Steuerungsfunktion (66) auf eine Ausgabe

 [X.].1 

 according to a user's preferences,

 entsprechend den Präferenzen eines Benutzers,

 [X.] 

 such that the mapping of the desired input device to control the output can be changed to control another output.

 sodass das Abbilden der gewünschten Eingabevorrichtung zum Steuern der Ausgabe geändert werden kann, um eine andere Ausgabe zu steuern.

Dabei wurde das Merkmal [X.], welches in der erteilten Fassung am Ende des Anspruchs (hinter Merkmal [X.]) angeordnet ist, seiner Bedeutung entsprechend hinter Merkmal [X.].2 angeordnet.

Die dabei vorgenommene Übersetzung des Merkmals [X.].2 weicht von der [X.]n Anspruchsfassung des [X.] ab. Die Beklagte sieht die neue Übersetzung als „Richtigstellung“ an.

Verbindlich ist hier die Sprachfassung in der [X.]. Allerdings bleibt nach dem Verständnis des [X.]s im [X.] unklar, ob sich der Begriff „programmable processor“ in Merkmal [X.].2 auf das einleitende „providing“ („Bereitstellen“) des Merkmals [X.] bezieht (d.h. es soll einerseits ein individuelles Mobilitätsfahrzeug mit [X.] und Ausgaben bereitgestellt werden, und andererseits ein „irgendwo“ untergebrachter programmierbarer [X.] – so wie es in der Übersetzung gemäß [X.]chrift zum Ausdruck kommt), oder ob sich der Begriff „programmable processor“ auf „having“ („mit“) am Ende des Merkmals [X.] bezieht (d.h. dass der programmierbare [X.] Bestandteil des individuellen Mobilitätsfahrzeugs sein soll – so wie es die neue Übersetzung zum Ausdruck bringt).

Der [X.] beurteilt die neue Übersetzung als sachgerecht, da der jetzt ausgeschlossene Fall – ein außerhalb des individuellen [X.] angeordneter [X.] zum Ausführen von Vorgängen bzw. Steuerungsfunktionen in Reaktion auf Signale der [X.] des [X.] – in der zur Auslegung heranzuziehenden Beschreibung nicht dargestellt ist. Nachdem die ursprüngliche Übersetzung des Merkmals [X.].2 breiter zu verstehen ist und die nunmehrige Zuordnung des [X.]s zum Mobilitätsfahrzeug demgegenüber eine Beschränkung darstellt, steht der Korrektur auch insoweit nichts entgegen.

Für den auf ein entsprechend arbeitendes elektronisches Steuerungssystem gerichteten Patentanspruch 1 wird folgende Gliederung verwendet ([X.] Fassung mit gegenüber der [X.]chrift verbesserter Übersetzung der Merkmale [X.], [X.] und [X.].3):

 [X.]    

 1. An [X.] (10) for a personal mobility vehicle, [X.] (10) comprising:

 1. Elektronisches Steuerungssystem (10) für ein individuelles Mobilitätsfahrzeug, umfassend:

 [X.]    

 a memory (38) in which a software is embedded;

 einen Speicher (38), in den eine Software eingebettet ist,

 [X.]    

 a programmable processor (36);

 einen programmierbaren [X.] (36),

 S4    

 at least one input device (12, 22, 24)

 zumindest eine Eingabevorrichtung (12, 22, 24)

 [X.] 

 in the form of a switched input or an analog input; and

 in der Form einer Schaltereingabe oder einer Analogeingabe und

 [X.]    

 at least two outputs (14, 16, 18, 20),

 zumindest zwei Ausgaben (14, 16, 18, 20),

 [X.].1 

 wherein an output is in the form of a desired control module of the vehicle,

 wobei eine Ausgabe die Form eines gewünschten Steuerungsmoduls des Fahrzeugs aufweist,

 [X.]    

 the input device (12, 22, 24) is adapted to be programmably mapped to one of the at least two outputs (14, 16, 18, 20)

 wobei die Eingabevorrichtung (12, 22, 24) so gestaltet ist, dass sie programmierbar auf eine der mindestens zwei Ausgaben (14, 16, 18, 20) abgebildet werden kann

 [X.] 

 according to a user's preferences,

 entsprechend den Prioritäten Präferenzen eines Benutzers,

 [X.] 

 in that the processor (36) can change the mapping of the input device to control another output,

 indem der [X.] (36) das Abbilden der Eingabevorrichtung ändern kann, um einen anderen Ausgang eine andere Ausgabe zu steuern,

 [X.].3 

 such that the software is configured so that instructions, which direct the operation of the [X.] (10) to perform each operation and accessory function that the vehicle is capable of performing, are associated with the desired input device (12, 22 24).

 wobei die Software so konfiguriert ist, dass Anweisungen, die den Betrieb des elektronischen Steuerungssystems (10) regeln, um jeden Vorgang und jede Zusatzfunktionen auszuführen, die das Fahrzeug auszuführen in der Lage ist, der gewünschten Eingabevorrichtung (12, 22 24) zugeordnet werden.

5. Der oben genannte Fachmann legt den Merkmalen der unabhängigen Patentansprüche 1 und 19 nach Überzeugung des [X.]s folgendes Verständnis zugrunde:

5.1 Patentanspruch 19 ist auf ein Verfahren zur Zuordnung einer Eingabevorrichtung zu einer gewünschten Steuerungsfunktion oder zu einem gewünschten Steuerungsmodul gerichtet, das zunächst eine bestimmte [X.] betrifft:

Ein „individuelles Mobilitätsfahrzeug“ hat [X.] (z.B. [X.], [X.], input devices 24) und Ausgaben (z.B. [X.], [X.], [X.], [X.]) (siehe [X.] Abs. [0012] / [0013], [X.]ur 1 – Merkmale [X.], [X.].1). Ein programmierbarer [X.] (36) ist vorgesehen, um in Reaktion auf Signale der [X.] Vorgänge auszuführen oder Steuerungsfunktionen der Ausgaben vorzunehmen, wobei eine Ausgabe „die Form eines gewünschten Steuerungsmoduls des Fahrzeugs aufweist“, d.h. ein Steuerungsmodul darstellt, welches zur Ausführung der jeweils gewünschten Steuerungsfunktion vom [X.] (36) elektronisch angesteuert wird (siehe [X.] Abs. [0014], [0030], [0040], Ansprüche 3 bis 5 u.a. – Merkmale [X.].2, [X.]).

Der Patentanspruch 19 gibt nun eine Lehre zum „Abbilden von [X.]“ dieses individuellen [X.] „auf Ausgaben“, d.h. für die [X.] soll eine Zuordnung getroffen werden, welches Steuerungsmodul („Ausgabe“, siehe Merkmal [X.]) mit ihnen bedient wird (Merkmal V1).

Die Zuordnung erfolgt, indem eine Eingabevorrichtung ausgewählt ([X.]ur [X.]; [X.]ur 5A, 5B – Merkmal [X.]) und ihr ein Vorgang oder eine Steuerungsfunktion zugewiesen wird ([X.]ur [X.]; [X.]ur 5C, 5D – Merkmal [X.]). Wer diese Zuordnung trifft, ist im Patentanspruch nicht festgelegt.

Anschließend geschieht ein „programmierbares Abbilden“ des zugewiesenen Vorgangs oder der zugewiesenen Steuerungsfunktion auf eine Ausgabe, also auf das gewählte Steuerungsmodul des Fahrzeugs (vgl. Merkmal [X.]), d.h. die gewählte Zuordnung wird (der Fachmann liest hier mit: durch den programmierbaren [X.]) elektronisch realisiert (siehe [X.] insbesondere Abs. [0030], Abs. [0038] / [0039] – Merkmal [X.]).

Dies soll in einer Art und Weise geschehen, dass das Abbilden der gewünschten Eingabevorrichtung auf ein Steuerungsmodul des Fahrzeugs auch geändert werden kann, um ein anderes Steuerungsmodul anzusteuern (siehe [X.] insbesondere Abs. [0035] bis [0037] – Merkmal [X.]).

Die beschriebene, beanspruchte Abbildung von [X.] auf Ausgaben soll im Übrigen „entsprechend den Präferenzen eines Benutzers“ erfolgen (siehe [X.] z.B. Abs. [0013], Abs. [0033] / [0034] – Merkmal [X.].1).

Was die Lehre des Patentanspruchs 19 demnach leistet, ist die Angabe eines Bedienverfahrens und der dafür notwendigen technischen Grundausstattung, um die Zuordnung zwischen [X.] und gesteuerten Ausgaben bzw. Steuerungsmodulen zu ändern. Die Beschreibung zeigt dazu (ohne einschränkend zu wirken) eine benutzerfreundliche graphische (fensterorientierte) Bedienoberfläche. Welche Person diese Bedienoberfläche unter welchen Umständen benutzen kann oder darf, ist nicht Gegenstand des Patentanspruchs 19 (und bleibt auch in der Beschreibung letztlich offen).

5.2 Der unabhängige, auf ein „elektronisches Steuerungssystem“ gerichtete Patentanspruch 1 ist nicht anders zu interpretieren. Soweit er bestimmte gegenständliche Merkmale wie den programmierbaren [X.], Speicher, eine Eingabevorrichtung und Ausgaben in Form gewünschter Steuerungsmodule des Fahrzeugs beschreibt, bestehen keine Unterschiede zu dem, was der Fachmann dem Anspruch 19 entnommen hat. Die Merkmale [X.], [X.] und [X.] entsprechen weitgehend den Merkmalen [X.], [X.].1 und [X.]. Die mit Merkmal [X.].3 beanspruchte Konfiguration der Software ist deutlich weniger spezifisch als die Verfahrensschritte [X.] und [X.] des Patentanspruchs 19, indem das Merkmal [X.].3 nur die grundsätzliche Entgegennahme von Anweisungen für den Betrieb des Systems (i.S.v. Bedienhandlungen des Benutzers) von einer „gewünschten“ Eingabevorrichtung als Ergebnis der Lehre von Merkmal [X.].2 in Verbindung mit dem Merkmal [X.] beschreibt. Eine über die Lehre des Patentanspruchs 19 hinausgehende technische Lehre gibt der Patentanspruch 1 lediglich mit dem Merkmal [X.], wonach die Eingabevorrichtung in Form einer Schaltereingabe oder einer Analogeingabe ausgebildet sein soll. Eine Festlegung oder auch nur einen Hinweis, welche Person das Abbilden oder die Änderung des Abbildens einer Eingabevorrichtung auf eine Ausgabe veranlasst, liefert auch der Patentanspruch 1 nicht.

6. Demgegenüber möchte die Beklagte die Lehre der Patentansprüche 1 und 19 eingeschränkt so verstehen, dass die Zuordnung zwischen [X.] und gesteuerten Ausgaben durch den Benutzer des „individuellen Mobilitätsfahrzeugs“ erfolge. Einer solchen Auslegung kann der [X.] jedoch nicht folgen.

Die Beklagte hat ausgeführt, dass die Software für den programmierbaren [X.] des Merkmals [X.].2 durch einen Techniker programmiert sei, dass aber eine anspruchsgemäße Änderung der Abbildung einer Eingabevorrichtung auf eine andere Ausgabe (Merkmale [X.], [X.]) durch den Benutzer, also im Beispiel durch den Rollstuhlfahrer (ohne Kenntnisse in der Programmierung, vielmehr durch einfache Bedienung einer Benutzeroberfläche) vorgenommen werde. Der Techniker programmiere gerade nicht die Änderung der Zuordnung der Eingabevorrichtung zu der anderen Ausgabe, sondern stelle dafür eine Anwendung zur Verfügung, wie zum Beispiel eine [X.]. Tatsächlich sei verkannt worden, dass die durch den Benutzer durchzuführende Abbildungsänderung ohne Programmierung durch den Benutzer erfolge, sondern durch Anwendung einer bereits abgeschlossenen Programmierung des Technikers.

Eine derartige Beschränkung, dass die Merkmale [X.], [X.] und [X.] durch den Benutzer des „individuellen Mobilitätsfahrzeugs“ ausgeführt werden müssten, im Gegensatz zu einer Programmierung durch einen Techniker, lässt sich jedoch weder mit dem Wortlaut der Patentansprüche 1 und 19 noch aus der Beschreibung heraus begründen.

Zwar ist zum Beispiel dem Absatz [0048] des [X.] in Verbindung mit den [X.]uren 5A bis 5E eine Benutzeroberfläche einer [X.] („[X.]“) zu entnehmen, die eine einfache Zuordnung durch [X.] ermöglicht (vgl. auch die vier Flussdiagramme der [X.]. [X.] bis 4D). Es fehlen aber klare und deutliche Angaben, wer diesen [X.] benutzt. In den Absätzen [0040], [0041], [0055] heißt es „the user“ – dies kann der Endbenutzer (Rollstuhlfahrer), könnte aber genauso gut auch ein Techniker als Benutzer des [X.] sein. Auch stellt etwa Absatz [0013] fest: „The [X.] 10 is adapted to be custom-configured by a healthcare professional for a specific user to match the user's physical and cognitive skills”; oder Absatz [0015]: „[X.], a programming module 42 may be connected to the [X.] 10 to allow a technician to configure the software appropriately for that user“ – dies sind Hinweise, dass der Benutzer des [X.] ein Techniker sein könnte.

Die Beklagte hat hierzu vorgetragen, dass unterschieden werden müsse zwischen einer „[X.]“ zusätzlicher oder geänderter Baugruppen des individuellen [X.], welche sicherheitskritische Parameter umfassen könne und deshalb dem Techniker bzw. Spezialisten vorbehalten sei, und einer (ihrem Verständnis nach anspruchsgemäßen) Anpassung individueller Parameter des [X.], etwa im Rahmen vorgegebener [X.], durch den Benutzer selbst.

Eine solche Spezifizierung der Lehre hat jedoch keinen Eingang in die Patentansprüche gefunden. Grundsätzlich besteht kein Anlass, die Lehre der unabhängigen Patentansprüche 1 und 19 als auf ein Ausführungsbeispiel der Beschreibung eingeschränkt zu verstehen (vgl. [X.], 47 – [X.] „…darf im [X.] nicht etwa deshalb eine einengende Auslegung der angegriffenen Patentansprüche zugrunde gelegt werden, weil mit dieser die Schutzfähigkeit eher bejaht werden könnte“). In den Patentansprüchen fehlt jegliche Angabe, wer zu welchem Zeitpunkt bzw. unter welchen Umständen die Änderung der Zuordnung ausführen soll. Mit dem Merkmal [X.].1 / [X.] ist lediglich festgehalten, dass die Abbildung „entsprechend den Präferenzen eines Benutzers“ erfolgen soll – aber nicht, ob dies zum Beispiel im laufenden Betrieb durch den Benutzer selbst oder stattdessen in der Werkstatt durch einen Techniker geschieht.

Zusammenfassend können sonach keine zwingenden Gründe erkannt werden, die Patentansprüche in der von der Beklagten vertretenen Weise eingeschränkt auszulegen.

I[X.]

Das Streitpatent hat in der erteilten Fassung keinen Rechtsbestand, weil der jeweilige Gegenstand des Patentanspruchs 19 wie auch des Patentanspruchs 1 zumindest nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht. Denn die jeweils beanspruchte Lehre ergibt sich in naheliegender Weise allein aus der Druckschrift [X.] ([X.]) ([X.] 5 961 561 A).

1. In Bezug auf den Patentanspruch 19 beschreibt die Druckschrift [X.] zunächst ein Verfahren zur Fernwartung, Fehlerbehebung und/oder Reparatur von motorisierten Rollstühlen, wobei ein externer Computer (12) mit einem Programm zur Vorgabe der einstellbaren Parameter über eine drahtlose Fernverbindung ([X.]ur 1: Modem (13) am Rollstuhl, Satelliten-basierter Kommunikationskanal (14) zum Computer (12)) an den programmierbaren [X.] (22) des Rollstuhls angeschlossen wird (siehe Spalte 3 Zeile 66 bis Spalte 4 Zeile 10); statt über den [X.] kann der Computer (12) auch einfach über ein Kabel angeschlossen werden (Spalte 4 Zeilen 20/21), d.h. er kann ggf. unmittelbar neben dem Rollstuhl stehen. Ein Techniker (siehe Spalte 5 Zeilen 1/2; Spalte 4 Zeilen 60 bis 67) kann über diesen externen Computer (12) ein „[X.], diagnostics and programming (TDP)“-System starten, um dann gemäß den [X.]uren 2 bis 4 und 6 bis 12 Einstellungen vorzunehmen entsprechend den Präferenzen eines Benutzers (vgl. etwa Spalte 1 Zeilen 15 bis 25, Zeile 55 u.a.). Der Rollstuhl lässt sich über unterschiedliche [X.] steuern (Spalte 4 Zeilen 14/15: [X.] oder RIM-Kopfsteuerung; Spalte 5 Zeile 64: [X.]; vgl. auch Spalte 9 Zeilen 12/13), mit denen unterschiedliche Motoren und Aktuatoren angesteuert werden können ([X.]ur 1: zwei Motoren 16, z.B. als Antriebs-Motoren; Spalte 10 Zeilen 3 ff.: Modul für Rückenlehnen-Neigungs-Verstellung; Zeilen 53/54 „to control recliners, [X.], [X.]“); für den Fachmann ist selbstverständlich, dass „eine Ausgabe die Form eines gewünschten Steuerungsmoduls des Fahrzeugs aufweist“. So finden sich hier ohne weiteres die Merkmale [X.], [X.].1, [X.].2 und [X.].

Eine unmittelbare Zuordnung durch „Auswählen“ eines Eingabegeräts und „Zuweisen eines Vorgangs bzw. einer Steuerungsfunktion an die gewünschte Eingabevorrichtung“ (Merkmale [X.], [X.]) ist als solche nicht konkret beschrieben. Jedoch zeigt zum Beispiel die [X.]ur 10 eine Windows-Benutzeroberfläche (siehe Spalte 4 Zeilen 44 bis 50) mit einem Feld 156 „Input Type“, welches gemäß Spalte 10 Zeilen 27 bis 30 eines von mehreren möglichen Eingabegeräten auf den Antriebsmotor abbildet. Der Fachmann entnimmt hier, dass durch eine Änderung in Feld 156 dem Antriebsmotor eine andere Eingabevorrichtung zugeordnet werden kann. Ferner zählt Spalte 10 Zeilen 6 bis 11 für den [X.] drei verschiedene Steuerungsfunktionen in Feld 154 auf – d.h. je nach den Fähigkeiten der Hardware und den Vorlieben des Benutzers kann einer Eingabevorrichtung eine bestimmte von unterschiedlichen Steuerungsfunktionen zugeordnet werden. Hier erkennt der Fachmann die Merkmale [X.] und [X.] als indirekte Funktionen der genannten Felder der Benutzeroberfläche.

Nachdem neue Parameter in den Feldern der Benutzeroberfläche vorgegeben wurden, können diese an die [X.] übertragen und in diese einprogrammiert werden (Spalte 12 Zeilen 42 bis 60). Das heißt, es erfolgt ein programmierbares Abbilden des zugewiesenen Vorgangs bzw. der zugewiesenen Steuerungsfunktion auf eine Ausgabe (Merkmal [X.], und damit auch Merkmal V1). Somit ist es durch Eingabe von Parametern in die [X.] z.B. der [X.]uren 8 bis 12 möglich, „dass das Abbilden der gewünschten Eingabevorrichtung zum Steuern der Ausgabe geändert werden kann, um eine andere Ausgabe zu steuern“ (Merkmal [X.]). Dass dies „entsprechend den Präferenzen eines Benutzers“ (Merkmal [X.].1) erfolgen kann und sollte, erscheint platt selbstverständlich (Spalte 1 Zeilen 17 bis 25: „It is now standard practice … the performance characteristics of each motorized wheelchair can be optimized for each user based on various criteria such as the user's desires, the user's physical capabilities …“).

Damit ergibt sich die Lehre des erteilten Patentanspruchs 19 für den Fachmann allein ausgehend von Druckschrift [X.].

2. Der erteilte Patentanspruch 1 kann nicht günstiger beurteilt werden.

Gemäß [X.] Spalte 4 Zeilen 11 ff. ist als „Elektronisches Steuerungssystem“ für den dort beschriebenen Rollstuhl ein „controller 10“ vorgesehen (siehe [X.]ur 1 – Merkmal [X.]), welcher einen [X.] 22 mit Speicher 24 enthält (Merkmale [X.], [X.]) und über ein Eingabegerät 20 wie z.B. einen [X.] bedient wird (Merkmal S4); anstelle eines [X.]s kann die Eingabe auch über einen „Sip and Puff (S & P) switch“ erfolgen (Spalte 5 Zeile 64; vgl. auch Spalte 9 Zeile 4 „[X.], either switch-type or proportional“ – Merkmal [X.]). Ein Eingabegerät wird benötigt für die Steuerung des Fahrbetriebs, aber auch z.B. für die Sitzverstellung (Spalte 10 Zeilen 31 bis 35: Tilt / Recline Module) oder für die Bedienung einer „Environmental Control Unit“ – d.h. es gibt mehrere mögliche Ausgaben, auf welche ein bestimmtes Eingabegerät wirken kann (Merkmale [X.], [X.].1).

Wie oben in Abschnitt 1. zu den Merkmalen [X.] und [X.] ausgeführt, lässt sich der [X.] die Lehre entnehmen, dass der [X.] auf eine entsprechende Vorgabe z.B. in Feld 154 oder Feld 156 hin das Abbilden einer Eingabevorrichtung ändern kann, um eine andere Ausgabe zu steuern (Merkmal [X.] i. V. m. Merkmal [X.] und [X.].3). Offensichtlich können die Parameter in Feld 154 oder Feld 156 „entsprechend den Prioritäten eines Benutzers“ vorgegeben werden – Merkmal [X.].

So ergibt sich auch die Lehre des erteilten Patentanspruchs 1 für den Fachmann allein ausgehend von Druckschrift [X.].

3. Die Beklagte vertritt demgegenüber die Auffassung, dass die [X.] eine Fernkommunikation mit einem Rollstuhl zur Wartung, Fehlerbehebung oder Reparatur beschreibe und daher nicht die Bedienung des Rollstuhls an sich betreffe, geschweige denn durch den Rollstuhlnutzer; daher sei die [X.] nicht von Relevanz. Diese Argumentation greift ersichtlich zu kurz, denn weder im Patentanspruch 19 noch im Patentanspruch 1 des [X.] ist von einer „Bedienung des Rollstuhls an sich“ die Rede, und der Rollstuhlnutzer kommt nur in dem Nebensatz „entsprechend den Präferenzen eines Benutzers“ (Merkmal [X.].1 / [X.]) vor, aber nicht als handelnde Person für eine Änderung der Abbildung. Auch dass der Bildschirm zur Anzeige der Menüs an einen „entfernt angeordneten Computer 12“ angeschlossen sein könnte, steht nicht im Widerspruch zum Wortlaut der erteilten unabhängigen Patentansprüche.

Zuzustimmen ist der Beklagten allerdings, dass das in der [X.] beschriebene Konzept der Auswahl eines Antriebs und darauf folgend der Zuweisung einer Eingabevorrichtung ([X.]ur 10: Input type parameter 156 für Antriebsmotor) sich von der anspruchsgemäßen Auswahl einer Eingabevorrichtung (Merkmal [X.]) und darauf folgend der Zuweisung eines Vorgangs bzw. einer Steuerungsfunktion (für eine Ausgabe, insbesondere für einen Antrieb) an die gewählte Eingabevorrichtung (Merkmal [X.]) ersichtlich (aber auch: „nur“) in der Reihenfolge der Bedienschritte unterscheidet.

Diese Reihenfolge ist aus fachmännischer Sicht aber nicht erheblich, sondern stellt lediglich eine „beliebige“ Abwandlung der in [X.] beschriebenen Reihenfolge dar (vgl. [X.], 47 – [X.]: „Eine von einem bestimmten Zweck oder Ergebnis losgelöste, letztlich nach Belieben getroffene Auswahl [dort konkret: eines engeren Bereichs aus einem größeren] ist für sich grundsätzlich nicht geeignet, eine erfinderische Leistung zu begründen“). Es ist einfach nur eine Frage persönlicher Vorlieben, ob der Nutzer lieber erst eine Eingabevorrichtung auswählt und ihr dann die Bedienung einer Ausgabe zuweist, oder ob er es vorzieht, ein Ausgabegerät auszuwählen und diesem dann (in Form eines Parameters) das zu bedienende Eingabegerät zuweist.

Ferner wird durch die Wahl der Reihenfolge der Bedienschritte kein technischer Effekt erzielt und auch nicht in besonderer Weise auf „die physischen Gegebenheiten der menschlichen Wahrnehmung“ des Benutzers eingegangen. Allenfalls handelt es sich dabei um eine nicht-technische Vorgabe des Auftraggebers an den technischen Fachmann, die bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit nicht zu berücksichtigen ist (vgl. [X.], 125 – Wiedergabe topografischer Informationen).

4. Nachdem der jeweilige Gegenstand der unabhängigen Patentansprüche 1 und 19 in der erteilten Fassung zumindest nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht, hat das Streitpatent, dessen abhängige Unteransprüche wie auch den formal nebengeordneten, auf Patentanspruch 1 zurückbezogenen Anspruch 14 die Beklagte nicht gesondert verteidigt hat, insgesamt keinen Rechtsbestand.

Davon ausgehend kommt es nicht mehr darauf an, dass die außerdem entgegengehaltenen Druckschriften [X.], [X.] und [X.] nach dem Verständnis des [X.]s ebenfalls eine anspruchsgemäße Änderung der Zuordnung zwischen [X.] und Ausgaben vorwegnehmen.

Auch auf die (nach Auffassung des [X.]s zu Recht) geltend gemachte mangelnde Ausführbarkeit des Gegenstands des [X.] 30 braucht nicht mehr eingegangen zu werden.

II[X.]

Die vier [X.] bleiben ebenfalls ohne Erfolg, weil der jeweilige Gegenstand ihres Hauptanspruchs zumindest nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. a, Art. 56 EPÜ).

1. Zum Hilfsantrag 0 (Anlage NB7c)

Mit dem Hilfsantrag 0 werden (nur) die erteilten [X.] 30, 31 und 32 gestrichen, und die erteilten [X.] 33 bis 35 in der Nummerierung angepasst. Dadurch entfällt der [X.] mangelnder Ausführbarkeit, der nur bezüglich des erteilten [X.] 30 geltend gemacht worden ist.

Da aber die unabhängigen Patentansprüche 1 und 19 unverändert bestehen bleiben, gelten für sie weiterhin die oben in Kapitel I[X.] getroffenen Feststellungen, so dass dem Hilfsantrag 0 nicht entsprochen werden kann, weil der jeweilige Gegenstand seiner Patentansprüche 1 und 19 zumindest nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht und somit nicht patentfähig ist.

Auf die Argumentation der Klägerin, der Hilfsantrag 0 sei unzulässig, weil er keine Antragsbeschränkung darstelle, braucht bei dieser Sachlage nicht weiter eingegangen zu werden.

2. Zum Hilfsantrag 3 (Anlage NB8)

Weil der Hauptanspruch des [X.] sämtliche zusätzliche Merkmale des jeweiligen Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 und nach Hilfsantrag 2 umfasst, soll zunächst auf diesen eingegangen werden.

2.1 Der Hauptanspruch des [X.] entspricht der fehlerkorrigierten [X.]n Fassung des erteilten Patentanspruchs 19 mit seinen Merkmalen V1 bis [X.] (wobei in der [X.] der letzte Nebensatz des Anspruchs 19 „wobei eine Ausgabe die Form …“ als Merkmal [X.] weiter oben eingeordnet ist); an das Merkmal [X.] angehängt sind folgende Merkmale:

[X.]   

 wobei das Verfahren unter Verwendung eines [X.] ausgeführt wird, und

 [X.] 

 der [X.] die Form einer benutzerfreundlichen [X.] aufweist mit einem Anwendungsfenster, das Schritt-für-Schritt-Anweisungen enthält, um eine Eingabe auszuwählen und dieser Eingabe Vorgänge bzw. Steuerungsfunktionen zuzuweisen, und

 [X.]   

 der [X.] in dem individuellen Mobilitätsfahrzeug integriert ist, und

 [X.] 

 der Betrieb des [X.] auf einem Fahrzeuganzeigemodul (32) betrachtet und

 [X.] 

 über ein das Fahrzeuganzeigemodul (32) umfassendes [X.] (12) des individuellen Mobilitätsfahrzeugs (60) gesteuert werden kann

 [X.] 

 von dem Benutzer.

Die ursprüngliche Offenbarung der Merkmale [X.] und [X.] ergibt sich aus dem erteilten Anspruch 22 sowie aus der [X.]chrift Absatz [0047] bzw. Absatz [0055], siehe insbesondere „The program editor … may be integral with the vehicle“. Das Merkmal [X.] ergibt sich aus dem erteilten Anspruch 33 sowie aus Absatz [0048] „[X.] an input and [X.] operations or control functions to the input“ – siehe dazu [X.]uren 5A bis 5E. Zu den Merkmalen [X.], [X.] und [X.] ist etwa auf Absatz [0055] der [X.]chrift zu verweisen: „[X.]“, siehe dazu noch Absatz [0025] und [X.]ur 2.

2.2 Der von der Klägerin erhobene Verspätungseinwand gemäß § 83 Abs. 4 [X.] hinsichtlich des von der Beklagten mit Schriftsatz vom 24. November 2022 eingereichten neuen [X.] vermag nicht durchzugreifen. Zwar wurde dieser Hilfsantrag nicht innerhalb der vom [X.] im qualifizierten Hinweis gesetzten Fristen zur Stellungnahme eingereicht; die zweite Frist endete am 28. Oktober 2022. Jedoch fehlt es an der Erforderlichkeit einer Vertagung, § 83 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 [X.], da es der Beklagten ohne weiteres möglich war, auf den neuen Hilfsantrag 3 in den noch verbleibenden zwei Wochen bis zur mündlichen Verhandlung am 8. Dezember 2022 zu reagieren. Mit der Einfügung des zusätzlichen Merkmals [X.] „[wobei] der [X.] in dem individuellen Mobilitätsfahrzeug integriert ist, und …“ wurde auch keine komplexe Änderung vorgenommen, die in der verbleibenden Frist bis zum Termin zur mündlichen Verhandlung nicht hätte analysiert und kommentiert werden können. Vielmehr bewegt sich die Änderung bzw. Ergänzung im Hilfsantrag 3 innerhalb der im bisherigen Verfahren diskutierten Themenkreise.

2.3 Der [X.] versteht die genannten zusätzlichen Merkmale als eine Einschränkung der Lehre des erteilten Patentanspruchs 19 im Wesentlichen durch folgende Aspekte:

2.3.1 Das beanspruchte Verfahren soll nunmehr unter Verwendung eines „[X.]“ in Form einer benutzerfreundlichen „[X.]“ ausgeführt werden, welcher Schritt-für-Schritt-Anweisungen für das Auswählen einer gewünschten Eingabevorrichtung nach Merkmal [X.] und das Zuweisen eines Vorgangs bzw. einer Steuerungsfunktion an diese nach Merkmal [X.] in einem Anwendungsfenster ausgibt (wie beispielsweise in den [X.]uren 5A bis 5E dargestellt).

Hierzu ist zunächst festzustellen, dass das Streitpatent weder den Begriff „[X.]“ noch die Form als „[X.]“ in irgendeiner Weise spezifiziert. Der Fachmann wird unter „[X.]“ jedes beliebige Programm verstehen, das eine Auswahl und Zuweisung gemäß den Merkmalen [X.] / [X.] möglich macht (siehe etwa Abs. [0047] „[X.]“). Der Begriff „[X.]“ kommt im gesamten Streitpatent nur in Anspruch 33 und in Absatz [0048] einmal vor, er wird allein durch den Bezug auf die [X.]uren 5A bis 5E erläutert. Eine konkrete Bezugnahme auf das Betriebssystem [X.] liefert das Streitpatent nicht. Davon ausgehend handelt es sich bei der „[X.]“ um ein beliebiges Programm mit grafischer Benutzeroberfläche zur Anzeige der Einstell-Möglichkeiten und einer Bedienhilfe in Form von rudimentären Schritt-für-Schritt-Anweisungen („SELECT INPUT“ / „SELECT [X.] OR [X.] FUNCTION“) für den Nutzer in einem Anwendungsfenster.

2.3.2 Der [X.] soll „in dem individuellen Mobilitätsfahrzeug integriert“ sein, d.h. er steht zur Verfügung ohne separat angeschlossene Geräte wie ein externes Programmiergerät oder der externe Computer (12) der Druckschrift [X.].

2.3.3 Zur Steuerung des [X.] und zur Anzeige seiner Ausgaben ist ein [X.] (12) mit [X.] (32) als Bestandteil des „individuellen Mobilitätsfahrzeugs“ vorgesehen (siehe [X.]ur 2), welches der Benutzer (also vor allem der Rollstuhlfahrer) bedienen kann.

2.4 Die Klägerin bemängelt die Formulierung „Vorgänge bzw. Steuerungsfunktionen“ in Merkmal [X.]; es sei nicht verständlich, welcher konkrete Gegenstand damit beansprucht werde.

Nachdem die [X.] Übersetzung des erteilten Patentanspruchs 19 in der [X.]chrift den bemängelten Ausdruck „Vorgänge bzw. Steuerungsfunktionen“ in den Merkmalen [X.].2 und [X.] bereits enthält und sich das neue Merkmal [X.] darauf bezieht, sieht der [X.] hierin kein Verständnisproblem, das erheblich wäre.

Auf die weiteren Einwände der Klägerin hinsichtlich der fehlenden ursprünglichen [X.] und einer unzulässigen Zwischenverallgemeinerung kommt es nicht mehr an, da der Patentanspruch 1 des [X.] bereits aus anderen Gründen nicht patentfähig ist (s.u.).

2.5 Auch die durch die genannten zusätzlichen Merkmale eingeschränkte Lehre des erteilten Patentanspruchs 19 ergab sich für den Fachmann aus der Druckschrift [X.] zumindest in naheliegender Weise.

2.5.1 Wie in Kapitel I[X.] Abschnitt 1. ausgeführt, beschreibt die Druckschrift [X.] „zunächst“ ein Verfahren zur Fernwartung. Die Lehre der [X.] ist aber nicht darauf beschränkt. Denn unter dem Begriff „[X.] (TTJP)“-Modus (siehe [X.] Spalte 11 Zeilen 5 ff.) wird ein Modus beschrieben, in welchem der Benutzer des Rollstuhls Parameter der „Drive Programs“ verändern kann, ohne dass ein externer Computer oder eine externe Programmiereinheit benötigt wird (Spalte 11 Zeilen 6 bis 9: „a function which permits a user of the wheelchair to adjust function values of the drive programs through the driver input control and [X.] of the control module 10“). Die Parameter werden mit dem [X.] des Rollstuhls eingestellt, wobei eine Anzeige auf einem dem [X.] zugeordneten LCD-Display möglich ist (Spalte 8 Zeilen 12/13 und Zeilen 30/31 „an LCD display (not shown) associated with the [X.] 20“ [Anmerkung: das „[X.]“ ist der [X.]]; Spalte 11 Zeilen 24 ff. „[X.] mode is entered by activation of the Program switch. [X.] will show the first function and the current value. [X.] function the same as four of the keys on the programming unit which may be directly coupled to the serial port 26“ – d.h. die vier Richtungsbereiche des [X.]s übernehmen in diesem Modus die Funktion von vier Schaltern der externen Programmiereinheit, die im „externen Modus“ am seriellen [X.] angeschlossen war; Spalte 11 Zeilen 11 bis 13 „… a program switch on the joystick or LCD display …“). Auch wenn dieses „LCD Display am Rollstuhl“ in der Beschreibung nur kursorisch erwähnt wird (s.o. „not shown”), versteht der Fachmann die genannten Fundstellen dennoch als technische Lehre, dass am Rollstuhl für dessen Benutzer ein Bedienmodul mit [X.] und Display für einen „[X.]“ angeordnet sein kann, wobei dadurch eine Parametereingabe vergleichbar mit der in den [X.]uren 8 bis 11 beschriebenen Eingabe möglich ist – Merkmale [X.], [X.], [X.].

Zwar wird ein „[X.]“ in [X.] nicht ausdrücklich erwähnt. Der Spalte 11 Zeilen 24 ff. (siehe auch das Zitat im vorigen Absatz) ist jedoch zu entnehmen, dass im [X.] das dem [X.] 20 zugeordnete Display nacheinander einzelne Funktionen und deren jeweiligen aktuellen Wert anzeigt, welcher Wert dann mittels des [X.]s geändert werden kann; dazu ist kein [X.] eines externen Programmiergerätes erforderlich (Spalte 11 Zeilen 8/9: „[X.]”). Der Fachmann versteht, dass somit ein Programm zum Ändern von [X.] (d.h. ein „[X.]“) zum Einsatz kommt, das in den Rollstuhl integriert ist – Merkmale [X.], [X.].

2.5.2 Allerdings ist einzuräumen, dass aus der Druckschrift [X.] das Merkmal [X.]:

„dass der [X.] die Form einer benutzerfreundlichen [X.] aufweist mit einem Anwendungsfenster, das [X.] enthält, um eine Eingabe auszuwählen und dieser Eingabe Vorgänge bzw. Steuerungsfunktionen zuzuweisen“

nicht unmittelbar hervorgeht.

Mit diesem Merkmal kann das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit jedoch nicht begründet werden.

Zunächst ist festzuhalten, dass die in den [X.]uren 8 bis 12 der [X.] gezeigten [X.] für den Fachmann Eingabe-/Ausgabefenster eines [X.] darstellen und ersichtlich als benutzerfreundliche [X.] gestaltet sind (vgl. [X.] Spalte 4 Zeilen 44 bis 50). Dem Fachmann waren demnach benutzerfreundliche [X.]en auch schon zur Parameter-Einstellung für Rollstühle „an sich“ vorbekannt. Ferner waren [X.] bei [X.]en im [X.] (Prioritätsjahr des [X.]) allgemein üblich und weit verbreitet, wobei auch die Anzeige von „Schritt-für-Schritt-Anweisungen“ im [X.] keine Besonderheit darstellte.

Jedoch wird der [X.] der Druckschrift [X.], abweichend vom „externen Modus“ mit dem Windows-[X.], lediglich als Einstellung einzelner angezeigter Parameter beschrieben (s.o. Verweis auf Spalte 11 Zeilen 24 ff.). Der Unterschied der Lehre des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 3 gegenüber der [X.] besteht somit darin, dass für den Bildschirm des Handsteuergeräts ([X.] [X.]ur 2) eine Anzeigefläche vorgesehen wird, die größer ist als es für das einfache in [X.] beschriebene Verfahren nötig wäre, mit der Möglichkeit, die Abfolge der erforderlichen Bedienschritte (in Form von Schritt-für-Schritt-Anweisungen) und Informationen über den zu ändernden Parameter im Sinne eines (an sich bekannten) [X.]s zusätzlich anzuzeigen.

Dass der Benutzer für eine Parameter-Einstellung eine „Hilfe“ brauchen würde, war für den Fachmann im gegebenen Zusammenhang selbstverständlich. Allgemein bekannt und üblich waren gedruckte Bedienungsanleitungen. Statt dessen eine „elektronische Hilfe“ in Form einer [X.] auf einem dafür geeigneten „größeren“ Bildschirm des Rollstuhls anzubieten, stellte aber im [X.] grundsätzlich kein technisches Problem mehr dar. Wenn der Fachmann eine solche Ausgestaltung nicht vorgeschlagen hätte, dann aus ganz anderen, nicht-technischen Überlegungen heraus wie aufgrund einer Kosten/Nutzen-Abwägung; er hätte ein Betriebssystem wie [X.] wegen des „riesigen“ Umfangs des Betriebssystems, wegen kaum vorhandener Echtzeit-Fähigkeit für Steuerungsfunktionen, und wegen der Notwendigkeit häufiger Updates als für einen Rollstuhl völlig überdimensioniert und ungeeignet beurteilt. Sich darüber hinwegzusetzen, kann aber nicht als erfinderische Tätigkeit anerkannt werden: „Eine die Patentfähigkeit begründende Überwindung einer technischen Fehlvorstellung liegt nicht vor, wenn gegenüber der vorgeschlagenen Lösung zu Recht bestehende Bedenken lediglich ignoriert und mit ihr tatsächlich und vorhersehbar verbundene Nachteile einfach in Kauf genommen werden“ (vgl. [X.], 857 – Rauchgasklappe, Leitsatz 2).

Unabhängig davon trägt die konkrete Ausgestaltung des notwendigen Hilfeangebots als auf einem Bildschirm des Rollstuhls anzuzeigende Serie von [X.] auch nicht zu einer technischen Problemlösung bei, sie betrifft lediglich eine benutzerfreundliche Unterstützung der Eingabemöglichkeiten und muss daher als „nichttechnische Vorgabe für den technischen Fachmann“ beurteilt werden. Deshalb bleibt sie bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit außer Betracht (vgl. [X.], 125 – Wiedergabe topografischer Informationen).

2.6 Die gegen diese Beurteilung gerichteten Argumente der Beklagten vermögen nicht zu überzeugen.

2.6.1 Nach Auffassung der Beklagten befasse sich die Druckschrift [X.] nur mit einer Anpassung von Parametern zusätzlicher oder geänderter Baugruppen des individuellen Mobilitätsfahrzeugs, welche sicherheitskritisch und deshalb dem Techniker bzw. Spezialisten vorbehalten sei. Ersichtlich zeigten die [X.]uren 6 bis 11 der [X.] typische Hersteller-Einstell-Menüs, und die als veränderbar präsentierten Parameter gehörten zu Funktionen, welche die Verkehrssicherheit des Rollstuhls beeinträchtigen könnten und deshalb keinesfalls dem Benutzer überlassen werden dürften (vgl. auch [X.] Spalte 4 Zeilen 32/33 „[X.], [X.], [X.]“, und die Warnung ab Zeile 60). Im Unterschied zur Lehre der [X.] beträfe das Streitpatent „adjust functions“, d.h. die nachträgliche Anpassung von Parametern im Rahmen der vom Hersteller festgelegten Grenzwerte durch den Benutzer. Eine solche Lehre gebe die Druckschrift [X.] gerade nicht.

Dieser Argumentation kann jedoch nicht gefolgt werden. Einerseits liefern die Patentansprüche des [X.] und der [X.] keine erkennbare Einschränkung, dass nur bestimmte, nicht sicherheitskritische Parameter in ihren Schutzbereich fallen sollten; die Patentansprüche sind gar nicht auf eine Anpassung von Parametern, sondern auf die Zuweisung einer Eingabevorrichtung an eine gewünschte Ausgabe gerichtet (vgl. Merkmal [X.]: „sodass das Abbilden der gewünschten Eingabevorrichtung zum Steuern der Ausgabe geändert werden kann, um eine andere Ausgabe zu steuern“). Zum anderen sieht die Lehre der Druckschrift [X.] vor, dass („nur“) diejenigen Parameter durch den Benutzer frei einstellbar sind, welche der Techniker zuvor mittels des [X.] dafür freigegeben hat (Spalte 11 Zeilen 5 bis 23 „A [X.] (TTJP) parameter 164 is a function which permits a user of the wheelchair to adjust function values of the drive programs through the driver input control and [X.]“ / „[X.], limited programming ability is allowed … ([X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.]. [X.], additional parameters are available …“) – d.h. nach der Lehre der [X.] ist es mittels des [X.] möglich, die Freigabe auf nicht sicherheitskritische oder weniger sicherheitskritische Parameter zu beschränken. Deutlich formuliert die [X.] hier, dass es dem Benutzer des Rollstuhls durch die Einstellung des [X.] erlaubt wird, bestimmte Funktionswerte der Fahr-Programme mittels des [X.]s und ohne angeschlossene Programmiereinheit anzupassen (s.o. „to adjust function values of the drive programs …“ i. V. m. Spalte 7 Zeilen 44 bis 47 „The standard drive programs affect the drive parameters displayed in the … Drive Parameter display screens … shown in [X.]. 8-10”). Ein solcher Funktionswert kann in das Feld 156 (Spalte 10 Zeilen 27 bis 30 „which joystick is to be used to drive the wheelchair when more than one drive control device is mounted on the wheelchair“, d.h. im Rahmen der Zuordnung eines von mehreren Eingabegeräten zum Antriebsmotor) oder in das Feld 154 (Spalte 10 Zeilen 6 bis 11: „A Recline 4 Mode Tilt/Recline Function parameter 154 … There may be three operating modes in the Tilt/Recline mode, [X.] (4-SW) mode, [X.] (1swM) mode, and a One Switch Latched (1swL) mode“, d.h. im Rahmen der Zuordnung einer Steuerungsfunktion) eingetragen werden, wodurch die Druckschrift [X.] die beanspruchte Steuerung eines in dem individuellen Mobilitätsfahrzeug integrierten [X.] durch den Benutzer, um eine Eingabevorrichtung oder eine Steuerungsfunktion neu zuzuweisen, deutlich erkennbar vorwegnimmt.

Die Beklagte hat auch vorgetragen, in der [X.] sei nur „die Einstellung eines Wertes bei einer fest vorgegebenen Zuordnung einer Eingabeeinrichtung zu einer Ausgabe“ beschrieben. Die obigen Zitate verdeutlichen aber, dass durch den Benutzer mittels des Feldes 156 einer von mehreren [X.]s auf ein Steuerungsmodul des Antriebs[X.] abgebildet werden kann, womit die Zuordnung zwischen Eingabeeinrichtung und Ausgabe geändert wird.

2.6.2 Soweit die Beklagte ferner vorgebracht hat, die Anzeige von Schritt-für-Schritt-Anweisungen in einem Anwendungsfenster gebe schon deswegen eine technische Lehre, weil dadurch die Reihenfolge der auszuführenden Schritte festgelegt werde, führt diese Überlegung nicht weiter, weil der Patentanspruch 1 des [X.] nicht auf eine bestimmte Reihenfolge von Schritten gerichtet ist. Das heißt, er gibt nicht die Lehre, in welcher Reihenfolge bestimmte Bedienschritte (evtl. aus technischen Gründen) auszuführen sind, sondern verlangt nur, dass die Bedienschritte in der jeweils erforderlichen Reihenfolge (welche der Fachmann vorgeben muss) auf dem Fahrzeuganzeigemodul dargestellt werden sollen (siehe [X.] z.B. [X.]. 5B „Select Input“, [X.]. 5C „Select Operation …“). Damit wird aber lediglich das Problem gelöst, dem Benutzer die Bedienung anschaulich zu vermitteln. Soweit dieses Problem technische Aspekte haben könnte (Bildschirm, Eingabegerät zur Steuerung, Angabe der erforderlichen Bedienreihenfolge), waren diese vorbekannt und durch den Fachmann aufgrund seines Fachwissens ohne weiteres lösbar. Allein die anschauliche Anzeige von nötigen Bedienschritten kann jedoch eine Patentfähigkeit nicht begründen (vgl. [X.], 1184 – Entsperrbild, Leitsatz a): „Bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit bleiben Anweisungen, die die Vermittlung bestimmter Inhalte betreffen und damit darauf zielen, auf die menschliche Vorstellung oder Verstandesfähigkeit einzuwirken, als solche außer Betracht“).

2.6.3 Bezüglich des Merkmals [X.] ([X.] in Form einer benutzerfreundlichen [X.] / Anwendungsfenster zeigt Schritt-für-Schritt-Anweisungen) hat die Beklagte schließlich argumentiert, im Jahre 2003 habe es noch keinen Rollstuhl mit einem Windows-Betriebssystem gegeben. Das Streitpatent gebe erstmalig die Lehre, auf dem Rollstuhl ein solches Betriebssystem vorzusehen, um dem Benutzer damit die Bedienung durch die Anzeige von Schritt-für-Schritt-Anweisungen wesentlich zu erleichtern oder überhaupt erst zu ermöglichen.

Es kann jedoch dahinstehen, ob das Streitpatent tatsächlich erstmals diese Lehre gibt; denn die genannte Lehre beruhte jedenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Wie bereits ausgeführt, war ein [X.] in Form einer benutzerfreundlichen [X.] zur Steuerung eines externen Programmiergerätes aus der Druckschrift [X.] vorbekannt. Wenn gemäß [X.] für den in den Rollstuhl integrierten [X.] ein reduziertes Bedienkonzept vorgesehen war (s.o. Abschnitt 2.5.1: dass im [X.] das dem [X.] 20 zugeordnete Display nacheinander einzelne Funktionen und deren jeweiligen aktuellen Wert anzeigt, welcher Wert dann mittels des [X.]s geändert werden kann), dann lagen dem keine technischen Probleme zugrunde, sondern vielmehr wirtschaftliche Überlegungen (Kosten-Nutzen-Analyse). Typischerweise hätte der Hersteller hier eine gedruckte Bedienanleitung beigefügt. Stattdessen einen (größeren?!) Bildschirm vorzusehen und Bedienfenster ähnlich den [X.]uren 6 bis 11 der [X.] anzuzeigen, lag allenfalls wegen des hohen Aufwands und der Kosten fern, nicht aber aus technischen Gründen (vgl. oben Abschnitt 2.5.2, vorletzter Absatz).

Soweit die Ausrüstung eines Rollstuhls mit einem Windows-Betriebssystem im [X.] technische Probleme bereitet haben könnte, muss entgegengehalten werden, dass das Streitpatent hierzu keine Lösungen anbietet: es beschreibt keinerlei Maßnahmen oder Baugruppen, die für ein Windows-Betriebssystem erforderlich wären, sondern fordert lediglich, „dass“ ein solches bereitgestellt wird (s.o. Abschnitt 2.3.1: der Begriff „[X.]“ kommt im gesamten Streitpatent nur in Anspruch 33 und in Abs. [0048] einmal vor, und zwar ohne jegliche technischen Details oder System-Voraussetzungen – d.h. das Streitpatent überlässt möglicherweise auftretende technische Probleme dem Fachmann).

Auch die Art der Bedienungsanleitung („[X.]“) war im [X.] bei [X.]en nichts Ungewöhnliches und ist im Übrigen als „nichttechnische Vorgabe für den technischen Fachmann“ zu verstehen (s.o. Abschnitt 2.5.2, letzter Absatz).

2.7 Nach alledem ist der Patentanspruch 1 des [X.] nicht patentfähig, da sein Gegenstand – bei Berücksichtigung nur derjenigen Merkmale, die zu einer technischen Problemlösung beitragen – nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht.

3. Zum Hilfsantrag 1 (Anlage [X.]) / Zum Hilfsantrag 2 (Anlage NB7b)

3.1 Der Hauptanspruch des [X.] entspricht dem Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 (s.o. Abschnitt 2.1), jedoch lediglich ergänzt um die Merkmale [X.] und [X.] (d.h. ohne die Merkmale [X.], [X.], [X.], [X.]). Nachdem aber der um weitere Merkmale ergänzte Patentanspruch 1 des [X.] als „nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhend“ beurteilt wurde, kann für den „breiteren“ Hauptanspruch des [X.] nichts Günstigeres gelten.

3.2 Das Gleiche gilt ebenso für den Hauptanspruch des [X.], welchem gegenüber dem Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 das Merkmal [X.] fehlt. Auch sein Gegenstand beruht nach derselben Argumentation nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

4. Nachdem der jeweilige Gegenstand des Patentanspruchs 1 aller vier Hilfsanträge zumindest nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht, kann das Streitpatent auch in diesen Fassungen keinen Bestand haben.

Da die [X.] jeweils im Sinne eines geschlossenen Anspruchssatzes zu verstehen sind, sind deren [X.] von Amts wegen nicht auf patentfähige Inhalte zu prüfen. Einen entsprechenden Hinweis hat der [X.] in der mündlichen Verhandlung vom 8. Dezember 2022 erteilt.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 Satz 2 [X.] i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 99 Abs. 1 [X.] i. V. m. § 709 ZPO.

Meta

7 Ni 26/20 (EP)

08.12.2022

Bundespatentgericht 7. Senat

Urteil

Sachgebiet: Ni

§ 14 PatG

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Urteil vom 08.12.2022, Az. 7 Ni 26/20 (EP) (REWIS RS 2022, 9779)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 9779

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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